Knatsch zwischen Personalkommission und Tamedia

Es war zu erwarten. Die Vorstellungen liegen «weit auseinander».

Das «Berner Modell» mit den beiden Tamedia-Zeitungen «Berner Zeitung» und «Bund» ist bald Geschichte. Nach Inland, Ausland, Wirtschaft und Sport werden ab April 2021 auch der Lokalbund, regionale Kultur, Berichte über Berner Sportvereine und die lokale Wirtschaft zentral produziert. Unterschieden wird grosso modo nur noch die Titelseite. Etwas, was seit Anfang Jahr schon die Bündner Zeitung und das Bündner Tagblatt praktizieren. Eine ähnliche Fusion – vorerst im Regionalen – kommt sehr bald auch bei den Tamedia-Zeitungen im Grossraum Zürich: Tages-Anzeiger, Landbote, Zürichsee-Zeitung und Zürcher Unterländer legen ihre Regionalredaktionen zusammen. Dass es Entlassungen geben wird, ist ein offenes Geheimnis, auch wenn das der neue «Regio-Chefredaktor» Benjamin Geiger kürzlich im SRF-Medientalk etwas kleinreden wollte.

Sozialplan kommt, das spricht für eine Massenentlassung

Tamedia bestätigt nun gegenüber ZACKBUM: «Der Sozialplan wird bei allen betroffenen Mitarbeitenden zur Anwendung kommen.» Sprich: Es wird einen Sozialplan geben. Kenner sind überzeugt, dass Tamedia, respektive die TX Group unter Pietro Supino, nur dann eine soziale Ader entwickeln, wenn es nicht anders geht. Und das bedeutet Folgendes: Bei Entlassungen kommt nur dann eine gesetzliche Sozialplanpflicht zur Anwendung, wenn der «Arbeitgeber ab einer Grösse von 250 Arbeitnehmern innert 30 Tagen mindestens 30 Arbeitnehmern aus Gründen kündigt, die in keinem Zusammenhang mit ihrer Person stehen».

Auch wenn Tamedia immer etwas anderes zu sagen versucht: Es steht ein Kahlschlag bevor.

Zackbum weiss gemäss einem internen Schreiben: Momentan geht’s bei den Verhandlungen der Personalkommission mit Tamedia «konkret um die Höhe der Leistungen, also um Abgangsentschädigungen und Unterstützungen bei der Frühpensionierung». Dabei seien bei den bisherigen Verhandlungen einzelne Verbesserungen erreicht worden. Trotzdem «liegen die Vorstellungen der Arbeitgeberin und Mitarbeiter noch weit auseinander».

Es gebe sogar einen Dissens über das grundsätzliche Konzept eines Sozialplans.

Wenn es so weitergeht, will man innerhalb der Belegschaft eine Umfrage machen, was die Position der Tamedia wohl nicht stärken wird. Vor allem, wenn die Resultate des Stimmungsbarometers nach aussen dringen. Ziel sei nach wie vor,  «innert nützlicher Frist einen unterschriftsreifen Sozialplan zu haben. Wir sind aber noch mehr daran interessiert, einen Sozialplan zu erreichen, der diesen Namen verdient», so der Wortlaut der Peko im Schreiben.

Laut Mediensprecherin Nicole Bänninger (sie ist auch stellvertretende TX-Group-Konzernsprecherin) will sich Tamedia (noch) nicht in die Karten blicken lassen.

Den überschaubaren Fragenkatalog von ZACKBUM.ch beantwortet Bänninger «thematisch zusammengenommen», wie sie schreibt.

Wissen Sie schon, wieviele Stellenprozente wegfallen in Zusammenhang mit der Fusion BZ und Bund, sowie Regionalredaktion Tagi/ Landbote/ ZSZ und Zürcher Unterländer? Wie ist der Zeitplan des Abbaus?
Dazu können wir noch keine Aussage machen. Wir versuchen, notwendige personelle Massnahmen soweit wie möglich über Fluktuation, interne Verschiebungen oder andere Anschlusslösungen zu vollziehen. Für die von einer Kündigungen betroffenen Mitarbeitenden kommt ein übergreifender Sozialplan zur Anwendung.

Wie beurteilen Sie die Verhandlungen mit dem Personal in dieser Causa? Bis wann rechnen Sie damit, dass ein Sozialplan steht? Gibt es schon Details, wie hoch sich die Abgangsentschädigungen und die finanziellen Unterstützungen bei Frühpensionierungen belaufen?  
Es finden regelmässige Verhandlungssitzungen mit der Personalkommission statt. Der Austausch ist vorwiegend konstruktiv, es liegt jedoch in der Sache der Natur, dass die Vorstellungen zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeberin nicht immer identisch sind. Es geht uns nicht primär darum, die Verhandlungen so rasch wie möglich abzuschliessen, sondern die von einem Stellenabbau betroffenen Mitarbeitenden mit einem guten Sozialplan bestmöglich unterstützen. Inhaltliche Details können wir vor Abschluss der Verhandlungen nicht geben. Der Sozialplan wird bei allen betroffenen Mitarbeitenden zur Anwendung kommen.

Honi soit …

… qui mal y pense. Aber muss man beschämt sein, wenn man schlecht über die NZZ denkt?


Es ist nicht bekannt, ob der NZZ-Chefredaktor Erik Gujer Träger des Hosenbandordens ist. Aber dieser Devise scheint er nachzuleben.

Die Franzosen haben’s erfunden, die Engländer angewendet.

Es begab sich nämlich und trug sich zu: Herr und Frau Gujer mögen ein Hotel bei Dornbirn namens Rickatschwende. Das ist weder anrüchig noch verboten. Der genaue Name des lauschigen Luxushotels ist «F.X. Mayr Health Retreat». Denn nach der weiterentwickelten Methode von Mayr wird hier auch eine Fastenkur angeboten. Für schlappe 3778 Euro aufwärts pro Nase kann man sich eine zweiwöchige «Auszeit für die ganzheitliche Regeneration von Körper, Geist und Seele» gönnen.

Portemonnaie und Körper fühlen sich erleichtert.

Verständlich, dass der Chefredaktor der immer noch bedeutendsten Zeitung der Schweiz, mit Expansionsgelüsten nach Deutschland und gebeutelt vom Werberückgang, ab und an genau das braucht. Verständlich, dass das auch seine Gattin braucht. Die war schon einige Male in diesem Hotel, allerdings nicht im Mayr-Programm, aber dann probierte sie es aus – und war begeistert.

Wer kann dem schon widerstehen? (Screenshots Hotel-Homepage.)

Gerne schildert Gujer seine Erfahrungen

Gerne schildert das Gujer in aller Ausführlichkeit in einem Interview. Frage: War das Ihr erstes Mal? «Ja, es war das erste Mal, auch wenn meine Frau und ich schon öfters in der Rickatschwende waren, allerdings im Nicht-Kurbetrieb, einfach um die Ruhe dort zu genießen. Wie so oft sind es die Frauen, die mutiger sind, also hat meine Frau zuerst eine solche Kur absolviert.

