Die Welt gegen Russland?

Die Verurteilung ist überwältigend. Aber Sanktionen? Da ist die Medienwelt abgekoppelt.

Nimmt man UNO-Vollversammlung, stimmte von wenigen Ausnahmen abgesehen die Mehrheit aller Staaten weltweit einer Resolution zu, die den Einmarsch Russlands in die Ukraine verurteilt.

5 Nein-Stimmen und 35 Enthaltungen (sowie einige Absenzen) standen 141 Ja-Stimmen gegenüber. Ein solches Resultat wird jeweils nur von Verurteilungen des US-Handelsembargos gegen Kuba übertroffen.

In Europa – und auch in der Schweiz – wird das als weltweite Zustimmung auch für Sanktionen gegen Russland verstanden. Das ist aber ein Trugschluss.

Einige wenige Länder mit vielen Sanktionen (Quelle: statista).

Es wird ausgeblendet, dass im Gegensatz zu den USA, der EU, Japan, Australien alle anderen Länder der Welt keine Sanktionen gegen Russland mittragen.

USA, Kanada, EU, Australien, Neuseeland, Japan – und die Schweiz …

Auch auf dem für Sanktionen wichtigsten Gebiet herrscht zumindest Uneinigkeit. Während die USA bereits einen völligen Ölboykott gegen Russland beschlossen haben, die EU noch daran herumlaboriert, sind die grossen Volkswirtschaften China und Indien, mitsamt vielen weiteren Ländern, nicht bereit, mitzumachen.

Noch fataler für den westlichen Ölboykott: Der grösste Ölproduzent der Welt, Saudi-Arabien, ist nicht bereit, seine Ölförderung wesentlich zu steigern und damit für einen Ersatz ausbleibender russischer Öllieferungen in den Boykottländern zu sorgen. Das Land mit den grössten Ölreservern der Welt, Venezuela, ist aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, mehr Öl auf den Markt zu giessen. Nach jahrelanger Misswirtschaft ist die Ölinfrastruktur völlig verrottet und bräuchte Milliardeninvestitionen sowie Jahre, um alte Höchststände wieder zu erreichen.

Zudem ist das Öl bereits auf Jahre hinaus an Kreditgeber verpfändet – darunter in erster Linie China und auch Russland. Auch bei arabischen Gasproduzenten sieht es nicht viel anders aus. Sehr reserviert zeigen sich auch afrikanische Staaten gegenüber einem Ölboykott, insbesondere Nigeria oder Angola sind ebenfalls nicht bereit, ihre Ölproduktion zu steigern und damit gegen Vereinbarungen der OPEC, bzw. OPEC+ zu verstossen.

Gleichzeitig profitieren alle grossen Erdölproduzenten, inklusive Russland, von den hohen und weiterhin steigenden Ölpreisen:

Quelle: statista.

In einem Jahr fast eine Verdoppelung, das ist Bonanza für alle ölexportierenden Länder der Welt, inklusive Russland.

Der Rubel ist wieder so stabil wie vor dem Überfall

Nicht zuletzt damit erklärt sich das Erstarken des Rubels, der im Gegensatz zu allen Prognosen nach einem ersten Taucher inzwischen wieder seinen Vorkriegswert im Vergleich zu den wichtigsten Devisen erreicht hat.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Sanktionen Russland nicht schwer treffen. Da es das Land bis heute nicht geschafft hat, vor allem im Hightech-Bereich nennenswerte eigene Produktionskapazitäten zu entwicklen, ist vor allem der Stopp des Verkaufs von IT-Produkten an Russland sehr schmerzhaft. Auch im Westen leiden ganze Wirtschaftszweige schnell, wenn es bei Halbleitern oder Chips Produktionsengpässe gibt. Denn das Fehlen dieser Komponente bedeutet, dass ganze Fahrzeuge oder Industrieprodukte stillstehen.

Dramatisch muss das in Russland auch bei Militärausrüstung sein. Gerüchteweise wird vermeldet, dass die geplante grosse Flugschau zur Feier des 9. Mai nicht wegen Wetterbedingungen, sondern wegen mangelnden Ersatzteilen abgesagt wurde.

Narrative und Realitäten

Wer sich auch hier genauer mit der Realität beschäftigt, kann im Gegensatz zum Narrativ in den Mainstream-Medien Folgendes konstatieren:

  1. Die Verurteilung des Einmarschs in die Ukraine ist weltweit grossmehrheitlich. Nur 5 Staaten haben in der UNO dagegen gestimmt, immerhin 35 haben sich der Stimme enthalten und 12 weitere schwänzten die Abstimmung.
  2. Ganz anders sieht es bei der Unterstützung von Sanktionen gegen Russland aus. Hier stehen wenige westliche Staaten einer überwältigenden Mehrheit von Staaten gegenüber, die sich nicht daran beteiligen. Darunter Schwergewichte wie China oder Indien.
  3. Auch der Versuch, Russland durch einen Ölboykott massiv zu schädigen, kommt nicht recht vom Fleck. Die USA haben es umgesetzt, deckten aber zuvor nur rund 8 Prozent ihres Importbedarfs mit russischem Öl. Die EU laboriert noch an einem entsprechenden Beschluss.
  4. Wichtige erdölproduzierende Länder wie Saudi-Arabien, Nigeria oder Angola weigern sich, ihre Ölproduktion wesentlich zu steigern und halten sich an die Abmachungen der OPEC. Länder wie Venezuela sind nicht in der Lage, mehr Erdöl zu fördern.
  5. Sanktionen im Hightech-Bereich schädigen zurzeit die russische Wirtschaft und wohl auch das Militär am empfindlichsten.
  6. Die Beschlagnahmung von Guthaben der russischen Notenbank oder von Vermögenswerten reicher Russen im Ausland haben bislang keine spürbare Wirkung erzielt. Auch die gehoffte Abkehr von russischen Oligarchen vom Putin-Regime hat nicht stattgefunden.
  7. Ob die massive Belieferung der Ukraine mit westlichen Waffen den Kriegsverlauf dort wesentlich beeinflusst, ist zurzeit noch nicht absehbar. Russland hat allerdings offenbar seine Strategie geändert und konzentriert sich auf die Gebiete im Südosten der Ukraine und versucht, dem Land den Zugang zum Meer abzuschneiden.
  8. Da Russland und die Ukraine zu den grössten Getreideproduzenten der Welt gehören, hat der Krieg bereits spürbare Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise. Vor allem in Ländern der Dritten Welt wird das zu einer explosiven Situation führen, wenn immer mehr Bevölkerungskreise nicht mehr in der Lage sind, wie gewohnt ihre Lebensmittel zu kaufen.

 

 

Dichtung und Wahrheit, Teil 3

Wie stellt man Gerechtigkeit her, nach so vielen Jahren und so viel Unrecht?

Hier geht’s zu Teil eins und zu Teil zwei.

Wer kann das viele, viele Jahre später noch unterscheiden? «Auch Leben ist eine Kunst», war der Sinnspruch von Max Emden. Das Nachleben der von ihm erworbenen Kunstwerke ist dagegen ein Trauerspiel.

Soll es darum gehen, ein Unrecht wieder gutzumachen? Ist es statthaft, was damals Recht war, heute als Unrecht zu denunzieren? Das trifft sicherlich auf die Raubzüge der Nazis gegen jüdische Besitztümer in ihrem Einflussbereich zu. Trifft das auch auf die Schweiz zu?

Spielt es in diesem Fall eine Rolle, welche Politik die Schweiz gegenüber Juden im Allgemeinen verfolgte? Spielt es eine Rolle, wie der Käufer zu seinem Vermögen kam?

