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Ausgrenzen ist faschistisch

Campax, WoZ, Jusos. Welche Bagage.

Unliebsame Musiker, Redner, Veranstaltungen, sogar eine Schweizer Folkloretruppe: wer es wagt, nicht gleicher Meinung wie linke Grossinquisitoren zu sein, die meinen, die Fähigkeit mit Löffeln gefressen zu haben, unfehlbar zwischen Gut und Böse zu unterscheiden: weg damit.

Da werden Petitionen gestartet, Forderungen aufgestellt, gegen das Zürcher Volkshaus gehetzt, die Wegnahme eines Postfinance-Kontos gefordert, der verstorbenen englischen Premierministerin nachgerufen «rest in piss, witch». Ein Ganser, ein Rima, ein Thiel, wer sich nicht im schlauchähnlichen Meinungskorridor dieser Dummschwätzer bewegt, soll gecancelt werden. Gleichzeitig behaupten andere Dumpfbacken, dass es eine solche Cancel Culture gar nicht gäbe, wer sich darüber beschwere, sei ein rechtskonservativer Schwurbler.

Das alles sei nötig im Kampf gegen Rassismus, Diskriminierung, oder wie Oberschwurbel Constantin Seibt so schön sagt: «Es geht um alles.» Es geht vor allem gegen Faschismus. Diese Bezeichnung einer historischen Ideologie ist zum Allerweltsschimpfwort geworden, sozusagen die politische Version von «Arschloch». Russland? Faschistisch. Trump? Faschist. SVP? Faschistoid. Das Adjektiv lässt sich beliebig an jede unliebsame Person oder Partei kleben.

Ist es nicht faschistisch, so ist es mindestens rassistisch, diskriminierend, ausgrenzend, sexistisch, populistischer Ausdruck einer männerdominierten Gesellschaft, Sprache, usw.

Unabhängig davon, ob diese Etikettierungen argumentativ hergeleitet (selten) oder einfach behauptet (meistens) werden: diese Art der Ausgrenzung des anderen, des Andersartigen – ist eindeutig und zutiefst faschistisch. Die Wesensverwandtschaft zeigt sich schon in dieser eschatologischen Endzeit-Anrufung. Es geht nicht einfach um eine politische oder gesellschaftliche Auseinandersetzung. Nein, es gehe um «alles».

Darauf hat bereits Adolf Muschg völlig zu recht hingewiesen: «Die Canceling Culture, die wir heute haben (…) das ist im Grunde eine Form von Auschwitz.»

Dafür bezog Muschg natürlich von den Betroffenen kräftig Prügel. Stellvertretend sei der Westentaschen-Geschichtsprofessor Philipp Sarasin zitiert: «Herr Muschg sollte sich in Grund und Boden schämen.» Hier ist prototypisch abgeliefert, woran diese Art von linker Kritik tödlich krankt: sie ist völlig argumentationsfrei. Sie behauptet einfach etwas, regt sich über etwas auf. Auch das ist ein Wesensmerkmal faschistischer Ideologie.

Die ist nämlich auch begründungsfrei, postuliert und behauptet, was ihr gerade in den Kram passt.

Aber das deutlichste Zeichen dafür, dass dieses Verhalten faschistisch ist, steckt in einem gern verwendeten Wort. Wer dies und das sage, sei ein «Unmensch». Ein verdächtig angebräunter Ausdruck, mit dem diese Frettchen jede inhaltliche Auseinandersetzung mit einer These wie der von Muschg vermeiden wollen. Ohne zu merken, wie nahe «Unmensch» beim Wort «Untermensch» ist.

Nun kann man, was diese Kleingeister natürlich sehr bedauern, einen Muschg und seine Aussage nicht einfach canceln. Aber am liebsten wäre diesen Protofaschisten, diesen in einem neuen Juste Milieu miefenden Kleingeistern schon, dass Auftritte gecancelt werden, und sei es auch nur wegen des Tragens von Rastalocken. Von unbotmässigen Ansichten ganz zu schweigen. Da sollten Säle verweigert, Auftritte in den Massenmedien vermieden, überhaupt Auftritte sabotiert werden. Veranstaltungen müssen unter Polizeischutz stattfinden, damit es randalierenden Chaoten  nicht gelingt, den Vortrag eines Menschen, der schlichtweg eine ihnen nicht passende Meinung vertritt, zu canceln.

Raul Hilberg, der sicherlich den wenigsten dieser geschichtsvergessenen Kläffer bekannt ist, fasste in seiner «Gesamtgeschichte des Holocaust», das wohl beeindruckendste Buch über «Die Vernichtung der europäischen Juden», diese Art von faschistischer Ideologie so einfach wie prägnant und richtig zusammen.

Die Vernichtungslogik der Nazis gegen die Juden war: Zuerst «Ihr dürft nicht so sein, wie ihr seid.» Dann: «Ihr dürft nicht unter uns sein.» Schliesslich: «Ihr dürft nicht sein.»

Auf genau diese Ähnlichkeit bei den Vertretern der fanatischen Rechthaberei und der inquisitorischen Anmassung, zwischen Gut und Böse, richtig und falsch unterscheiden zu können, hatte Muschg hingewiesen.

Angesichts aktueller Ereignisse, Boykottaufrufen, der Forderung, einer Bewegung ihr Bankkonto wegzunehmen, Rednern oder Künstlern Säle zu verweigern, muss neuerlich auf diese bedrückenden Ähnlichkeiten hingewiesen werden.

Denn es geht wirklich «um alles», wie Constantin Seibt nicht müde wird zu betonen. Es geht tatsächlich um den Kampf gegen moderne Formen des Faschismus. Die aber allzu häufig bei denen zu Hause sind, die am lautesten den angeblich aufkommenden Faschismus in Gestalt eines Putin oder eines Trump oder gar einer SVP denunzieren.

In der Umwertung vieler Werte ist neuerlich etwas entstanden, was schon 1968 der grosse deutsche Soziologe Jürgen Habermas als «linken Faschismus» kritisierte. Wie bei seinem brauner Bruder, der rechtsradikale Faschismus, ist auch hier der Schoss fruchtbar noch, aus dem das kroch.

 

Fordernde Kulturschaffende

Wenn Sie nicht nach Subventionen gieren, wollen sie anderen Unsinn.