Sie kam recht begeistert zurück, also beschloss ich, es auch einmal zu versuchen.»

Woher das die Weltöffentlichkeit weiss? Nun, ein deutlich tiefenentspannter Gujer verrät das «Mayr», dem Hausmagazin des Hotels:

Ein fastender Chefredaktor ohne Leidensmiene.

Als Berufsinsignien vor sich die NZZ und – erstaunlich – die Süddeutsche; vielleicht war gerade keine FAZ zur Hand. Neckisch ragen aus der Tasse die Blätter eines Pfefferminzstengels, denn gesund ist’s hier.

Auch das könnte man noch als lässliche Sünde sehen, halt etwas eitel, der Herr, und wenn man schon mit österreichischem Charme fragt, wer kann da widerstehen. Ausserdem darf er natürlich auch gewichtige Worte zu Mensch und Werk äussern.

Das Leben ist nicht nur ein Fluss, sondern auch voller Zufälle

Es begab sich auch und trug sich ebenfalls zu, dass in der Samstagausgabe der NZZ vom 13. Februar 2021 ein ganzseitiges Interview mit dem «Kurarzt Wolfgang Moosburger» erschien. Genauer: mit dem «Chefarzt im Rickatschwende F. X. Mayr Health Retreat». Interviewerin ist Claudia Schwartz, die im Ressort Gesellschaft auch die vorherige Seite füllt. Mit einem Bericht über «Viel mehr als nichts essen». Besonders, was sie ausdrücklich und lobend erwähnt, im Selbstversuch ausprobiert im Hotel Rickatschwende.

Zufälle aber auch. Denn zufällig ist Schwartz die Gattin von Gujer. Wir fassen also zusammen. Familie Gujer hat schon einige Male geruhsame Ferien in einem Hotel verbracht. Auf Anregung seiner Gattin lässt sich Gujer auch zu einer Zweiwochenkur überreden (weniger bringt nichts, meint er im Interview). Davon so begeistert, gewährt er dem Hotel-Blog gnädig ein Interview. Nach der Devise: Sie werden nicht mit ekligen Fragen belästigt, dafür sagen Sie nur nette Sachen über uns.

Dann erscheint ein Zweiseiten-Stück in der NZZ, bei dem das Interview mit dem Chefarzt auch in diesem Geist geführt wird. Eingeleitet von einem Artikel, der die Kur, die Methode und das Hotel in den höchsten Tönen lobt. Geschrieben von der Gattin Gujers. Selbst wenn man nicht im Traum daran denkt, dass sich Familie Gujer so eine Rechnung für den Aufenthalt erspart hat (obwohl das doch so rund 8800 Franken gewesen sein dürften): hat das ein Geschmäckle oder nicht? In der NZZ? Er Chefredaktor, gewährt Interview im Hotelblog, sie seine Gattin, schreibt in der NZZ über eben dieses Hotel?

Wie du mir, so ich dir.

Es antwortet die NZZ-Kommunikationsverantwortliche

Die entsprechenden Fragen leitet da Ehepaar Gujer an die Kommunikationsverantwortliche weiter. Zunächst sei dieser Beitrag der Abschluss «einer Reihe zum Thema Ernährung». «Basierend auf einer persönlichen Erfahrung während eines (selbstverständlich selbst berappten) Ferienaufenthaltes beschreibt Frau Schwartz darin die F.-X.-Mayr-Kur.» Wie schon eine andere Autorin vor ihr habe Schwartz eben einen persönlichen Erfahrungsbericht geliefert, was die Erwähnung von anderen Hotels mit diesem Angebot ausschliesse. Es handle sich «entsprechend nicht um einen gesponserten Tourismus-Artikel».

Das Interview mit Gujer sei davon völlig unabhängig und auf Anfrage der Hotelleitung entstanden. Es sei Teil einer Reihe, wo «Persönlichkeiten, die in Jobs mit hohem Stressfaktor tätig sind, zu ihrem Umgang damit befragt werden».

Vor Gujer waren das der weltbekannte Schauspieler Sebastian Koch und der längst vergangene «Zukunftsforscher» Matthias Horx. Nun, da ist das Niveau mit Herrn Gujer aber gewaltig gestiegen.

Beantworten, was nicht gefragt wurde

Natürlich: «In keinem dieser Fälle ging es um «Gegengeschäfte».» Hat auch niemand behauptet. Das ist die übliche Masche; man beantwortet eine Frage, die gar nicht gestellt wurde, um einer gestellten Frage auszuweichen. Die lautete, ob man all das in der NZZ für statthaft halte, eine weitere: «Wir wissen wohl alle, dass nicht nur das Tatsächliche, sondern auch der Anschein eine wichtige Rolle spielt; vor allem, was die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit einer redaktionellen Berichterstattung betrifft. Glauben Sie, dass dieser Anschein hier gewahrt wurde?»

Fast kongenial antwortet der Geschäftsführer des Hotels in diesem Sinne: «Für Fragen zur Berichterstattung der Neuen Zürcher Zeitung wenden Sie sich bitte direkt an die NZZ.» Was ich getan habe, aber meine fünf unbeantworteten Fragen ans Hotel hatten damit nichts zu tun.

Honi soit qui mal y pense, kann man da nur sagen. Alles normal, alles legal, alles in Ordnung. Kann man so sehen. Muss man nicht so sehen, denn oberhalb des klar Verwerflichen gibt es auch noch Grauzonen. Mit denen die NZZ kein Problem zu haben scheint. Als grosser Aufreger wird im Lead des Gujer-Interviews «schon zu Beginn verraten: Er hält sich nicht für unabkömmlich». Gut zu wissen.

 

 

 

Schweizer Grossverlage fest in Männerhand

Chefredaktorinnen sind auch 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts eine exotische Spezies.

Sonntag, 7. Februar 1971 – vor genau 50 Jahren stimmten die Schweizer Männer für die Einführung des Stimm- und Wahlrechts  auch für Frauen. Natürlich ein prägendes Thema in den Medien. Doch einen Aspekt fand man nirgends. Wie halten es die Schweizer Medienhäuser eigentlich mit den Chefinnen bei den Redaktionen? Wo sitzen Frauen auf dem Newsroom-Chefsesseln und nicht nur im Assistenz-Zimmer? ZACKBUM.ch, selber ein reines Männertrio, aber immerhin als Kollektiv geführt, hat die Situation analysiert.

Fangen wir mit dem umsatzstärksten Medienunternehmen der Schweiz an. Bei der börsenkotierten TX Group AG.