Gerechtigkeit, wenn es so etwas überhaupt gibt, wird nicht durch Rechthaberei hergestellt. Einem Dialog ist es sicher nicht zuträglich, wenn der älteste Sohn des Verkäufers öffentlich behauptet, man habe ihm damals von Seiten der Stiftung «ins Gesicht gelacht». Einem Dialog ist es auch nicht zuträglich, wenn der Präsident der Stiftung formaljuristisch wird und festhält, dass alle Ansprüche sowieso längst verjährt seien.

Handelt es sich hier um einen Streit, bei dem damaliges Unrecht ziemlich genau 80 Jahre später geheilt werden soll? Schaffen da Kampfbegriffe wie «unter Ausnützung einer Notlage von Juden abgepresste Kunstwerke, bezahlt durch Einkünfte aus Waffenlieferungen an die Nazis», Gerechtigkeit?

Wieso bricht dieser Konflikt erst jetzt wieder aus? Die Herkunft der Werke in der Bührle-Sammlung war schon längst vor der Eröffnung der Ausstellung im Kunsthaus Zürich bekannt. Untersucht, umstritten, wieder untersucht, immer noch umstritten. Wobei die Stiftung bestreitet, dass etwas umstritten sei. Seit 2010 ist öffentlich auf der Webseite der Stiftung ein Bericht über die Lebensumstände von Juan Enrique oder Hans Erich Emden sowie über den Bildverkauf einsehbar – und niemals bestritten.

Muss nun 20 Jahre nach seinem Tod, 80 Jahre nach dem Tod von Max Emden, Unrecht geheilt werden? Verblasst der Streit um diesen Monet vor dem Riesenunrecht, das Emdens in Deutschland angetan wurde, ohne nennenswerte Sühne bis heute?

Kann die Stiftung als Wahrheit verkünden, dass es keinen einzigen Fall von problematischer Provenienz eines Kunstwerks in ihrem Besitz gebe? Dass alle allfälligen Restitutionsforderungen zu Recht zurückgewiesen worden seien – oder in Form von Vergleichen erledigt wurden?

Will hier ein Erbe am gewaltigen Wertzuwachs eines Gemäldes profitieren, dessen heutiger Schätzpreis von über 25 Millionen Franken überhaupt nichts mit den damaligen Preisen zu tun hat?

Wie unterscheidet man zwischen Dichtung und Wahrheit?

Ist es Dichtung oder Wahrheit, dass diese Wertsteigerung nicht zuletzt durch öffentliches Ausstellen entstand? Weiss man, was mit dem Gemälde geschehen würde, sollte es tatsächlich in den Besitz der Erben übergehen?

Dichtung oder Wahrheit, einem solchen Gespinst, solchen Verwicklungen, die tief in dunkle Kapitel der europäischen Geschichte zurückreichen, denen kann man nur – wenn man an Wahrheit interessiert ist – mit feinem Besteck beikommen, mit dem archäologischen Pinsel viel eher als mit dem Zweihänder oder dem Vorschlaghammer.

Das perfekte Feindbild.

Wie absurd die Debatte geworden ist, beweist eine kleine Auslegeordnung. Status quo ist, dass diese Werke als Leihgabe im Kunsthaus Zürich hängen. Ihre Herkunft und die Biographie des Sammlers ist in einem eigenen Raum dokumentiert. Was für Alternativen dazu gibt es?

  1. Der Leihgeber zieht die Sammlung wieder zurück.
  2. Einzelne Werke werden der Öffentlichkeit entzogen, bis ihre Provenienz nochmals abgeklärt wurde.
  3. Die Sammlung wird verstaatlicht.
  4. Einzelne Werke werden an die Erben der Verkäufer zurückgegeben
  • nur an die, die das fordern
  • aus Gleichbehandlungsgründen an alle
  1. Es wird auch für diese Sammlung der Begriff «NS-bedingter Kulturverlust» angewendet oder das Prinzip der «freiwilligen» Rückgabe, das vom Kunstmuseum Bern in Bezug auf die Gurlitt-Sammlung angewendet wird.
  2. Es werden weitere Kommissionen einberufen, die mit Steuergeldern finanziert nochmals versuchen, die Provenienz aller Kunstwerke zu überprüfen.

Es gäbe noch weitere Spielarten, aber allen ist gemeinsam: die gesamte Sammlung, oder zumindest Teile davon, würden der Öffentlichkeit entzogen werden.

Alle verlieren, auch die Wahrheit

So kann es nur Verlierer geben. Die Wahrheit gehört dazu. Einzig profitieren tun alle, die sich hier ihr eigenes Süppchen kochen wollen, ihre politischen Urteile und Vorurteile ausleben, mit billigen Propagandabegriffen die Lufthoheit über dem Stammtisch der öffentlichen Meinung erobern wollen.

Also letztlich nicht nach Wahrheit oder gar Gerechtigkeit suchen, sondern nur nach öffentlicher Aufmerksamkeit. Durch einseitige Skandalisierung oder gar durch absurde Forderungen nach Rückkauf eigener Werke, weil die nicht in der Nähe dieser Sammlung hängen dürften.

In der Woke-Gesellschaft das übliche Vorgehen. Mangels eigenem Leiden vergreift man sich an fremdem, längst vergangenem. Um dann bühnenreif und mit geradezu schillerschem Überschwang («nimm das, Schurke») eine jämmerliche Performance abzuliefern.

Das gilt bedauerlicherweise für eigentlich alle Beteiligten an diesem künstlichen Trauerspiel. Die Stiftung als Rechtsnachfolgerin des Käufers hätte genügend Zeit gehabt, sich auf die absehbare Welle an Kritik vorzubereiten. Das hat sie unterlassen, blieb zunächst sprachlos, um dann mit einer dilettantischen Pressekonferenz mehr Öl ins Feuer zu giessen.

Das Kunsthaus als Gastgeber für die Ausstellung verwickelte sich ebenfalls unnötigerweise in Widersprüche und Fragwürdigkeiten, liess es an aller Sensibilität gegenüber einem solch aufgeladenen Thema missen.

Die Zürcher Regierung bedient jedes Vorurteil, dass man gegenüber opportunistischen Politikern nur haben kann. Die Stadtpräsidentin jubelte noch bei der Eröffnung des extra für diese Sammlung errichteten Erweiterungsbaus und badete in der hellen Sonne dieses neuen kulturellen Highlights, das Zürich als Museumsplatz in die Oberliga weltweit befördert.

Als erste Kritiken laut wurden, reagierte sie abwiegelnd, dann mit dem üblichen Rückzug, dass hier nochmals untersucht und abgeklärt werden müsse. Inzwischen, nachdem der Wind etwas stärker bläst, sieht sie auch plötzlich Probleme und Schwierigkeiten bezüglich einer weiteren Ausstellung der Werke.

Nach der missglückten Pressekonferenz sägt sie nun kräftig am Stuhl des eigentlich erst per Ende 2022 abtretenden Kunsthaus-Direktors und würde es begrüssen, wenn dieses «Dossier» so schnell wie möglich an seine Nachfolgerin übergehen würde.

Wieso nicht gleich wieder rauben?

Die Süppchenkocher auf längst Vergangenem, aber noch nicht Erledigtem, fordern mehr oder minder unverblümt Einblick in vertrauliche Vertragswerke und entweder die Rückgabe diverser Gemälde oder gleich die Verstaatlichung, getarnt als «Schenkung» an das Kunsthaus. Nachdem diese Verträge veröffentlicht wurden, brach grosse Enttäuschung aus: es gab nichts zu skandalisieren.

Eine Schenkung einfordern, das ist nassforsch. Würden sich solche Vergleiche nicht verbieten, kämen Analogien zum Vorgehen in dunklen Zeiten des letzten Jahrhunderts in den Sinn.

