Das erste Opfer des Kriegs

Nein, das ist nicht die Wahrheit. Weil es immer nur Wahrheiten gibt.

Das erste Opfer eines Kriegs ist die Bereitschaft zur Nachdenklichkeit. Ist der Verlust der Einsicht, dass niemand die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Stattdessen ist der Wettbewerb eröffnet: wer formuliert mit möglichst wenig Kenntnissen eine möglichst starke Meinung?

Dabei gibt es bislang nur eine unumstössliche Tatsache: Es ist ein durch nichts zu rechtfertigender Angriffskrieg. Es ist keine präventive Verteidigung. Es ist keine Aktion zur Entnazifizierung und auch nicht zur Verhinderung eines Genozids.

Sonst aber ist es alles, was Grossmächte halt ab und an so tun. Was die USA samt ihren westlichen Verbündeten in Vietnam, in Afghanistan, im Irak und in den Gebieten des sogenannten arabischen Frühlings taten und tun. Es ist das, was die europäsichen Verbündeten und die NATO insgesamt in Jugoslawien taten. Einen völkerrechtswidrigen Krieg zu führen nämlich, der nicht zuletzt in der völlig illegalen Abspaltung des Kosovo von Serbien endete, begleitet von Massakern allerorten.

Das macht die serbische Regierung nicht zu einer Versammlung von Chorknaben, genauso wenig wie die ukrainische. Noch 2014 gab es die Beteiligung von Neofaschisten an der ukrainischen Regierung, bis heute spielt das Regiment Asow, dem ukrainischen Innenministerium unterstellt und voller bewaffneter Neofaschisten, eine unrühmliche Rolle.

Die armen, uninformierten Russen

Weit verbreitet ist das Bedauern, dass die russische Bevölkerung leider nur von staatlich gelenkten Medien beschallt werde, was natürlich die Zustimmungswerte für Diktator Putin erkläre. Das ist ein typisches Beispiel für fehlende Fähigkeit zur Differenzierung.

Es ist grundsätzlich richtig, dass beispielsweise der auch auf Deutsch erhältliche Sender «Russia Today» die Karikatur eines nach journalistischen Prinzipien arbeitenden Newsverarbeiters ist. Die russischen TV-Programme, die grossen russischen Zeitungen, unbrauchbar. Aber: dank Internet kann sich jeder Russe, etwas Gelenkigkeit vorausgesetzt, beliebig informieren, aus allen erhältlichen Nachrichtenquellen der Welt.

Was die Schweizer Mainstream-Medien bieten, unterscheidet sich nicht gross von der disqualifizierenden Berichterstattung über die Pandemie. Repetitive Schwarzweiss-Malerei, oberflächliches Gehampel, verzweifelte Suche nach «Experten», die die Angst vor einem Atomkrieg zerstreuen sollen.

Jeder Schweizer kann sich aus allen alternativen Nachrichtenquellen der Welt bedienen. Wer sich die Zeit nehmen will, ein wenig Gegengift gegen den Mainstream aufzunehmen, dem sei ein schon älterer Artikel empfohlen.

Man bedauert, dass viele dieser warnenden Stimmen für immer verstummt sind. Unter den hier aufgeführten nur ein Zitat:

«Wir, die Unterzeichner, glauben, dass eine weitere NATO-Osterweiterung die Sicherheit unserer Alliierten gefährden und die Stabilität in Europa erschüttern könnte. Es besteht für die europäischen Nachbarn keine Bedrohung durch Russland.»

Welcher russlandhörige Kurzdenker hat denn das formuliert? Nun, es handelte sich um niemand geringeren als den für den Vietnamkrieg verantwortlichen ehemaligen US-Verteidigungsminister Robert McNamara.