Filmemacher Samir, eher konfliktiv im Subventionsgrab «Kosmos» in Zürich unterwegs, hatte mal wieder eine Idee. Man sollte doch unbedingt eine Forderung an den Bundesrat auf den Weg bringen.

Worum geht’s? Blöde Frage, die Ukraine natürlich. Denn: «Mit jedem Tag, an dem wir nicht entschieden gegen das Regime vorgehen, sterben mehr Menschen». Wer will das schon, also her mit der Entschiedenheit. Was tun? «Die Finanzierungsnetzwerke des Putinregimes austrocknen».

Wer sollte das tun? Die «geschätzten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte» – das hat man vom Genderwahnsinn. Was sollten die vermeiden? «Dass sich unser Land abermals zum Komplizen von Verbrechern macht». Wie geht das? Mit der Schaffung einer «Task Force».

Das fordert eine Liste von Kulturtätern «im Namen der Menschlichkeit und der Verteidigung der Demokratie». Kleiner hat man es in diesen Kreisen nie. Zum einen sollen «komplexe Vermögensstrukturen aufgedeckt» werden. Zum anderen soll der «russische Rohstoffhandel nicht weiter ungestört über/via die Schweiz fliessen». Und schliesslich soll das Land «so schnell wie möglich von russischen Öl- und Gasimporten unabhängig» werden.

Unterzeichnet ist der von Samir in Umlauf gebrachte «Aufruf» von den üblichen Verdächtigen. Charles Lewinsky, Jonas Lüscher, der ihn getextet haben soll, von Brachial-Komiker Mike Müller, Adolf Muschg, Roger de Weck, Patrick Frey und einigen Möchtegerns.

Wie es sich für verkopfte Künstler und Kulturschaffende gehört, wird nicht ganz klar, was sie eigentlich wollen. Welche Finanzierungsnetzwerke Putins sollte es denn in der Schweiz geben? Offenbar sind damit Vermögenswerte von reichen Russen gemeint, die man denen doch einfach mal präventiv wegnehmen sollte. Warum? Weil sie Russen sind, darum.

Und reiche Russen sind bekanntlich Verbrecher, weiss doch jedes Kind. Falls sie es nicht sind, sollen sie das halt gefälligst beweisen. Unschuldsvermutung war gestern, die Schuld muss über jeden vernünftigen Zweifel bewiesen werden, im Namen der Menschlichkeit: hinweg mit solchem Pipifax.

Dann soll der Handel mit russischen Rohstoffen nicht mehr in der Schweiz stattfinden. Wieso, ist das plötzlich illegal geworden? Will sowieso niemand mehr russische Rohstoffe? Doch, die ganze EU will sie weiterhin. Also soll der Handel woanders stattfinden? Super Idee.

Die Schweiz ist überhaupt nicht von russischem Öl, aber zu fast 50 Prozent von russischem Gas abhängig und stellt damit ca. 8 Prozent unserer Energie her. Das kann substituiert werden, und daran wird gearbeitet. Nur nützt da ein «so schnell wie möglich» ungefähr gleich viel wie der Wunsch, dass es morgen nicht regnen möge.

Auch mit ihren begleitenden Bemerkungen zeigen die Unterzeichner ein erschreckend flaches intellektuelles Niveau. So sagt Millionenerbe Patrick Frey:

«Wir wissen, was die Schweiz im Dritten Reich nicht getan hat. Und wir möchten, dass sich die Schweiz für einmal wirklich anständig verhält.»

Schriftsteller Lüscher schwant ganz Übles, käme Putin mit seinen Absichten davon: «Die Faschisten, auch im Westen, werden Frühlingsgefühle verspüren. Der Militarismus und der unsägliche Heroismus werden sich zurückmelden. Die Demokratie ist enorm bedroht.»

Sind das aber nicht die Gleichen, die den Heroismus und militärischen Widerstandswillen der Ukrainer loben? Und wieso sollte die Demokratie bedroht sein? Von Putin oder von diesen Rabauken, die keine Ehrfurcht und keinen Respekt vor dem Rechtsstaat zeigen?

Was lehrt uns also dieser Aufruf? Schweizer Kunstschaffende und Intellektuelle haben von Eigentumsgarantie, Gewerbefreiheit und anderen Grundwerten der Menschlichkeit und Demokratie keine Ahnung. Sie behaupten, wenn sich die Schweiz wie ein Rechtsstaat verhält, mache sie sich zum Komplizen von Verbrechern. Daher wollen sie nichts weniger als ihn beschädigen.

Im Namen der Menschlichkeit: Herr, lass Hirn vom Himmel regnen. Und verteile vorher an alle Unterzeichner dieses Aufrufs ganz grosse Löffel.

Ob die Literatur Zukker überlebt?

Nora Zukker ist Literaturchefin bei Tamedia. Gut für sie, schlecht für die Literatur.

Seit Anfang dieses Jahres hat der eine der beiden Duopolkonzerne im Medienbereich eine neue Literaturchefin. Ihr jugendliches Alter und die vielleicht damit einhergehende Unreife wollen wir ihr nicht vorwerfen. Es hat ja jeder Literaturchef mal klein angefangen. Auch so Leute wie Alfred Kerr, Frank Schirrmacher, Marcel Reich-Ranicki usw. Das waren dann alles erst noch Männer, im Fall. Und ihr sicherlich alle unbekannt, im Fall.

Also setzte Zukker schon früh ein erstes Zeichen, indem sie sich mit der Dumm-Literatin Simone Meier («Juden canceln») auf einem Friedhof mithilfe einer Flasche Chlöpfiwasser die Kante gab. Lassen wir das mal als erste Jugendsünde vorbeigehen.

Sie hat auch schon ein Buch geschrieben. Und mitsamt Crowdfunding – nun ja,  publiziert. Wir spürten kurz die Versuchung, Fr. 50.- für ein «Treffen mit der Autorin» zu investieren, konnten uns aber doch zurückhalten.

Dafür trifft die Autorin immer wieder Bücher, und das bekommt denen überhaupt nicht gut. Noch weniger den Lesern ihrer Berichte über solche Begegnungen. Streifen wir kurz, aber nur sehr kurz durch das literaturkritische Schaffen von Zukker. Sagen wir, so der letzten Wochen. Da hätten wir mal diesen da: «Claudio Landolt hat einen Berg vertont und dazu Prosaminiaturen geschrieben.» Oh, und wie tönt er denn so, der Berg? Nun, nach «grellem Pfeifen». Falsch, lieber Laie: «Das ist die absolute Aufnahme, das ist der ultimative Liebesakt zwischen den Ohren und dem Berg.»

