Nach 1945

Damit senkt ZACKBUM sicher schon mal die Einschaltquote. Denn wer will soweit zurückdenken.

Bislang konnten alle nach 1945 in Europa Geborene erstaunt festhalten: Wir sind Bestandteil einer Generation, die in Friedenszeiten geboren wurde und voraussichtlich auch in Friedenszeiten ins Grab sinken wird.

Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine stimmt der zweite Teil nicht mehr. Denn was viele wohl immer noch überrascht: die Ukraine ist das flächenmässig grösste Land Europas.

Natürlich war Europa nach 1945 keineswegs ausschliesslich ein friedliebendes Paradies. Aber zwei atomar bis an die Zähne bewaffnete Militärblöcke standen sich gegenüber, Stirne an Stirne. Es war ihnen erlaubt, im eigenen Hinterhof für Ruhe zu sorgen. In Portugal und Spanien durften blutrünstige Diktaturen herrschen, in Italien die kommunistische Partei von der Macht ferngehalten, in Griechenland von den Obristen Hatz auf alles Linke gemacht werden.

Die UdSSR durfte in Ungarn und in der Tschechoslowakei aufräumen. In der Schweiz skandierten witzigerweise ganze Volksmassen «Dubcek, Svoboda», obwohl das doch zwei Kommunisten waren und für Schweizer Kommunisten galt: «Moskau einfach!»

Also herrschte Ordnung und Übersichtlichkeit. Im Westen die Guten, im Osten die Bösen, und die Schweiz mittendrin und ganz neutral. Aber schon mit Angstattacken, dass vielleicht doch mal die Roten kommen könnten. Was aber durch die abschreckende Wirkung der Schweizer Armee verhindert wurde.

Ab 1990 wurde es unübersichtlich

Ab 1990 löste sich dann alles auf. Der Ostblock verschwand, das Militärbündnis Warschauer Pakt löste sich auf, selbst die UdSSR zerfiel in ihre Bestandteile. Alles unglaublich friedlich, wenn man bedenkt, welche Atomwaffenarsenale existierten. Nur die Implosion Jugoslawiens ging nicht friedlich ab; Bürgerkriege, Gemetzel, Pogrome, Massaker.

Hier spielte der Westen – und die Schweiz – eine eher unrühmliche Rolle. Unsere Ex-Aussenministerin Calmy-Rey ist heute noch stolz darauf, bei der Abspaltung des Kosovo von Serbien behilflich gewesen zu sein. Obwohl das eine klare Verlatezung aller UNO-Vereinabrungen war, die Serbien als Rechtsnachfolger von Jugoslawien seine territoriale Integrität garantierten.

Könnte man sich vielleicht daran erinnern, wenn man in scharfen Worten die Anerkennung der Unabhängigkeit von zwei östlichen Provinzen der Ukraine verurteilt. Natürlich zu Recht, eigenes Unrecht soll einen nicht daran hindern. Aber gerecht wäre es, daran zu erinnern.

Schon die Pandemie hat grosse Verunsicherung gebracht. Wir, im 21. Jahrhundert, einer Seuche ausgeliefert? Einer Pandemie, die uns zwingt, unser ganzes Verhalten zu ändern? Ein Virus, der stärker als unsere High-Tech Forschung und Medizin ist? Regierungen hilf- und ratlos lässt? Während das Vertrauen der Bevölkerung in die Weisheit staatlichen Handelns und die Autorität der Wissenschaft schwer beschädigt wird. Auch die Medien haben mutwillig sehr viel an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren. Die Abstimmung über die Medienmilliarde wäre garantiert gewonnen worden, hätte vorher nicht dieser dramatische Verlust an Qualität, Seriosität und Kompetenz stattgefunden.

Kriegsberichterstattung, reloaded

Die Berichterstattung über die Pandemie glich schon in vielen Aspekten einer Kriegsberichterstattung. Klare Kante, saubere Unterscheidung zwischen richtig und falsch, zwischen verantwortungsvoll versus fahrlässig und verantwortungslos. Bis hin zu Vorwürfen, dass Kritiker und Abweichler von der offiziösen Linie den Tod von Mitmenschen billigend in Kauf nähmen. Ungeimpfte sollten von der Behandlung auf Intensivstationen ausgeschlossen werden, sie sollten zu einer Kostenbeteiligung gezwungen werden.

Begriffe wie Triage wurden aus der Kriegswelt importiert. Andere Wörte blieben zu kontaminiert aus dunklen Zeiten, sonst hätte man sicher auch gerne wieder den Defätisten zum Leben erweckt. Die Fünfte Kolonne, die Schwächung der Wehrkraft, den Anschlag auf den gesunden Volkskörper.

Überhaupt, Differenzierung, Widerworte, Zweifel, das ist alles kränkliche Dekadenz, wo es nun doch Zusammenstehen brauchte, Gehorsam, freiwillige Unterordnung, klaglose Hinnahme von Entscheidungen, Befehlen und Anordnungen.

Verschärft gilt all das, wenn der Krieg gegen ein abstraktes, mehr virtuelles Virus durch einen richtigen Krieg ersetzt wird. Mit Panzern, Fusstruppen, Explosionen und Landkarten, auf denen Truppenbewegungen und Gefechte eingetragen werden.

Der erste Golfkrieg war die Geburtsstunde der ausgebauten Infografik, plus ein Peter Arnett live aus Bagdad. Krieg als Videospektakel, real time. Dreissig Jahre später muss man sagen, dass sich nicht viel weiterentwickelt hat. Eher im Gegenteil.

Wie weiland Peter Arnett in Bagdad

Infografiken sind weitgehend den Sparmassnahmen zum Opfer gefallen; der Redaktor muss nun selber ein billiges Mappingprogramm benützen und dort in eine flache Landkarte ein paar Piktogramme reinpflanzen und ein paar Flächen schraffieren.

Natürlich stellen sich bereits die ersten Reporter mit Helm und schusssicherer Weste, auf der gross «Press» steht, vor die Livekamera und schauen verwegen. Da im Hingergrund aber nichts Gefährliches zu sehen ist, hat das noch ein gewissen Hauch von Lächerlichkeit. So wie einer, der in der Hemingway-Bar im Pariser Ritz ein paar Drinks kippt und sich dabei so fühlt, als habe er sie auch gerade von den Nazis zurückerobert.

Wo soll das alles enden, wo führt’s hin? Gedanken dazu kann man von der kurzatmigen Presse kaum erwarten. Der rutscht der Helm ständig über die Augen, während sie die spärlichen Informationen eins ums andere Mal durch die Mühle dreht.

Mangels Begabung zur weltstrategischen Einordnung gibt es aber ein Fluchtgebiet, das immer offensteht und gerne benützt wird: Ratschläge erteilen. An den «Wahnsinnigen» Putin eher weniger. Aber natürlich an die Schweizer Regierung. Ja nicht neutral bleiben. Zeichen setzen, Sanktionen unterstützen, nicht zum Profiteur werden, klare Kante zeigen, nicht zulassen, dass, Blabla. Eigentlich ein Wunder, dass es die Schweiz bei solchen Einflüsterern tatsächlich bis heute geschafft hat, einigermassen neutral zu bleiben.

 

 

Welcome to Metaverse

Nein, nicht in Zuckerbergs virtueller Welt. In der virtuellen Medienwelt.

Zumindest Jüngere oder Gamer kennen natürlich das Metaversum. Stichwort «Second Life» als eine der früheren und erfolgreichsten Manifestationen.

Man kann so mit Avataren in virtuelle Welten eintauchen, in denen vieles so wie in der realen Welt ist, anderes nicht. Es können Fantasiewelten sein mit Fabeltieren, fremden Planeten, Science Fiction. Man kann dort Machtfantasien ausleben, unvorstellbar mächtig, attraktiv, böse, schnell, potent oder was auch immer sein.