Sozusagen als materiell gewordener Ausdruck einer zunehmenden Hysterie fordert ein nicht mehr kandidierender Stadtrat sogar, dass man Kunsthaus eine Bührle-Kanone auf den Marmorboden mitten in Ausstellung stellen solle. Damit würde «die Finanzierung der Sammlung aus Kriegsgewinnen» gleich sichtbar.

Wie wäre es mit Brunnen mit rotgefärbtem Wasser in den Empfangshallen der Schweizer Banken, als Erinnerung an die Blutgelder, die hier aufbewahrt wurden oder werden? Fotos von Tieren in Schlachthöfen in Metzgereien. Darstellungen von Sweatshops der Dritten Welt in Kleiderläden. Nachbauten von engen Tunneln, in denen kleine Kinder nach seltenen Erden graben, in Handyläden.

Der schärfste Kritiker der Ausstellung der Sammlung, der in der «Republik» eine ganze Artikelserie darauf verbriet und dem Enkel des Kaufhauskönigs eine Plattform gab, seine Vorwürfe zu wiederholen, sprach sich zehn Jahre zuvor noch lebhaft für den Neubau und die grossartige Ausstellung aus. Daniel Binswanger ist ein Opportunist, Wendehals und Schwulstschwätzer erster Güte.

Soll die Sammlung der Öffentlichkeit entzogen werden?

Allen Beteiligten ist nicht klar, dass sie daran arbeiten, dass eine der bedeutendsten Sammlungen impressionistischer Kunst der Öffentlichkeit entzogen werden könnte. Allen Beteiligten ist nicht klar, dass sich – je nach weiterer Entwicklung – andere Privatsammler dreimal überlegen, ob sie ihre Kollektionen als Leihgaben an öffentliche Museen weiterreichen.

Ist es so, dass man sich beim Betrachten des blutroten Mohnfeldes von Monet an blutgebadete Schlachtfelder erinnern muss? Ist es so, dass man sich beim Betrachten des mit Wolken hingetupften Himmels an Kamine eines KZs erinnern muss? Haben die drei Frauen im Mohnfeld beim Blumenpflücken ihre Unschuld verloren, weil sie in den Besitz eines Waffenfabrikanten gerieten?

Muss man bei ihrem Anblick an das Lied «Sag mir, wo die Blumen sind?» denken? Muss man sich fragen, wie es sein kann, dass ein solches Gemälde einen Schätzwert von über 25 Millionen Franken hat?

Oder kann man das Gemälde so betrachten, wie es vom Maler wohl beabsichtigt wurde: als erhebender und erbaulicher Anblick einer künstlerisch hochstehenden Verarbeitung der Realität? Als Bereicherung, nicht für den Besitzer, sondern für den Betrachter.

Wäre das naiv, unstatthaft? Oder wäre das die Rückführung eines Kunstwerks auf seinen eigentlichen Sinn und Zweck? Erbauung, Erhöhung, Erweiterung, Einblick, Bewunderung der Kunstfertigkeit eines Malers?

Sollte der Betrachter Scham und Schuld empfinden müssen? Gar die Augen schliessen, den Anblick boykottieren? Oder sollten sich all die öffentlichen Kritiker schämen, die sich in Unkenntnis der Vergangenheit mit geraubtem Leiden schmücken, sich ohne jede Legitimation zu moralischen Scharfrichtern aufspielen?

Wer weiss die Antwort? Wer wohlfeile Antworten hat, sollte besser schweigen. Damit wäre allen und der Kunst gedient.

Dichtung und Wahrheit, Teil 1

Bührle und kein Ende. Eine Suche nach der Wahrheit hinter dem Geschrei.

Wer kann das viele, viele Jahre später noch unterscheiden? «Auch Leben ist eine Kunst», war der Sinnspruch von Max Emden. Das Nachleben der von ihm erworbenen Kunstwerke ist dagegen ein Trauerspiel.

Es begab sich und trug sich zu: Es war einmal ein deutscher Millionär. In seinen besten Zeiten war er der Kaufhauskönig Europas mit über 6000 Angestellten und Geschäften an bester Lage in vielen Grossstädten. Er lebte hoch im Norden und wurde dem Dreck einer Hafenstadt, auch der Engstirnigkeit der Menschen Hamburgs überdrüssig.

Also verkaufte er den Grossteil seiner Beteiligungen, die ihn reich gemacht hatten, und wanderte gegen Süden aus. Er suchte Ruhe und Beschaulichkeit; die fand er im Tessin. Genauer auf zwei Inseln im Lago Maggiore. Die waren idyllisch und einsam genug, also kaufte er sie 1927 für 600’000 Franken, was damals eine hübsche Stange Geld war.

Um die Beschaulichkeit mit Behaglichkeit zu verbinden, liess er auf einer der Inseln eine schöne, klassizistische Villa mit 30 Zimmern errichten. Das war dann genug Platz für seine Familie und seine Kunstsammlung, die er an den zahlreich vorhandenen Wänden aufhängte.

Die Inseln boten auch genug Privatsphäre, dass er dort ein Leben als Aussteiger, Freigeist, Polospieler, Golfer und Liebhaber des Schönen und der Schönen führen konnte. Als Frühhippie, im Geiste des nahegelegenen Monte Verità.

Allerdings berichten viele Zeitzeugen, dass immer eine Aura von Melancholie und zurückhaltender Trauer um ihn war.

Bald kamen die braunen Zeiten in Deutschland

1931 liess er auf einer grossen Auktion aus seiner Sammlung Gemälde deutscher und französischer Meister des 19. Jahrhunderts, Möbel, Teppiche, Bronzen, deutsches Silber, Fayencen versteigern.

Die dunkelbraunen Zeiten, die in Deutschland anbrachen, machten die Inseln zu seinem Hauptwohnsitz; 1934 erwarb er das Bürgerrecht der Gemeinde Ronco. Illustre Gäste beherbergte er in seiner Villa, darunter Aga Khan, den König von Siam oder den berühmten Schriftsteller Erich Maria Remarque.

Als die braune Pest damit begann, seine in deren Einflussbereich verbliebenen Besitztümer zu arisieren oder schlichtweg zu stehlen, setzte er die Verkäufe seiner in die Schweiz verbrachten Kunstwerke fort, um seinen Finanzhaushalt zu stabilisieren. Denn Villa, Bedienstete, Boote, Polo, Frauen, das Leben, das war alles nicht ganz billig.

Zwei dieser damals verkauften Gemälde gelangten in die Sammlung Adolf Hitlers. Da die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsnachfolge des Dritten Reichs angetreten hatte und sich ungern von jeglichem Besitz trennte, dauerte es bis 2019, dass die beiden Gemälde an die Nachkommen des Sammlers restituiert wurden.

Die in Deutschland enteigneten Besitztümer sind bis heute ein ungelöster Skandal

Bis heute ist aber die Enteignung seiner Besitztümer in Deutschland und im Einflussbereich der braunen Pest ein Verbrechen, das ungesühnt bleibt. Er war nicht nur der Kaufhauskönig der damaligen Zeit, sondern der bedeutendste Grundbesitzer in Hamburg, höchstwahrscheinlich sogar im ganzen Deutschen Reich.

Glücklicherweise hatte er seine Kaufhäuser, darunter das KaDeWe in Berlin oder Oberpollinger in München, noch rechtzeitig verkauft. Er blieb aber im Besitz der Grundstücke, bis ihm die abgepresst oder schlichtweg gestohlen wurden.

Als der Lebemann 1940 plötzlich starb, wurde sein einziger Sohn Alleinerbe. Der war nicht mit ins Schweizer Bürgerrecht aufgenommen worden und wurde daher staatenlos, als ihm der deutsche Schurkenstaat seine Staatsbürgerschaft entzog.