Ohä, und wie tönt er denn, der Dichter?

«Da drüben sprechen zwei Männer mit Sand im Mund. Es scheint um Netze zu gehen.»

Ja, da knirscht der Leser auch mit den Zähnen, spuckt Sand und sucht das Weite.

Wir folgen der Schneise der Verwüstung

Wir folgen aber tapfer Zukker zum «Berner Autor Michael Fehr». Womit erfreut der uns? «Ein Mann brät in der Pfanne eine Katze, die sich in seiner Wohnung verirrt hat. Pistolen schiessen in offene Münder hinter dem Bankschalter, ein Paar plündert ein Lebensmittelgeschäft.» Was soll uns nun das sagen? «All das geschieht in den auf das Kreatürlichste destillierten Texten von Michael Fehr.» Oh, was löst das in Zukker aus? «Man möchte schreien und verstummen, man möchte tanzen und sich hinlegen. So unerbittlich uns Michael Fehr an unsere Begrenztheit und zutiefst menschliche Widersprüchlichkeit erinnert, so tröstlich fühlt sich der Raum an Möglichkeiten an.» Ohä, worum geht’s schon wieder? ««super light» ist unerbittlich und von brachialer Zartheit und die Einladung, sich einzulassen aufs Leben, weil es so oder so kein Entkommen gibt.»

Ja, den Eindruck hat der Leser inzwischen auch, aber wir flüchten nun zum «neuen Roman von Judith Keller». Das ist nämlich «Milena Moser auf Acid». Oh. Als ob Moser ohne Acid nicht schon schlimm genug wäre, aber worum geht’s denn hier? Natürlich kommen auch Roger Federer, Virginia Woolf, Hölderlin und die Odysee vor. Ohä, einfach, damit das klar ist: wir verneigen uns hier vor «Prosaminiaturen». Wie dieser:

«Dazu sagen sie Sätze wie: «Es ist so still. Was wollen wir reden?»»

Nichts, rufen wir erschöpft, aber unsere Odyssee, bei Hölderlin und Federer, ist noch nicht vorbei. Wir sind nun beim Debutroman von Andri Hinnen. Etwas Leichfüssiges über «unsere inneren Dämonen». Da könnte sich Dostojewski wohl noch eine Scheibe von abschneiden, wenn Zukker wüsste, wer das ist. So aber lobt sie: «Ein rasanter Roman, der durch den Einfall, die Psychose zur Figur «Rolf» zu machen, überrascht.» Vielleicht eine Schlaufe zu viel, meldet sich die strenge Literaturkritikerin aber: «Wenn es richtig reinknallt, sind wir am Leben.»

Überleben, das ist alles bei der Lektüre von Zukker

Wir sind hingegen froh, immer noch am Leben zu sein nach diesem Martyrium, nach diesen Stahlgewittern (Jünger, das war, aber wir haben ja schon aufgegeben). Noch ein letzter, matter Blick auf die Fähigkeiten von Zukker als Feuilletonistin. Da wird sie launig: «Sommer nach der Pandemie: 3, 2, 1 … Ausziehen!» Hui, wird’s jetzt noch sinnlich? «Ich bin in der Bar meines Vertrauens. Zwei Beine in einer kurzen Hose setzen sich neben mich, und ich komme nicht damit klar.» Oh, damit wäre die Frage nach Sinnlichkeit bereits beantwortet: Nein. Nach Sprachbeherrschung auch. Beine setzen sich? Aua.

Ist’s wenigstens unterhaltsam? «Ich bestelle einen weiteren Negroni sbagliato und frage mich, gibt es auf Ibiza eigentlich FKK-Strände, denn: Würde ich die Entwicklung dieser Entkleidungszeremonie weiterdenken, müsste die kurze Hose neben mir eigentlich auf der Baleareninsel nackt rumlaufen.» Ohä, auch nein.  Nochmal aua, eine kurze Hose läuft nackt herum? Gibt’s noch irgendwie eine Pointe, etwas, das «richtig reinknallt»? Na ja: «Ich rufe meinen guten Freund in Deutschland an und frage ihn: «Wie nackt sind die Beine im Norden?»»

Nein, die Antwort wollen wir nicht wissen. Aber immer noch besser, als wenn sich Zukker in Debatten einmischt, für die man lange Hosen anhaben müsste, um wirklich mitdiskutieren zu dürfen. Wie zum Beispiel das längst verstummte Geschrei um eine Provokation von Adolf Muschg. «Twitter richtete. Dass der Schweizer Intellektuelle die Cancel Culture mit Auschwitz verglich, löste harsche Kritik aus», blubberte Zukker damals. Schlimmer noch:«Dieses Wort lässt keinen spielerischen Umgang zu.» Entweder weiss sie auch hier nicht, was sie schreibt, oder sie unterstellte Muschg, er habe das Wort Auschwitz «spielerisch» verwendet. Wir regten damals an, dass sich Zukker wenigstens bei Muschg für diesen unglaublichen Ausrutscher entschuldigen sollte. Tat sie nicht.

Also bitte, bitte, lieber Arthur Rutishauser. Lieber Herr Supino. Liebe Minerva, liebe Hüter der letzten Reste von Niveau und Anspruch: wer sorgt wann dafür, dass diese Frau die deutsche Literatur nicht mehr länger quälen, zersägen, misshandeln darf – und den Leser auch noch?

 

Der Stuka-Semit

Wo Antisemitismus sein hässliches Haupt erhebt, da ist David Klein. Und verstärkt ihn.

«Da muss man nicht lange werweissen, was der kleine Adolf in der Familie Muschg über Juden zu hören bekam. Und mal ganz ehrlich: Wer tauft seinen Sohn 1934 noch auf den Namen Adolf?»

Wer sich zum Thema Israel oder Juden äussert, bekommt es früher oder später mit David Klein zu tun. Ausgerüstet mit ausgeliehener Opferrolle («2 meiner Urgrosseltern wurden in Auschwitz ermordet, 2 begingen Selbstmord, weil sie nach Auschwitz deportiert werden sollten»), ist Klein immer dann zur Stelle, wenn es gilt, mit masslosen, geifernden, meistens faktenfreien Verleumdungen und Rüpeleien angebliche Antisemiten zur Strecke zu bringen.

