Reich, Russe: rasieren!

Reich, Russe, Jacht. Drei Gründe für eine Beschlagnahme.

Über Jahre hinweg waren reiche Russen, sogenannte Oligarchen, gern gesehene Gäste. Nicht überall, manche Hotels belegten sie mit einem Bann, weil sie sich nicht immer zivilisiert benahmen.

Die gute Nachricht war jeweils, dass der reiche Russe nach dem teuersten Wein auf der Karte suchte – und gleich drei Flaschen bestellte. Die schlechte, dass er sie auch trank und spätestens nach ein paar nachgeschenkten Wodkas eher lautstark und unangenehm wurde.

Aber das war sozusagen ein kleiner Kollateralschaden. Pelzgeschäfte, Luxusboutiquen, Immobilienmakler, Kunstauktionen (insbesondere Fabergé-Eier), Privatschulen, aber auch Steuerbehörden: alle profitierten gerne. Natürlich auch Banken, die eigens ein Russland-Desk mit kampferprobten und mit gesunden Lebern ausgestatteten Mitarbeitern vorhielten.

Wie die reichen Russen zu ihrem Reichtum gekommen waren, interessierte nicht sonderlich. Schon früh investierten Oligarchen wie Viktor Vekselberg auch in Schweizer Industrieunternehmen. Sie erwiesen sich dabei nicht immer als gute Geschäftsleute, aber sie hatten auch keine Heuschreckenmentalität – schnell rein, schnell raus.

Wer hat die längere Jacht?

Richtig in Champagnerlaune waren Werften, die nun Privatjachten bauen durften, die eigentlich mehr Kreuzfahrtschiffen ähnelten und so gross wurden, dass sie ein Beiboot brauchten, weil die Jacht selber nicht mehr in die schönen Luxushäfen reinpasste.

Soll über 500 Millionen Euro gekostet haben:
Melnichenkos Spielzeug.

Gerne liessen die reichen Russen ihre Jachten in italienischen Häfen ankern, das Mittelmeer hatte es ihnen besonders angetan. Nun sind diese idyllischen Zeiten vorbei. Nehmen wir als Beispiel Andrey Melnichenko, denn es gibt ja viele reiche Russen mit Jacht.

Melnichenko hat sein Geld zuerst mit einer Bank, dann mit Beteiligungen an dem bedeutendsten Düngemittelhersteller Russlands und einem Kohle- und Stromkonzern gemacht und vermehrt.

Sein Privatvermögen wird auf rund 19 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der 50-Jährige hat einen Wohnsitz in der Schweiz. All diese Angaben kann man Wikipedia entnehmen. Das machen alle Behörden auch, die Listen von zu sanktionierenden Russen zusammenstellen. Darauf ist auch Melnichenko aufgetaucht.

Das bedeutet, dass seine Vermögenswerte im Westen und sein sonstiger Besitz beschlagnahmt wurden. Melnichenko habe sich Mitte März «als einer der ersten Oligarchen gegen Putins Krieg und gegen den Diktator ausgesprochen», weiss ebenfalls Wikipedia. Das nützt ihm aber nicht; zur Beschlagnahme kommt auch noch ein Einreiseverbot in die EU und in die Schweiz.

Auch auf die Gefahr hin, als Putin-Versteher beschimpft zu werden: Melnichenko macht sich in seinem Statement vor allem und völlig zu Recht Sorgen um die Nahrungsmittelpreise, die ihrerseits von der Kornkammer Ukraine und dem wichtigsten Düngemittelproduzenten Russland abhängen.

Laut unvollständigen Erhebungen sollen reiche Russen seit dem Ukrainekrieg über 45 Milliarden Dollar an Vermögenswerten eingebüsst haben. Wessen Jacht noch nicht beschlagnahmt wurde, versucht, sie in Sicherheit zu bringen. Richtung Türkei, oder ganz auf Nummer sicher Richtung Malediven.

Darf nicht mehr an Bord: Andrey Melnichenko.

Diese Massnahme kann die Beschlagnahme verhindern, wie hingegen der reiche Russe auf seine Jacht kommt, ist dann das andere Problem.

Was ist mit der Eigentumsgarantie?

Bei aller Schadenfreude, die Verluste bei reichen Menschen auslösen: kann es wirklich sein, dass im Kapitalismus die Eigentumsgarantie obsolet wird, wenn ein Krieg ausbricht? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Besitztümern eines reichen Russen und dem Überfall des russischen Autokraten auf die Ukraine? Sollte jemand wie Melnichenko nicht eher mit dem Prix Courage augezeichnet werden, wenn er trotz gewaltiger Besitztümer in dessen Machtbereich Putin scharf kritisiert?

Wie wird das weitergehen? Die USA haben eine Task Force namens «KleptoCapture» installiert, die sich speziell mit der Beschlagnahmung von russischen Besitztümern in den USA befasst. Hier gilt das gute, alte Wildwestprinzip: zuerst schiessen, dann fragen. Also zuerst beschlagnahmen, dann kann sich der Enteignete vor Gericht dagegen wehren. Wenn er noch die Kohle dafür hat.

Apropos Kohle: was geschieht eigentlich mit all den eingesackten Besitztümern? Sie werden in den USA versteigert, und der Erlös fliesst ins Staatssäckel. Das chronisch leer ist …

 

Die Krise der Intellektuellen

Gerade wenn man sie bräuchte, verlieren sie ihre wichtigste Fähigkeit.

Für manche ist es ein Schimpfwort, für andere eine Auszeichnung. Eine richtige Definition gibt es eigentlich nicht; ein Intellektueller ist wohl ein gebildeter, kompetenter Mensch mit allgemeinen oder speziellen Kenntnissen, der sich meistens öffentlich kritisch oder zustimmend äussert.

Vor allem aber sollte es jemand sein, der zu Differenzierungen fähig ist. Also das Gegenteil vom «terrible simplificateur», der sich in der Lage sieht, auch komplexeste Zusammenhänge auf ein einfaches Schwarzweiss runterzuhacken. Die Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis. Die Wirtschaft. Der Umweltschutz. Der Krieg in der Ukraine. Der Simplizist hat die einfachen, daher eingängigen Antworten.

Er braucht nicht mal ein Narrativ, Schlagwörter reichen. Wertungen laden sie zusätzlich und zwecks noch deutlicherer Erkennbarkeit auf. Als weiteres Mittel aus dem Nähkästchen der furchtbaren Vereinfachung kommt die Personalisierung zum Einsatz. Womit wir im Ukrainekrieg ein Erklärungsmodell gebastelt hätten, das hermetisch dicht, einfach, verständlich, für jeden überblickbar ist.