Aber der Sohn besorgte sich einen haitianischen Pass und beschloss, nach Chile auszuwandern; von dort stammte seine Mutter. Dabei liess er die beiden Inseln und einige Kunstwerke in der Schweiz zurück, die verkauft werden sollten.

Der Sohn und Erbe war finanziell gut gepolstert

Dringlichen Finanzbedarf schien er nicht zu haben, denn er verfügte insgesamt über ein Vermögen von rund 1,8 Millionen Franken. In Dollar umgerechnet wurden seine Kunstwerke auf 75’000 $ geschätzt, hinzu kam auf diversen New Yorker Bankkonten ein Guthaben von über 130’000 Dollar, jederzeit liquide.

In Chile gründete der Sohn mit diesem Vermögen eine eigene Firma. Da ihm als möglicherweise «feindlichem Ausländer» zweimal Visa-Anträge in die USA verweigert wurden, überwachten die US-Behörden seinen Geldverkehr genau. Da entsprechende Archive vorhanden sind, lässt sich belegen, dass er seine in Chile gegründete Firma Pre-Unic mit einer Kapitalbasis von 133’000 US-Dollar ausstattete und daraufhin weitere 135’000 Dollar für Investitionen und seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen in den USA und anderswo bezog.

Das war rund eine Million CHF zum damaligen Umrechnungskurs. Zudem geht aus einem Schriftwechsel mit seiner damaligen Verwalterin in der Schweiz hervor, dass Olga Ammann eine Offerte der SBG (heutige UBS) für den Ankauf von drei Kunstwerken zurückwies; der Preis erschien ihr zu niedrig, und es herrschte offenbar Einverständnis zwischen ihr und Emden, dass diese Verkäufe langsam und bedächtig abzuwickeln seien, keine Eile oder Not bestünde.

Fortsetzung folgt: Der Enkel will Genugtuung

 

Faktencheck: Swift

Zeichen setzen mal ganz absurd.

Alle Maulhelden, die auch von der Schweiz forderten, gegenüber Russland müsse ein Zeichen gesetzt werden, sind zufrieden. Der Bundesrat in seiner unendlichen Weisheit hat sich – Neutralität hin, Neutralität her – den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen.

Als besonders scharfes Schwert, als ausserordentlich schmerzhaft wird dabei der Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift gelobt. What a joke, wie da der Ami sagt. Dem versammelten Sachverstand der Schweizer Wirtschaftsjournis ist es nicht gelungen, ein paar banale und offenkundige Tatsachen zu erklären.

Was ist Swift eigentlich schon wieder?

Swift ist kein Zahlungssystem; über Swift finden keinerlei Finanztransaktionen statt. Wenn von Konto A etwas auf Konto B überwiesen werden soll, kann das per Telefon, per Fax (so wie das BAG die Pandemie bekämpfte) oder per Telex geschehen. Oder unter Verwendung von Swift. Die «Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication» (Swift) ist eine Genossenschaft, der weltweit rund 11’000 Banken angehören. Ihre Rechenzentren stehen in Holland, in den USA und – in der «neutralen» Schweiz.

Die Genossenschaft bietet ein Telekommunikationsnetz an, das besonders sicher sein soll und über das genormte Informationen verschickt werden. Pro Tag werden rund 30 Millionen solcher Datenübertragungen abgewickelt. Auch der kleine Teilnehmer am Zahlungsverkehr kennt den Swift-Code, der zur normierten Identifizierung einer Transaktion benutzt wird.

Der gross angekündigte Ausschluss russischer Geldhäuser von Swift trifft daher, wenn überhaupt, die Kleinen. KMU und Menschen, die anderen Menschen Geldbeträge schicken wollen. Auch dafür gibt es natürlich alternative Wege, aber die sogenannten Transaktionskosten sind höher. Eine normierte Überweisung kostet im Schnitt 2 Franken (oder weniger), wer sein Geld mit Western Union oder anderen solchen Dienstleistern überweist, muss schmerzliche 10 Prozent (oder mehr) dafür abdrücken.

Wer alles nicht von der Sanktion betroffen ist

Der Oligarch, die Clique um Präsident Putin, die grosse Staatsfirma, all die sind durch diesen Ausschluss kaum betroffen. Vollständig zum Witz wird dieses Zeichen dadurch, dass die beiden wichtigsten Banken Russlands davon nicht betroffen sind. Eine davon heisst Gasprombank, was darauf hinweist, dass ihr hauptsächlicher Daseinszweck die Abwicklung von Zahlungen rund um Erdgas- und Ölgeschäfte ist.

Da nicht nur Deutschland zu 40 Prozent von russischem Erdgas abhängig ist, will man zwar ein deutliches «Zeichen» setzen, aber bitte nicht so, dass der deutsche Bürger in seiner ungeheizten Stube sich den Hintern abfriert. Denn ein solches Zeichen würde wohl von der Bevölkerung nicht goutiert werden. Die Schweiz importiert übrigens 47 Prozent ihres Erdgases aus Russland.

Zudem leben wir schon lange nicht mehr in einer unipolaren Welt, was den internationalen Zahlungsverkehr betrifft. Neben Swift gibt es das Clearing- und Abwicklungssystem Cips. Die Abkrüzung steht für «Cross-Border Interbank Payment System». Für Chinas Clearing. Nun steckt Cips noch in den Kinderschuhen, lediglich rund 80 Banken sind ihm bislang angeschlossen. Das wird sich aber rasant ändern.

Finanzströme in einer multipolaren Welt

Denn bei Swift steht nicht zufällig eines der Rechenzentren in den USA. Deren Geheimdienste wollen natürlich auf dem Laufenden bleiben, welche Finanztransaktionen weltweit stattfinden. Früher wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, ein solches Datenvolumen zeitnah auszuwerten. Das ist heutzutage kein Problem mehr.

Nicht nur China ist daran interessiert, den USA diesen Einblick in Transaktionen zu verwehren. Solange die chinesische Währung Yuan noch nicht frei konvertibel ist, wird Cips nicht auf Augenhöhe mit Swift kommen. Aber alles ist im Fluss, China ist bekanntlich der grösste Handelspartner Russlands.

Gleichzeitig bieten die Sanktionen eine einmalige Gelegenheit, die Dominanz des Petrodollars zu brechen. Das Wort steht für die Tatsache, dass bis heute die meisten Ölgeschäfte in US-Dollar abgerechnet werden. Mit den USA natürlich, aber auch bilateral, selbst wenn die Ukraine und Russland Gaslieferungen fakturieren.

Daraus ergibt sich eine Abhängigkeit der Landeswährung ölexportierender Länder vom US-Dollar, die USA wissen über all diese Transaktionen Bescheid, grosse Dollarbestände fliessen in US-Tresore, alleine durch Seignoriage machen die USA nette Zusatzprofite.

Wenn nun Russland als wichtiger Rohstoffproduzent und China als wichtiger Rohstoffkonsument dazu übergehen, Cips zu benutzen und eine konvertible Währung (könnte auch virtuell auf Blockchain aufgebaut sein), dann wäre diese Sanktion vollständig ein Rohrkrepierer.

Aber solche Zusammenhänge sind für Pace-Fahnen schwingende Demonstranten, die «Stoppt Putin» rufen, viel zu kompliziert.

 

Nord Stream 2: Zuger Zombie

Die Massenentlassung, die keine ist. Oder ein Konkurs, der keiner ist.

Bundesrat Parmelin gab bekannt, dass die Firma Nord Stream 2 im Gefolge der Sistierung der Inbetriebnahme der neuen Erdgaspipeline 140 Mitarbeiter entlassen habe. Die fertig gebaute Pipeline Nord Stream 2 wurde vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz nach längerem Zögern auf Eis gelegt.