Oder ein Zitat des Kriegsverbrechers und Kältesten aller kalten Krieger, Henry Kissinger: «Um zu überleben und sich zu entwickeln, darf die Ukraine Niemandes Vorposten sein. Vielmehr sollte sie eine Brücke zwischen beiden Seiten darstellen. … Dabei sollten wir uns um Versöhnung bemühen, und nicht um eine Dominanz einer der Fraktionen. … Die Dämonisierung von Wladimir Putin ist keine Politik. Sie ist ein Alibi für die Abwesenheit von Politik

Und der Elder Statesman Helmut Schmidt liess ebenfalls keinen Zweifel an seiner Meinung über eine mögliche Aufnahme der Ukraine in die EU und die NATO: «Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.»

Jeder kann sich irren. Nur der «Experte» nicht

Natürlich können sich auch alle diese Herren irren. Darum geht es aber gar nicht. Es geht darum, dass in den Mainstreammedien, in der sogenannten freien Presse des Westens, in den von drei Medienclans beherrschten Tageszeitungen der Schweiz keine einzige Stimme Gehör findet, die sich um etwas Differenzierung bemüht.

Stattdessen geht die verzweifelte Suche nach Russland-Erklärern weiter. Genauer nach Figuren, die wie gewünscht in den Echo-Chor der Putin-Verdammer einstimmen. Neuster Versuch von «Blick TV»: Ulrich Schmid. Der HSG-Professor fantasiert von einem möglichen Zusammenbruch des Regimes und analysiert mit unglaublichen prognostischen Fähigkeiten: «Ich könnte mir vorstellen, dass die Einschüchterung massiver wird

Der Mann mit der Glaskugel: Zukunftsseher Ulrich Schmid.

Für solche Erkenntnisse sind wir echt dankbar, denn dafür muss man Slawistik studiert haben.

Glücklicherweise ist Krieg

Nur Corona-Kreische Brupbacher hat’s noch nicht gemerkt: neues Oberthema.

Pandemie? War da was? Krisenbank Credit Suisse? Ist da was? Gendersternchen, Diskriminierung und Ausgrenzung: was sollen das für Probleme sein?

Die Medien atmen hörbar auf und durch. Helm auf, es ist Krieg. Endlich nicht mehr «die Lage spitzt sich dramatisch zu». Noch eingeschränkt durch «offenbar» («Spiegel») oder gleich direkt: «Russland hat mit Invasion begonnen» (Tamedia). «Die Invasion der russischen Armee hat begonnen» (CH Media), «Russland hat mit der Invasion in der Ukraine begonnen, und Putin droht dem Westen mit «schrecklichen» Konsequenzen» (NZZ). «Ukraine-Invasion», der «Blick» bringt’s auf den Punkt, allerdings nicht sehr boulevardesk. Aber selbst «Bild» fällt im ersten Moment nur «INVASION» ein.

«20 Minuten» sorgt immerhin für einen komischen Brüller:

Das nennt man Lebenshilfe à la «20min».

Allgemein ist eine Begeisterung in den Medien zu spüren. Die artet gelegentlich in Kriegsbegeisterung aus; vor allem deutsche Berichterstatter haben manchmal einen Ton drauf, als würden sie immer noch für die «Wochenschau» produzieren. Aber zuvorderst steht die Dankbarkeit, dass genau rechtzeitig zum Ende der Pandemie ein neues Überthema entstanden ist, das diese Lücke füllt.

Vom Virologen zum Sandkastengeneral

Beachtlich ist dabei, dass die Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt nicht viel kompetenter ist als diejenige über Corona. Die meisten Journalisten – tragische Ausnahmen wie Marc Brupbacher beiseite – ziehen den Laborkittel des Virologen und Epidemiologen aus und schusssichere Weste plus Helm an.

Wer sich vorher noch in der Nahbetrachtung eines Virus verlor, Corona-Skeptiker und Impfgegner beschimpfte, spielt nun im Sandkasten Operettengeneral, beschimpft Präsident Putin und alle, die die militärische Eskalation nicht aus vollem Hals und uneingeschränkt verurteilen.

Es zeigt sich aber schnell wieder das gleiche Phänomen wie bei der Berichterstattung über die Pandemie. Die oberflächlichen Tatsachen sind schnell erzählt. Eine neue Riege von «Spezialisten, Kennern, Koryphäen» bringt sich in Stellung und wird fleissig interviewt. Es ist aber noch nicht klar, wer wie einstmals Marcel Salathé die Lufthoheit im Erklärbusiness erobern wird.