Mach’s einfach, mach’s falsch

Hier kämpft der böse Putin, der Schlächter, Wahnsinnige und Kriegsverbrecher, gegen den guten Selenskij, der Held, Staatsmann, der mutige Krieger.

Eigentlich wäre es nun die Aufgabe des Intellektuellen, dieses holzgeschnitzte, unzulängliche Abbild der Realität zu hinterfragen. Denn wenn etwas aus vielen tausend Jahren der betrachteten Geschichte und Gegenwart klar ist: es gibt nie Schwarzweiss. Die Wirklichkeit ist immer bunt, kompliziert, widersprüchlich, verwirrend.

Nun könnte man einwenden, dass es doch nicht jedem hirnwindungsmässig gegeben ist, nicht jeder Zeit für komplizierte Erklärungen komplexer Zusammenhänge hat. Schliesslich müsse auch ein ganzes Schlachtfeld wie die Ukraine in einem dreiminütigen Beitrag in der «Tagesschau» Platz finden. Eine Antwort in einem Soundbite von 15 Sekunden. Alles andere würde doch zu weit führen.

Man könnte eine Schwarzweiss-Welt für die Massen durchaus neben einer bunten Welt für freischwebende Intellektuelle unkommentiert lassen. Wenn solche Holzschnitzereien eben nicht immer zu gefährlichen Fehlschlüssen führen würden. Die Bewohner dieser einfach gestrickten Weltbilder nicht immer wieder ratlos zurückliesse, wenn es sich herausstellt, dass die Wirklichkeit eben nicht so einfach ist.

Die umgekehrte Beweisführung 

Das Dasein eines Intellektuellen sollte sich eigentlich – neben herausragender Wissensakkumulation und Fähigkeit zur Analyse – dadurch auszeichnen, dass er Fragen viel interessanter als Antworten findet. Dass Schwarzweiss spontan Allergie auslöst. Dass der Intellektuelle auch nicht davor zurückschreckt, unbequeme Frage zu stellen, gegen den Strom zu schwimmen. Dabei auch durchaus bereit ist, Irrtümer auf dem Weg zur besseren Erkenntnis in Kauf zu nehmen.

Zu diesem Besteck gehört so etwas Banales wie die in der Mathematik heimische umgekehrte Beweisführung. Also statt zu beweisen, dass etwas so ist, beweist man, dass das Gegenteil nicht sein kann. Die indirekte Beweisführung.

Das könnte zum Beispiel als Denkanlage sein: mal angenommen, Putin ist nicht ein wahnsinniger Schlächter, der im Blutrausch Länder überfällt, sie zerstört und von der Wiederherstellung eines zaristischen Imperiums träumt. Wenn er das nicht wäre, was ist er dann? Was will er? Was wäre für ihn ein Triumph?

Dagegen könnte man einwenden: was soll das, wozu soll das nützen, das ist doch einfach sinnlose Gedankenspielerei, überflüssig wie ein zweiter Kropf. Aber auch dieser Einwand ist krachend falsch. Wenn es gelingt, die wirkliche Motive und Gründe des Handelns von Putin aus ihm heraus zu erklären, kann man sich sinnvoll überlegen, mit welchen Angeboten man die Katastrophe in der Ukraine möglichst schnell beenden kann.

In Krisenzeiten werden Intellektuelle schwach

Denn es gibt ja nicht umsonst den Begriff des Pyrrhus-Sieges. Wenn also der Krieg, die Schlacht gewonnen wird, aber der Frieden, die Folgen sind schlimmer als eine Niederlage. Ein handliches und aktuelles Beispiel, wie sich Intellektuelle nützlich machen könnten.

Es ist aber auch aus der Geschichte bekannt, besonders hässlich und widerlich in den beiden Weltkriegen sichtbar, dass sich viele Intellektuelle in Krisenzeiten den Simplifizierern anschliessen. Statt Nachdenklichkeit und Analyse Hurrapatriotismus. Statt Zweifel und Fragen gebrüllte Antworten.

Natürlich gab es immer Widerstandsnester von Intellektuellen, die sich der allgemeinen Hysterie nicht anschlossen. Sie wurden immer beschimpft und niedergemacht, nicht zuletzt als Vaterlandsverräter, Helferhelfer des Feindes, Versteher und Schönredner. Erst im Nachhinein wurden sie gelegentlich als aufrechte Kämpfer rehabilitiert.

Auch heute steigt die Hysterie stündlich, schwindet der Platz für um Erkenntnis ringende Debatte. Auch kleine Würstchen spüren plötzlich den Mantel der Geschichte um sich wehen, blubbern von Zeitenwende, historischem Bruch und tun so, als wäre noch nie geschehen, was gerade geschieht. Das gibt ihnen den Anschein von Bedeutung, von Wichtigkeit. Ein Trugbild wie Schatten an der Wand.

Besonders widerlich sind dabei die Zeitgeist-Surfer, die gelenkig gängige Narrative bedienen und sich damit eine Position als «Spezialist», «Koryphäe», «Soziologe», «Russland-Kenner» erobern. Denn schlimmer als Schwarzweissschnitzer sind Intellektuelle, die mitschnitzen, statt ihre eigentlich Aufgabe wahrzunehmen. Nachzudenken, Fragen zu stellen, Erkenntnisse gewinnen, im Steinbruch der Wirklichkeit, die alles ist. Ausser schwarzweiss und simpel.

Wie hältst du’s mit Putin?

Wir ignorieren uns gegenseitig. Ist das falsch?

Es erinnert an die finsteren Zeiten des Mittelalters. Dort wurde vor allem öffentlich immer wieder das Bekenntnis zur einzig wahren Religion abgefordert. Inklusive Gehorsam, was von der Kanzel als gut, was als böse definiert wurde.

Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Um im aufwärmenden Kalten Krieg neu aufzuleben. Statt Gottesglaube wird hier abgefragt, was man denn von Putin und seinem Überfall auf die Ukraine halte.

Wie im Mittelalter ist die Antwort nicht der Ort für Differenzierungen. Auch nicht für Abstinenz. Erst recht nicht für Ausweichen. Unterhalb von «ein wahnsinniger, skrupelloser Mörder und Kriegsverbrecher» geht da nichts.

Die erwähnten zehn Prinzipien der Kriegspropaganda sind amtlich und in Kraft gesetzt.

Faszinierend ist, dass Intellektuelle eine Fähigkeit verlieren, die sie sonst auszeichnet und auf die sie auch stolz sind. Die der Reflexion, der Differenzierung. Die Fähigkeit, der Wirklichkeit so nahe wie möglich kommen zu wollen, ohne Rücksichten auf Gefühle oder Meinungen oder Stimmungen, moralische Imperative oder Narrative.