Tamedia: Priska Amstutz erst in dritter Führungsebene

Chefredaktor der zur TX Group gehörenden Tamedia und somit der Tages-Anzeiger-Mantelredaktion und der Sonntags-Zeitung ist Arthur Ruthishauser. Was kompliziert tönt, ist recht einfach. Ein Mann, ein Chef.
Leiter der Regionalteile des Tages-Anzeigers, des Landboten, der Zürichsee-Zeitung und des Zürcher Unterländers ist nun Benjamin Geiger. Erst dann und eine Führungsstufe tiefer kommt eine Frau und erst noch in Co-Leitung; Priska Amstutz, zusammen mit Mario Stäuble. Bei der Berner Zeitung heisst das Geiger-Pendant Simon Bärtschi, beim Bund Patrick Feuz, bei der Basler Zeitung Marcel Rohr. Fazit: Beim sich oft linksliberalfortschrittlich gebenden Titel ist der Frauenanteil ganz oben eine Enttäuschung.

Wie sieht’s bei den anderen Titeln der TX Group aus? CR bei der Finanz und Wirtschaft: Jan Schwalbe. Immerhin: Bei Le Matin Dimanche ist Ariane Dayer Chefredaktorin. Bei der Tageszeitung «24 heures» teilt sie sich den Job aber mit Claude Ansermoz.

Auch zur TX Group gehört 20 Minuten. Hier ist Gaudenz Looser am Ruder. Bei der französisch- und der italienischsprachigen Ausgabe sind auch Männer Chefredaktoren. Als Stv. nach Lorenz Hanselmann beim Pendlerblatt-Hauptsitz in Zürich ist noch Désirée Pomper aufgeführt.

Dass bei der Vermarkterfirma Goldbachmedien mit Michael Frank ein Mann CEO ist – wohl nur eine Randnotiz.

Seit 2019 nicht mehr zur TX Group AG gehört die «Annabelle». Nach Lisa Feldmann (2004–2013) war Silvia Binggeli von 2013 bis 2019 Chefredaktorin.

Ringier: Bei den Chefredaktionen eine Männerdomäne

Das Familienunternehmen Ringier AG hat mit Ellen Ringier in der Verlegerfamilie eine prominente Stimme der Frauen. Bei der Frauenquote in redaktionellen Chefetagen schlägt sich das nicht unbedingt nieder.

Dabei lief eine Zeitlang alles recht gut. Andrea Bleicher, Kurzzeit-Chefredaktorin des Blicks 2013 holte damals viele Frauen in Führungspositionen. Die meisten mussten nach ihrem Abgang wieder gehen, wie sie später in einem Doppelpunkt-Interview bei Roger Schawinski sagte.

Zurück zum Heute: Konzernchef ist der ehemalige Journalist Marc Walder. CR der Blick-Gruppe ist der nebenberufliche Buschauffeur Christian Dorer. Dann kommen verschiedene Unterchefs, Andreas Dietrich (Blick) und Gieri Cavelti (Sonntags-Blick). Jetzt erst wird mit Katia Murmann eine erste Chefin aufgeführt, von blick.ch und mit dem Titel «Leiterin Digital». Seit März 2020 ist sie immerhin noch Verwaltungsratspräsidentin von SMD/swissdox, der Mediendatenbank für Journalisten. Und Steffi Buchli, die neue Sportchefin? Die Powerfrau ist, wenn man so will, durchaus Sport-Chefredaktorin. Oder aber einfach Ressortleiterin. Sie muss berichten an Andreas Dietrich und Gieri Cavelti, sowie übergeordnet an Christian Dorer…

Die Frauenzeitschrift in männlicher Hand

Weiter im Boulevard. Bei der Glückpost ist Leo Lüthy Chef. Früher war dort Béatrice Zollinger Chefredaktorin. Sie sagte mal: «Als Frau versteht man schon besser, was andere Frauen wollen». Lüthy macht seinen Job aber (auch) gut. Beim TV-Heftli Tele ist Gion Stecher CR, Chefredaktor Schweizer LandLiebe ist André Frensch. Bei der legendären ehemaligen Geldkuh SI (Schweizer Illustrierte) gibt’s eine Co-Leitung älter/jünger: Werner De Schepper und Nina Siegrist. In der Romandie hat es kürzlich Rochaden gegeben. Michel Jeanneret ist nicht mehr CR von I`illustre, sondern Chefredaktor von BLICK Romandie. L`ilustre wird neu von Stephane Benoit Godet verantwortet.

Beim eingestellten SI-Style fallen völlig veraltete Wikipediaeinträge auf, wie auch beim verblichenen «Blick am Abend». Aber das nur am Rande. Auch nicht mehr bei Ringier ist «le Temps». Dabei wäre dieser Titel für die Ehrenrettung gedacht gewesen. Denn dort ist Madeleine von Holzen Chefin.

Beobachter und Bilanz ohne Frauenleitung

Bei RASCH, einem Konstrukt zwischen Ringier und Axel Springer Schweiz AG, gibt’s auch noch einige Titel. Sieht’s dort besser aus? Nein. Beim Beobachter ist Andres Büchi Chef, er übergibt altershalber im Mai 2021 an – einen Mann, an Dominique Strebel. Und da wäre noch die Bilanz. Dort heisst der Chefredaktor Dirk Schütz. Die, ja Bilanz,  von Ringier und Axel Springer Schweiz ist eindeutig. Fast nur Männer sind Chefredaktoren. Frauen, leider unter ferner liefen.

Die NZZ an der Falkenstrasse 

Keine Frage. Bei der NZZ läuft alles wie immer. Eric Gujer ist Chefredaktor. Alle seine Vorgänger seit 1780 waren ebenfalls männlich. Die NZZ am Sonntag: hier heisst der Chefredaktor Luzi Bernet. Beim Folio war bis Januar 2021 Christina Neuhaus Chefin. Sie wurde Inlandchefin der NZZ. Neu ist Aline Wanner (nicht mit den AZ-Wanners verwandt) zuständig. Das ideale Stichwort…

CH Media

Seit dem Zusammenschluss NZZ/ AZ Medien (CH Media) ist Pascal Hollenstein als «Leiter Publizistik» so eine Art Superchefredaktor. Patrik Müller ist Chefredaktor der Schweiz am Wochenende, der ehemaligen Sonntags-Zeitung der AZ-Medien, die jetzt samstags rauskommt, immerhin mit 26 Regionalausgaben.

Bei der Aargauer Zeitung mit ebenfalls einigen Regionalausgaben ist Rolf Cavalli Chef. Als Stichprobe, ob sich das mit der Männerdominanz auch hier durchzieht: Bei der Limmatal-Zeitung steht David Egger als Regionalchef im Impressum, beim St. Galler Tagblatt Stefan Schmid. Doch herrscht nicht ein bisschen Morgenröte? Anna Wanner, Tochter des Eigners Peter Wanner, ist schon mal Co-Ressortleiterin Inland und Bundeshaus bei CH Media.

Zur CH Media gehört auch eine Reihe von Radios. Hier ist der Geschäftsführer Florian Wanner, Sohn von Eigner Peter Wanner. Weiter unten in den Organigrammen kommen dann zum Teil schon Frauen vor, bei Radio 24 etwa Programmchefin Giulia Cresta, bei Radio Argovia Andrea Moser (Leiterin Programmgestaltung). Das Sagen haben aber ausnahmslos Männer.