Das wiederum wäre eine Massenentlassung mit allen arbeitsrechtlichen Konsequenzen, einem Sozialplan und so weiter. In «Blick TV» korrigierte daraufhin die Zuger Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut (Mitte) den Bundesrat: es handle sich um keine Massenentlassung, «das ist es nur, wenn das Unternehmen weiter besteht. In diesem Fall handelt es sich allerdings um einen Konkurs.»

Nur: Das Konkursamt von Zug weiss nichts davon, verweist ans Kantonsgericht. Das sagt, dass es nichts sagt. Anfrage bei der Volkswirtschaftsdirektion. Die Firma habe «massive Zahlungsschwierigkeiten», wegen den Sanktionen seien alle Konten gesperrt. Daher seien 106 Mitarbeiter gekündigt worden.

Es handle sich aber dabei um keine Massenentlassung. Ein Konkurs sei auch nicht offiziell angemeldet worden. Ist eine Firma pleite, braucht es keinen Sozialplan und müssen keine Vorschriften einer Massenentlassung beachtet werden. Man muss da von einem Zuger Sonderweg in den rechtsfreien Raum sprechen.

Ist eine Firma nicht Konkurs, dann muss sie entsprechende Gesuche stellen und sich um einen Sozialplan bemühen. Oder aber, es ist eine Firma in Zug. Die darf dann sozusagen in einer Zwischenzone als Untote weiterleben. Diesen Zustand nennen wir den Zuger Zombie.

 

 

Faktencheck Sanktionen

Nun ist die Schweiz auch dabei. Wobei eigentlich genau?

Nehmen wir die offizielle Ankündigung der deutschen Bundesregierung als Basis für einen Faktencheck.

Es handle sich um «Sanktionen von bisher unbekanntem Ausmass». Die habe Deutschland zusammen mit den Regierungschefs der EU und der G7 beschlossen. Also nun wird’s ernst, brutal, bekommt der Kreml-Boss endlich richtig Feuer unter den Hintern, um es weniger diplomatisch auszudrücken.

Und sehr gut, auch die Schweiz verstecke sich nicht länger hinter ihrer Neutralität, sondern schliesse sich dem «freien Westen» an, wie das Tamedia im Rückfall in beste Kalte-Kriegs-Terminologie formuliert.

Das hört sich alles sehr energisch an. Allerdings hat «energisch» etwas mit Energie zu tun. Doch wir lesen zuerst das Kleingedruckte. Worin bestehen nun diese unbekanntes Ausmass-Sanktionen?

Tatä: «Russische Banken werden vom internationalen Zahlungsdienstleistungssystem SWIFT ausgeschlossen.» Nimm das, Putin. Wir reichen noch den Nebensatz nach: «die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind». Also ja nicht alle. Vor allem nicht die, über die der Zahlungsverkehr für Erdgas- und Ölhandel läuft.

Die Handlungsmöglichkeiten der russischen Zentralbank werden beschnitten, «mit internationalen Finanzgeschäften den Kurs des Rubel zu stützen». Das tut nun tatsächlich etwas weh, wobei der Handel mit Rohstoffen traditionell in Dollar abgewickelt wird, daher auch der Begriff Petrodollar.

Dann soll es reichen Russen ans Portemonnaie gehen, bzw. ihnen soll verwehrt werden, «sich und ihren Familienangehörigen einen so genannten goldenen Pass und damit eine europäische Staatsbürgerschaft zu verschaffen».

Soll werden, wohlgemerkt. Alle die, die sich schon längst einen solchen Pass besorgt haben (florierendes Geschäft für Malta, Zypern und andere finanzschwache EU-Staaten), sind davon nicht betroffen.

Einfrieren von Vermögenswerten «von sanktionierten Individuen, ihren Familien und Firmen». Wohlan, Viktor Vekselberg ist das schon vor einer guten Weile passiert. Es ist nicht bekannt, dass er seither Sozialhilfe beantragen musste.

Der EU-Luftraum wird für russische Flugzeuge gesperrt. Wum, dafür der russische für europäische. Wum. Der russische Luftraum ist grösser. Ätsch.

Gibt’s noch mehr harte Sanktionen? Bitte sehr:

  • Energiesektor: Es werden insbesondere Exportverbote verhängt, die es Russland unmöglich machen, seine Ölraffinerien zu modernisieren.
  • Transportsektor: Der Verkauf von Flugzeugen und Ausrüstung an russische Fluggesellschaften wird verboten.
  • Industriesektor: Der Zugang Russlands zu wichtigen Technologien wie Halbleitern oder modernster Software wird beschränkt.
  • Visavergabe: Diplomaten und verwandte Gruppen sowie Geschäftsleute verlieren ihren privilegierten Zugang zur Europäischen Union.

Fehlt da etwas? Ach, nur eine Kleinigkeit. Deutschland kauft weiterhin russisches Öl und Gas. Die EU kauft weiterhin. Polen kauft weiterhin. Die USA kaufen weiterhin. Ja, auch die Schweiz kauft weiterhin. Gerade jetzt zum Beispiel. Obwohl echte Sanktionen dagegen Russland ziemlich schnell an den Rand des Zusammenbruchs treiben würden.

Denn über die Hälfte aller russischen Exporte bestehen daraus. Diese Rohstoffe stehen zudem für rund 30 Prozent des russischen BIP. Russland lebt und atmet damit. Natürlich stünde China bereit, einen Teil der Produktion abzunehmen. Aber bei diesen gewaltigen Mengen kann man nicht einfach einen Schalter umlegen, und dann fliessen Öl und Gas nach Asien statt nach Europa.

Sanktionen «unbekannten Ausmasses» würden hier ansetzen. Was Russland eher schnell in die Knie zwingen würde, aber auch dramatische Auswirkungen auf die Wirtschaft der EU (und damit auch der Schweiz) hätte. Also lieber heucheln, Pace-Fahnen schwingen und «Sanktionen sofort» fordern. Faktenfrei, kenntnisfrei.

Oder haben wir diese Informationen in den Mainstream-Medien überlesen?

 

 

 

 

Wandeln auf dünnem Eis

Ein veritabler Krimi: wurde in der NZZaS zensiert?

Medienkenner Kurt. W. Zimmermann liess in der «Weltwoche» eine kleine Bombe platzen. Chefredaktor Jonas Projer habe eine zweiteilige Story über das Liebesleben von Bundesrat Alain Berset gekippt.

«Reporter Hossli recherchierte monatelang über Bersets Liebesleben in seinem politischen Umfeld. Er redete mit mehreren Frauen, die intime Beziehungen zum Bundesrat hatten, unter anderem mit einer Diplomatin, einer Angestellten der Bundesverwaltung und einer Journalistin.»

Resultat: «Der erste Teil handelte von den diversen Gespielinnen des verheirateten Bundesrats und ging der Frage nach, ob Alain Berset dabei seine Macht und seine Privilegien missbraucht hatte. Im zweiten Teil ging Hossli auch auf das Thema ein, wie die Strafakten an die Öffentlichkeit gelangt waren, die im letzten Herbst die sogenannte Erpressungsaffäre Berset ausgelöst hatten.»

Soweit Zimmermann. Während die «Weltwoche» aus den ihr zugespielten Strafakten zitierte, trug Peter Hossli in der NZZaS noch das Detail nach, dass sich Berset von einem Liebeswochenende in Freiburg im Breisgau mit der Staatslimousine nach Bern zurückkutschieren liess. Allerdings ohne das in weitere Rechercheergebnisse einzubinden.

Man fragt sich nun, ob der Wechsel von Hossli an die Spitze der Journalistenschule von Ringier und der Abgang des Ressortleiters Hintergrund bei der NZZaS einen Zusammenhang mit dieser verhinderten Publikation haben.