Letztlich ist es aber immer das Gleiche: es ist Realitätsflucht. Geradezu symbolisch muss man sich vor dem Betreten immer noch eine ziemlich klobige Brille aufsetzen, die allen Umstehenden klarmacht, dass sich hier jemand von der wahren Realität verabschiedet hat.

Wobei «wahre Realität» natürlich auch ein grosses Wort ist. Nicht umsonst beschäftigt sich die Erkenntnistheorie schon ein paar tausend Jährchen mit dem scheinbar banalen Problem, wie man das denn allgemeingültig definiert. Nein, was uns unsere Sinne zeigen, plus ein paar Hirnzellen, das stellt nicht die einzig wahre Realität da. Wir arbeiten viel mehr mit Übereinkünften, einfach aus dem Grund, weil wir ja über eine Realität kommunizieren müssen.

Wenn ich einen Tisch konsequent Kloschüssel nenne, lebe ich nicht in einer anderen Realität, habe aber ein Kommunikationsproblem. Wenn ich vermitteln will, WIE ich den Tisch sehe, da wird’s schon schwieriger.

Interessantes, weites Feld. Zurück zur banalen Realität von heute. Schon bei politischen Debatten über Themen innerhalb der Schweiz hat man häufig den Eindruck, dass diverse Teilnehmer nicht in der gleichen Schweiz leben, sondern jeweils in ihrer virtuellen Vorstellungswelt «Schweiz». Ist sie weiterhin ein Hort und Zufluchtsort für Blutgelder aus aller Welt, leben wir auf Kosten anderer Welten, haben wir unsere Geschichte von Sklaverei und Ausbeutung nicht aufgearbeitet, unterdrücken wir Frauen, sind wir fremdenfeindlich, ist Bauernsame, Alphornblasen und Bergsteigen billige Foklore, hassen sich die vier Sprachregionen von Herzen?

Auf all diese Fragen (und viele mehr) kann man völlig konträre Antworten bekommen. Von Bewohnern der Schweiz, die aber offenbar nicht in der gleichen Schweiz leben. Auch ohne virtuelle Brille vor den Augen.

Berichterstattung mit Virtual Reality 

Ähnlich, eigentlich noch verschärft verhält es sich mit Kriegsberichterstattung. Da setzen sich viele Journalisten in ihrer Verrichtungsbox im Newsroom eine unsichtbare virtuelle Brille auf. Sie erlaubt ihnen, alles schwarzweiss schraffiert zu sehen. Sie vermindert Komplexitäten und Widersprüchliches auf Banales und Eindeutiges.

Fast alle dieser Brillen geben die gleiche virtuelle Welt wieder. Daher gleichen sich auch die Schlagzeilen.

«Putin muss – und wird scheitern, Russenpanzer rollen durch Kiew, Kundgebung in Zürich, ist Kiew gefallen?, warum die USA nicht eingreifen, China spricht sich gegen Sanktionen aus, Die Schweiz schwankt zwischen Fassungslosigkeit und Sorge».

Das sind Titel aus Tamedia, CH Media, «Blick» und NZZ. Welcher von wo? Spielt doch keine Rolle.

Diese News sind wie Muzak. Fahrstuhlmusik, zur akustischen Untermalung, ein Hintergrundrauschen, das die Laune steigern soll, Liftnutzer mit Platzangst beruhigen, Kaufhausgänger zu Kaufräuschen animieren.

Niemand wirft dieser Muzak vor, dass sie keine Message habe, auf banalen Tonfolgen aufbaue, nichts Überraschendes, Kantiges, Herausragendes enthalte. Genau das ist die Definition ihrer Existenzberichtigung.

Leider trifft das auch auf immer grössere Gebiete des Journalismus zu. Als möchte man Mark Zuckerberg imitieren und aus einem journalistischen Metaverse berichten. Schliesslich gibt es eine wichtige Gemeinsamkeit: Sowohl Zuckerberg wie die Journalisten wollen damit Geld verdienen.

Es gibt allerdings auch einen wichtigen Unterschied: Zuckerberg macht kein Geheimnis daraus, dass er eine fiktive, virtuelle Welt schaffen will

Unabhängige Quellen

Journalisten brauchen Informanten. Denn nicht alles lässt sich recherchieren.

Es gilt bis heute als Paradestück für die Macht der Medien. Was unter dem Begriff «Watergate-Skandal» in die Geschichte einging, führte zum erzwungenen Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon.

Es wurden Heldenlieder auf die zwei Investigativ-Journalisten gesungen, auf den Mut ihrer Vorgesetzten, des Chefredaktors und der Herausgeber der «Washington Post», die es wagte, trotz massiven Einschüchterungsversuchen eine Enthüllung nach der anderen zu publizieren.

So wurde die Recherche zu einem auf den ersten Blick nicht sonderlich aufregenden Einbruch in das Wahlkampfhauptquartier der Demokraten in der Überbauung Watergate zu einer Schlinge, die sich immer enger um den Hals des amtierenden Präsidenten zusammenzog. Bis er einer drohenden Amtsenthebung nur durch Rücktritt und Amnestie durch seinen Nachfolger entging.

Dabei spielte eine Quelle eine grosse Rolle, die unter dem Namen «Deep Throat» bekannt wurde. Ein anonymer Informant, der den beiden Reportern in entscheidenden Momenten die Richtigkeit ihrer Recherche bestätigte und ihnen auch gelegentlich Tipps gab, wo sie weiter suchen sollten.

Es wurde lange Zeit gerätselt, wer das wohl sein könnte, und ob diese Person wirklich existierte. Bis sich erst viele Jahre später herausstellte, dass es sich um einen Associate Director des FBI namens Mark Felt handelte.

«Deep Throat» Mark Felt.

Seither werden die Bezeichnungen «-gate» oder «Deep Throat» für jeden Pipifax missbraucht, in den degenerierenden Medien. Als der «Weltwoche»-Journalist Urs Paul Engeler dem damaligen Nationalbank-Präsidenten fälschlicherweise krimineller Handlungen beschuldigte, berief er sich dabei auf angeblich zwei Quellen, eine nannte er «Deep Throat». War nur eine, die Anschuldigung war falsch, aber man konnte es ja versuchen.

Wenn niemand die Identität der Quelle kennt …

Die Verwendung von anonymen Quellen ist höchst problematisch. Zunächst, wenn sie auch gegenüber dem Journalisten ihr Inkognito wahren will. So wie das bei allen Datendieben der Fall ist, die immer wieder Pseudoskandale mit gestohlenen Geschäftsdokumenten anstossen. Denn weder der Journalist, noch seine Leser wissen, welche Motive diese Quellen antreiben. Ob ihre Informationen gefiltert sind, ob sie damit bestimmte Absichten verfolgen.

Etwas entspannter wird die Situation, wenn der Journalist die Identität seines Informanten kennt, dieser aber aus meist verständlichen Gründen nicht in der Öffentlichkeit auftreten will. Aus Angst vor Repressalien, Verlust der Arbeitsstelle, gar körperlichen Bedrohungen.

Da kann der Journalist Vertraulichkeit zusagen; er ist nicht verpflichtet, den Namen eines Informanten zu nennen. In den meisten Fällen. Allerdings kann sich der Journalist in Selbstverteidigung dann nicht auf solche Informationen berufen. Das musste der ehemalige «Weltwoche»-Journalist Philipp Gut schmerzlich erfahren. Er meinte, sich damit verteidigen zu können, dass er über sichere Informationen verfüge, deren Quelle aber nicht nennen könne. Er wurde verurteilt.

Neben den anonymen Leak-Quellen verwendet vor allem das Online-Magazin «Republik» immer wieder Informanten, deren Identität nicht presigegeben werden könne. Wohl auch aus diesem Grund fällt die «Republik» damit immer wieder auf die Schnauze, nicht nur im Fall «Globe Garden» oder ETH.

Denn so verführerisch die Verwendung von anonymen Anschuldigungen und Behauptungen auch sein mag, weil sie die Publikation von vermeintlichen Skandalgeschichten ermöglicht: es gehört zum Handwerk des Journalisten, in solchen Fällen die Belastbarkeit dieser Informationen sorgfältig abzuklären.