Bei TeleZüri, TeleBärn, Tele M1, tvo und Tele 1 heisst der Chefredaktor Oliver Steffen.

Nicht zu CH Media gehört das Millionengrab watson.ch. Es ist immer noch bei den AZ Medien: Da ist Maurice Thiriet Chef. Seine Videos, wo er Mitarbeitende «ironisch» herunterputzt, sind legendär. Doch weiter zu einem weiteren Familienunternehmen.

Somedia, Herausgeber des «Alpenblicks»

Im Clan der Familie Lebrument hat’s eine Tochter, Susanne Lebrument. Sie ist jetzt noch mehr in der Minderheit, seit Martina Fehr den Chefredaktorsessel verlassen und als Chefin zum MAZ gewechselt hat.  Leiter der «Medienfamilie» (inkl. Radio und TV Südostschweiz) ist nämlich Reto Furter, Philipp Wyss ist neu Chefredaktor Online/Zeitung. Und Susanne Lebrument? Die MAZ-Absolventin ist Delegierte des Verwaltungsrates der Somedia-Gruppe. Immerhin.

Die Heftli von Coop, Migros und TCS

Bis jetzt ist das Resultat aus Frauensicht ernüchternd. Wird’s bei den grossen Gratiswochenblättern besser? Fehlanzeige. Die Coop-Zeitung, der Auflagenprimus mit über 1,8 Millionen Exemplaren, wird vom Chefredaktor Silvan Grütter geleitet, das Migros-Magazin von Franz Ermel. Hier gibt’s aber zusätzlich eine «publizistische Leitung: Sarah Kreienbühl». Die Auflagen-Nr. 3, das Heftli des Touring Clubs Schweiz, wird von Felix Maurhofer geführt.

Was gibt’s noch für erwähnenswerte Medien mit Frauen als Chefs?

Das ist leider kurz erzählt. Nau.ch: Micha Zbinden, Republik.ch: Christof Moser, zentralplus.ch: Christian Hug, ostschweiz.ch: Marcel Baumgartner und Stefan Millius.

Sind wenigstens die linken Zeitungen ausgewogener?

Erstaunlicherweise nein. Die Schaffhauser AZ wird von einem männlichen Duo geleitet: Mattias Greuter und Marlon Rusch. Aber die WoZ? Hier sind es Kaspar Surber und Yves Wegelin, die sich die Redaktionsleitung teilen. Quoten scheint’s keine zu geben.

Dass die Weltwoche mit Roger Köppel als Chefredaktor, Verleger und offiziell Besitzer nicht anders tickt, versteht sich von selbst.

SRG und SRF: Das Sagen hat am Schluss mit Gilles Marchand ein Mann

Und der parastaatliche Betrieb, die SRG? Dort ist Gilles Marchand «Unternehmenschef», der bei der Aufarbeitung von Frauenfragen bekanntlich ein besonderes Sensorium hat. Ihm unterstellt sind die sogenannten «Unternehmenseinheiten», so SRF und Swissinfo. Nathalie Wappler ist seit März 2019 Chefin von SRF, so genannte Intendantin. Weil sie alles zu verantworten hat, ist sie durchaus eine Art Chefredaktorin. Obwohl, offiziell Chefredaktor von SRF ist ein Mann, Tristan Brenn. Bei Swissinfo heisst die Chefredaktion Larissa M. Bieler.

Eine ernüchternde Bilanz, die aber die Wirtschaft wiederspiegelt

Fazit dieser Fleissarbeit: Gefühlt 98 Prozent der Chefredaktoren der grösseren Medien in der Schweiz sind Männer. Eine Quote, die etwa gleich ist wie vor 50 Jahren. Obwohl heute bei den Journalismus-Ausbildungen die Frauen oft in der Mehrheit sind. Immerhin liegt der Medienzirkus im Mittel der Wirtschaft. Auch dort ist die Quote der weiblichen Chefs sehr tief. Da liegt Zackbum mit seinen 100 Prozent Männeranteil gar nicht so weit darüber.

In einer ersten Version schrieb der Autor von (zu) wenigen Frauen in der Ringier-Chefetage. Nun ist präzisiert, dass es um die redaktionellen Bereiche, nicht um die Geschäftsleitung von Ringier geht. Zudem ist dieser Passus neu hinzugekommen: Michel Jeanneret ist nicht mehr CR von I`illustre, sondern Chefredaktor von BLICK Romandie. L`ilustre wird neu von Stephane Benoit Godet verantwortet. Bei Radio Argovia ordnete er Programmleiter Nicola Bomio zuerst dem weiblichen Geschlecht zu. Was nun die Frauenquote bei CH Media nochmals verschlechtert.

Wenn das BAG seine Medikamente nicht nimmt

Das Bundesamt für Gesundheit setzt Prioritäten – auf eigenartige Weise.

Das BAG beschäftigt 600 Nasen, die sich um die Gesundheit der Schweizer kümmern sollen. Das tun sie normalerweise ziemlich geräuschlos, unter Einhaltung der Bürozeiten und ohne grosse Wellen zu schlagen.

Regelmässig versagen sie bei einer ihrer Hauptaufgaben, die Kosten fürs Gesundheitssystem nicht weiter explodieren zu lassen. Aber dafür können die Beamten nichts.

Seit Corona ist alles anders. Urplötzlich wurden alle Scheinwerfer auf das BAG gerichtet, auf den «Mr. Corona», der noch heute von seinem zweifelhaften Ruf als Schlafpille zehrt. Auf seinen völlig überforderten und schon geistig in der Pensionierung schwebenden Chef. Auf all die grösseren und kleineren Schnitzer, die zur Hast angetriebene Beamte halt machen, wenn der Büroschlaf durch Hektik und Aktivität abgelöst wird.

Eine neue Direktorin will «Misses Corona» werden

Am 30. April 2020 gab der Bundesrat bekannt, dass er mit Anne Lévy eine neue Direktorin des BAG ausgeguckt hatte. Die studierte Politwissenschaftlerin hatte sich im BAG langsam nach oben gearbeitet, und am 1. Oktober ging sie ans Gerät.

Blöd nur, dass nach dem allgemeinen Aufatmen im Sommer sich die Zeichen verdichteten, dass nun doch eine zweite Welle über die Schweiz hereinbrechen wird. Was tun, wie reagieren, wie steht’s mit Impfungen; statt Gemütlichkeit und ruhiges Kaffeetrinken brach wieder Hektik aus.

Durch ihre mediale Bekanntheit, nach Bundesrat Alain Berset die Nummer zwei in Medienorientierungen, zog sie  – wie viele prominente Menschen in schwierigen Zeiten – auch einige Hasser, Hetzer, ungefährliche und möglicherweise auch gefährliche Irre auf sich.