Wer Antisemit ist und wie sich das äussert, das entscheidet auf der ganzen Welt nur einer: David Klein. Sein Urteil kann nicht appelliert werden, als rächender Stuka-Semit muss er es auch nicht begründen. Davor salvieren ihn seine Urgrosseltern. Was für eine unanständige Gebrauchsleihe eines Schicksals, das Kleins Argumente weder besser, noch schlechter macht.

Was mit meinen Urgrosseltern geschah, was meine Eltern taten oder nicht taten, kann sicherlich Thema einer Betrachtung sein. Was aber garantiert überhaupt keinen Zusammenhang damit hat: ob meine Diskussionsbeiträge, Überlegungen damit richtiger, wichtiger, unbestreitbarer werden. Natürlich werden sie das nicht.

Am liebsten pinkelt er weit entfernte Ziele an

Am liebsten macht er sich über Organisationen oder Personen her, die weit genug weg sind, um ihn gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Zu seinen grossen Feinden gehört die UNRWA, das Hilfswerk der UNO für Palästina-Flüchtlinge. Das unterstütze die «Indoktrination von Kindern zu Hass auf Juden». Schlimmer noch: die UNRWA werde «mit 600 Millionen CH-Steuerfranken durch das EDA finanziert».

Obwohl der UNRWA «struktureller Antisemitismus nachgewiesen» werde, «UNRWA-Lehrer leugneten den Holocaust und zelebrierten Adolf Hitler». Das gehört zu Kleins Standard-Repertoire, immer mal wieder variiert und neu dargeboten, wo man ihn lässt. Zurzeit lässt man ihn im «Nebelspalter». Dessen Chefredaktor Markus Somm glänzt neuerdings selbst mit absurden Theorien zu den Ursachen der neusten kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten.

Die jüngste Offensive habe die Hamas deswegen starten können, weil US-Päsident Biden den Würgegriff seines Vorgängers Trump um den Iran gelockert habe. Klein begleitete Somm auch schon in dessen Zeiten als Chefredaktor der BaZ. Allerdings variierte Klein damals seine Anschuldigung so: Er warf dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks) vor, es habe Spendengelder veruntreut, indem es antisemitische Aktionen fördere. Das Hilfswerk «unterstützt Antisemitismus», holzte Klein.

Das war faktenfreier Unsinn. Nachdem sich die BaZ unter Somm weigerte, eine Richtigstellung abzudrucken, klagte das Heks – und bekam auf ganzer Linie recht.

Diese Niederlage hat Klein bis heute nicht verwunden; mit immer massloseren Schmähungen zeigt er das:

«Freisler, Himmler oder Hitler haben den Holocaust nicht durchgeführt, sondern die Millionen deutscher Christen, die in den KZs, in der SS und Wehrmacht Dienst taten, ihre Nachbarn denunzierten etc. Und heute führt das HEKS und viele andere diese Ideologie fort.»

Das ist nun nicht einfach mehr masslos, bodenlos, haltlos. Heks führe die «Ideologie» des Nazi-Scharfrichters Freisler, des Organisators des Holocaust Himmler und des Jahrhundertverbrechers Hitler fort? Ich habe zwar einen Doktor, bin aber kein Arzt.

Klein wütend gegen jeden (und jede)

Kleins immer unbändigere Hass richtet sich nicht nur gegen Institutionen, sondern natürlich auch gegen jeden, der es wagen sollte, an Juden oder Israel Kritik zu üben. Dagegen hat Klein den Straftatbestand Judenlästerung erfunden. Er selbst ist dabei Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person. Wobei das Urteil von vornherein feststeht: Antisemit. Judenhasser.

Alles Judenhasser, von links bis rechts. «Obsessive Israelkritik der WoZ überschreitet regelmässig die Grenze zum Antisemitismus», Res Strehle «diffamiert in der WoZ Juden, im Dienste des Grosskapitals zu sein». SP-Nationalrat Carlos Sommaruga «hasst Israel», nau.ch lässt ihn «unwidersprochen behaupten, Gaza sei ein Gefängnis». «Die «nazifreien» linken Antisemiten und Israelhasser von @baselnazifrei demonstrieren für antisemitische Palästinenser». Hamas hasst die Juden, «so wie SRF offensichtlich auch. Anders ist diese Hetze gegen Israel nicht erklärbar».

Auch «20 Minuten» zieht immer wieder den Zorn des Antisemitismus-Detektors Klein auf sich: «Nochmals, @GaudenzLooser: so geht das nicht.» Schon im nahen Ausland ist man vor Kleins Schlammbädern nicht sicher. Die stv. Chefredaktorin der «Süddeutschen Zeitung», die «Nachfolgezeitung des NS-Hetzblatts «der Stürmer», die kein Wort Hebräisch» spreche, schwafle von Israelis, die «mit Stiefeln über Gebetsteppiche stampfen».

Wer versucht, sich mit Klein auf eine Debatte einzulassen, könnte genauso gut mit einem Blinden und Tauben über die farbige Aufführung einer Wagner-Oper debattieren.

So fragt die Autorin einer NZZ-Reportage nach, wieso ihr Klein «Lügen» und «Verbreiten von Gerüchten» vorwerfe. Er solle doch sagen, was er damit meine, dann könne sie ihm antworten. Sonst sei das kein Beitrag zur «Diskussionskultur». So aber nicht mit Klein, da schäumt er: «Zur «Diskussionskultur» trägt vor allem die Verbreitung von Lügen und Gerüchten über Juden und Israel nichts bei, ausser das Schüren von Antisemitismus. Das praktizieren Sie seit Jahren, wie seinerzeit der Israelhasser Martin Woker. Ich hatte gehofft, das wäre bei der NZZ vorbei.»

Das sind seine Kurzrülpser auf Twitter, wenn man ihm Platz für längere Stücke gibt (was nicht einmal mehr Audiatur gerne tut), dann wird er noch massloser. Muschg? Ist «doch ganz einfach: Adolf Muschg hat ein Problem mit Juden. Hatte er immer schon.» Deshalb eilte er Martin Walser «nach seinen unsäglichen antijüdischen Ausfälligkeiten zu Hilfe und stand Waffen-SS-Mitglied Günter Grass bei.» Solchen Stuss darf Klein im «Nebelspalter» absondern.