Wer wird der neue Salathé?

Erste Nahkämpfe zeichnen sich bereits ab. «Blick TV» probiert es mit Bidu ZauggTunnelblick»), Tamedia versucht es vorläufig mit eigenen Kräften («Das Ende der alten Welt hat begonnen»), Zita Affentranger, («Die Schweiz sollte sich den internationalen Sanktionen gegen Russland anschliessen»), Raphaela Birrer. «20 Minuten» setzt auf einen Marc Lindt, der aber wohl nur Aussenseiterchancen hat.

Ob’s so und hier anfing? Anscheinend ein flüchtender ukrainischer Soldat an der Grenze.

Natürlich warten wir alle auf erste Worte des letzten grossen Welterklärers der Schweiz, Erich Gysling. Aber er war vor drei Tagen das letzte Mal auf Sendung, kommt aber sicherlich demnächst wieder hinten hoch.

Zu einer ebenfalls lustigen Volte hat sich CH Media verstiegen. Dort hat man die «Schweizer Putin-Versteher» zusammengestellt. Zwar noch vor Ausbruch des Krieges, aber sozusagen als Kollektion von Mitbürgern, die man bei Gelegenheit dem Volkszorn aussetzen kann. Falls die Schweizer Bevölkerung tatsächlich den extrem putin-feindlichen Kurs der Massenmedien goutiert.

Allerdings: Hintergründe, Analysen, Food for Thought, Beigemüse zu den ausgetrampelten Pfaden des Mainstreams? Da kann man höchstens ein wenig auf die NZZ hoffen, wobei es beim Hintergrund des Auslandchefs eher fraglich ist, dass sich das letzte Weltblatt der Schweiz allzu weit auf eine differenzierte Berichterstattung einlässt.

Warum nicht zwischen allen Stühlen?

Sozusagen schon vor Spielbeginn hat sich leider die «Weltwoche» disqualifiziert. Wenn man die ungefilterte russische Regierungssicht sich zu Gemüte führen will, kann man (zumindest in der Schweiz) gleich «Russia Today» lesen oder schauen. Ob eine Titelgeschichte von Thomas Fasbender sozusagen die Gegenleistung für diverse Auftritte von Roger Köppel dort ist, man weiss es nicht. Leider verliert sich die WeWo wieder viel zu sehr im verkrampften «gegen den Strom», statt sich mutig zwischen alle Stühle und Bänke zu setzen.

So wie wir das auf ZACKBUM praktizieren. Keine Putin-Versteher, aber scharfe Kritiker der ins Hysterische kippenden westlichen Berichterstattung. Garniert mit kleinen Ausflügen in die Geschichte, Mentalität und Verfassung der Ukraine. Während klar ist und bleibt: mit einem Angriff auf die territoriale Integrität der Ukraine verletzt Russland zum zweiten mal heilig beschworene Verträge, Versprechungen und Vereinbarungen. Um sich möglicherweise die milliardenteure Renovation einer Ruine aufzuhalsen.

 

Süss-saure Geheimnisse

Wem nützt der «Suisse Secrets»-Skandal?

30’000 Kunden der Credit Suisse sind enttarnt worden. Offensichtlich handelt es sich um echte Kontounterlagen, die vor einem Jahr der SZ von einer anonymen Quelle zugespielt wurden.

Angeblich flossen dafür keine Gelder, obwohl das in Deutschland schon lange üblich ist. Die Frage «cui bono» bleibt unbeantwortet, ist aber zentral wichtig bei der Beurteilung dieses Datenklaus.

Wer hat etwas davon, die bereits schwer angeschlagene Bank weiter zu schädigen? Wer hat etwas davon, damit dem ganzen Finanzplatz Schweiz einen weiteren Fleck auf die gar nicht weisse Weste zu klecksen?

Keine Firewall, kein Schutzsystem ist perfekt. Spätestens auf Ebene NSA (Datenkrake der USA) und ihren Pendants in Russland oder China, möglicherweise auch in Nordkorea und zwei, drei anderen Ländern, kann alles geknackt werden.