ZACKBUM hat beschlossen, sich inhaltlich zum Kriegsgeschehen nicht mehr zu äussern. Aus einer Vielzahl von Gründen, darunter unsere mangelnde Kompetenz zur Beurteilung einer unübersichtlichen Kampflage. Zudem meint jeder etwas dazu, der mehr als drei Buchstaben, drei Hirnzellen und einen Multiplikator zur Verfügung hat. Meistens nichts sehr Sinnvolles oder Erhellendes.

Zudem sieht es ZACKBUM als vornehmste Aufgabe, sich darum zu kümmern, was eine kritische Medienplattform tun sollte. Kritisch über Medien berichten.

Sonst noch was?

Bitte, zum Einrahmen und Ausschneiden: Putin ist ein Kriegsverbrecher und ein Verlierer, der sich selbst in eine aussichtslose Lage manövriert hat. Nach dem Überfall wird jeder Ausweg, jeder angebliche Sieg eine Niederlage sein. Aber wer keinen Atomkrieg riskieren will, muss dafür besorgt sein, dass Putin sich nicht mit dem Rücken an der Wand fühlt.

Wie man das bewerkstelligen kann, da ist jedes konstruktive Denken willkommen. Ach, und sicherlich wird Putin nicht im Bett sterben …

Spaltet sich der Nebel?

Kleine Rochade beim «Nebelspalter». Christian Fehrlin geht. Per sofort.

Wie ein dichter Nebel umhüllen Geheimnisse den «Nebelspalter». Also seine Online-Ausgabe. Wie geht’s so, wie viele Leser hat man schon gewinnen können, ist man im Businessplan, wie viel Geld wird monatlich verbrannt?

Alles Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt: keine. Da fast alles hinter einer Bezahlschranke verborgen ist, fällt an der Oberfläche auf, dass die Homepage schon diversen Redesigns unterzogen wurde. Kein gutes Zeichen.

Zu verantworten hatte den Auftritt ein gewisser Christian Fehrlin. Der fiel zuvor nie durch Kompetenz beim Launch eines Medientitels auf, der zwar einen traditionellen Namen hat, das aber mit einem ganz neuen Inhalt füllen will.

ZACKBUM versuchte vor fast einem Jahr, dem damaligen Hersteller der Webseite, Geschäftsführer und Werbeverkäufer ein paar Antworten auf höflich gestellte Fragen zu entlocken. Leider vergeblich. Denn es stellten sich schon früh diverse Fragen zur Kompetenz dieses IT-Cracks. Aber wir mussten konstatieren:

Wie bei Christian Fehrlin steht häufig die Arroganz in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zur Kompetenz.

Da ZACKBUM seine Grenzen kennt, liessen wir dann die Webseite von zwei Fachleuten durchleuchten – mit desaströsem Ergebnis.

«Charme eines Wühltischs» war noch eine der freundlicheren Bemerkungen. Die Webseite verwendet ein proprietäres CMS; also der Maschinenraum wurde von Fehrlin designt und gebastelt, was heutzutage kaum mehr gemacht wird. Damit begibt man sich in eine teuflische Abhängigkeit vom Hersteller. «Konstruiert wie in der Steinzeit», war das vernichtende Urteil von Fachleuten.

Trennung im Zackbum-Stil

Nun hat sich aber der «Nebelspalter» gerade und per sofort von Fehrlin getrennt. Trotz x-fachem Rumschrauben am Auftritt gibt es bis heute solche peinlichen Darstellungsprobleme:

Zudem erscheint das Organ bis heute faktisch werbefrei. Eine hingewürgte Auto-PR-Schiene als Feigenblatt, jede Menge nette Angebote für Werbetreibende – aber null Resonanz. Das ist nicht nur peinlich, sondern gefährlich.

Natürlich verabschiedet Chefredaktor Markus Somm den gescheiterten Fehrlin mit warmen Worten und dankt ihm für seinen «ausserordentlichen und glänzenden Einsatz». Logisch, denn er ist weiterhin der Insellösung seines Content Management Systems aus dem Hause Fehrlin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Richten soll die Resultate dieses vergeigten Einsatzes nun Christian Keller. Man kennt sich von der «Basler Zeitung» her, anschliessend startete Keller die Webseite «Prime News».

Somm hat immer noch keine Ahnung vom Internet

Dass sich Somm wirklich nicht im Internet auskennt (und bis heute dort nicht wirklich angekommen ist), beweist er mit seinen Vorschusslorbeeren: «Prime News» sei «die zur Zeit wohl einzige Online-Plattform der Schweiz, die sich im Lokalen selber finanziert – ohne Subventionen und ohne Mäzene».

Damit übersieht Somm souverän «Die Ostschweiz»*, die nach allen Messkriterien (ausser im Betteln) mit Abstand die erfolgreichste lokale Online-Plattform ist, natürlich ohne Subventionen oder Mäzene.

Das kann man nun vom «Nebelspalter» nicht sagen. Wie erfolgreich der im Lokalen oder Nationalen ist – man hat keine Ahnung. Subventioniert wird er wohl – wie alle anderen solchen Portale – nicht. Aber Mäzene, nun, wie man weiss, verbrät Somm die Einlagen von 60 nicht unbemittelten Spendern, die jeweils 100’000 auf den Tisch gelegt haben. Natürlich sind das im liberalen Duktus «Investoren», die selbstverständlich ihr Geld mit Zinsen zurückhaben wollen.

Entweder war denen aber schon von Anfang an klar, dass es sich nicht um eine Investition, sondern um Mäzenatentum handelt, oder es wird ihnen langsam klar. Denn ein Organ, das auch ziemlich genau ein Jahr nach dem Launch noch keine einzige Zahl zum Geschäftsverlauf herausgerückt hat – da gilt nicht: no news is good news.

Keine einzige Zahl nach einem Jahr …

Im schnelllebigen Internet sowieso ist es völlig selbstverständlich, dass nach den ersten 100 Tagen, spätestens nach 6 Monaten angekündigt wird, dass man gut unterwegs sei – aber durchaus noch eine Durststrecke vor sich habe. Das wird dann gefolgt von der Mitteilung, dass man super unterwegs sei, allerdings die Marktpenetration doch etwas schwieriger als erwartet. Und dann kommt irgendwann der knappe Einzeiler, dass leider der Stecker gezogen werden müsse.

So geht es jedenfalls bei Organen, die über kein dickes Geldpolster verfügen und auch nicht über wohlhabende «Investoren», die dann halt, wie eine reiche Pharma-Erbin auch, nochmal in die Tasche greifen.