Schweizer Steuerzahler unterstützen islamistischen Terrorismus

Und immer wieder die angebliche Finanzierung von Terrororganisationen gegen Israel mit Schweizer Steuergeldern, obwohl Klein nach seiner Erfahrung mit HEKS da gerne etwas allgemeiner bleibt. Verbündete hat Klein eigentliche keine. Der Schweizerisch Israelitische Gemeindebund hat «mutlose Funktionäre», die «mit ihrer weinerlichen Entschuldigungsforderung als Ritter der besonders traurigen Gestalt daher» kämen. Das deswegen, weil die offenbar nicht drakonische Bestrafungen von Muschg und allen Beteiligten fordern, die ihn das Wort «Auschwitz» in den Mund nehmen liessen, ohne ihn ultimativ und sofort zu Abbitte, Reue und Kniefall aufzufordern.

Das verweigert auch die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, die Klein schon mal den «Amtskollegen Hitler» an die Seite stellte. Das traut er sich nicht mehr zu wiederholen, aber diese Schmähung an Merkel schon, die bewege sich «alljährlich auf den braunen Hügel zu Bayreuth, um bei Judenhasser Wagner auf dem Roten Teppich zu tänzeln, kichernd wie ein Backfisch.» Das sei «staatlich vorgelebte Relativierung von Antisemitismus». Nicht nur deshalb schrieb Jürg Altwegg im Feuilleton der FAZ völlig richtig über Klein: «Der Mann ist als Rassist bekannt.»

Nicht alles, aber das meiste, was Klein öffentlich äussert, ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Oftmals wagen seine Opfer keine Gegenwehr, weil sie sich nicht auf eine eskalierende Schlammschlacht einlassen wollen, bei der Stuka-Semit Klein sich beliebig steigert bis zum Diskant. Er profitiert davon, dass bis heute in Deutschland – und weniger stark in der Schweiz – das Etikett Antisemit, Judenhasser peinlich vermieden werden will.

Klein, und seinen weniger radikalen Gesinnungsgenossen, die bei jedem von ihnen als Judenlästerung empfundenen Wort sofort eine geistige Nähe zu SS-Schergen an der Rampe von Auschwitz denunzieren, die Solidarität mit tatsächlichen Judenhassern, die Unterstützung von Terrororganisationen wie der Hamas unterstellen, wollen jede Debatte über israelische Politik unterbinden.

Wer dabei einen solchen Header bei Twitter verwendet:

 

der ist nicht nur geschmacklos, unappetitlich, sondern vor allem selbst Vertreter einer Cancel Culture, die Muschg völlig zu Recht als Vorläufer einer Entwicklung, die mit Auschwitz enden kann, kritisierte. Dass Klein dieser schreiende, geradezu aberwitzige Widerspruch nicht auffällt, ist bedenklich. Mit Methoden, die aus dem gleichen Schoss krochen, aus dem diese Naziverbrecher entsprangen, will er deren moderne Wiedergänger denunzieren. Um damit eine Wiederholung zu verhindern.

Dass er selbst damit als Jude Antisemitismus Vorschub leistet, wie es kaum ein rechtsradikaler Schreihals kann, ist die unerkannte, aber tiefe Tragödie seines Lebens. Es stünde auch Markus Somm gut an, Klein endlich vor sich selbst zu schützen. Das gehört zu den Aufgaben eines verantwortungsbewussten Chefredaktors.

Minenfeld Israel

Linke winden sich, die Tempelwächter des Staates Israel verbellen jede Kritik an seinen Taten.

Alle israelfreundlichen Kreise, aus welchen Motiven auch immer, versuchen nicht ohne Erfolg, jede Kritik an Handlungen dieses Staates durch Denunziation zum Schweigen zu bringen.

Als die US-Politwissenschaftler John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt 2006 die Untersuchung veröffentlichten: «Die Israel-Lobby und die US-Aussenpolitik», wurden sie niedergeschrien und niedergemacht.

Denn ihr These lautete, dass die weitgehend vorbehaltlose Unterstützung Israels durch die USA den Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderlaufe und letztendlich beiden Staaten schade.

Den Artikel hatte «Atlantic Monthly» 2002 in Auftrag gegeben – und verweigerte den Abdruck. Erst 2006 wurde er in der «London Review of Books» publiziert. Eine erweiterte Fassung als Buch.

Es ist ein streng wissenschaftlicher Text, der mit der üblichen Methodik der Politwissenschaften dieses Verhältnis umfangreich dokumentiert darstellt. Und zu dieser These kommt.

Die englische Ausgabe ist noch lieferbar, die im Campus-Verlag erschienene deutsche Version nicht mehr. Das muss nun nicht den langen Arm der Israel-Lobby in Deutschland belegen, und die These der Wissenschaftler ist eine diskutable Position.

Spielen auf der Denunziations-Klaviatur

Die aber fast überhaupt nicht diskutiert wurde, sondern die beiden Wissenschaftler wurden aufs übelste beschimpft, ihnen wurde die übliche Klaviatur von Antisemit bis Anti-Zionist vorgespielt.

Genau gleich verhalten sich aktuell viele Meinungsbildner auch in den Schweizer Medien. Es geht dabei gar nicht darum, Partei zu ergreifen oder sich für eine der beiden Seiten im wiederaufgeflammten Krieg zwischen Palästinensern und dem israelischen Staat zu entscheiden. Und nur die Greueltaten der jeweils anderen Seite zu beklagen.

Eigentlich wäre hier, wenn das überhaupt möglich ist, Analyse und Erklärung gefordert. Ziemlich alleine auf weiter Flur steht zurzeit die NZZaS. Sie weist völlig zu Recht darauf hin:

«Der Auslöser für die Gewalt war die drohende Wegweisung palästinensischer Familien in Ostjerusalem. Ihre Häuser stehen auf Land, das einst Juden gehört hatte, bevor Jordanien Ostjerusalem nach dem israelisch-arabischen Krieg 1948 besetzte. Israel erlaubt den Erben dieser Eigentümer, ihren Besitz zurückzufordern. Palästinensern wird jedoch umgekehrt dieses Recht für ihre früheren Häuser in Westjerusalem, aus denen sie vertrieben wurden, nicht gewährt.»

Das war der Auslöser, der entweder überhaupt nicht oder nur am Rande erwähnt wird.