Projer verteidigt sich in dieser ersten echten Bewährungsprobe in seinem Amt nicht sonderlich geschickt. Gegenüber Zimi soll er gesagt haben, dass er nicht bestätigen könne, dass es eine solche Berset-Story gegeben habe.

Nun tritt er auf persoenlich.com nach und erklärt, dass Artikel in der NZZaS erst dann publiziert würden, wenn eine Recherche hieb und stichfest sei und den hohen Qualitätsansprüchen der NZZ genüge.

Das heisst mit anderen Worten, dass das auf die Arbeit von Hossli nicht zutrifft, wenn nun allgemein akzeptiert ist, dass es die Recherche gab, der Artikel in zwei Teilen fertig geschrieben und laut Zimi juristisch überprüft vorlag und auch vom Ressortleiter Hintergrund befürwortet wurde.

Noch eins auf die Kinnlade von Projer

Hossli ist inzwischen zu Ringier gewechselt, auch Michael Furger ist von Bord gegangen und meldete sich auf Twitter zu Wort. Er kenne Hossli seit einigen Jahren und «keinen Journalisten, der höhere Qualitätsanforderungen an seine Arbeit stellt als er».

Das ist nun indirekt eins in die Kinnlade von Projer. Der hatte gerade die Chefredaktion auf- und umgeräumt und sich seiner Nummer zwei entledigt. Damit wollte er offenbar auch signalisieren: ich bin gekommen, um zu bleiben.

Es ist kein grosses Geheimnis, dass seine Einwechslung von «Blick TV» und seine Vergangenheit als Fernsehmann ohne grosse Printerfahrung nicht gerade Begeisterungsstürme bei der NZZaS-Redaktion auslöste. Zudem schmerzte die erst zweite Abservierung eines amtierenden Chefredaktors in der langen Geschichte der NZZ und der kurzen der NZZaS. Schliesslich gab es auch einen oder zwei interne Anwärter, die sich das Amt zugetraut hätten und auch gerne auf dem Chefsessel platzgenommen hätten.

Nun hat Zimmermann sicherlich nicht das Redaktionsarchiv der NZZaS geknackt und dort den Artikel von Hossli im Quarantänebereich gefunden. Natürlich wurde ihm das zugesteckt, und zwar entweder von Hossli selbst oder aus der Redaktion der Zeitung. Was bedeutet, dass wir an der Falkenstrasse so eine kleine Imitation der Verhältnisse in der Credit Suisse haben. Ein Heckenschütze versucht, Projer durch diese Indiskretion abzuschiessen.

Da ist die Frage, ob er – wie im Fall von Horta-Osório – noch mehr Pfeile im Köcher hat oder damit bereits am Ende seiner Möglichkeiten angelangt ist.

Zudem ist die Redaktion verunsichert, wie und ob ein weiterer Zusammenschluss mit der NZZ-Stammmannschaft stattfinden wird. Sollte die NZZ den Weg von Tamedia gehen, braucht es eigentlich nur mehr einen Frühstückdirektor bei der NZZaS. Oder Eric Gujer regiert gleich direkt durch.

Wirrungen und Weiterungen

Diese bislang von Projer leicht verstolperte Affäre könnte Anlass bieten, so aufzuräumen. Dann wären seine Gegner zwar Projer losgeworden, dafür aber direkt in die harte Hand von Gujer gefallen.

Lustige Ausgangslage: wer bei der NZZaS möglichst viel Autonomie behalten möchte, muss eigentlich Projer unterstützen. Ob der ihm passt oder nicht. Projer wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen.

Lustig ebenfalls: Hossli sitzt nun auf einem fertiggeschriebenen Doppelstück, das zumindest die juristische Prüfung überstanden habe. Ob es qualitativ wirklich mässig ist? Das könnte man erst beurteilen, wenn es veröffentlicht würde. Auch er reagierte nicht auf eine Anfrage.

Nun ist es so, dass normalerweise der Autor im Besitz der Recht an seinen Werken ist. Nachdem Hossli bei der NZZaS nicht mehr in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, es ganz danach aussieht, dass er seine neue Stelle als Leiter der Journalistenschule bei Ringier nicht als Kurzzeitengagement sieht, könnte er natürlich …

Schon alleine, um zu belegen, dass einer, der Journalisten ausbildet, sich den Vorwurf nicht gefallen lassen kann, er liefere qualitativ ungenügende Artikel ab. Auf der anderen Seite ist bekannt, dass das Haus Ringier und sein CEO dem Bundesrat Berset nicht unbedingt kritisch gegenüberstehen.

Man könnte es also so formulieren: würde Hossli seine Story anderweitig publizieren, hätte er ein zumindest arbeitsrechtliches Problemchen mit der NZZ. Zudem würde es dann wohl mit seinem Stellenantritt bei Ringier nichts. Also wird er das lassen.

Nun ist es unbestreitbar so, dass Christoph Mörgeli von der «Weltwoche» das Thema «Liebesleben eines Bundesrats» an die Öffentlichkeit brachte. So wie Zimi für seinen Artikel angefüttert wurde, bekam auch Mörgeli entsprechendes Material zugespielt. In beiden Fällen ist die spannende Frage: von wem?

Geschützte Werkstatt

Schon mal swissinfo gehört? Nein? Nun gut, vielleicht kein Auslandschweizer.

So macht das Informieren Spass. 2020 betrug der Gesamtaufwand von swissinfo genau 18,354 Millionen Franken. Der Gesamtertrag 18,354 Millionen. Das ergibt ein Unternehmensergebnis von 0.

Davon auf einen Inhalt von 0 zu schliessen, das wäre natürlich nassforsch. Swissinfo wurde 1935 als «Schweizer Radio International» gegründet, angeflanscht an die Schweizerische Rundspruchgesellschaft SRG. Zweifache Aufgabe: Auslandschweizer über ihre Heimat informieren und Schweizer Präsenz im Ausland markieren.

2005 hatte swissinfo ein Nahtoderlebnis. Der Dienst hätte schwer gestutzt werden sollen. Angebot nur mehr auf Englisch und in den Landessprachen, je ein zuständiger Redaktor. Schlank und rank aufgestellt, mit allen Synergien hätte man das Angebot für eine halbe Kiste jährlich schaukeln können.

Warum schlank und billig, wenn’s auch dick und teuer geht?

Aber so geht es in Staatsmedien ja nicht. Pardon, in staatsunabhängigen, aber zwangsfinanzierten Medien. Pardon, in völlig unabhängig-objektiven Gebührensendern. Also blieb swissinfo dick und gefrässig und baute das Angebot aus; heutzutage wird in zehn  Sprachen gesendet.

Die Kosten dafür teilen sich die SRG und der Bund fast 50 zu 50. Schöner Vorteil für swissinfo: wer zwei Herren hat, kann eigentlich machen, was er will.

Bei swissinfo werkeln total 106 Mitarbeiter (wir verwenden weiterhin das generische Maskulinum, wenn’s recht ist). Das sind immerhin doppelt so viele wie bei der «Republik». 11 davon bilden das «Kader». Denn so ein Tanker braucht Führungskräfte. Qualifizierte Führungskräfte. Angeführt von der Direktorin Larissa M. Bieler.

Chefredaktion, Direktion, Qualifikation: Bieler.

Wir sind für Frauenförderung, absolut. Wir bewundern eine Flight Attendant, die nach dem Swissair-Grounding umsattelte, als freie Journalistin begann und ihr Studium mit einer Dissertation zum Thema «Verhältnis von Sinneswahrnehmung und sprachlichem Ausdruck im Geschmacksdiskurs» abschloss. 2013 kletterte sie auf den Chefsessel des «Bündner Tagblatt» (damals 8140 verkaufte Exemplare). Schon 2015 gab sie diese Funktion im Zentrum der medialen Landschaft ab und wurde im Januar 2016 Chefredaktorin von Swissinfo.