Polizeieinsatz mit Folgen

Das News-Portal nau.ch berichtete exklusiv, dass es am Wohnsitz von Lévy in Bern letzte Woche zu einem Polizeieinsatz gekommen sei. Der Chefredaktor griff persönlich in die Tasten und schrieb: «Besorgten Augenzeugen ist aufgefallen, dass sich die Polizeipräsenz im Quartier erhöht hat und oftmals Streifenwagen durchs Quartier patrouillieren. Am vergangenen Donnerstag beobachteten Augenzeugen, wie bewaffnete Beamte am späteren Nachmittag bei Lévy ins Gebäude eindrangen.»

Hatte sich die Polizei in ihrer Wohnung verlaufen?

Glücklicherweise nur ein Fehlalarm, winkte die Berner Kantonspolizei ab. Aber die Chefin des BAG blieb alarmiert. Denn in einem Nebensatz hatte nau.ch erwähnt, dass sich Lévy zusammen mit ihrem Mann eine 8,5-Zimmer-Wohnung in Bern gönnt.

Wie «Inside Paradeplatz» enthüllte, musste nau.ch nach Intervention des BAG diese Informationen löschen. Das BAG bestätigt das gegenüber Lukas Hässig mit einer befremdlichen Begründung: «Die Information war irrelevant für die Berichterstattung und es besteht kein öffentliches Interesse.»

Hoppla, ein Sesselfurzer im BAG bestimmt nun selbstherrlich, was relevante und irrelevante Informationen sind, und wer oder was von öffentlichem Interesse sei? Aber in Wirklichkeit ist es noch viel schlimmer und absurder. Nicht nur, dass Hässig nachtrug, dass die Klause schlappe 5000 Franken im Monat kostet, für Bern exorbitant.

Hier kümmert sich die Chefin persönlich um Kleinigkeiten

Denn mit dieser Auskunft versucht das BAG, seine im roten Bereich drehende Chefin wieder einzufangen. Wie verlässliche Quellen aus dem BAG berichten, spielte sich diese «Intervention» nämlich sehr speziell ab.

Anne Lévy habe wutentbrannt und persönlich zum Telefonhörer gegriffen, um die nau.ch-Redaktion mit voller Phonstärke zusammenzustauchen. Man könne das nicht anders als Gebrüll bezeichnen, heisst es aus dem BAG. Ausserdem habe Lévy drei Mal damit gedroht, eine Klage einzureichen und mit der ganzen Macht der BAG-Rechtsabteilung über nau.ch herzufallen.

Wenn nicht sofort, aber subito, aber am besten vorgestern, die Angabe über die Grösse der Wohnung gelöscht würde. Dass Lévy es nicht gerne sähe, wenn ihre genaue Adresse publiziert würde, ist aus Sicherheitsgründen verständlich.

Was aber unstatthaft daran sein soll, die Anzahl Zimmer bekannt zu geben? Wie Hässig nicht falsch vermutet, könnte es doch sein, dass Lévy den Eindruck vermeiden will, dass nicht zuletzt das BAG die Schweizer in den Lockdown zwingt, durch wiederholte Schulschliessungen vier- oder mehrköpfige Familien dazu verurteilt, in ihrer 3-Zimmer-Wohnung aufeinanderzuhocken, was vorher nicht so störend war, weil Kinder und Vater oder sogar beide Elternteile den Tag ausserhalb verbrachten.

Währenddessen joggt die oberste Seuchenbekämpferin mit ihrem Mann durch eine 8,5-Zimmer-Wohnung und kann sich überlegen, ob man das Dinner im Speisesaal, in der Bibliothek, ganz formlos in der Küche oder vielleicht gleich in einem der Schlafzimmer einnehmen möchte.

Selbstherrlich, offenbar überfordert 

Ein solches selbstherrliches Verhalten einer Chefbeamtin, nicht gewählt, sondern ernannt, kennt man höchstens aus autokratischen Unrechtsstaaten. Aber dass in Bern die Leiterin des zurzeit wohl wichtigsten Amtes, während der Bekämpfung einer Pandemie-Krise, höchstpersönlich zum Telefon greift, um eine Redaktion zusammenzubrüllen, dabei noch mit der Macht der BAG-Anwälte droht, das ist unerhört. Was sagt nau.ch dazu? Chefredaktor Micha Zbinden: «Wir äussern uns nicht mehr zum vermeldeten Polizeieinsatz bei Frau Lévy. Der Fall ist für uns abgeschlossen.»

Dass anschliessend die Medienstelle des BAG händeringend versuchen muss, diesen Fauxpas wieder einzufangen, peinlich. Dass sich bislang kein grosses Medienhaus traut, diesen Skandal aufzunehmen, weil man gerade gut Wetter für möglichst hohe Staatssubventionen machen will, auch das ist betrüblich.

Denn eins ist klar: Nach einem solchen Vorfall müsste es selbstverständlich sein, dass Lévy demnächst sehr viel mehr Zeit haben wird, ihre Riesenwohnung zu geniessen.

Probieren statt jammern

Strategie der Schweizer Medienhäuser: jammern, bis die Subvention kommt. Es geht auch anders.

Kuba macht’s seit 60 Jahren erfolgreich vor. Eigenes Versagen, unfähige Funktionäre, eine am Boden liegende Landwirtschaft, turmhohe Schulden? Moment bitte, daran ist nicht etwa das Regime schuld, sondern die grausame Handelsblockade der USA.

Diesem Vorbild eifern die Schweizer Medienhäuser nach. Zum Skelett runtergesparte Redaktionen, zusammengepfercht in Zentralredaktionen? Ins Internet abschwirrende Inserateplattformen für so ziemlich alles? Inhaltlich krankgeschrumpfte und papierdünn gesparte Printausgaben für stolze Preise? Das Zerschlagen der Lokalberichterstattung? All das eiskalt serviert als Straffung, Fokussierung, Verbesserung?

Wir sind nicht dran schuld

Da sind nicht wir daran schuld, jammert die Teppichetage, der Overhead, die teuer bezahlten Manager. Wer konnte denn ahnen, was das Internet alles auslöst? Wer konnte denn kommen sehen, dass wir uns von Google, Facebook & Co. die Butter vom Werbebrot nehmen lassen? Unvorhersehbar, dass die Ausgaben für Online-Marketing als einzige weiter steil ansteigen. Und dann noch Corona. Also wir sind nicht daran schuld.

Dann jammern sie weiter, dass man doch dies und das probiere. «20Minuten», weiterhin gratis, aber nun auch mit bewegten Bildern. «watson», das Millionengrab aus dem Hause Voigt, von einem Verleger weitergeführt, der sich nicht nachsagen lassen will, dass er zu alt für Innovation sei.

Dazu dies und das, pay per view, Tagespass, wenig gratis, viel Bezahl-Content, gelegentlich auch mal eine multimediale, interaktive Story. Da spürt man beim Lesen, wie sich die Macher vor Ehrfurcht selber auf die Schultern gehauen haben. Mehr geht halt nicht, was soll man machen? Ach ja, doch, vierte Gewalt, Kontrollinstanz, demokratierelevant, darf nicht absaufen. Also her mit den Subventionen.