Barbarei und  Greueltaten gegen berechtigte Gegenwehr

Das zeugt einfach vom üblichen unterirdischen Kenntnisniveau der meisten Journalisten. Wer sich aber darin erschöpft, «gerechtfertigte Gegenwehr» zu erklären und zu verteidigen, treibt einen weiteren Sargnagel in das Ansehen des Journalismus. Denn eigentlich sollte er auch hier leisten: beschreiben, was sich dort abspielt. Versuchen, diese Ereignisse verständlich zu machen, analysieren, einordnen.

Vielleicht auch darauf hinzuweisen, dass der Konflikt existiert, existierte, weiter existieren wird, wenn keine Lösung dafür gefunden wird. Welche Methoden welcher Seite abscheulich, welche gerechtfertigte Notwehr, welche barbarisch, welche zivilisiert sind, das einzuordnen traue ich mir nicht zu.

Andere Art, die Analyse von Adolf Muschg zu bestätigen

Aber das Urteil schon, dass hier in einer Art negativer Dialektik die Argumentation gegen die Verwendung des Wortes «Auschwitz» durch Adolf Muschg durchexerziert wird. Denn auch hier wird sofort klargestellt, wes Geistes Kind jemand sei, der nicht eindeutig für Israel Partei ergreift. Der negiere die historische Schuld, sei deshalb nicht nur als Palästinenserfreund und damit auch gleich Anhänger von blutrünstigen Terrorgruppen zu denunzieren, sondern in enger Umarmung mit Rechtradialen, Holocaust-Leugner und ähnlichem Abschaum.

Dabei ist auch diese Debatte wieder ein Beleg für die Richtigkeit der Analyse von Muschg. Ausgrenzung und Stigmatisierung Andersdenkender, völlige Unfähigkeit zur Selbstrefelexion, weil man unter dem Gewicht der eigenen moralischen Überlegenheit kaum mehr laufen kann. Das sind Denkmuster, die zumindest unter Totalitarismus-Verdacht stehen. Und die absolute Überzeugung der Richtigkeit der eigenen Positionen, der Befähigung, moralisch und ethisch alles abkanzeln zu dürfen und müssen, das diesem Weltbild in der Weltblase nicht passt, das ist nun tatsächlich die road to Auschwitz.

Jetzt alle: Rettet UKW

ZACKBUM darf das: unterschreibt diese Petition! Dann seid Ihr auf der richtigen Seite.

Wenn alte, weisse Männer Gas geben, dann bleibt all den Weltenrettern auf Twitter, den Rechthabern auf Facebook, den übrigen Privatradio-Verwaltern mal kurz der Mund offen.

In (natürlich nur altersmässig) absteigender Reihenfolge:

 

  1. Adolf Muschg mischt sich kraftvoll in die zunehmend inquisitorische öffentliche Debatte ein. Sagt einmal Auschwitz, und schon tobt der Bär, summen aufgeregt die Fliegen, ist keiner zu klein, Denunziant zu sein. Und niemand von diesem Pack merkt, dass es genau das tut, was Muschg kritisiert. Diese Dauererregten darauf aufmerksam zu machen, das ist ungefähr so sinnvoll, wie eine Eintagsfliege zu fragen: und was machst du morgen?
  2. Roger Schawinski ist der einzige Radiomacher in der Schweiz, der wieder eine Idee hatte. Seither macht er sein Talk Radio. Jeweils am Morgen die interessantesten Stunden des Tages. Mit Gästen, Experten, Politikern, Meinungsträgern – und seinen Hörern. Live, schnell, und Roger weiss jeweils nicht, was auf ihn zukommt. Das ist Radio. Alles andere ist Dudelfunk. Und nun hat Schawinski noch eine Idee: «Rettet UKW». Früher war Wimpel an der Auto-Antenne, heute ist virtuelle Unterschrift. Tut nicht weh, ist einfach, muss man machen.
  3. Da muss noch fragwürdiges Eigenlob drangeklebt werden, warum nicht. Am 11. März erschien der letzte Beitrag meiner zwei Mitstreiter, die sich dann vom Acker machten. Seither – mit nur zwei gelegentlichen Guest Stars – macht René Zeyer hier alles alleine. Im Schnitt drei Artikel pro Tag. Jeden Tag. Andere verbraten dafür Millionen. Ich mach’s aus Spass an der Freud. Grüngelber Neid und finsteres Schweigen ist mein Lohn. Aber Kollege Jürg Altwegg nimmt in der FAZ Notiz, was will man mehr:

 

«Für den Publizisten René Zeyer, der das medienkritische Portal „Zackbum“ betreibt, ist der Vergleich dagegen weder skandalös noch falsch. Zeyer springt dem Schriftsteller mit Raul Hilberg, dem Verfasser des Standardwerks über „Die Vernichtung der Juden in Europa“, zur Seite. Muschgs Argumentation entspreche Hilbergs Beschreibung von der Entstehung des Holocausts. Zeyer unterstreicht, dass Muschg die „schrecklichen Vereinfachungen“ der Cancel Culture kritisiert habe. Er zitiert den Schriftsteller differenzierter als die Ankläger: Es sei „das Interessenlose an den eigenen Widersprüchen“, das Muschg der Cancel Culture anlaste.»

So, das Karussell im Jahrmarkt der Eitelkeit steht wieder still. Dann tut was. Unterschreibt, verbreitet, spendet.

  • Wird ein schönes Gefühl werden: endlich mal bei den Siegern zu sein.

Alles wird gut: Zukker greift ein

Immerhin durfte Adolf Muschg 86 Jahre alt werden, bevor er dieser «Literaturchefin» in die Hände fiel.

Wenn sich – wie immer in der Welt der blubbernden Blasen namens Social Media – die Blaser einer neuen Themenblase zuwenden, kommen die Erwachsenen und ordnen ein, fällen das endgültige Urteil.

Nachdem so ziemlich alle etwas zur Verwendung des Wortes Auschwitz durch Adolf Muschg gesagt haben, ist es natürlich höchste Zeit, dass die Literaturchefin von Tamedia immerhin rund eine Million Leser damit beschallt, was ihr noch zu diesem Thema einfällt.

Dabei haben sich doch schon Geschichtsprofessoren lächerlich gemacht, CH Media überraschte sogar mit einer differenzierten Darstellung, nun kommt Nora Zukker mit ihrer «Analyse zur Rechtfertigung von Adolf Muschg». Leider kann sich weder das Wort Analyse noch Muschg dagegen wehren.

«Twitter richtete. Dass der Schweizer Intellektuelle die Cancel Culture mit Auschwitz verglich, löste harsche Kritik aus.»