So hat auch das Team Bernstein und Woodward in ihrer Recherche, die sie bis ganz nach oben in der Hierarchie der Macht führte, nicht einfach auf Einflüsterungen und Anfüttern vertraut, so verführerisch das auch gewesen sein mag. Sie wendeten ein Prinzip an, das heutzutage immer öfter vernachlässigt wird:

Eine anonyme Information wird erst dann verwendet, wenn ihr Wahrheitsgehalt von einer zweiten, unabhängigen Quelle bestätigt wurde. Also Person X sagt: In meiner Firma gibt es einen riesigen Skandal. Person Y, vertrauenswürdig und kenntnisreich, bestätigt das. Los geht’s.

Es kann schnell unangenehm werden

Sonst kann’s teuer werden. Im Falle des Schweizer Botschafters in Berlin wurde es schweineteuer, weil Ringier die Behauptungen einer angeblichen Zeugin nicht belegen konnte. Denn wer behauptet, muss beweisen. Der Beschuldigte muss nicht seine Unschuld beweisen.

Andererseits gilt leider: etwas hängen bleibt immer. Geschäftsschädigung wie im Fall «Globe Garden», Rufschädigung wie im Fall ETH. Aber leider meistens ohne finanzielle Konsequenzen für den Verursacher.

Zum grossen Ungemach der Journalisten kann sich dabei nicht nur die Quelle, sondern auch der Transporteur, also der Publizist, strafbar machen. In allen Ländern der Welt gilt das Geschäftsgeheimnis, die Vertraulichkeit von Informationen, die man durch seine Tätigkeit erlangt.

Absurd, dass das im Fall des Credit Suisse-Diebstahls kritisiert wird. Wer interne Informationen, Kundengeheimnisse, Bakgeheimnisse für veröffentlichungswürdig hält (selbst wenn er die Motive des Datendiebs nicht kennt), muss sich halt auf Konsequenzen einstellen.

Immer wieder wird der flammende Appell «J’accuse» von Émile Zola missbraucht. Dass der Autor deswegen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde und nach England fliehen musste, das ist den meisten geschichtsvergessenen Epigonen nicht bekannt.

Auch nicht, dass die Verwendung anonymisierter Quellen nur dann funktioniert, wenn eine Voraussetzung erfüllt ist: Das Organ, der Autor haben für den Leser Glaubwürdigkeit und Ansehen. Nur dann kann man mit solchen Quellen arbeiten. Da die Journaille täglich bemüht ist, Ansehen, Reputation, Glaubwürdigkeit, Seriosität der Massenmedien weiter in den Keller zu schreiben und zu senden, ist es um die Verwendung solcher Informanten immer schlechter bestellt.

Immer häufiger vermutet das Publikum, dass die «mehreren, voneinander unabhängigen und vertrauenswürdigen Quellen» in wirklich nur eine einzige sind. Oder, auch nicht unüblich, nur in der Fantasie des Autors existieren. Denn wenn ich als Leser nicht nachprüfen kann, wer die Quelle ist, müsste ich vertrauen. Diesen Fabrikanten von Einheitssaucen aus zum Skelett runtergesparten Zentralredaktionen? Wo Kindersoldaten in Verrichtungsboxen klickgetrieben eine News nach der anderen raushauen müssen, weil sie daran gemessen werden?

Angstschweiss läuft in Strömen

Der Verband Schweizer Medien (VSM) geht in den hysterischen Hyperdrive.

Die Inseratekampagne ist, höflich ausgedrückt, abgekackt. Die öffentlichen Auftritte von Exponenten eines Ja zur Medienmilliarde sind, höflich ausgedrückt, ein Desaster. So schiffte der Befürworter im «Blick»-Battle vor laufender Kamera mit 75 Prozent Stimmen gegen ihn ab.

Nachdem all das nicht viel gefruchtet hatte, auch alle Lohnschreiber mit wunden Fingern nichts anderes bewirkten, als dass jede Meinungsumfrage noch trübere Resultate als der Vorgänger produzierte, sieht man im Verlegerlager immer mehr Menschen mit dunklen Flecken unter den Achselhöhlen herumlaufen.

Die Nervosität ist inzwischen schon so gross, dass mit zittrigen Händen sogar die Zahl der Befürworter und der Gegner bei einer Meinungsumfrage verwechselt wird.

Wie peinlich ist das denn?

Das musste CH Media einrücken, nachdem offenbar das Wunschdenken jeglichen Realitätsbezug gekappt hatte und es bei diesem Kopfblattmonster von Qualitätsmedien allen Kontrollstellen nicht auffiel, dass mal kurz die Nein- mit den Ja-Stimmen ausgetauscht wurden.

Man kann nur hoffen, dass sich das bei der Bekanntgabe der Abstimmungsresultate nicht wiederholt.

Eine Offensive nach der anderen scheitert

Auch die vorletzte Offensive verröchelte.  Als klarer Beweis, dass es eine strikte Trennung zwischen Verlag und unabhängiger Redaktion gibt, griffen in den grossen Medienkonzernen noch die Verleger in die Tasten.

Clanvertreter Pietro Supino leitartikelte bei Tamedia. Das inzwischen Ex-Mitglied der Geschäftsleitung Pascal Hollenstein griff für CH Media in die Tasten. Bei Ringier ist CEO Marc Walder unpässlich, nachdem er schon zweimal sich so benahm, als sei er eine Stütze des Referendumskomitees gegen die Milliarde.

Daher ergriff hier Ladina Heimgartner das Wort. Denn neben sieben Zwergen in der Chefredaktion beschäftigt die «Blick»-Gruppe auch noch eine CEO und «Mitglied Group Executive Board» sowie «Head Global Media». Die Dame muss eine Visitenkarte zum Ausklappen bei sich tragen.

Aber auch alle diese Mühewaltung, verbunden mit der Hoffnung, «so macht man das» sagen zu können, nutzte nix. Umso näher der Abstimmungssonntag kommt, desto trüber wird die Stimmung im Verlegerlager, angesichts desaströser Umfrageergebnisse.

Da bleibt nur noch eins. Der «Verband Schweizer Medien» verschickt in immer höherer Kadenz «Sondernewsletter». Der Tonfall kann nur als weinerlich und flehentlich bezeichnet werden; zuerst weinerlich:

«Die Gegner der Medienförderung liegen leicht vorne, aber noch ist alles möglich.»

Dann flehentlich:

«Wir brauchen Ihr JA zum Medienpaket am 13. Februar – für unsere Demokratie, für unsere Regionen, für unseren Föderalismus, für die Zeitung im Briefkasten.»

Falsche Begriffe, falsche Kampagne, alles falsch

Wobei, das ist eigentlich eher unverschämt. Mit der Demokratie hat diese Zusatzmilliarde für Medienclans nichts zu tun. Noch weniger mit Regionen oder Föderalismus. Die Zeitung im Briefkasten hingegen wird schon seit Urzeiten subventioniert.

Neu wäre da nur, dass die Auflagebeschränkung für diese Subventionen wegfiele, also die Grossverlage mit Grossauflagen gross profitieren würden.

Es ist wohl eindeutig so: allen Mietmäulern, allen Bütteln im Dienst der Verlegerclans, allen Lohnschreibern, allen Verbänden, Komitees, Gruppen, PR-Maschinen fällt nichts Überzeugendes ein, was für ein Ja sprechen würde.

Entweder widersprechen sich die Befürworter gleich selbst – Verleger publizieren unwidersprochen und unkontrolliert ihre Behauptungen in ihren Medien –, oder sie sabotieren gleich alle Anstrengungen – wie Marc Walder –, oder sie wirken so wenig überzeugend, dass 75 Prozent der Zuschauer klar nein sagen.