Welche Subventionen für wen, und warum nicht?

Natürlich nicht für alle, nicht so, mehr für Print, mehr für die Grossen, nichts für Gratis-Plattformen, grosser Streit. Tamedia bleibt der Goldesel des Coninx-Clans. Ringier ist mitten im Umbau zum digitalen Gemischtwarenladen. CH Media verdaut immer noch den Zusammenschluss mit den NZZ-Zeitungen. Nur die NZZ setzt weiterhin unverbrüchlich auf journalistischen Content für die happy few.

Na und, sagen da die hochbezahlten Manager, meckern kann jeder. Was gibt es denn für Alternativen zu kassieren, jammern und um Subventionen betteln? Jede Menge gibt’s. Letzthin mal die Webseite von «The Guardian» angeschaut? Oder von «The Economist»? Letzthin mal einen Artikel in «Financial Times» gelesen und keine feuchten Augen bekommen? Gehört, dass die «Washington Post» ihren Newsroom weiter ausbaut? Auf 1010 Redaktoren?

Schon mal darüber nachgedacht, wieso ein eigentlich völlig aus der Zeit gefallenes Zeitungsmodell wie «Le canard enchaîné» dermassen erfolgreich ist? Oder «The New Yorker»? Selbst «Mother Jones», «The Atlantic», «Vanity Fair»? Ach, kann man alles nicht vergleichen? Englisch, viel grösseres Zielpublikum, Ausnahme, und was hat das mit neuen Formen im Internet zu tun?

Schon mal was von neuen Entwicklungen gehört?

Okay, dann schon mal was von Substack gehört? Nein? Der neuartigen Plattform, auf der unter anderem Glenn Greenwald, der Gefährte von Edward Snowden, und viele andere grosse Namen und hoffnungsvolle Newcomer publizieren? Schon mal davon gehört, dass die paar tausend auch in den USA entlassenen Journalisten nicht einfach jammern, sondern Blogs, Newslettern, One-Man-Shows zu neuer Blüte verhelfen?

Oder eben von Plattformen wie Substack unterstützt werden? Obwohl in den USA die Medienszene sich zwar auch quält, aber fröhlich steigende Online-Abonnements und Leserzuspruch verzeichnen kann? Weil auch Einzelnewsproduzenten natürlich davon träumen, die nächste Hufpost zu werden, aber mit 1000 Subskriptionen à 100 Dollar auch schon recht angenehm leben können?

Welches Medienhaus in der Schweiz behauptet nicht nur, in Content zu investieren und die Möglichkeiten des Internets voll auszuschöpfen? Indem der Verleger den Journalisten mit auf den Weg gibt, dass sie in Zukunft auch filmen und aufzeichnen sollen? Indem aus reinen Spargründen auch online und Print zusammengelegt werden, obwohl das eine mit dem anderen so viel zu tun hat wie eine Dampflok mit dem TGV?

Versuch und Irrtum, neuer Versuch, besserer Irrtum

Try and error, natürlich. Die englischsprachige Ausgabe von «De Correspondent» aus Holland flopte grandios, nach einem Jahr wurde der Stecker gezogen. Die Inhalte waren viel zu beliebig, mehr Welt- und Gesinnungsjournalismus, kein Grund für genügend Abonnenten, den Mitarbeitern bei der Selbstbefriedigung zuzuschauen. Aber es gibt «The Dispatch», es gibt weiterhin die erfolgreichen Grossblogs.

Vor allem: es wird agiert, nicht reagiert. Es wird probiert, nicht Bedenkenträgerei versprüht. Es wird Neuem eine Chance gegeben, aus dem Wissen heraus: jeder neue Erfolg im Content-Journalismus hilft allen. Und in der Schweiz? Flops und Millionengräber. Denn es ist ja nicht so, dass man hierzulande kein Geld zusammenkratzen könnte. Nur verröstet man es dann mit völlig am Markt und Zielpublikum vorbeigebastelten Organen. «TagesWoche», «bajour», «Republik», Trauerspiele. Mal schauen, ob es konservative Kreise besser können.

Geheimniskrämerei um das 4-Millionen-Paket für Keystone-SDA

Obwohl Keystone-SDA allein 2019 gegen 10 Prozent der Stellen abbaute, wurden die Bundessubventionen nie in Frage gestellt.