Der kritische Leser mag nun einwenden, wieso ZACKBUM hier nicht die Verantwortlichen beim «Nebelspalter» um eine Stellungnahme angefragt habe. Einfache Antwort: weil wir noch nie eine Antwort kriegten. Aber: sollte sich jemand seitens «Nebelspalter» bemüssigt fühlen, dies und das und jenes zurechtzurücken: gerne, jederzeit. Ungekürzt. Denn wir sind wirklich liberal.

 

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert regelmässig auf «Die Ostschweiz».

Potz Teufel

Verschiedene Religionen sind sich einig: es gibt einen Teufel. Oder sogar viele.

Dem schliessen sich inzwischen immer mehr Journalisten an. Denn der ewige Zwang zur Steigerung verlangt immer massivere Beschimpfungen.

«Grössenwahnsinnig», einfach «wahnsinnig», schlicht «verrückt», also alle Zweifel am geistigen Wohlbefinden des russischen Präsidenten, das war gestern. Schliesslich hat schon ein Haufen angesehener Psychologen aus vielen Ländern Waldimir Putin auf die schädlichen Auswirkungen einer Kriegsführung auf die Psyche aufmerksam gemacht.

Sie hatten auch gleich einen klare Therapievorschlag zur Hand: sofort mit der Invasion aufhören, dann werde es Putin psychisch schlagartig bessergehen. Aber eben, verbohrt wie der ist, hat er (bislang) noch nicht auf diesen fachmännischen Ratschlag gehört.

Aber Psychopathologie als Beschreibung der Motive seines Handelns, das haben wir hinter uns. Als nächster Schritt muss unbedingt der Gottseibeiuns auftreten. Der Teufel. Satan, Ahriman, Mara, Iblis, seiner Namen sind viele. Auch seiner Erscheinungsformen, wie man weiss. Manchmal ist’s nur einer, manchmal sind’s ganze Scharen von Teufeln. Aber immer sind sie teuflisch, böse, verneinend, schädlich.

Zerrspiegel der Entmenschlichung.

Teufel tun Teuflisches

Schlimmer noch: sie wollen gute Menschen verführen, ihre ewige Seele behändigen. Gleichzeitig erfüllt der Teufel aber auch seine Aufgabe im himmlischen und göttlichen Plan. Er befeuert bekanntlich die Hölle, in die alle vom lieben Gott geschickt werden, die es sich verscherzt haben, ins Paradies aufzusteigen.

Entweder nur für eine beschränkte Zeit, bis das Fegefeuer ihre Sünden weggebrannt hat, oder gar für die Ewigkeit, wenn die Sünden halt zu schlimm waren. Nun sind wir im aufgeklärten Westen offenbar immer noch der Auffassung, dass es einen Teufel gibt. Sein Gegenpart aber, also der liebe, strafende, zürnende, allmächtige Gott ist etwas im Himmel verschwunden. Dafür haben wir nun eher den irdischen Helden.

Genau, wer das ist, ist ja klar. Aber natürlich ist das Böse viel faszinierender:

Denn der Teufel hat immer teuflische Pläne. Die enthüllt nun aber Andreas Kunz von der «SonntagsZeitung». Also nicht selbst, das ist etwas oberhalb seiner Gehaltsklasse. Aber er hat, Gott sei gepriesen, ein Buch gelesen. Damit ist er nicht der Einzige, denn Catherine Belton hat mit «Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste» einen Beststeller gelandet.

Der ist zwar schon 2020 erschienen und wurde damals in der angelsächsischen Presse breit rezensiert. Aber he, «Redaktionsleiter» haben auch noch anderes zu tun, also kann die Lektüre schon etwas dauern. Und auf Deutsch, denn wer kann schon Englisch, ist’s erst im Februar dieses Jahres erschienen. Also doch Grund genug, seine Erkenntnisse dem Leser der SoZ als brandneu zu verkaufen.

Also erzählt Kunz brav den Inhalt nach, verzichtet gottesfürchtig auf jeden eigene Recherche oder jeden eigenen Gedanken. Worin besteht denn nun der teuflische Plan des Gottseibeiuns im Kreml? «Bevor er die russischen Unternehmen und Geschäftsleute in den Westen expandieren liess, übernahmen er und seine KGB-Kumpels die totale Kontrolle über sie.» Ausgekocht, dieser Putin, wirklich wahr.

Blöd auch, dass das nie in gestohlenen Papieren auftauchte

Wie man weiss machte vor allem London die Beine breit und liess diese Oligarchen nach Lust und Laune gewähren. Aber natürlich geht so ein Schurkenstück nie ohne Schweizer Beteiligung: «Die Autorin nennt Beispiele der Bank Vontobel und der Credit Suisse, die bei Putins KGB-Kapitalismus mitspielten; der Kanton Zug, der den korrupten Firmen einen optimalen Standort bot; die Stadt Genf, die den Russen seit dem Kalten Krieg als Umschlagplatz für ihre obskuren Geschäfte dient.»

Blöd auch, dass all diese Beispiele nie wirklich in den vielen geklauten Geschäftsunterlagen auftauchten, in dieser Hehlerware, aus der die SoZ Leaks, Papers und Secrets machte. Aber schön, dass Kunz eine eher anspruchslose Zusammenschreibung eines Buchinhalts liefert und das als brandneu verkauft, was jeder des Englischen Mächtige schon 2020 gelesen hatte.

 

 

Der Hang zum Selbstbetrug

So ist der Mensch. Im Zweifelsfall sich selbst genug.

Es ist menschlich, sich selbst als Massstab aller Dinge zu nehmen. Unangenehm auffällig wird das, wenn der Mensch Plattformen und Sprachrohre hat, um den Mitmenschen darauf aufmerksam zu machen.

Im angelsächsischen Journalismus ist es bis heute sehr verpönt, dass ein Autor auf seine eigene Befindlichkeit hinweist. Nachrichtenjournalismus heisst, berichten, was ist. Oder zumindest den Versuch unternehmen. Allerhöchstens ein kleiner, szenischer Einstieg, dann möglichst nackte Tatsachen.

Plus die üblichen Regeln von Anstand und Respekt. Deshalb käme es im englischen Journalismus niemand in den Sinn, die Autorisierung von Quotes zu verlangen. Oder zu gewähren. Es gilt «gesagt ist gesagt», und Ehrensache, dass der Journalist den Inhalt Wort für Wort oder in einer korrekten Zusammenfassung wiedergibt. Täte er das nicht, gäbe es einen Riesenaufstand. Kommt aber praktisch nie vor.

Wenn man einem englischen Journalisten zu erklären versucht, welcher Kampf auf Deutsch um die Sternchenvergewaltigung der Sprache wogt, welche ellenlangen Manuals ausgegeben werden, dass selbst der Duden sich nicht entblödet, entsprechende Ratgeber zu veröffentlichen, dann spürt man deutlich Unglauben und Befremdung.