Alles qualifizierte Fachkräfte an Entscheidungspositionen

Hier wird sie von vier weiteren ausgewiesenen Fachkräften aus der Resteverwertungsanstalt des Journalismus unterstützt, das gab ihr die freien Valenzen, um ab 2018 auch noch die Direktion zu übernehmen. Der Kontakt zu den Hörern wird übrigens durch einen «Publikumsrat» sichergestellt. Auch von dem haben Sie sicherlich schon viel gehört; seine Mitglieder:

  • Marcel Stutz (Präsident) 
    Ehemaliger Schweizer Botschafter
    Muttersprache: Deutsch
  • Marina Karlin (Vizepräsidentin) 
    Direktorin des Monatsmagazins «Russian Switzerland»
    Herausgeberin und Journalistin
    Muttersprache: Russisch
  • Chok Woo
    Ingenieur und Manager
    Muttersprache: Chinesisch
  • Cinzia Dal Zotto
    Professorin an der Universität Neuenburg
    Muttersprache: Italienisch
  • Rose Wettstein 
    Englisch-, Medien- und Informatik-Lehrerin an der Sekundarschule
    Muttersprache: Englisch

Wenn man dann noch weiss, dass Silvia Egli von Matt die Ombudsfrau von swissinfo ist, bleiben eigentlich keine Fragen offen.

Zahlen und Namen sind das eine, was ist mit dem Inhalt?

Corona hatte für swissinfo segensreiche Auswirkungen. Die Zahl der Unique Clients verdoppelte sich von 2019 auf 2020 fast und stieg auf 2,1 Millionen pro Monat (zum Vergleich NZZ 8,8 Millionen).

Gut, das sind alles Zahlen und Rahmenbedingungen. Was liefern denn nun die rund 100 Kostenverursacher an Inhalt, denn darauf kommt’s ja irgendwie an. Oder auch nicht, wenn man null von der Einschaltquote, dem Markt, dem Generieren von Einnahmen abhängig ist.

Nehmen wir mal eine Aufforderung zur Debatte. Heisses Thema: «Was halten Sie vom Entscheid der Migros, den Verkauf von Alkohol zu prüfen?» Das müsste ja eigentlich unter Aufreger laufen und ein Quotenrenner werden, zumal der Beitrag dreisprachig existiert. Nur: Nach einigen Tagen haben sich ganze 17 Kommentatoren («ich bin dagegen») eingefunden.

Was bewegt denn die Schweizer im In- und Ausland, was will die Welt wissen? Nun ja:

Es geht aber noch besser; dieses Ereignis hat von Indien bis Neuseeland, von Bolivien bis Russland – und in ganz China – Anteilnahme und Mitgefühl ausgelöst:

Gut, schauen wir mal, was in einer der meistverwendeten Sprachen der Welt los ist:

Auf Spanisch können wir feststellen, dass Aktualität nicht wirklich ernst gemeint wird. Und der grossartige Aufmacherartikel? Worum geht’s da eigentlich, was soll der Auslandschweizer und der Spanischsprechende überall auf der Welt von der Schweiz mitnehmen? Das hier:

«Die Corona-Pandemie trifft fast alle Demokratien hart. Für Diversitäts-Beraterin Estefania Cuero aber sind diese Auswirkungen gerade in der Schweiz Ausdruck von grundlegenden, bereits seit langem bestehenden Problemen. Sie und andere Expert:innen fordern mehr Inklusion und stellen die Machtfrage.»

Das ist mal wieder der richtige Moment, um festzuhalten: nein, das ist keine Satire und das Beispiel ist nicht ausgedacht. Aber vielleicht gibt es ein anderes Thema in der Weltsprache Nummer eins (abgesehen von Chinesisch)?

Sir, no Sir, wie man da auf Macho-Englisch sagen muss. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die rund 100 Swissinfo-Mitarbeiter und -Kader die Last der Newsherstellung nicht etwa alleine auf ihren schmalen Schultern tragen müssen. Sie können die SDA und natürlich alles vom breiten Angebot der SRG verwursten.

Auch den Chinesen wird das Thema Diversität und Inklusion, sowie die Gefährdung der Demokratie, nähergebracht:

Warum nicht zurück zur Entscheidung von 2005?

Es ist nicht so, dass die SRG noch nie eine Sendequelle hätte versiegen lassen. Radio Beromünster gibt’s nicht mehr, SPlus/Schweiz 4 hat das Zeitliche gesegnet, auch der Telefonrundspruch gehört der Vergangenheit an. Das «World Radio Switzerland» wurde verkauft.

Swissinfo lebt. Hier dürfen Redaktoren noch ihre Hobbys pflegen. Losgelöst von Aktualitätsdruck vor sich hinwerkeln. In den grossen Topf vorhandener Angebote greifen. Qualitätskontrolle, Ansprüche, Niveau? Nun, sagen wir so: Was für das «Bündner Tagblatt» gut war, kann doch für einen staatlichen Gebührensender nicht falsch sein. Schliesslich ist Bieler nicht die einzige Medienmanagerin mit Graubündner Wurzeln, die Karriere gemacht hat.

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings. Zu den zehn Sprachen, in denen Swissinfo sendet, gehört Rätoromanisch – nicht. Das ist traurig, trist, trest und truli.

Spielt keine Rolex, was das lacostet

Alter Werberscherz. Neu belebt vom BAG.

Auf unsere Faktentchecker ist ja kein Verlass. Also haben wir ein paar Fragen zur abverheiten Tournee zwecks Mobilisierung der Jugend ans BAG gerichtet. Manchmal sind die Antworten so entlarvend, dass es keinen weiteren Kommentar braucht.

Daher alles im Original.

  1. Trifft es zu, dass diese ganze Veranstaltung rund 2,5 Millionen Franken kostet?

Die Informations- und Konzert-Tour ist Total mit ca. 2,5 Mio Franken budgetiert, das ist korrekt. Darin enthalten sind Planung, Infrastruktur/Technik, Personalkosten, Reisekosten, Produktion, Durchführung, Kommunikationsmassnahmen und Gagen für die gesamte Informations- und Konzert-Tour inkl. aller Aktivitäten.

  1.     Trifft es zu, dass die teilnehmenden Künstler jeweils eine Gage im sechsstelligen Bereich erhalten?

Die Künstlerinnen und Künstler werden branchenüblich honoriert.

  1.     Welche Beträge sind das; im Schnitt und individuell auf die Künstler aufgeschlüsselt?

Die Beträge kommunizieren wir nicht, um die Privatsphäre der Künstlerinnen und Künstler zu schützen.

  1.     Trifft es zu, dass die Künstler eine Stillschweigensklausel über ihr Honorar unterzeichnen mussten?

Zum Schutz der Privatsphären der Künstlerinnen und Künstler wurde gegenseitig vereinbart, sich zum Inhalt der Verträge nicht zu äussern.

  1.     Diese Tour wird von «Gadget Abc Entertainment Group» organisiert. Welches Honorar bekommt der Veranstalter?

Die Aufwände von «Gadget Abc Entertainment Group» werden zu marktüblichen Konditionen abgegolten.

  1.     Die gesamte Impfkampagne wird von der Werbeagentur Rod Kommunikation durchgeführt. Welches Honorar bekommt Rod für diese Impfwoche?