Sie haben halt von Anfang an auf die falschen Begriffe gesetzt. Als ob das Ausschütten einer zusätzlichen Steuermilliarde irgend etwas mit Meinungsfreiheit zu tun hätte. Als ob das Zusammenlegen und Aushungern und Armsparen der Redaktionen irgend etwas mit Regionalität, Kontrollfunktion oder Vierter Gewalt zu tun hätte. Als ob das Verschnarchen des Internets irgend etwas mit nötiger Hilfe bei einer Transition zu tun hätte.

Es gibt ungeheures Sparpotenzial

Angesichts all dieser Pleiten, Pech und Pannen muss man sich fragen, ob die Befürworter des Medienpakets nicht besser all das Geld gespart hätten – und für einmal nicht in Yachten und Villen und Autoflotten investiert, sondern in die Redaktionen.

Nur so als Idee. Wenn schon gegeizt werden muss, wieso immer in den Redaktionen? Die gesamte Teppichetage bei Tamedia, CH Media und Ringier hat doch unter Beweis gestellt, dass hier einige Millionen eingespart werden könnten.

Durchgreifen in der Teppichetage?

Ohne grosses Assessment oder unnötige Ausgaben für eine Beratungsbude. Einfach jeder zweite Manager kann geixt werden. Merkt keiner. Wenn von den Überlebenden nochmals jeder zweite gefeuert würde, ginge es anschliessend den Verlagen entschieden besser. Wetten?

Die grosse Medienlüge

Wieso geht ein Befürworter des Medienpakets mit 75 Prozent Gegenstimmen unter?

Es ist keine schlechte Art, die Temperatur der Stimmbürger zu messen. Seit einiger Zeit veranstaltet der «Blick» Streitgespräche. Ein Exponent ist dafür, einer dagegen. Moderierter Schlagabtausch, dann Abstimmung unter den Lesern. Der Gewinner bekommt ein Gratisinserat für seine Sache im «Blick».

Normalerweise ist der Ausgang eher knapp, schon ein 60 zu 40 ist Anlass zu Geraune. Nun ging aber im Disput zwischen Matthias Aebischer (NR SP, für das Medienpakets) und Peter Weigelt (alt NR FDP, dagegen) der Befürworter dramatisch unter. 75 Prozent stimmten gegen die Subventionsmilliarde.

Dabei tut auch der «Blick» alles, seinen Lesern ein Ja schmackhaft zu machen. Der Ringier-Verlag in der Person von Marc Walder tut hingegen alles dagegen. Auf seinen Spuren wandelt Pietro Supino, der aus Verzweiflung in seinen Tamedia-Blättern das Wort ergreift und länger nicht mehr loslässt. Als weiteren Beitrag zur strikten Trennung von Verlag und Redaktion.

Aber das eigentliche Problem der Befürworter ist nicht die völlig verunglückte Tell-Werbekampagne. Es sind auch nicht Unterstützer wie Hansi Voigt oder Jolanda Spiess-Hegglin, die schon alleine für 10 Prozent mehr Neinstimmen sorgen.

Es sind auch nicht Linke und Grüne, die plötzlich ihre Liebe zu den Portemonnaies der reichen Medienclans entdeckt haben. Und es sind auch nicht die «Verleger» der «Republik», die in aller kritischen Unabhängigkeit zu 90 Prozent für Staatskohle sind.

Das Problem ist die offenkundige Verlogenheit

Es ist die offenkundige Verlogenheit der Befürworter, die dem Publikum sauer aufstösst. Grossverlage, die satte Gewinne machen, Sonderdividenden ausschütten und alleine durch das Zusammenlegen ihrer Handelsplattformen um Milliarden reicher werden: wie sollen die glaubhaft machen, dass sie dringend Steuergelder brauchen, um nicht der Suppenküche anheim zu fallen?

Wer seinem Stammblatt den Stellen-, Immobilien- und Autoanzeiger wegnimmt, ins Internet verschiebt und sich weiterhin damit krumm verdient, vom Stammblatt aber fordert, dass es gefälligst selbst die Gewinnvorgabe erfüllen solle, Quersubventionen gebe es nicht, ist dermassen unglaubwürdig, dass er eigentlich ständig gegen Türen und Scheiben stossen müsste, weil seine Nase so lang geworden ist.

Wenn ein Unternehmen sein ursprüngliches Stammgeschäft von allen Profitbringern entkleidet, es anschliessend skelettiert, ins Koma spart, dünne Einheitssuppe in kleinen Schälchen serviert, dafür aber unverschämte Preise verlangt, wer soll da einsehen, dass ein solches Geschäftsmodell unbedingt eine Milliarde Steuergelder zusätzlich braucht?

Normal ist seit vielen Jahren, dass man mehr für weniger bekommt. Mehr Computer, mehr Handy, mehr Produkt, mehr Leistung. Für weniger Geld. Im Medienbereich ist’s umgekehrt.

Unglaubwürdiges Gejammer

Man kann dem Volk, den Stimmbürgern schon mal ein X für ein U vormachen. Man kann unermüdlich Vierte Gewalt, Kontrollfunktion, gar Rettung der Demokratie orgeln. Man kann mit trauriger Miene von bald bevorstehenden roten Zahlen jammern.

Wenn man dann in das von Weinreben umgebene Schloss zurückkehrt, den Aston Martin besteigt, auf der Privatyacht durch die Karibik schippert, dann wirkt das etwas unglaubwürdig.

Man kann von Meinungspluralismus schwärmen, die Bedeutung des Lokalen loben, die Meinungsvielfalt hochleben lassen. Und die Unabhängigkeit der Redaktion beschwören. Wenn man dann Jubelchöre das hohe Lied der staatshörigen Unterstützung singen lässt, die Redaktoren völlig unabhängig sich für ein Ja die Finger wundschreiben, wenn es nur Meinungseinfalt, Monothemen, offenkundig von Weisungen abhängige Redaktionen gibt, das Lokale zuerst krank-, dann totgespart wird, steht man nackter da als der Kaiser in seinen neuen Kleidern.

Es wird gejammert, dass es einen Paradigmenwechsel gebe, neue Technologien, das Internet, digital, interaktiv, neu. Da brauche man Hilfe bei der Transition, beim Wechsel, wer habe denn schon vorhersehen können, dass zwei Internetgiganten beim Online-Marketing 90 Prozent des Werbekuchens abräumen. Da brauche man Hilfe, das könne man alleine nicht stemmen.

Sagen die multimillionenschweren Verlegerclans. Statt ihre Kunstsammlungen zu verkaufen oder ihre überquellenden Schatullen zu öffnen. Statt es so wie René Schuhmacher zu machen. Der hat 30 Jahre lang den grössten Teil seiner Gewinne reinvestiert, betreibt Magazine mit hohem Nutz- und Gebrauchswert. Verzichtet daher auf seinen Anteil an Staatsmillionen und ist gegen das Medienpaket.

Für dumm verkaufen wollen

Diese Haltung stünde den Coninx-Supino, Ringier-Walder, Wanner-Wanner und Lebrument-Lebrument auch gut an. Dann könnte man vielleicht sogar über punktuelle Hilfen reden. Aber nur, wenn mit den explodierenden Gewinnen keine Sonderdividenden ausgerichtet werden, gell Tamdia?

Denn noch schlimmer als verlogene Heuchelei ist nur eins.

Selber so dumm sein, dass man meint, der Stimmbürger würde sich so leicht für dumm verkaufen lassen.

 

 

 

Todeszone Kritik

Alles darf kritisiert werden. Eines nur auf eigene Gefahr.

Sexismus, Machotum, ausgrenzende Sprache? Gnadenlose Kritik prasselt darauf ein. Trump? Wird ständig als Trampolin für Verbalerotiker der Kritik missbraucht. Der eigene Bauchnabel? Scharf beäugt, die ihn bedrückenden Umstände werden scharf kritisiert.

Rechte Hetzer, Linksfaschisten, Umweltsünder, Klimaleugner? Keine Chance, schärfster Kritik zu entgehen. Rassisten, SVPler, Verschwörungstheoretiker. Corona-Schwurbler. Alle kriegen ihr Fett ab, werden in der Fritteuse der guten Denkungsart braungebrutzelt.