2019 und 2020 bekam Keystone-SDA je zwei Millionen Franken Bundessubventionen. Nun wird der Betrag verdoppelt, wie Keystone-SDA und das Bundesamt für Kommunikation BAKOM gegenüber ZACKBUM.ch bestätigen. Doch bei den Details rund um die Leistungsvereinbarung wird es merkwürdig still. Gemäss der Leistungsvereinbarung 2019/2020 verpflichtete sich Keystone-SDA nämlich, das Netz der 13 Regionalredaktion zu sichern. In diesen Regionalredaktionen arbeiteten per 1.1.2019 41,3 Vollzeit-Beschäftigte (FTE). Davon entfielen 25,7 FTE auf die deutschsprachige Schweiz, 13,6 auf die französischsprachige Schweiz und 2 auf die italienischsprachige Schweiz.
12 oder 13 Regionalredaktionen?
Wie veränderte sich der Personalbestand seither? Bekannt ist, dass Keystone-SDA trotz den zweimal zwei Millionen Staatsgeldern enorm sparen und auch Leute entlassen musste, respektive Abgänge nicht wiederbesetzte. Das ist darum pikant, weil Keystone-SDA bei Leistungskürzungen gemäss Leistungsvereinbarung das BAKOM zumindest informieren müsste. Doch anscheinend machten alle Beteiligten gute Miene zum bösen Spiel. Keystone-SDA schöpfte den kompletten Subventionskredit von jeweils 2 Millionen Franken aus, wie Sprecher Iso Rechsteiner bestätigt. Für Caroline Sauser, Leiterin der BAKOM-Kommunikationsabteilung, war ebenfalls alles in Ordnung: «Die Leistungserfüllung 2018/2019 durch die Keystone-SDA-ATS AG entsprach der bisherigen Leistungsvereinbarung. Das BAKOM hatte daher keinen Anlass, die maximal zur Verfügung stehende Subvention zu kürzen.» Dabei geht das BAKOM gemäss Vereinbarung von 13 Regionalredaktionen aus. Rechsteiner hingegen spricht von 12 Regionalredaktionen. Wie sah der Stellenetat bei den Regionalredaktionen aus und vor allem, wie veränderte er sich? Auch auf Nachfrage will Rechsteiner nicht konkreter werden. Er verweist auf den Geschäftsbericht 2019. Und zur aktuellen Frage (gestellt am 30.12.2020) nach den Stellen antwortet er: «Unterjährig publiziert Keystone-SDA keine Stellenetats.»
17,75 Vollzeitstellen weniger
Laut dem Geschäftsbericht 2019 ist der Personalbestand von Keystone-SDA von 216,3 100%-Stellen auf 198,55 FTE (Full Time Equivalent) gesunken. Das macht 17,75 Vollzeitstellen oder über 8 Prozent weniger. Man muss es Iso Rechsteiner glauben. Im Regionalen wurde personell nicht gespart, nur offensichtlich sonst überall.  Oder bediente sich Keystone-SDA eines Kniffs? Rechsteiner: «In der neuen Leistungsvereinbarung, die das BAKOM nach der Unterzeichnung publiziert, werden nicht nur die Regionalredaktionen berücksichtigt. Es werden dort neu auch Teile des Sport und der Zentrale berücksichtigt.» Offensichtlich einigte man sich auf eine neue Definition. Sport und die Zentralredaktion können auch regional, wenn sie müssen.
Regionale Berichterstattung bleibt Bedingung
Caroline Sauser hält fest: «Die bestehende wie auch die künftige Leistungsvereinbarung verfolgen das Ziel, die regionale Berichterstattung der abgabefinanzierten Lokalradios und Regionalfernsehsender zu stärken. Namentlich sollen die publizistischen Leistungen der Nachrichtenagentur dazu dienen, die eigenen regionalen Informationsleistungen der lokalen Veranstalter in einen überregionalen Kontext zu stellen. Diese Vorgaben konnten erreicht werden. Die entsprechenden Leistungen der Agentur werden vom BAKOM im Rahmen der neuen Leistungsvereinbarung auch weiterhin ausgewertet und mit der Keystone-SDA-ATS AG diskutiert.»
«Kein Anlass für Kürzungen»
Auch beim geflossenen Geld scheint alles bestens: «Die Leistungserfüllung 2018/2019 durch die Keystone-SDA-ATS AG entsprach der bisherigen Leistungsvereinbarung. Das BAKOM hatte daher keinen Anlass, die maximal zur Verfügung stehende Subvention zu kürzen», so Caroline Sauser vom BAKOM.
Somit wurde die ab 2021 geltende Leistungsvereinbarung «kürzlich» unterschrieben, wie es übereinstimmend heisst. «Sie kann im gegenseitigen Einverständnis verlängert werden. Das jährliche Kostendach der Subvention beträgt vier Millionen Franken», erklärt Sauser. Die neue Leistungsvereinbarung ist für ein Jahr abgeschlossen, nicht mehr für zwei Jahre wie die bisherige. Das könnte damit zusammenhängen, dass Keystone-SDA fieberhaft versucht, seine AG in eine Stiftung umzuwandeln, wie COO Jann Jenatsch im SRF-Medientalk vom Dezember 2020 sagte.
Seitenwechsel Keystone-SDA zum BAKOM kein Thema
Eine spezielle Rolle spielt bei der Geschichte Bernhard Maissen. Er arbeitet seit zwei Jahren beim BAKOM, vorerst als Abteilungsleiter Medien. Seit dem 1. Juli ist er Direktor des BAKOM. Vorher arbeitete er (mit Unterbrüchen) 24 Jahre für die damalige SDA. Trat er deswegen in Ausstand? «Bernard Maissen hat dieses Geschäft in seiner Funktion als Abteilungsleiter bzw. BAKOM-Direktor begleitet, wie andere Geschäfte auch. Der Abschluss und die Unterzeichnung der Vereinbarung gehören in den Zuständigkeitsbereich des UVEK», sagt Caroline Sauser. UVEK, das bedeutet Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Folglich wird die Leistungsvereinbarung jeweils von der Chefin unterzeichnet. 2018 war es Doris Leuthard (CVP), aktuell war es Simonetta Sommaruga (SP). Keystone-SDA, so der Name seit der Übernahme der Fotoagentur Kestone 2018, wollte die spezielle Konstellation gar nicht kommentieren.
Die neue Vereinbarung wird vom BAKOM aufgeschaltet. Wann das der Fall ist, konnte  ZACKBUM bislang nicht in Erfahrung bringen. 

«Zürcher Oberländer» – Kanton stoppt Pläne

Nichts mit Spatenstich im Frühling.

Wie hält man Journalisten bei der Stange? Man stellt ihnen einen Kaffeeautomaten in den Pausenraum und lobt sie hin und wieder. Beim Zürcher Oberländer gibt es vier Kaffeeautomaten und plenty of Pausenräume. Das Verlagshaus sieht von innen ziemlich verwaist aus. Viele Räume werden nicht mehr genutzt. Höchstens vom Gummibaum.

Daniel Sigel ist CEO der Zürcher Oberländer Medien AG. Wenn etwas von ihm in guter Erinnerung bleiben soll, dann «Newsstreet One». Das uralte und überdimensionierte Verlagshaus am Standort Wetzikon soll abgerissen werden und einem Neubau weichen. Für 35 Millionen Franken soll ein Komplex aus Redaktionsräumen und Mietwohnungen entstehen. Zu lange will man damit nicht warten. Der Spatenstich ist auf Frühling 2021 angesetzt.

Damit wird es nichts. Auf Anfrage von ZACKBUM.ch antwortete die kantonale Baudirektion, dass das Baugesuch für «Newsstreet One» sistiert wurde. Die eingereichten Unterlagen für eine lärmrechtliche Beurteilung reichten nicht aus. «Newsstreet One» muss also nachliefern.

Verseuchter Untergrund?

Wie es weiter geht, ist völlig offen. Ein anderes Problem liegt im Untergrund. Die Baudirektion führt den Standort des alten und neuen Verlagshauses im Kataster der belasteten Standorte auf. Das Erdreich könnte mit chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW) verseucht sein. Die Erklärung liegt auf der Hand: Im Keller standen jahrzehntelang die Druckereianlagen.

In der technischen Untersuchung vor einem Jahr bewertete der Kanton die Grundwassergefährdung als «sehr hoch» ein und kommt zum Schluss: «Die Fläche muss untersucht werden.» Vor dem ersten Spatenstich muss der Untergrund also analysiert werden. Über einen allfälligen Spatenstich entscheidet darum auch das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL). Das alles wird nicht lustig für die Planer von «Newsstreet One»; vor allem nicht günstig.

Freuen dürfen sich hingegen die Redaktoren. Sie werden voraussichtlich länger am alten Standort arbeiten. Daniel Sigel wollte sie ab Frühling in eine bislang leerstehende Industriehalle in Hinwil verfrachten. Da die meisten Journalistinnen und Journalisten des «Zürcher Oberländers» in der Stadt Zürich, Winterthur oder Umgebung wohnen, müssten sie eine Stunde länger Zug und Bus fahren, um in die Einöde von Hinwil zu gelangen.

Weg vom Schuss

Die Altvorderen kamen nicht zufällig auf den Standort Wetzikon. Die Gemeinde liegt ziemlich in der Mitte der Zürcher Oberlands. Mit dem provisorischen Wegzug nach Hinwil, arbeiten die Redaktoren im östlichen Zipfel des Einzugsgebiet. Das wäre etwa so, als müssten die Tagi-Journalisten in Uster arbeiten.