Nun handelt es sich beim Kundenstamm einer Schweizer Grossbank um das wohl am besten geschützte Datengebirge überhaupt, abgesehen von allfälligen militärischen Geheimnissen. Darin einzudringen, Irrtum vorbehalten, schafft nicht der Amateur-Hacker oder ein kleines Kollektiv von moralisch entrüsteten IT-Nerds.

Kundendaten einer Bank zu klauen ist nicht einfach

So ein Hack, der offenbar auch unbemerkt blieb, ist gehobenes Kunsthandwerk. Das unbemerkte Abfliessenlassen solcher Daten ist eine kitzlige Angelegenheit, die nicht innerhalb von 24 Stunden erledigt ist. Ganz zu Schweigen vom Aufwand, aus allen Kunden der CS eine solche Auswahl zusammenzustellen.

Natürlich kann man beim Herumwühlen, ein paar Namen von venezolanischen Verbrechern eingeben, oder auch nach den üblichen Verdächtigen weltweit suchen, Potentaten, Diktatoren, korrupte Staatsdiener. Aber obwohl es viele solcher Gestalten gib, sind 30’000 Kunden dann doch eine ziemliche Menge. Wie wurden die gefiltert?

Erste Schlussfolgerung: Dahinter steckt Energie, Aufwand und Zeit. Normalerweise werden solch Datendiebstähle durchgeführt, um die bestohlene Firma zu erpressen. Sie muss die Daten zurückkaufen, sonst wird mit Veröffentlichung oder Weitergabe an die Konkurrenz gedroht.

In diesem Fall und bei diesem Ausmass und bei der offenbar sehr delikaten Auswahl wären Zahlungen in Multimillionenhöhe denkbar. Darauf sollen die Hacker menschenfreundlich verzichtet haben?

Alles Robin Hoods?

Wenn es stimmt, dass die SZ mitsamt ihren Helfershelfern ein Jahr zur Auswertung brauchte; in dieser ganzen Zeit ist es innerhalb der CS nicht aufgefallen, dass es zu einem Datendiebstahl kam? Was für ein Monitoring haben die denn, eines aus der Steinzeit?

Wenn das Hacken selbst und vor allem das Suchen in den ganzen Kundendatenbanken zeit- und geldaufwendig war, ist es dann wirklich glaibhaft, dass eine Ansammlung von «Robin Hoods» das Ergebnis seiner Anstrengungen einfach der SZ rüberschiebt? Garniert mit eher banal wirkender moralischer Begründung?

Es sind 30’000 Kunden. Wer auf der Liste ist, hat Pech gehabt, so er Dreck am Stecken haben sollte. Wie viele haben das nicht? Wer entscheidet, ob der Dreck ausreichend sei, den Kontobesitzer mit Namen an den medialen Pranger zu stellen? Warum werden auch die staatlichen Behörden nicht beliefert? Um die Beute selbst genügend ausschlachten zu können, mal wieder Ankläger, Richter und Terminator in einer Person spielen zu können.

Wer ist auf der Liste, wer nicht?

Schliesslich: Wer ist nicht auf der Liste, und warum? Konnte man sich vielleicht freikaufen? Beherbergt die CS genau 30’000 Kunden, denen man etwas vorwerfen kann? Kein einziger darüber hinaus? Kann man allen 30’000 Fehlverhalten vorhalten?

Wenn ja, wie viele Strafuntersuchungen wird es diesmal geben? Wie viele Verurteilungen? Hält sich der Schnitt, werden es ein paar Dutzend Untersuchungen und eine Handvoll Verurteilungen sein, am Schluss.

Schliesslich ist auch hier auffällig, dass es mit schöner Regelmässigkeit die Konkurrenten der grössten Schwarzgeldbunker, der grössten Geldwaschmaschinen der Welt erwischt. Nämlich der USA und von Grossbritannien. Obwohl fast die gesamte lateinamerikanische Drogenmafia ihren Geldhaushalt via US-Finanzdienstleister regelt, hat es noch nie einen solche Hack dort gegeben. Obwohl diverse Bundesstaaten der USA bis heute unversteuerte Gelder ohne die geringsten Fragen zu stellen empfangen, gab es noch nie ein Leak in Delaware.