Amnesty International (AI) veröffentlicht einen Bericht mit dem Titel

«Israels Apartheid gegen die Palästinenser. Ein grausames System der Beherrschung und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.»

Keiner kann ernsthaft behaupten, ihn bereits gelesen zu haben. Kein einziges darin aufgeführtes Beispiel wird zitiert oder gar widerlegt.  Es sei ein «rund 200-seitiger Report», übernimmt Tamedia den Bericht des Korrespondenten der «Süddeutschen».

Es sind 280 Seiten, weiss jeder, der ihn heruntergeladen hat. Israels Aussenminister weiss, dass die «einst hochangesehene Organisation» heute anstatt Fakten zu suchen Lügen zitiere, «die von terroristischen Organisationen verbreitet werden». Schlimmer noch:

«Das sind genau die Zutaten, aus denen der moderne Antisemitismus besteht

Auch das Schweizer «Tachles» zitiert ausführlich kritische Stimmen zum Report: «Auch die ADL (Anti Defamation League, Organisation mit Sitz in New York City, die gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden eintritt. Anm. ZACKBUM) verurteilte den Bericht nachdrücklich als «Dämonisierung Israels». Amnesty suche damit die Existenz Israels als jüdischem Staat zu untergraben. Zu Zeiten eines zunehmenden Judenhasses sei die extreme Sprache des Berichts verantwortungslos und werde wahrscheinlich Antisemitismus entfachen.»

Immerhin endet der Bericht von «Tachles» so: «Allerdings provoziert diese Kritik auch Kontra. So stellte der Publizist und Journalismus-Professor Peter Beinart die Frage, aufgrund welcher Beweis die ADL zu dem Schluss käme, dass Israel keine Apartheid praktiziert: «Wie viel Zeit hat die ADL auf Interviews mit Palästinensern oder die Beobachtung israelischer Militärgerichte verbracht? Wie weit hat die Organisation die israelische Landpolitik untersucht?»»

Wer will sich der Fünffaltigkeit der ewig gleichen Vorwürfe aussetzen?

  • Wer Israels Regierungspolitik kritisiert, bestreite in Wirklichkeit das Existenzrecht Israels, sei anti-jüdisch und antisemitisch
  • Wer Israel kritisiert, verschliesse die Augen vor den Verbrechen der Palästinenser
  • Wer Israel kritisiert, benütze ein Freiheitsrecht, das weder in den palästinensisch beherrschten Gebieten, noch in der ganzen arabischen Welt existiere
  • Wer Israels Verbrechen kritisiere, verschliesse die Augen vor palästinensischem Terrorismus und mache sich zum Helfershelfer von Staaten wie dem Iran, die das Existenzrecht Israels bestreiten
  • Wer Israel kritisiert, relativiere damit das historische Unrecht und den Holocaust

Frage: Wird eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten von AI stattfinden, deren Renommee immerhin durch einen Friedensnobelpreis gestärkt wird und die mit Falschbeschuldigungen ihren Ruf verspielen würde?

Frage: traut sich jemand, sich dem Risiko auszusetzen, nicht als Kritiker der Regierungspolitik Israels wahrgenommen zu werden, sondern als Antisemit denunziert?

Antwort: ist nur was für ganz Mutige.

 

 

 

Osterweiterung der NATO

Ein militärischer Konflikt um die Ukraine ist denkbar. Wer kennt die Hintergründe?

Wir sind bis ins letzte Detail über die Spesenabrechnungen von Pierin Vincenz informiert. Wir sind einigermassen über die Schwierigkeiten der Credit Suisse informiert.

Die Debatte um die Aufhebung der Corona-Massnahmen; wann, welche, zu früh, zu spät, falsch, richtig, hängt uns allen zum Hals raus.

In 24 Stunden könnte man mit dem Auto die Strecke Bern – Kiew zurücklegen (2221 km). Die Ukraine ist flächenmässig der grösste Staat Europas. Auch nachdem das Territorium de facto um rund 27’000 km² abgenommen hat, seit sich Russland wieder die Krim einverleibte. Die 1954 von der Russischen Sowjetrepublik an den Bruderstaat übergeben worden war, die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik.

1991 erklärte sich die Ukraine während des Zerfalls der UdSSR für unabhängig. Erst 1996 wurde die Ukraine nach verschiedenen Sicherheitsabkommen atomwaffenfrei. Historisch Bewanderte erinnern sich noch an Orange Revolution, an Juschtschenko, Janukowytsch und Tymoschenko. Helden und Schurken, alle verglüht.

Seit einigen Wochen scheint Russland grössere Truppenverbände an der ukrainischen Grenze zu stationieren. Das wird von der Ukraine selbst, der NATO, den USA und diversen europäischen Staaten als bedrohlich empfunden. Die Ukraine ist aufgrund ihrer Grösse und Lage seit dem Zerfall der UdSSR ein Zankapfel zwischen der Russischen Föderation und dem Westen.

In welche Richtung sich orientieren, nach der Auflösung des Warschauer Pakts: Beitritt zur NATO oder nicht? In den turbulenten Zeiten der deutschen Wiedervereinigung, gefolgt vom Zusammenbruch der Sowjetunion, gab es lebhafte Diskussionen, ob eine Osterweiterung der NATO russische Sicherheitsinteressen tangieren könnte.

Gab es Zusicherungen gegen eine Osterweiterung der NATO?

Wurde damals dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow zugesichert, dass es keine Osterweiterung über das wiedervereinigte Deutschland hinaus geben würde? Oder bezogen sich solche Aussagen nur auf das Territorium der DDR, während der Warschauer Pakt noch existierte (er löste sich 1991 auf)?

Das westliche Militärbündnis NATO umfasst aktuell 30 Staaten. 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn bei. 2004 folgten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien, 2009 Albanien und Kroatien. Schliesslich kamen noch Montenegro und Nordmazedonien dazu.

Ausser den Staaten von Ex-Jugoslawien alles früher Mitglieder des östlichen Verteidigungspakts. Nun ist es nicht wirklich so, dass Russland oder die UdSSR einige Male Europa überfallen hätte. Umgekehrt war das schon so, herausragend Napoleon und Hitler.

Der russische Präsident spricht nun von einer Bedrohungslage und will westliche Zusicherungen, dass die Ukraine nicht in die NATO eintritt. Das ist eine Einmischung in innere Angelegenheiten des Staates, aber Grossmächte machen solche Sachen. Angesichts der Geschichte der letzten 200 Jahren ist sein Sicherheitsbedürfnis nicht ganz unverständlich.

Das ein kurzer historischer Abriss. Nun ist ZACKBUM kein Kompetenzzentrum für das Thema Ukraine. Aber: die uns zugänglichen Medien in der Schweiz, Deutschland und Österreich sind nicht in der Lage, die Komplexität dieses Konflikts den Lesern verständlich darzulegen.

Lieber Klischees als Analyse

Es wird lieber mit den üblichen Klischees des bösartigen, machtgierigen Diktators Putin gespielt. Er ist sicherlich kein lupenreiner Demokrat, wie ihn der deutsche Ex-Bundeskanzler Schröder mal bezeichnete. Aber es wäre doch die Aufgabe der ach so wichtigen Vierten Gewalt, hier Erklärung, Analyse, Einordnung zu liefern. Eine Auslegeordnung, aufgrund derer sich der Leser eine eigene Meinung bilden kann.

Sich zum Beispiel die Frage stellen dürfte, wieso es okay ist, wenn der US-Präsident Biden die Entsendung weiterer Truppen nach Polen und anderswo ankündigt. Russland aber aufgefordert wird, Truppen innerhalb des eigenen Territoriums zu verschieben. Der Leser könnte sich auch die Frage stellen, ob die harsche Kritik an der deutschen Weigerung berechtigt ist, der Ukraine Waffen zu liefern.