Der Verwaltungsrat wollte sich zu den Fragen von ZACKBUM.ch nicht äussern.

Transparenzbeilage: Der Autor hat einmal beim «Zürcher Oberländer» gearbeitet. 

Mario Frick vs. Daniel Sigel

Der CEO löschte seinen Blog.

13 Jahre lang war der Blog von Daniel Sigel aktiv. Und dann dauerte es nur ein paar Stunden, bis sein Inhalt gelöscht wurde. Recherchen zeigen: Der CEO der Zürcher Oberland Medien AG konnte wohl nicht anderst.

Daniel Sigel hat in seinem Leben schon viel ausprobiert. Er war Journalist bei Radio Z und Verlagsleiter der Liechtensteiner Volksblatt AG.

Weniger Erfolg hat er mit fiktiven Erotik-Thrillern. In seinem Blog (mittlerweile entfernt) ging es um Maria Magdalena und Mario Frick, die miteinander ein Verhältnis hatten. Der Blog machte unter den Journalisten die Runde und sorgte für Amüsement. Bei Mario Frick weniger. Der berühmte Fussballer, heute Trainer des FC Vaduz, schäumte, als er davon erfuhr.

Weder gab er sein Einverständnis für die platte Erotikgeschichte, noch wurde er in Kenntnis darüber gesetzt, wie ZACKBUM.ch erfuhr. Er verlangte die sofortige Löschung des Inhalts, was auch mittlerweile geschah.

Warum Sigel ausgerechnet den nach Hans-Adam II. berühmtesten Liechtensteiner verulkte, bleibt unklar. Sigel war zu jener Zeit sowohl Verlagsleiter, als auch Geschäftsführer der Liechtensteiner Volksblatt AG.  Gegenüber ZACKBUM.ch wollte er keine Stellung nehmen.

«Senf-Dani» und Pino

Trial and Error and Error.

«Der Kuss wollte nicht enden, weil beide nicht wussten, was sie dazu sagen sollten. Und so lange sie sich küssten, mussten sie nicht sprechen, also küssten sie sich sicher drei Minuten lang.»

Die Knutschenden heissen Maria Magdalena Mayer und Mario Frick. Geschrieben hat die prickelnde Geschichte Daniel Sigel, heute CEO der Zürcher Oberland Medien AG. Zum Inhalt:  Fussballlegende Mario Frick bumst mit Maria Magdalena in einer «luxeriösen 3 Zimmer Wohnung» und wird dabei beschattet. Noch steht die Antwort aus, ob Frick (heute Trainer vom FC Vaduz) glücklich ist mit Sigels erotischer Phantasie:

«Kommst du nochmal zu mir ins Bett», flüstert Maria als Mario, nur mit dem Frottetuch in den Händen, ins Schlafzimmer schaut. «Wollen wir Freistoss üben», lacht Mario und springt mit einem grossen Satz auf das Bett.»

Der «Senf-Dani»

Auch Daniel Sigel hat in seinem Leben schon viele Sachen ausgeübt. Er war unter anderem Journalist beim Radio Z und Verlagsleiter der Liechtensteiner Volksblatt AG. Man kennt ihn dort noch heute unter dem Namen «Senf-Dani».

Im Mai 2015 trat er als neuer Geschäftsleiter der Zürcher Oberländer Medien AG ein. Im Jahr zuvor machte der Verlag bei einem Umsatz von 28 Millionen einen Reingewinn von über 2,2 Millionen Franken. 2019 lag der Umsatz bei 23 Millionen, der Reingewinn bei 1,3 Millionen Franken.

In einem Interview sagte er anlässlich seines Antritts: «Wir werden nicht darum herumkommen, nach dem Motto «Trial and Error» Dinge zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Das bedeutet: Wenn sie funktionieren, machen wir weiter, wenn nicht, gehen wir einen Schritt zurück.»

Pino und Bligg

Der Verlag ist seitdem mit dem Rückwärtsgang vertraut. Sigel wurde unter anderem durch Pino und Bligg bekannt. Der Rapper trat als Markenbotschafter auf und ziert bis heute die Werbeflächen der Busse im Zürcher Oberland. Die Kampagne dürfte eine Stange Geld gekostet haben. Es folgte der «Sack»: «Bei uns kaufen Sie nicht den Reporter im Sack». Auf dem Plakat sah man einen Reporter im Sack. Auf der Redaktion: das blanke Entsetzen. Dann trat Pino ins Leben. Pino ist ein pinker Spielzeugdinosaurier, der die Digitalsparte des Verlags endlich bekannt machen sollte. Für die Redaktion war er vor allem peinlich. Es folgten immer wieder neue «Dinge», lustig sollten sie sein. Sie waren vor allem teuer – und nutzlos.

Das Resultat der Bemühungen ist nämlich überschaubar. Aktuell sollen die reinen Digital-Abos im dreistelligen Bereich liegen. Der Geschäftsbereich Digitale Medien/Shop schrieb alleine in den letzten vier Jahren ein Defizit von über 2,7 Millionen Franken. Eigentlich spielt der «Zürcher Oberländer» in der Mittelklasse. Trotzdem leistet er sich eine 13-köpfige-Belegschaft im Geschäftsbereich «Digital & Marketing».

Letzte Woche wurde ausserdem bekannt, dass der langjährige Chefredaktor Christian Brändli des Amtes enthoben wurde. Die Personalie schaffte es über die Kantonsgrenze. Brändli war 32 Jahre lang beim «Zürcher Oberländer». Die Nachfolge teilen sich nun der Deskleiter Sport und ein junger Redaktor.

CR weg, stv. CR weg, 3 x CvD weg

Am Freitag publizierte die Zeitung einen Leserbrief von Michael von Ledebur. Der ehemalige stv. Chefredaktor des Zürcher Oberländers schrieb: «Die ZO Medien AG ist seit Jahren digital aufgestellt. Die Geschäftsleitung will immer nochmals und nochmals Veränderungen, mit fragwürdigen Resultaten und einer Unzahl von personeller Abgänge. Die Eigentümer müssten sich eigentlich dafür interessieren, wie der betriebswirtschaftliche Erfolg durch diese Veränderungen aussieht – und ob da nicht mehr versprochen als geliefert wird.»

Die personellen Abgänge beim «Zürcher Oberländer» sind beträchtlich. Dass Mitarbeiter kommen und gehen, ist courant normal in der Medienbranche. Was beim «Zürcher Oberländer» auffällt, ist aber die enorm hohe Fluktuation beim Kader. Alleine in den letzten drei Monaten gingen fünf Leute mit Leitungsfunktion: der Chefredaktor, der stv. Chefredaktor und drei CvDs (Chef vom Dienst).

Das hinterlässt eine stark verunsicherte Redaktion. Da hilft auch das pinke Plüschtier Pino wenig.