Rod Kommunikation ist als Generalunternehmerin beauftragt für die Bevölkerungsinformation im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Dies betrifft ebenfalls die Impfwoche. Über die Generalagentur wurden bisher Dutzende externe Subunternehmen für Drittleistungen beigezogen (Produktionsfirmen, Mediavermarkter, Kommunikationsdienstleister, etc.). Es wurde mit Rod Kommunikation ein Agenturhonorar von 9% vereinbart. Dieses Agenturhonorar wird auf die Kreation, Realisation, Produktion erhoben. Das Agenturhonorar auf Medialeistungen (Streuung) beträgt aktuell 6% und richtet sich nach der Gesamthöhe des Streubudgets. Es wird kein Honorar vergütet für Beratungsleistungen und Honorare von Subunternehmern, Marktforschungskosten und Spesen/Verbrauchsmaterialien. Das Agenturhonorar deckt den Beratungs-, Projektmanagement- und Administrationsaufwand der Agentur ab. Dies sind marktüblichen Ansätze von Kommunikationsagenturen.

  1.     Welches Honorar bekommt Rod bislang für die kommunikative Umsetzung aller BAG-Massnahmen?

Siehe oben.

  1.     Trifft es zu, dass die Konzerte zwar schnell ausverkauft waren, im Schnitt aber mindestens 20 Prozent der Besucher nicht erschienen?

Das ist richtig. Wir müssen leider davon ausgehen, dass viele Tickets bestellt wurden, ohne dass die Bestellenden die Absicht hatten, ein Konzert zu besuchen. Das ist schade, weil dadurch viele Konzert-Interessierte leider keine Möglichkeit hatten, die bisherigen Konzerte zu besuchen.

  1.     Trifft es zu, dass bei den bisherigen Konzerten jeweils nur Impfungen im unteren zweistelligen Bereich stattfanden? Gibt es dazu genaue Zahlen?

Das Verabreichen von möglichst vielen Impfungen am Rande der Konzerte ist nicht das Ziel der «Back on Tour» (vor Ort gab es jeweils zwischen 15 und 30 Impfungen). Die Informations- und Konzert-Tour ist innerhalb der Impfwoche vor allem eine Kommunikationsaktion. Die Konzerte dienen beispielhaft der Anschaulichkeit und erklären auf einfache Weise, wie stark Corona das öffentliche und kulturelle Leben noch immer einschränkt. Rund um die fünf Konzerte informieren medizinische Fachpersonen gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstler in unterschiedlichen Veranstaltungen und Aktionen, weshalb es wichtig ist, dass wir alle es gemeinsam so schnell wie möglich aus der Pandemie schaffen und zur Normalität zurückkehren sollten.

 

And the winner is: Rod Kommunikation. Alleine diese völlig abverreckte Impfwoche hat rund 100 Millionen gekostet. Davon 9 oder auch nur 6 Prozent «Agenturhonorar»: So viel Champagner kann man dort gar nicht saufen. Es wird aber wohl mit Hörschutz gearbeitet, beim ständigen Knallen der Korken.

Face off bei Facebook

Welches Staatsversagen: Zensur privaten Anbietern zu überlassen.

Jetzt hat’s den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro erwischt. Wie Reuters meldete (und dann von deutschsprachigen Medien abgeschrieben wurde), haben YouTube und Facebook ein Video aus dem Account des Brasilianers entfernt.

Das war ihm schon im Juli widerfahren, als er in einer Videobotschaft zwei Medikamente gegen Covid 19 anpries, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht belegt ist. Nun hatte Bolsonaro behauptet, dass vollständig geimpfte Personen immungeschwächt seien und daher ein höheres Risiko hätten, an HIV zu erkranken.

Hier lächelt er noch.

Dass Bolsonaro ein irrlichternder Versager ist, muss nicht speziell erwähnt werden. Das Problem liegt woanders.

Der Ex-US-Präsident Donald Trump benützte als Erster während seiner Präsidentschaft die Plattformen der sogenannten sozialen Medien, vor allem Twitter, aber auch Facebook, YouTube und Co., um in direkten Kontakt mit seinem Wählerpublikum zu treten. Das hatte schon sein Vorgänger Barack Obama getan, aber Trump perfektionierte es.

Sein Vorteil: Trump umging damit die wichtigsten meinungsbildenden Medien in den USA, die ihm allesamt – gelinde ausgedrückt – kritisch gegenüberstehen. Selbst der deutsche «Spiegel» kündigte in völliger Überschätzung seiner Bedeutung damals an, dass er es als seine Aufgabe ansehe, Trump wegzuschreiben.

Der «Spiegel» spinnt.

Auch Trump war ein irrlichternder Versager, brachte aber die Mainstreammedien in einer Art zum Schäumen, liess sie völlig die Fassung verlieren, dass sie schwer beschädigt aus dieser Auseinandersetzung herauskamen.

Selbstverständlich äusserte Trump, so wie Bolsonaro, jede Menge blühenden Unsinn in seinen Direktkontakten mit seinen Followern. So hält er bis heute an der Behauptung fest, der Wahlsieg sei ihm gestohlen worden, eigentlich sei er der legitime Präsident der USA.

Ab ins Archiv: Trump ist bei Facebook weg.

Darüber, so wie über die absurden Ansichten Bolsonaros zum Thema Pandemie, muss nicht ernsthaft diskutiert werden. Aber: nach mehreren temporären Sperren wurde Trump unbegrenzt der Zugang zu den sozialen Medien gesperrt.

Ausgewittert und getwittert hat er auch.

Bolsonaros jüngstes Video wurde ebenfalls gelöscht, YouTube soll ihn nach brasilianischen Pressemeldungen zudem für sieben Tage gesperrt haben. Das passiert auch unzähligen weniger prominenten Benutzern dieser Multiplikatoren, wenn sie mit ihren Äusserungen gegen deren «Richtlinien» verstossen.

Facebook ist selbst in einem Shitstorm

Gleichzeitig ist vor allem Facebook selbst in die Kritik geraten. Ehemalige Mitarbeiter beschuldigen die Plattform, Profitmaximierung über alles zu stellen, beispielsweise in seinem grössten Markt Indien viel zu wenig gegen Gewaltaufrufe und Hetze zu unternehmen. Obwohl die USA nur zehn Prozent der Facebook-Nutzer stellen, gehe der Löwenanteil des Budgets zur Bekämpfung von Desinformation dorthin, während Indien von Gewaltaufrufen überschwemmt werde.

Facebook wehrt sich natürlich dagegen und behauptet, dass es seine Anstrengungen ständig verstärke, im Kampf gegen Hass- und Gewaltbotschaften auf seiner Plattform. Inzwischen arbeiten ganze Teams daran, den gröbsten Unrat zu entfernen. Vergeblich natürlich, angesichts der Nutzerzahlen. Facebook, Instagram, Messenger und WhatsApp werden von 2,3 Milliarden Menschen verwendet – täglich.

Will nur dein Bestes: Mark Zuckerberg.

Die überwältigende Mehrheit meint, dass das gratis sei. Oder aber, es ist ihr egal, dass sie mit persönlichen Daten, der Internetwährung, bezahlen. Der ARPU, also der durchschnittliche Umsatz pro Kunde, beträgt bis zu 17 US-Dollar – pro Quartal. Also eine unvorstellbare Geldmaschine.

Logisch, dass weder Mark Zuckerberg noch ein anderer Profiteur diese Profitquelle verstopfen will. Erst dann, wenn der Account gesperrt wird, werden sich die Nutzer bewusst, dass sie den Vorteil – Streuung und Distribution der eigenen Mitteilungen – nicht nur mit geldwerten Daten bezahlen, sondern sich auch in völlige Abhängigkeit vom Plattformbetreiber begeben haben.

Wie sehen denn eigentlich diese «Richtlinien» aus, wer legt sie fest, wie werden sie überwacht?

 

Lesen Sie Teil 2 morgen.