Holzschnittartige Schablonen haben den Vorteil, vermeintlich einfache Orientierungshilfe, Welterklärungsmodelle zu liefern. Nur haben die den kleinen Nachteil, eher wenig mit der realen Welt zu tun zu haben.

Zu erklären, dass Donald Trump ein gefährlicher Irrer als Präsident war, das war entschieden einfacher als zu erklären, wieso er denn dann gewählt wurde. Zu erklären, dass Putin ein gefährlicher Irrer ist, das ist entschieden einfacher als zu erklären, was denn seine Motive sind.

Wäre Aufgabe von Qualitätsmedien, die ihren Namen und Steuergelder verdienen.

 

 

 

Eidg. dipl. Staatsfeder

Der Staat drängt mit einem Massnahmenpaket in die freie Medienlandschaft. Doch die publizistische Vielfalt hat mit dem Internet zugenommen und ist auch ohne Subventionen gewährleistet.

Noch bis vor wenigen Jahren gab es Leuchtturmmedien wie grosse Zeitungen oder grosse TV-Sender. Berichteten diese, konnte man davon ausgehen, dass es ein Grossteil der interessierten Bevölkerung mitbekommt. Mit dem Aufkommen des Internets jedoch hat sich die Aufmerksamkeit zersplittert und verteilt. Vermeintliche Leuchtturmsendungen wie die «Tagesschau» erreichen längst nur noch einen kleinen Teil der Bevölkerung. Ihr Publikum ist abgewandert zu anderen Medien, Portalen, Netzwerken. Die beklagten Gründe sind vielfältig: einseitige und unvollständige Berichterstattung, zu grosse Nähe gegenüber den Behörden, unerwünschte Indoktrination.

Die Demokratisierung der medialen Produktionsmittel bringt Journalismus und Medienangebote im Überfluss. Das Angebot an direkt und indirekt finanzierten Medien ist in den letzten Jahren explodiert. Konsumenten haben  Möglichkeiten wie noch nie, sich frei und vielfältig zu informieren und sich ein Medienangebot nach Gusto und Interesse zusammenzustellen. In der Folge sind viele neue Medienproduzenten aufgetaucht, und das ist grundsätzlich eine Bereicherung. Der Berufsstand des Journalisten in der liberalen Rechtsordnung benötigt nur wenige formale Anforderungen, es ist eine Errungenschaft der Aufklärung: Alle Bürger sollen sich als Journalisten betätigen können; hindernisfrei und ohne Einschränkungen wie Bewilligungen, Ausbildungen oder Diplome.

Einmischung der Behörde
Je stärker der Berufsstand reguliert wird, desto enger und einseitiger wird die Auswahl der Journalisten. Bereits jetzt haben nur wenige mit Wirtschaftserfahrung oder ohne abgebrochenes oder abgeschlossenes Studium den Weg in den Journalismus gefunden. Das Massnahmenpaket für die Medien, über das am 13. Februar 2022 in der Schweiz abgestimmt wird, führt zu stärker vom Staat regulierten Journalisten, die zudem in eine Abhängigkeit von der öffentlichen Hand getrieben werden. In Artikel 76 mischt sich das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) verhängnisvoll in die freie Medienlandschaft ein und drängt sich auf mit finanzieller Unterstützung in den Bereichen Aus- und Weiterbildung, digitale Infrastrukturen und Agenturleistungen, aber auch beim Aufbau von Selbstregulierungsorganisationen. Mit dem Ausbau der Finanzierung der Postzustellung werden Printmedien einseitig bevorteilt. Das Bakom betreibt so eine unnötige Industriepolitik, die Medien weiterleben lässt, welche ohne staatliche Unterstützung kaum überleben würden. Auch wenn die Schweiz seit 1849 eine Form der indirekten Medienförderung kennt, ist aus liberaler Sicht nur eines richtig: Der Staat hat sich komplett aus den Medien herauszuhalten. Nur so sind die Medien frei, die Leistung von Verwaltung und Politik ohne falsche Zurückhaltung kritisch zu beurteilen.

Besonders interessant ist, dass Verlage mit funktionierenden Geschäftsmodellen staatliche Förderung beanspruchen wollen: Die florierenden Grosskonzerne Ringier und TX Group würden Gelder erhalten, aber auch etwa das erfolgreiche Start-up «Republik», das mit aktuell rund 29 000 zahlenden Abonnenten selbsttragend ist. Das Problem mit Subventionen ist natürlich, dass sie den Markt verzerren. Wer (wie der «Schweizer Monat») keine solchen Gelder annehmen will, sieht sich gegenüber Medien, die Subventionen beziehen, im Wettbewerbsnachteil. Wollen sie gleiche Voraussetzungen haben, sehen sie sich dazu gedrängt, ebenfalls staatliche Gelder anzunehmen. Dreht sich diese Spirale weiter in Richtung staatliche Finanzierung, bedeutet das ein Weniger an Medienvielfalt. Vollständig privat finanzierte Firmen, wie es sie in der Schweiz zum Glück noch gibt, haben dann keine entsprechenden Medien mehr, die sie publizistisch vertreten. Auf lange Frist wird die Schweiz so weniger liberal und büsst aufgebaute Wettbewerbsvorteile ein.

Im Gegensatz zur bisherigen indirekten Medienförderung beinhaltet das neue Massnahmenpaket auch ein Bundesgesetz zur Förderung von Online-Medien (BFOM), das Konditionen zur Förderung aufstellt, die von staatlicher Seite her geprüft und bewilligt werden müssen. Auch wenn die Anforderungen harmlos und leicht erfüllbar daherkommen, ist das ein unnötiges mögliches Einfallstor, um die journalistische Freiheit zu beschränken. Staatsangestellte sind nicht die Richtigen, um zu entscheiden, welche Online-Angebote eine Finanzierung erhalten sollen und welche nicht. Gefährlich ist das Massnahmenpaket vor allem auch deshalb, weil es irreversible Entwicklungen in Gang bringt. Zieht der Staat einmal die Fäden in der medialen Privatwirtschaft, wird er auch Einfluss nehmen wollen. Die Kriterien, die zur Förderung berechtigen, können künftig mit vermeintlich sanften Mitteln angepasst werden, etwa mit Quotenregelungen, vielleicht auch mit einer gewissen Anzahl von Artikeln zum Thema Klimaschutz. Noch ist das nicht absehbar, aber in der Coronakrise haben wir gesehen, wie rasch es gehen kann: Soziale Netzwerke etwa haben sich ziemlich willfährig staatlicher Zensur gebeugt.

Funktionierende Geschäftsmodelle
Überhaupt sollte man die Idee, dass Medien etwas sind, das gefördert werden soll, kritisch sehen. Nichts gegen Boulevardportale wie 20min.ch oder Blick.ch. Was sie machen, ist von der Meinungsäusserungsfreiheit in den allermeisten Fällen gedeckt. Dennoch kommt man nicht umhin, festzustellen, dass sie die Aufmerksamkeit, mit der sie Werbung verkaufen, erlangen, indem sie das Reptiliengehirn in uns ansprechen, das Stammhirn, das stark auf existenzielle Bedrohungen wie Spaltung der sozialen Gruppe oder Todesgefahr reagiert. So sind die meistgeklickten und meistdiskutierten Artikel jene, die Konflikte in der Gesellschaft heraufbeschwören und bewirtschaften (etwa zwischen Geimpften und Ungeimpften) oder Angst säen und verbreiten (etwa mit einer panikschürenden Berichterstattung über Einzelschicksale). Während ersteres den Zusammenhalt des Landes gefährdet, greift letzteres die Gesundheit der Psyche von Medienkonsumenten an. Sein Geld so zu verdienen, ist ein legales Geschäftsmodell, aber sicher nicht etwas, das staatlich finanziert werden muss.

Bereits jetzt sind viele Journalisten nur wenig kritisch gegenüber der Staatsmacht. Mit diesem Mediengesetz drohen sie zu Schosshündchen des Staats zu werden. Ein freies Land mit liberaler Tradition wie die Schweiz benötigt jedoch das Gegenteil: mehr Medien und Journalisten, die staatsfern sind. Das Massnahmenpaket muss deshalb abgelehnt werden.