Reiner Zufall? Wer an den Osterhasen plus Weihnachtsmann glaubt, mag das so sehen. Sind das alles Gründe, von einer Veröffentlichung abzusehen? Gute Frage. Es ist eindeutig Hehlerware, es ist eindeutig ein Diebstahl, es sind eindeutig Daten, die nicht nur in der Schweiz von Gesetzes wegen geschützt sind

Dass Tamedia sich fröhlich am Ausschlachten beteiligt, wenn es nach der Devise «weit weg, und wo kein Kläger ist …» gefahrlos möglich ist, hier aber feige zurücktritt, wo es strafrechtliche Konsequenzen haben könnte, ist schwach. Stattdessen zu fordern «Die Medien müssen recherchieren dürfen», hat etwas leicht Lächerliches.

Denn natürlich dürfen sie das, wie gerade der Schreiber des Kommentars, Tamedia-Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, aus eigener Erfahrung weiss. Allerdings ist die Verwendung von Hehlerware mit legalen Risiken verbunden. Das ist in einem Rechtsstaat so, zudem ist’s nicht Neues.

Ein Geschrei anzustimmen, dass Schweizer Gesetze Schweinebacken mit ihren Bankkonten schützen, ist daher völlig verfehlt.

Nix Genaues weiss man nicht

Massenhaft Kundendaten von Schweizer Telco-Anbietern abgegriffen. Und?

Swisscom, Sunrise UPC und Salt: Kundendaten sind durch einen Hackerangriff erbeutet worden und werden nun anscheinend im Darknet angeboten.

Ist das schlimm, ist das typisch, ist das, weil der Dienstleister in den USA sitzt? Das wäre nun ein klassischer Fall, wie ein durchaus das breite Publikum betreffendes Ereignis von Qualitätsmedien angeschaut, analysiert und eingeordnet werden könnte.

Konjunktiv. Für Tamedia hat Jon Mettler den Fall übernommen und probiert die übliche Nummer: «Was müssen Kunden nun wissen». Plus etwas grossmäulig: «Wir liefern die Antworten auf die wichtigsten Fragen.»

In Wahrheit stellt er tatsächlich die wichtigsten – und naheliegenden – Fragen. Bei den Antworten sieht es schon schütterer aus. Bei dem gehackten Dienstleister soll es sich um die «US-Firma iBasis» handeln. «Das Unternehmen mit Sitz in Lexington (US-Bundesstaat Massachusetts) ist der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Es bietet internationale Dienstleistungen für Hunderte von Telecomanbietern auf der ganzen Welt an

Das liegt durchaus im Streubereich der Wahrheit. Allerdings wurde die 1996 gegründete Bude für VoIP-Dienstleistungen schon mehrfach weiterverkauft. 2007 schnappte sie sich KPN, die nationale Telefongesellschaft der Niederlande. KPN wurde damit einer der wichtigsten Aktionäre von iBasis. iBasis bedient übrigens mehr als 1000 internationale Telco-Gesellschaften und ist damit auf Augenhöhe mit AT&T und knapp hinter dem Weltleader Verizon. Allerdings hat iBasis keinerlei eigene Telefonnetze in Betrieb.

2009 ging’s dann andersrum, KPN kaufte iBasis auf und dekotierte die Firma von der Börse. 2019 schliesslich verkaufte KPN iBasis an den französischen Telco-Anbieter Tofane Global. Es handelt sich also heute wenn schon um eine französische Bude, keine amerikanische.

Wie immer etwas komplexer, als sich die Schulweisheit träumen lässt

Tofane Global wäre eine vertiefte Untersuchung für sich wert. Zurück zum Datenklau. Da iBasis nur Vermittlungsdienste anbietet, sind vor allem Verbindungsdaten internationaler Anrufe abhanden gekommen. Wer im Darknet die angebotene Hehlerware kauft, weiss dann also, von welchem Telefon wie lange mit welchem anderen über Landesgrenzen hinaus kommuniziert wurde.