Wenn man noch hinzufügt, dass sogar angebliche Qualitätsmedien wie Tamedia Seiten darauf verschwenden, sich selbst und dem Leser zu erklären, wie denn nun korrekt, inkludiernd, geschlechtsneutral die Sprache malträtiert werden muss, dann schüttelt es den Kollegen, der nicht fassen kann, dass sich erwachsene Menschen mit einem solchen Pipifax beschäftigen. Wobei nicht mal die Satiresendung «Spitting Image» auf eine solche Idee gekommen wäre, und die kamen auf so ziemlich alle Ideen.

Immerhin ist’s in den Hintergrund verschwunden

Aber, eigentlich die allereinzige positive Auswirkung des Überfalls auf die Ukraine, dieser Spuk ist weitgehend im Hintergrund verschwunden. Nur noch letzte Einzelkämpfer brabbeln etwas von «weiblichem Frieden», obwohl das Substantiv doch maskulin ist. Oder interviewen «Genderforscher», die Unsinniges über weibliche versus männliche Kriegsführung murmeln. Ohne dass sich eine der beiden Beteiligten bewusst wird, wie lächerlich das ist.

Aber viel direkter und noch unangenehmer merkt man diese Selbstüberhöhung, wenn der Journalist zum Kommentar greift. Das ist im modernen Elendsjournalismus, der jegliche Haltung, Qualität oder Recherchefähigkeit verloren hat, die Kompensation Nummer eins.

Keiner zu klein, Meinungsträger zu sein.

Der Chefredaktor höchstselbst, sei es auch nur eines Weltorgans wie das St. Galler «Tagblatt» oder der «Bote der Urschweiz», greift zum Griffel und geigt dem russischen Präsidenten mal seine Meinung. Was für ein Verbrecher der sei, was für ein Wahnsinniger, Diktator, Massenmörder, Zündler, riskiert einen Dritten Weltkrieg. Auch das wird geschrieben ohne das geringste Bewusstsein, dass solche Rempeleien völlig sinn- und wirkungslos sind.

Oder stellt sich der Kommentator wirklich im Ernst vor, dass dem Herrscher im Kreml die tägliche Presseschau vorgelegt wird, er beim jüngsten Kommentar der Auslandchefs von Tamedia hängen bleibt, erbleicht, anfängt zu zittern, zu einem der zahlreichen Telefone auf seinem Schreibtisch greift und sagt: «Genossen, ich gebe hiermit den Befehl zum sofortigen Rückzug. Und bitte alles reparieren, was wir kaputt gemacht haben»?

Keiner entkommt den Ratschlägen der Schreibtäter

Ein Spürchen, aber auch nur ein Spurenelement chancenreicher sind die überreichlichen Ratschläge, die der Schweizer Regierung gegeben werden.

Sie sollte, müsste, hätte, zögerte, hat endlich, muss noch viel mehr, darf nicht zögern, macht sich unglaubwürdig, muss ein Zeichen setzen, kann nicht abseits stehen, wird von der Welt beobachtet (und vom Redaktor), wäre gut beraten, muss nun unverzüglich.

Auch hier betrachtet der Schreiber sein Werk (und seinen Bauchnabel), findet Wohlgefallen und Behagen daran und begibt sich im sicheren Gefühl zum Feierabendbier, dass er es mal allen wieder richtig gezeigt habe und die Welt nun doch ein bisschen besser geworden sei.

Grossmäulig heisst das Gefäss immer noch «Leitartikel»; als ob dort etwas geleitet würde, etwas zum Geleit mitgegeben wird. In Wirklichkeit sind es Leidartikel, die beim Lesen ein selten intensives Gefühl des Fremdschämens auslösen. Denn ist es nicht peinlich und peinvoll, wie erwachsene Menschen, eigentlich zurechnungsfähig, sich selbst in aller Öffentlichkeit zum Deppen machen?

 

Schweizer Käse

Aus eidgenössischen Banken tropfen Kundendaten, als wären die Tresore aus Emmentaler.

Reiche Menschen, sehr reiche Menschen, haben ein Problem. Es ist zwar ein Luxusproblem, aber immerhin: wohin mit dem vielen Geld? Das Modell Dagobert Duck existiert wirklich nur in Entenhausen.

Viel Geld manifestiert sich an der Oberfläche in irdischen Besitztümern. Also Villen, Yachten, Privatflugzeuge, plus teure Hobbys. Ein Hotel, ein Fussballclub, beides, eine ganze karibische Insel gehört auch zur Grundausstattung eines Milliardärs.

Da bleibt aber immer noch einiges übrig, und selbst eine sackteure Scheidung vermag nicht, den Milliardär zum armen Millionär zu machen. Daher ist sein Geld irgendwo zum grössten Teil investiert, zu einem anderen Teil gut gelagert. Nicht im Geldspeicher, sondern auf Bankkonten selbstverständlich.

Erschwerend kommt noch hinzu, wenn der richtig Reiche eigentlich aus einem Land mit einer Weichwährung kommt. Wie zum Beispiel der Rubel. Da liegt es auf der Hand, den grössten Teil der Batzeli in der Weltwährung Nummer eins zu halten. Das ist immer noch der US-Dollar. Natürlich kann man auch einen Währungssplit machen, also noch etwas Pfund, Euro, Yen und Schweizerfranken reinmischen. Aber der Dollar ist King.

Lieber ausserhalb des Zugriffs von Putin

Der Oligarch, davon ist natürlich die Rede, könnte nun seine ansehnlichen Geldberge auch in Russland von Banken beherbergen lassen. Aber bei aller Liebe zu Vaterland und Regierung, bei möglicherweise sogar freundschaftlichen Banden zu Präsident Putin oder seiner Clique: das abschreckende Beispiel Chodorkowski zeigte allen anderen, was einem passieren kann, wenn man frech wird und in Ungnade fällt.

Da ist es schon weiser, seine Kröten etwas ausserhalb des Zugriffs des russischen Potentaten zu lagern. Warum nicht in der diskreten Schweiz. Aber mit diskret hat es sich. Gerade führt Tamedia wieder vor, was man aus den diversen Datenleaks, also auf Deutsch Datendiebstählen, alles rausmelken kann. «Sanktionierter Russe hatte Hunderte Millionen in der Schweiz». Locker zählt der Tagi drei stinkreiche Russen auf, samt Erwähnung deren Spielzeugen wie die grösste Privatyacht der Welt, plus sogar Kontobewegungen auf diversen Bankverbindungen in der Schweiz.