Kritische Publizistik, die auch erfolgreich ist, bleibt eine Herausforderung. Gefordert sind dabei auch Abonnenten und Mäzene: Wenn niemand bereit ist, freiheitliche Medien zu finanzieren, werden die unfreiheitlichen übernehmen.

*Ronnie Grob ist Chefredaktor des «Schweizer Monat». Dieser Text erscheint in der aktuellen Ausgabe vom 1. Februar 2022. Mit freundlicher Genehmigung vom «Schweizer Monat». Die Zeitschrift lässt sich – im Gegensatz zu ZACKBUM – auch abonnieren.

Spiel, Satz und Sieg

Wie man einen VR-Präsidenten (links) aus dem Amt ballert.

Niemand weint dem ehemaligen Boss der Credit Suisse eine Träne nach. Ausser vielleicht die Mannschaft des Privatjets, mit dem er durch die Welt glühte. Ist schliesslich spannender, als in Kloten stand-by zu spielen.

Faszinierend ist allerdings die Methode, mit der António Horta-Osarío von einer scheinbar unangefochtenen Position den Abflug machen musste.

Seit 8 Monaten im Amt, mit den üblichen grossen Worten angetreten, Lobhudelei im «Blick», allerdings musste man schon damals sagen: wer sich so fotografieren lässt und der Publikation des Bildes auch noch zustimmt, hat nicht wirklich gute PR-Berater.

Magenprobleme? Bildzitat aus dem SoBli.

Aber gut, kleiner Unfall, abgesehen davon, dass sich der VRP und der CEO der zweitgrössten Bank der Schweiz wirklich nicht in einem Boulevardblatt interviewen lassen sollten. Vielleicht brachten sie damit den oder die Heckenschützen auf den Geschmack.

Denn es ist sonnenklar, dass jemand aus der Bank heraus den «Blick» mit internen Informationen versorgte. Die Reisebewegungen des VRP sind zwar kein Staatsgeheimnis, aber seinen genauen Flugplan kennen, alleine schon aus Sicherheitsgründen, nur eine sehr beschränkte Anzahl von Personen.

Selbst wenn allgemeiner bekannt ist, wo sich Horta-Osório jeweils aufhielt; die genauen Flugdaten sind dann nochmal etwas anderes. Sein Fall (mit sparsamem Fallschirm) ist mal wieder ein Beleg, wie wirkmächtig die Medien weiterhin sind.

Ähnlichkeiten wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Wenn doch: Plum ist schon mal weg …

Und wie fatal eine amateurhafte Verteidigungsstrategie ist. Wer immer beim VRP dafür verantwortlich war, ist eine Schande für seinen Beruf. In dieser Position ist es völlig klar, dass der braungebrannte Scheitelträger eine interne Crew in seinen Diensten hatte, zudem sicherlich auch externe Berater mit beeindruckenden Tagessätzen – die ihn allesamt weiter ins Elend berieten.

Blitz aus heiterem Himmel

Aber die Initialzündung war die aus heiterem Himmel angefütterte Story, dass er bei einem Abstecher nach London gegen Quarantäneregeln verstossen habe. Wie meistens in solchen Fällen unterschätzten er und seine Berater die Brisanz der Enthüllung gewaltig.

Tschakata. Der erste Schuss, und Horta-Osório war schon waidwund.

Vernütigen, welch ein schönes schweizerdeutsches Wort, das ist immer die falsche Strategie, die meistens angewendet wird. Ist sich nicht bewusst gewesen, könnte sein, ist aber wirklich kein Ding bei einem internationalen Grossbanker, der überall auf der Welt die Geschicke einer internationalen Bank bestimmen muss.

Dann gibt es immer in solchen Fällen das Zwischenhoch. Also das trügerische Gefühl, dass das nicht so schön war, aber dafür ausgestanden, und man weiss ja, wie schnell die Medien die Lust an einem Thema verlieren. Noch ein paar Kommentare mit gerunzelter Stirn und fuchtelndem Zeigefinger, das war’s dann.

Die Gegner hatten eine clevere Strategie

Aber im Gegensatz zu den Wasserträgern des VRP hatte sein Gegner eine Strategie. Genau im richtigen Moment lancierte er saftige Details wie dass ein ehemals bedeutender FDP-Nationalrat und Gesundheitspolitiker höchstpersönlich im Auftrag von Horta-Osório für eine Ausnahmebewilligung weibelte.

Das war nun schon fast der tödliche Blattschuss.

Banker, Privatjet, abgehoben, arrogant, will Extrawurst, was meint der denn.

Endlich bemerkte auch seine Entourage, dass nun gewaltig Feuer im Dach ist. Abkehr von «war mir nicht bewusst», Kehrtwende zu «mea culpa, Entschuldigung, bereue, sehe ein, klage mich selber an». Das Problem war nur: zu spät.

Dann der übliche «interne Untersuchungsbericht» zum Verwedeln. Einer der Hauptaktionäre ergreift öffentlich das Wort und stellt klar, dass man das als Peanuts sehe, Horta-Osório solle den Turnaround liefern, darum gehe es.

Nun noch der Klassiker, der Gnadenschuss

Allgemeines Aufatmen im Lager des VRP. Aber der Heckenschütze hatte natürlich noch nicht alle Munition verballert. Nun kam der Klassiker beim Abschuss: Es gab noch ein weiteres Mal. Denn einmal ist keinmal, kann passieren, ist blöd, aber ‘tschuldigung, und weiter im Text.

Der letzte Blattschuss hatte allerdings eine längere Zündschnur. Abfeuert, in der Öffentlichkeit explodiert – und nichts geschah. Der «Blick» spekulierte zwar, ob der VRP schon Ende 2021 zurücktrete nach dem zweiten Mal Quarantäneverstoss, aber nichts geschah.

Nochmaliges und letztes Aufatmen, zunächst ein Rüffel im VR, aber zumindest gegen aussen der Anschein: wir haben drüber geredet, er bereut, hat sich entschuldigt, also bitte, es gibt Wichtigeres im Leben.

Offenbar brannte intern die Lunte weiter, bis es dann ziemlich genau 35 Tage nach Beginn der Intrige soweit war: Rücktritt. Da der VR zumindest mehrheitlich an Horta-Osório festhalten wollte, müssen die Grossaktionäre ihre Meinung geändert haben.

Mögliche Erklärung: Der Heckenschütze liess durchsickern, dass er durchaus noch Munition habe.

Heckenschütze: Bei der CS war’s kein Spiel.

Fazit: Schneller Abschuss eines Gegners via Medien. Offenbar ist es Horta-Osório nicht gelungen, die Quelle für all diese Durchstechereien ausfindig zu machen und abzustellen. Fehler Nummer eins. Seine mediale Reaktion war unterirdisch schlecht, Fehler Nummer zwei. Er kam nie aus der reaktiven Haltung heraus, konnte nicht das Heft in die Hand nehmen, das Narrativ bestimmen. Fehler drei.

Hinter den Kulissen tobte der Bär

Er konnte die grossen Shareholder nicht länger davon überzeugen, dass weiter mit ihm besser sei als weiter ohne ihn. Das Ganze sollte als Lehrbeispiel in die Geschichtsbücher eingehen, wie man mit wenig Aufwand einen vorher sicher im Sattel sitzenden Häuptling abschiesst.

Wer war’s? Wenn Horta-Osório Racheglüste hat, werden wir das wohl erfahren. Bislang gibt es nur Verdachtsmomente, da die normalerweise gut informierte «Financial Times» am Anfang des Gemetzels kolportierte, dass der VRP mit der Leistung seines CEO nicht wirklich zufrieden sei. Sagte sich da Thomas Gottstein: ich mit dir auch nicht? Wir sind gespannt auf des Rätsels Lösung.

So sieht kein Sieger aus: Horta-Osório.