Schon hier möchte man Zukker, zu ihrem eigenen Besten, zurufen: halte ein, bevor dich Lächerlichkeit tötet.

Denn Twitter richtet sicherlich nicht. Auf Twitter zwitschern – meist wie ein Schwarm Spatzen im Baum – viele schräge, dumme, kurzatmige, dauererregte Verfasser von Kurzgedanken vor sich hin. Die Relevanz ihres Zwitscherns ist meist schon verklungen, bevor jemand die Textlein gelesen hat. Fängt ein Spatz an zu tschilpen, stimmen sofort Hunderte ein – und eine Sekunde später haben alle alles vergessen.

Ob Zukker jemals etwas von Muschg gelesen hat?

Nein, Frau Zukker, der Schweizer Schriftsteller Muschg (schon mal was von ihm gelesen? Was? Und was davon behalten?) hat das nicht getan. Das versucht er seither unermüdlich zu erklären, was überhaupt nichts mit einer Rechtfertigung zu tun hat. Sonst hat Zukker aber bisher alles richtig verstanden und wiedergegeben. Zum Beispiel? Ähm, also der Name des Intellektuellen ist richtig geschrieben. Ist doch was.

Wie steht es nun mit der Verwendung des Synonyms für den Plan der deutschen Faschisten, alle Juden Europas auszurotten?

«Das Wort «Auschwitz» ist nicht verhandelbar.»

Sagt wer? Sagt Zukker. Mit Verlaub: wer wollte denn darüber verhandeln? Niemand; also was soll der Quatsch? Sie nimmt einen zweiten Anlauf: «Wird es in einen neuen Kontext gesetzt, relativiert und verharmlost es den Holocaust.»

Hört sich irgendwie apodiktisch-richtig an. Ist aber hanebüchener Unsinn. «Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch», dekretierte Theodor W. Adorno 1949. Wikipedia kann allen weiterhelfen, die keine Ahnung haben, wer das war. Adorno relativierte dann immerhin 1966 in seiner «Negativen Dialektik»: «Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe sich kein Gedicht mehr schreiben.»

Perennierend bedeutet «durch die Jahre dauernd», «ausdauernd». Den Rest versuche der Leser selbst zu verstehen. Das gilt auch für Zukker, ist dort aber wohl aussichtslos. Denn ob mit oder ohne Champagner, da herrscht im Oberstübchen ziemlich Sonnenfinsternis. Das ist übrigens der Titel eines Romans von Arthur Koestler, aber das würde hier wirklich zu weit führen.

Die sowjetischen Befreier vor den Verbrennungsöfen in Majdanek.

Wenn das Wort Auschwitz nicht «in einen neuen Kontext gesetzt» werden dürfe, wie steht es dann mit Treblinka? Sobibór? Majdanek? Belzec? Bloss weil Zukker diese Namen von Vernichtungslagern vielleicht nicht kennt, dürften die dann «in einen neuen Kontext» gesetzt werden? Oder auch nicht? Wie steht es dann mit dem Wort «Endlösung»? Mit dem ganzen Vokabular der Nazi-Verbrecher?

Wenn Zukker nicht eine Frau wäre, hätte sie für die folgende Ungeheuerlichkeit eins hinter die Ohren verdient: «Dieses Wort lässt keinen spielerischen Umgang zu.» Entweder weiss sie auch hier nicht, was sie schreibt, oder sie unterstellt Muschg, er habe das Wort Auschwitz «spielerisch» verwendet.

Eigentlich erübrigt diese Schmähung jede weitere Auseinandersetzung mit dieser Literaturchefin. Aber nur eines noch: «Dass der Schriftsteller in den 1990er-Jahren ein Büchlein mit dem Titel «Wenn Auschwitz in der Schweiz liegt» veröffentlichen konnte, macht die Sache nicht besser.»

Keine Ahnung von nichts, so wird man Literaturchefin

Aus dieser Formulierung geht eindeutig hervor: Zukker hat das «Büchlein» weder gelesen, noch weiss sie etwas über seinen Kontext. Kurz «recherchiert», also Wikipedia, diesen Titel gefunden, aha gesagt, losgeschrieben. Peinlich, ist das peinlich.

Fast so peinlich, wie dass die Literaturbanausin zwar zitiert, dass SRF von Muschg ein «klärendes Statement» verlangte, das er auch sofort geliefert habe. «Ich war naiv genug zu glauben, dass es auch publiziert würde.» Mit anderen Worten: es wurde gecancelt. Das wäre nun eigentlich ein Skandal, dem nicht nur Literaturchefs nachgehen sollten. Tun sie aber nicht.

Stattdessen, wenn Twitter schon urteilt, kann das Zukker doch auch: «Die Stellungnahme des 86-Jährigen bleibt zwischen Entschuldigung im Dienste anderer und trotziger Beharrlichkeit hängen.»

Geschätzte Frau Zukker, ihre «Analyse» hängt zwischen Unwissen, Unverständnis und Unverschämtheit. Es wäre ein Zeichen trotziger Beharrlichkeit, wenn sie sich dafür nicht wenigstens bei Adolf Muschg entschuldigen würden. Finden Sie nicht auch?

 

Ist Muschg Dialektiker?

Oder kennt er die Strategeme von General Tan Daoji? Wenn ja, ist seine Verwendung des Worts Auschwitz genial.

Die SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie» strahlt normalerweise eine Ruhe aus, die ebenfalls entsteht, wenn man der Farbe an der Wand beim Trocknen zuschaut. Da wird bedeutungsschwanger Schwulst geschwätzt, der Dialog schleppt sich dahin, bis das Ende den verbliebenen Zuschauern die Augendeckel lupft und sie mit letzter Kraft die Fernbedienung betätigen.

Ganz anders in der letzten Sendung. Da war der letzte lebende Schweizer Grossschriftsteller Adolf Muschg zu Gast. Der entwickelte einen interessanten Gedankengang.

Er dachte laut darüber nach, wohin das Ausschliessen von Menschen aus dem allgemeinen Diskurs führe. Was eine radikale Stigmatisierung von Anderen bedeute. Er dachte dabei über die Cancel Culture nach:

«Dass man abgeschrieben wird, wenn man bestimmte Zeichen von sich gibt. Das sehen wir bei feministischen Diskursen ebenso wie bei anti-rassistischen.»