Seit dem letzten Datenklau bei der Credit Suisse plädiert ZACKBUM sowieso dafür, gleich sämtliche Daten aller Kunden einfach ins Internet zu stellen. Spart den Hackern Arbeit. Dieser Artikel erscheint genau in dem Moment, in dem der US-Präsident Joe Biden die Gunst der Stunde erkannt hat.

Denn die USA haben ja besondere Durchgriffsrechte, wenn es sich um Dollar handelt. Davon machen sie ungeniert Gebrauch. So hatte Afghanistan rund 12 Milliarden Devisen in Dollar geparkt. Die Hälfte kriegt ihr zurück, beschieden die USA der neuen Regierung, die andere Hälfte behalten wir, um Opfer eurer Untaten zu entschädigen. Das ist schlichtweg Diebstahl, aber wer soll das Uncle Sam beibringen.

Vom gehätschelten Gast zum Feindbild

Nun geht’s also aufs Feindbild «Oligarch». Der wurde gehätschelt und gepflegt, vor allem in London, aber auch in der Schweiz. Da er freigiebig mit vielen, vielen Millionen um sich wirft, war er ein gern gesehener Gast, Kunde, Mitbürger.

Aber nun meint Biden:

«Ich sage den russischen Oligarchen: Schluss damit!»

Womit? Mit ihren «Verbrechen». Welche denn auf einmal? Das erledigt eine neu gegründete Task Force der USA: «Wir schliessen uns mit unseren europäischen Verbündeten zusammen, um Ihre Yachten, Ihre Luxuswohnungen und Ihre Privatjets zu finden und zu beschlagnahmen. Wir werden uns Ihre unrechtmässigen Gewinne holen.»

Das hört sich nun fast so an, als sei das eine Ankündigung von Lenin nach der Oktoberrevolution in Russland. Nur sagt das diesmal nicht ein kommunistischer Revolutionär, sondern ein kapitalistischer US-Präsident. Offenbar hat Putins Einmarsch in die Ukraine all ihre Vermögenswerte zu unrechtmässigen Gewinnen gemacht.

Neue Lagermethoden in den Tresoren Schweizer Banken.

Statt sich durch Dienstleistungen, Verkäufe und Liebedienerei ein Scheibchen von diesen Vermögen abzuschneiden, wollen die USA gleich ans Eingemachte. Wieso absurde Preise für die Instandhaltung einer Luxusyacht verlangen? Ist doch viel gewinnbringender, sie einfach zu beschlagnahmen. Wieso wenig Steuern auf eine Immobilie kassieren? Her damit, samt Inhalt natürlich. Was, der Oligarch ist in eine westliche Firma investiert? Sicher unrechtmässig, kriegt er weggenommen. Kann ja versuchen, eine Entschädigung einzuklagen. Und viel Spass dabei.

Da soll noch einer sagen, im Wilden Osten herrschten rechtsstaatferne Sitten, während im Wilden Westen alles gesittet und ordentlich zugehe.

 

Wofür schreiben wir?

Die Welt spricht nicht zu uns. Wir brauchen Vermittler dafür.

Die Nachricht ist eine der ältesten Kommunikationsformen der Menschheit. Der Späher, der ein Mammut entdeckt hat und das seinen Höhlenwohnern mitteilt, damit die Fleischvorräte aufgestockt werden können.

Das Narrativ, mit welchen Methoden man erfolgreich ein Mammut jagen und erlegen kann. Das Heldenlied, das nachahmenswerte, edle, gute Verhaltensweisen besingt. Aber auch die Lüge, die Propaganda, die Instrumentalisierung der Kommunikation für Manipulation, Beeinflussung, Lenkung.

Die Welt spricht nicht zu uns, aber indem wir über die Welt sprechen, wollen wir sie verstehen. Verstehen hilft ungemein. Vor allem, wenn es Glauben ersetzt. Wer glaubt, die Welt sei eine Scheibe, an deren Rand man ins Ungewisse hinabstürzt, hätte niemals die Welt erkundet. Wer glaubt, ein Blitz sei ein Zeichen eines zürnenden Gottes, hätte sich niemals die Elektrizität zu eigen gemacht.

Kommunikation sollte auch dazu dienen, Nachrichten aus uns unbekannten oder unzugänglichen Gegenden der Welt zu bekommen. Sie sollte uns instand setzen, uns ein Weltbild zu machen.

Weltbilder können Verständnis befördern

Durch ein Weltbild entsteht zumindest Teilhabe. Entsteht die Möglichkeit, auch grosse und von uns nicht beeinflussbare Ereignisse an unseren Massstäben zu messen. Den Versuch zu unternehmen, zwischen falsch und richtig zu unterscheiden. Zwischen unterstützenswert und verabscheuungswürdig.

Das bestimmt dann unser Handeln. Sei es die Teilnahme an einer Demonstration, Spendenbereitschaft oder gar der persönliche Einsatz, wie ihn auch erstaunlich viele Schweizer leisten.

Natürlich, die abstrakte Rede ist von den konkreten Ereignissen in der Ukraine. Die Rede ist davon, dass die deutschsprachigen Massenmedien weitgehend nicht ihre Aufgabe erfüllen. Denn es sollte gravierende Unterschiede zwischen der staatlich kontrollierten Presse in Russland und der sogenannten freien Presse im Westen geben.

In Russland werden kritische Stimmen zum Verstummen gebracht, sogar absurde Sprachregelungen erlassen wie die, dass nicht von einer Invasion oder einem Krieg in der Ukraine berichtet werden darf. Das ist ein indirekter Beweis, wie wichtig Kommunikation ist, wenn ein Regime meint, durch die Unterdrückung von Worten eine missliebige Sicht auf Ereignisse unterdrücken zu können.

Diese Methode der Schönfärberei begleitet seit Urzeiten alle autoritären Systeme. In der Mediengeschichte gibt es wohl kaum ein zweites Organ wie die «Prawda». Ihr Name lautet «Wahrheit», dabei wurde kaum wo dermassen umfangreich gelogen wie in der 110-jährigen Geschichte dieser Zeitung.

Eine verzerrte Darstellung der Wirklichkeit hat meistens nur eine überschaubare Wirkung. Auch wenn niemand behaupten kann, die einzig richtige und objektive Darstellung der Realität liefern zu können: zu grosse Abweichungen brechen irgendwann zusammen. Der Propaganda-Apparat der Nazis war beeindruckend; aber statt Endsieg und totalem Krieg gab es die totale Niederlage.

Auch die sowjetische Propaganda war nicht schlecht unterwegs. Trotz ständigen Planübererfüllungen und neuen Triumphen des Sozialismus brach die UdSSR zusammen.