PS: Natürlich ist es auch Gelegenheit zur Selbstkritik. Als der Skandal aufpoppte, schrieb ZACKBUM am 10. Dezember 2021: «Bis am Wochenende wird sich entscheiden, ob Horta-Osório die Affäre überlebt, sie also aussitzt – oder nicht.»

Aber der 12. Dezember kam und ging – Horta blieb im Sattel. Das Schicksal kennt jeder Banker: Fehlprognose.

 

Wem diente der «Einmarsch» russischer Truppen?

Ein Reality Check zur Lage in Kasachstan.

Von Felix Abt

Zum ersten Januar wurde in Kasachstan der Preis für Flüssiggas oder LPG, also der Kraftstoff, den viele Kasachen zum Antrieb ihrer Autos verwenden, verdoppelt. Zwar war die entsprechende Unzufriedenheit der Bevoelkerung verständlich, denn für Millionen Kasachen bedeutete dies einen schmerzhaften Einschnitt ihres Lebensstandards. Beobachter waren dennoch überrascht, wie in einem der Grösse Westeuropas entsprechenden riesigen Land, dessen Zivilgesellschaft über keine Kanäle verfügt, um sich auszudrücken, und wo keine «spontanen» Proteste stattfinden, fast über Nacht gleichzeitig vielerorts massenhafte Proteste stattfanden. Russland, welches aus nächster Nähe miterlebte, wie vor Jahren anfänglich legitime Proteste in der Ukraine von ausländischen Mächten instrumentalisiert wurden, um dort einen Regierungswechsel zu erzwingen und ein russlandfeindliches Regime an die Macht zu bringen, hatte deshalb nicht lange gezögert, auf Bitte der kasachischen Regierung, Truppen nach Kasachstan zu entsenden, um die rasch eskalierenden Unruhen niederzuschlagen.

Eine Gefährdung von Demokratie- und Freiheitswerten?

Die von den U.S. Medien angeführte westliche, einschliesslich Schweizer Presse hatte wieder einmal das Glück, in einem Click-Climax schwelgen zu dürfen, denn der «Einmarsch russischer Truppen» lieferten ihr eine vielbeachtete Steilvorlage für noch mehr Russland-Bashing. Schliesslich ist für sie der «Vormarsch» des von Wladmir dem Schrecklichen angeführten Grossrussland, um dessen «Einfluss auszubauen», wie sie behaupteten, eine ernste Gefahr für die in Amerika wie im Rest der «freien Welt» angeblich hoch gehaltenen Demokratie- und Freiheitswerte.

Der Widerhall der «New York Times» tönt in der NZZ am Sonntag wie folgt: «Ohne ein hartes Einschreiten würden die Kasachen womöglich noch Gefallen an gerechteren Verhältnissen finden und sich aus dem russischen Einflussbereich verabschieden wollen.»

Ist Kasachstan in russischer Hand?

Die von Blindheit geschlagenen Medien haben dabei die Ironie der russischen Missetat übersehen:  Kasachstan ist fest in der Hand amerikanischer und europäischer Konzerne, welche systematisch die riesigen Rohstoffbestände des Landes ausbeuten. Dazu gehören Kupfer, Kohle, Gold, Zink, Wolfram und Eisenerz; und Öl und Gas ist der führende und wichtigste Wirtschaftszweig des rohstoffreichen Landes.

Für ausländische Investoren, die fast 400 Milliarden US $ innert 30 Jahren in diesem Land investierten, gibt es nichts Lästigeres, als wenn Unruhen und andere Störfaktoren die lukrativen Geschäfte sabotieren. Sie müssen den russischen Truppen deshalb wohl dankbar dafür sein, dass sie halfen, die Unruhen in Kasachstan rasch zu beenden und ihnen einen störungsfreien Betrieb zu ermöglichen.

Dankbare kasachische Eliten

Die kasachischen Eliten dürften den russischen Truppen nicht weniger dankbar sein, denn auch sie haben ein Interesse daran, dass es den ausländischen Konzernen, einschliesslich Schweizer Firmen wie Glencore, Sika und Stadler, im Lande blendend ergeht. Auch sind sie den ausländischen Firmen dankbar. Seine Anerkennung hat das kasachische Establishment damit gezeigt, dass es die ausländischen Goldgräber möglichst viele Gewinne scheffeln und möglichst wenig Steuern bezahlen lässt: 2014 unterzeichnete der damalige Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, Erlasse, welche Steuervergünstigungen für ausländische Investitionen gewähren, darunter eine 10-jährige Befreiung von der Körperschaftsteuer, eine 8-jährige Befreiung von der Grundsteuer und ein 10-jähriges Einfrieren der meisten anderen Steuern.

Der kasachische Staat wird so natürlich nicht reich, aber was kümmert das die Eliten, die auch in ihrem armen Staat schamlos reich werden konnten und in grossen Villen in Almaty, London oder anderswo leben und in tollen Luxuskarossen herumfahren.

«The Guardian», 8.1.2022.

Für die scharf kalkulierenden ausländischen Investoren dürfte es natürlich wesentlich vorteilhafter gewesen sein, den vormals armen Eliten gegenüber etwas Grosszügigkeit zu zeigen, anstatt angemessene Steuern zu bezahlen. Ihre freundlichen Zuwendungen dürften sie wohl aus der Portokasse bezahlen.

 Kasachstan, auch ein amerikanisches Eldorado für die Erforschung tödlicher Biowaffen

Was die Medien ebenso geflissentlich übersehen, ist was der frühere indische Botschafter und Zentralasien-Kenner M.K. Bhadrakumar mit scharfem Blick in der «Asia Times» so beschreibt:

«Seit den 1990er Jahren hat das US-Militär biologische Forschungslabore in ehemaligen Sowjetrepubliken aufgebaut. Das Labor in Kasachstan bietet einen einzigartigen Zugang zu ethnischen russischen und chinesischen Gruppen als ‘Specimen’ für die Durchführung von Feldforschungen mit hochpathogenen, potenziellen biologischen Kampfstoffen.»

«Unter dem Deckmantel friedlicher Forschung bauen die USA dort ihr militärbiologisches Potenzial auf.»

Tödliche Experimente lieber in Zentralasien als in Amerikas grösster Wüste

Amerikas Grosse Beckenwüste wäre geeigneter für das Erforschen und Erschaffen tödlicher Keime. Aber die USA haben wohl gewichtige Gründe, gefährliche Experimente, die sie ihren eigenen Bürgern nicht zumuten, nach Zentralasien und anderswohin zu verlagern. «USA Today» berichtete, dass «Hunderte von Sicherheitsvorfällen mit Bioterror-Keimen von geheimen Labors» in einem einzigen Jahr in Amerika passierten.

Das anti-russische Mediennarrativ wird immer mehr vom amerikanischen militärisch-industriellen Komplex beeinflusst, und einflussreiche Medien vertuschen es nicht einmal mehr.

Im August 2019 wurde die Forschung tödlicher Keime nach schweren Sicherheitsverstössen, insbesondere bei der Entsorgung gefährlicher Stoffe, im militärischen Biolabor Fort Detrick eingestellt. Westliche Medien haben es geflissentlich vermieden, darüber zu berichten, dass die U.S. Regierung die mysteriösen Lungenerkrankungen, die im Sommer 2019 in der Nähe dieses Labors auftraten, nicht untersuchen wollte. Sie berichteten umso mehr über die Forderung der U.S. Regierung, das nicht-militärische Labor in Wuhan, China zu untersuchen, dem ein paar Monate später das Covid-Virus entwichen sein soll. Der damalige U.S. Aussenminister und frühere CIA-Direktor Pompeowir haben gelogen, wir haben betrogen, wir haben gestohlen…») erklärte, Beweise zu haben für diese Behauptung. Obwohl er der Öffentlichkeit diese Beweise bis zum heutigen Tag schuldig geblieben ist, haben ihn die Medien seither nicht mit «dummen» Fragen dazu belästigt.