Er geht noch weiter; nicht das Inhumane daran sei schrecklich: «Es ist das Interessenlose an den eigenen Widersprüchen.» Also an der Tatsache, dass unvereinbare Dinge zusammengehen. Dem wird mit «schrecklichen Vereinfachungen» begegnet. Dann kommt Muschg zu seiner vorläufigen Synthese: «Man will Leute disqualifizieren, die Schwarze disqualifizieren. Das ist sehr ehrenwert. Aber diese Disqualifikation gerät ins genau gleiche faschistoide Fahrwasser des Ausschliessens der Anderen. Nur sind es jetzt andere Andere.»

Ein bestechender, richtiger und nicht einmal sonderlich neuer Gedankengang. Das hätte höchstens an abgelegenen Lagerfeuern intellektueller Abschmecker und Abwäger für ein paar Kriegstänze gesorgt, nach denen man sich aber wieder abgeregt hätte. Nun stellte Muschg aber auch diesen Satz in den Raum:

«Die Canceling Culture, die wir heute haben (…) das ist im Grunde eine Form von Auschwitz.»

Nun kann der inzwischen 86-jährige Literaturprofessor, der sich mit dem Thema Auschwitz ausgiebig beschäftigte, sicher nicht behaupten, dass ihm die Verwendung dieses Wortes einfach so rausgerutscht sei.

Auschwitz ist immer ein Trigger für Aufmerksamkeit und Entrüstung

Natürlich wusste er, was dann passieren wird. Nämlich das übliche absurde Theater genau dieser Canceling Culture. Zunächst bedauerten SRF und der Moderator der Sendung «sehr». Was denn? Er hätte «einhaken müssen», den «problematischen Vergleich kritisieren».  Doppelt genäht hält besser, dachte sich der Moderator, und entschuldigte sich gleich nochmal persönlich dafür, dass er es «verpasst» habe, «den absurden Vergleich zu thematisieren».

Man weiss eigentlich sofort, welches die richtige und welches die falsche Seite in einer Debatte ist, wenn sich der Westentaschen-Geschichtsprofessor Philipp Sarasin ungefragt zu Wort meldet. Seine Tonlage ist nicht professorale Gelassenheit: «Das ist ja echt nicht zu fassen. Was für eine Schande.» So keifte er aus Anlass einer Karikatur im neuen «Nebelspalter». Und auch hier ist er sofort zur Stelle, macht Männchen und kläfft los:

«Herr Muschg sollte sich in Grund und Boden schämen – und es ist absolut unverständlich, warum der Moderator das unwidersprochen einfach stehenlässt

Nein, Herr Professor, einzig unverständlich ist hier, wieso man Sie üppig bezahlt auf arme Studenten loslässt, die eigentlich einen reflektierten und auf wissenschaftlichen Methoden beruhenden Umgang mit der Geschichte lernen sollten. Das können Sie ihnen offensichtlich nicht beibringen.

Aber das waren natürlich nur die ersten Schaumkronen auf der üblichen Gischt der Verurteilung, der Entrüstung, der Indignation, der Erschütterung. Die sich natürlich noch steigerte, als Muschg keinen Grund sah, sich seinerseits zu entschuldigen. Wofür auch?

Eine Übertragung eines Gedankens von Raul Hilberg

Er hat ja lediglich den Gedanken von Raul Hilberg anders formuliert. Hilberg? Alle Frettchen von Sarasin abwärts sollten sich vielleicht kundig machen, wer das war und welches Werk Hilberg hinterlassen hat. Der fasste die Vernichtungslogik der Nazis gegen die Juden so zusammen: Zuerst war: «Ihr dürft nicht so sein, wie ihr seid.» Dann war: «Ihr dürft nicht unter uns sein.» Und schliesslich: «Ihr dürft nicht sein.»

Auf genau diese Ähnlichkeit bei den Vertretern der fanatischen Rechthaberei und der inquistorischen Anmassung, zwischen Gut und Böse, richtig und falsch unterscheiden zu können, hat Muschg hingewiesen. Dass viele dieser Kämpfer für das Gute und gegen das Böse genau die gleichen Methoden verwenden, die sie den «Unmenschen» vorwerfen.

Selbst der Ausdruck «Unmensch» verbreitet schon einen leicht angebräunten Geruch. Aber zu solchen Differenzierungen sind weder ein Professor Unrat, noch andere Tiefflieger fähig. Sie machen also genau das, was Muschg ihnen vorwirft. Anstatt sich mit ihm auseinanderzusetzen, besser noch: mit seinen Überlegungen, verwechseln sie Mensch und Meinung.

Eine Meinungsdebatte wäre: Muschg hat das gesagt; das ist falsch, weil. Muschg hat einen Vergleich mit Auschwitz gezogen. Das geht nicht, weil. So würde, theoretisch, eine intellektuell anspruchsvolle Debatte laufen.

Bereue, Mensch, schäm dich, fordern die modernen Inquisitoren

Aber stattdessen soll sich Muschg in Grund und Boden schämen, hat der Moderator versagt, weil er dem Denker nicht sofort übers Maul gefahren ist, müssen alle sofort das Haupt senken und um Verzeihung bitten. So wie der arme Sünder, wenn ihm die Instrumente gezeigt wurden, sofort alles einräumte. Und bereute.

Nun ist – zum grossen Ingrimm all dieser Kläffer – Muschg nicht irgendwer. Sarasin ist nicht mal ein Irgendwer, er ist einfach ein Titelträger, so wie der Kleiderbügel einen Anzug trägt, aber deswegen nicht zum Herrn wird. Also was tun? Im Gegensatz zu sonstigen Pfeiforgien wird in diesem Fall sehr schnell Ruhe einkehren.

Und wenn es, was ich doch sehr vermute, Muschgs Absicht war, seinen in der kurzatmigen Presse nicht vermittelbaren längeren Gedankengang mit einem Reizwort in die aufgeregte Stratosphäre der sozialen Medien zu schiessen, dann kann man nur gratulieren. So macht man das. Anstatt schon während des Lichterlöschens in der «Sternstunde Philosophie» selbst zu erlöschen – und kein Mensch erinnert sich an irgendwas –, hat der Dichter etwas Bleibendes geschaffen. Gut, nicht für die Ewigkeit, aber bei einer durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne von 12 bis 30 Sekunden sind 24, eventuell sogar 48 Stunden Präsenz eine grosse Leistung.