Dass Russland in dieser Tradition versucht, die Nachrichten aus der Ukraine zu manipulieren, erstaunt nicht. Dass die deutschsprachigen Mainstream-Medien weitgehend dabei versagen, ihren Konsumenten Entscheidungsvorlagen zur Beurteilung der Ereiginisse zu liefern, Hintergründe, Zusammenhänge, verblüfft auch nicht wirklich.

Medien als Erkenntnisverhinderter

Bereits während der Pandemie verabschiedeten sich viele Medien von ihrer Aufgabe als Kontrollinstanz, als kritische Begleiter staatlichen Handelns. Nicht umsonst gibt es unter Journalisten das Bonmot, dass Ausland sowieso gegendarstellungsfreier Raum sei. Was in Schweizer Gazetten über die Ukraine oder Russland berichtet wird, interessiert in diesen Ländern eigentlich nicht.

In der Schweiz sollte es hingegen den mündigen Staatsbürger interessieren, wie er denn die Ereignisse in Europa einordnen kann. Trifft es die Wirklichkeit, dass Putin der Beelzebub und Selenskyj der strahlende Held ist? Wäre Verständnis herstellen nicht sinnvoller als verurteilen?

Bei jedem Verbrechen werden die Motive des Täters untersucht. Gibt es mildernde Umstände oder handelte er besonders heimtückisch? Ist es eine Tat im Affekt oder sorgfältig geplant? Liegt eine psychische Störung vor? Zudem sollte, zumindest im aufgeklärten Westen, die Strafe nicht der Rache, sondern der Resozialisierung dienen.

Statt Verständnis Sippenhaft

Das würde hier bedeuten, Präsident Putin wieder in die Völkergemeinschaft aufzunehmen, wenn er überhaupt resozialisierbar ist. Aber all das findet im veröffentlichten Weltbild nicht statt.

Es wird sogar nicht nur gegen die Verursacher und Schuldigen gekeilt. Sportler, Künstler, eigentlich jeder Russe, dem man habhaft werden kann, wird in Sippenhaft genommen. Beziehungsweise es wird ihm abverlangt, sich entweder deutlich von den Taten seines Präsidenten zu distanzieren – oder er wird stigmatisiert, diskriminiert, ausgegrenzt, ausgeladen, entlassen.

Viele dieser so Angerempelten haben Rücksichten zu nehmen. Befinden sich in direkten oder indirekten Abhängigkeitsverhältnissen, müssten Repressionen wenn nicht gegen sich selbst, dann gegen Verwandte und Nahestehende befürchten.

Das alles ist aber Medienschaffenden egal, die zwar wissen, dass die Erde keine Scheibe ist, sie aber gerne so flach, eindimensional, leicht zu kartographieren darstellen wollen. Diese Art von Weltsicht hat noch nie Erkenntnisgewinn gebracht. Und das sollte ja eigentlich der tiefere Sinn jedes kommunikativen Handelns sein.

 

Faktencheck: Neutralität

Wieso blieb die Schweiz bei der Invasion im Irak neutral?

Es war völkerrechtswidrig, es erfolgte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (Massenvernichtungswaffen), es führte ins Desaster. Völlig richtig, unter Wahrung ihrer Neutralität, wurde die Schweiz beim Überfall auf den Irak nicht Partei.

«Die Neutralität der Schweiz ist uneingeschränkt, absolut.» Das konnte noch der damalige Chefredaktor der NZZ im Oktober 1939 ohne rot zu werden schreiben. Denn es stimmte, und es trug dazu bei, dass die Schweiz aus dem Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet hervorging.

Auch damals gab es Kräfte, die aus moralischen oder ideologischen Gründen eine Parteinahme der Schweiz befürworteten. Entweder an der Seite Hitlerdeutschlands oder an der Seite der Alliierten gegen die Faschisten.

Die ewigwährende, 1815 zum ersten Mal international anerkannte bewaffnete Schweizer Neutralität ist logischerweise immer wieder Zweifeln ausgesetzt. Ist das nicht feiges Ausweichen? Ist das nicht indirekte Legitimierung von Greueln, Untaten, Unrechtsstaaten, kriegerischen Handlungen? Rosinenpickerei, unter dem Deckmantel der «guten Dienste» und des neutralen Verhandlungsorts wird doch über die Schweiz Handel betrieben, der anderswo von Sanktionen beschränkt wird.

Heutzutage extremer denn je; obwohl auch die Schweiz über diskrete Handelshäuser verfügte und verfügt, machte es erst die Globalisierung und das Internet möglich, dass zum Beispiel 80 Prozent des Rohstoffhandels über die Schweiz abgewickelt wird.

Die gleichen Fragen, die schwierigen Antworten

Also stellen sich heute wie damals die gleichen Fragen. Ist Neutralität verhandelbar? Ist sie ein Deckmäntelchen für unappetitliche Geschäfte? Ist es, in einem Wort, das Verhalten eines Krisen- und Kriegsgewinnlers?

Das alles sind Fragen, die wie meistens in der Welt keine einfachen Antworten finden. Im Zweiten Weltkrieg gab es Versagen der Behörden, ohne Zweifel. Vielleicht hätte man mehr Juden retten könne. Vielleicht hätte man das Überleben der in die Schweiz Geretteten damit gefährdet. Im Nachhinein ist es immer wohlfeil, mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger zu wackeln.

Vielleicht hätte man sich gegenüber nachrichtenlosen Vermögen anständiger verhalten können. Alles Konjunktiv.

Indikativ ist, dass es eine Neutralität gibt, die genau das bedeutet, was das Wort aussagt. Weder noch. Nicht die einen, nicht die anderen. Mit nichts gemein machen. Weder mit dem unbestreitbar Guten, noch mit dem verabscheuungswürdigen Schlechten.

Die dünne rote Linie ist deutlich und unbestreitbar vorhanden. Verurteilung der völkerrechtswidrigen, vertragsbrüchigen, kriminellen Invasion der Ukraine, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Sicherlich nicht durch eine Entnazifizierung einer Regierung, deren Präsident jüdischen Glaubens ist, sicher nicht durch die Verhinderung eines angeblichen Genozids, der aus hässlichen lokalen Übergriffen besteht.

Verurteilung, auch mit scharfen Worten: unbedingt, ja. Übernahme von Sanktionen einer Organisation, der die Schweiz nicht angehört? Übernahme von EU-Sanktionen, die – wie nicht der Fall Nordstream 2 zeigt – in der Schweiz unübersehbare Folgenwirkungen haben? Übernahme von Sanktionen, die opportunistisch das einzige Gebiet ausklammern, dass Russland echt und schnell wehtun könnte, nämlich den Gas- und Erdölhandel?

Was nützen Schweizer Sanktionen

Wieso ist es möglich, dass eine Schweizer Landesregierung im Gegensatz zu all ihren Vorgängern sich von politischen und medialen Maulhelden, plus vom üblichen wohlfeilen Druck aus dem Ausland, dazu flachklopfen lässt, ein Prinzip über Bord zu werfen, dass der Schweiz seit mindestens 1815 durchaus gute Dienste geleistet hat?

Die Übernahme der Sanktionen kratzt vielleicht ein paar russische Oligarchen, die sich nicht rechtzeitig einen EU-Pass besorgt haben (was nebenbei auch sanktioniert werden soll; Konjunktiv, kein Zeitrahmen). Einige Banken werden Kunden verlieren, einige Investoren in Russland-Fonds werden ihr Geld abschreiben können. Diverse Firmen, die Handel mit Russland betrieben, werden in existenzielle Probleme geraten, ihr Mitarbeiter entlassen müssen, als Steuerzahler ausfallen.

Den Maulhelden ist alles egal

Das ist all den Maulhelden in ihren mit russischem Gas beheizten Stuben völlig egal. Der gehobene Mittelstand steckt auch weg, wenn ein Liter Benzin oder Diesel 3 Franken  kosten wird. Die Ärmeren, die auf ihr Auto angewiesen sind, die stecken das nicht so leicht weg. Ist den Maulhelden egal.

Firmen werden zusammenbrechen und Mitarbeiter entlassen. Ist den Maulhelden egal. Die Mitarbeiter haben für eine Schweizer Firma gearbeitet, nicht für Putin. Egal. Die Schweiz begibt sich der Möglichkeit, als neutraler Vermittler auftreten zu können und damit einen wirklichen Beitrag zur Befriedung zu leisten. Egal.

Dass sich die Schweiz den weitgehend windelweichen EU.-Sanktionen anschliesst, wird Russland nicht mal als Laus im Pelz wahrnehmen. Dass die Schweiz nicht mehr neutral ist, das schon.

Zeichen setzen

Wenn ein klares Signal gegeben wird, ist der Tiefpunkt erreicht.

Solidarität. Zeichen setzen. Stellung beziehen. Nein zu. Klatschen für das Pflegepersonal. Tanken für den Frieden. Einstehen für. Fordern. Russen raus aus der Ukraine. Putin nein. Sanktionen ja. Neutralität, nein danke. Stoppt den Krieg.

Geht’s noch blöder? Immer:

Nein, das ist kein Fake; die Dame ist wirklich so bescheuert.

Nach all den kriegerischen und vollmundigen Solidaritätsbekundungen mit dem ukrainischen Volk wird’s nun interessant werden. Denn das Volk kommt zu uns. In Scharen.

Zunächst trifft’s wie immer die Anrainerstaaten. Also Rumänien, Moldau, Ungarn, Polen, Slowakei. Offenbar sind schon Zehntausende über die Grenzen geströmt – und mit offenen Armen empfangen worden. Was angesichts der bekannten Abscheu vor Flüchtlingsströmen, vor allem in Ungarn, die Theorie erledigt, dass es sich um den Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit oder gar Rassismus handle.

Wohin mit den Flüchtlingen?

Allerdings ist die Ukraine nicht nur ziemlich gross, sondern hat auch rund 42 Millionen Einwohner. Allen Männern von 18 bis über 60 Jahre ist es verboten, die Flucht zu ergreifen. Aber sollte zehn Prozent der Bevölkerung einfallen, vor der russischen Aggression zu fliehen, sprechen wir von über 4 Millionen.

Vielleicht zur Erinnerung: Zu Zeiten von «wir schaffen das» musste Europa mit etwas mehr als einer Million Flüchtlinge fertigwerden, die über ein Jahr verteilt hereinströmten. Das brachte dann die Willkommenskultur schnell an ihre Grenzen. Es wird auch in der Schweiz interessant werden, zu welchen persönlichen Anstrengungen all die Ukraine-Solidaritätstruppen fähig sein werden.

Bei den Debatten im Jahre 2015, als es um gelebte Solidarität und gegen Ausgrenzung ging, herrschte immer tiefes, betretenes Schweigen, wenn allgemeine Solidaritätsbekundungen mit der Frage konfrontiert wurden, ob man dann wohl auch nichts gegen die Errichtung eines Asylzentrums in seinem eigenen Quartier einzuwenden habe.

Inzwischen ist es mal wieder soweit. 10’000 afghanische Flüchtlinge aufnehmen? Ach was, das war gestern. Vergessen, vorbei, war da mal was? Aber die Zahl, die ist irgendwie gut. Also fordern die üblichen Verdächtigen in einem «offenen Brief» an den Bundesrat die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen. Wie viel dürfen’s denn sein? Richtig geraten, 10’000.

Unterschreiben ja, handeln auch?

Fast 20’000 Unterschriften sind hier bereits zusammengekommen. Organisiert wird das von Publicbeta, einer linken Campain-Truppe. Lustig ist, dass auch die GSoA zu den Unterstützern gehört. Die bekanntlich die Schweizer Armee abschaffen wollte oder will. Braucht’s in einem friedlichen Europa doch nicht mehr.

Alle Unterzeichner fordern auf jeden Fall den Bundesrat auf, «10’000 Schutzsuchende aus der ukrainischen Krisenregion aufzunehmen. Unser Land muss zudem legale Zugangswege schaffen, über die schutzbedürftige Menschen sicher und unversehrt in die Schweiz gelangen.»

Das habe «in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen, den Gemeinden und der Zivilgesellschaft» zu erfolgen. Das wird auch interessant werden: Die Unterzeichneten sind offensichtlich Repräsentanten der Zivilgesellschaft. Da würde uns doch sehr interessieren, wie die sich hier einbringen wollen. So oberhalb einer Pipifax-Unterschrift unter eine Forderung.

Interessant ist auch die Forderung nach «legalen Zugangswegen». Bekanntlich hat die Schweiz keine direkte Grenze mit der Ukraine. Auf dem Landweg müssen die Flüchtlinge mindestens zwei weitere Länder durchqueren. Heisst das, dass die Schweiz diese Staaten um freies Geleit für «unsere» Flüchtlinge bitten sollte? Dann wird an der Schweizergrenze gezählt. 9998, 9999, 10’000. Sorry, Schluss, das war’s für den Moment. Echt jetzt?

Einen kleinen Einwand hätte ZACKBUM deshalb: sind 10’000 nicht zu wenig? Angesichts von Millionen? Wollen wir da nicht gleich noch eine Null drauflegen? Das kann doch für eines der reichsten Länder der Welt kein Problem darstellen.