Big Data sind immer interessant, vor allem auch für staatliche Nachrichtendienste, die zum Beispiel versuchen könnten, längere Telefonate zwischen der Schweiz und chinesischen Dissidenten herauszufiltern und zurückzuverfolgen.

Es ist allerdings die Frage, ob die grossen Geheimdienste der Welt nicht schon längst im Besitz all dieser Daten sind.

Die üblichen Fragen stellen sich – und bleiben unbeantwortet

Natürlich stellen sich hier die üblichen Fragen. Ist es gut, weltweite Dienstleister zu verwenden, was Schweizer Telco-Anbieter vulnerabel macht? Nun ist es allerdings so, dass solche Vermittlerdienste schnell, effizient und billig nur von wenigen Riesenbuden angeboten werden; kein Wunder, dass bei iBasis über 1000 Telco-Firmen ihre internationale Gesprächsvermittlung organisieren lassen.

Da es sich eben nicht um Speicherung vieler personenbezogener Daten handelt, ist der potenzielle Schaden für 99 Prozent aller Betroffenen sehr überschaubar bis nicht vorhanden.

Es ist anzunehmen, dass iBasis seine Daten nicht mit einer Billig-Firewall aus dem Internet geschützt hat. Was bedeuten kann, dass der Angriff nicht von einem einsamen Hacker aus Lust und Laune durchgeführt wurde.

Ob es hier um das Abfischen von sensiblen Verbindungdaten geht und die Angebote des ganzen Datenhaufens im Darknet nur eine Vernebelungsaktion wäre, ist eine weitere interessante Frage.

Aber immerhin, Tamedia zeigt rudimentäre Ahnung vom Problem und vom Vorfall. Das kann man dem «Blick» nicht vorwerfen: «Die US-Firma iBasis ist Opfer eines Hackerangriffs geworden und könnte als Transporteur von Daten missbraucht werden, die Schweizer Betreibern gehören

Wer dazu «hä?» sagt, befindet sich ungefähr auf dem Wissensstand des zuständigen «Blick»-Redaktors.

Leicht hin und her gerissen ist für einmal die NZZ, das bringt sie mit Titel und Untertitel deutlich zum Ausdruck:

«Daten von Schweizer Telekom-Kunden wohl nicht von einer Cyberattacke in den USA betroffen. Kundendaten von Swisscom, Sunrise und Salt könnten missbraucht werden».

Auch dazu gibt es ein kräftiges «hä?».

Überraschende Kompetenz aus dem Aargau

And the winner is, verblüffend aber wahr: «US-Firma gehackt: Sind Kundendaten von Swisscom und Salt davon betroffen? Das US-Unternehmen iBasis ist Opfer eines Hackerangriffs geworden. Zu dessen Kunden zählen auch Schweizer Telekomanbieter. Bereits Entwarnung gegeben hat Sunrise UPC.»

Was CH Media hier abliefert, genauer Dario Pollice vom «News Service», entspricht ziemlich akkurat dem aktuellen Wissensstand. Sicherlich nicht um Hintergründe und Vertiefungen ergänzt, aber kein Gestocher im Nebel oder unverständliche Widersprüche wie bei der Konkurrenz.

Immerhin, es scheint auch ohne die Medienmilliarde noch da und dort kleine Lichtblicke zu geben.

 

 

 

Blütenlese

Erschütternd, was den Medien so alles einfällt nach der Niederlage.

Zunächst die strahlende Ausnahme. Die NZZ hatte sich als einzig Redaktion im Tageszeitungsmarkt gegen die Medienmilliarde ausgesprochen. Im Gegensatz übrigens zum NZZ-Verlag. Aber hier funktioniert noch das, was in den anderen Medienhäusern nur behauptet wird, aber nicht funktioniert: die Trennung zwischen Redaktion und Verlag.

Deshalb kann die NZZ souverän kommentieren:

«Das Medienpaket ist erfreulicherweise gescheitert. Nun geht die politische Debatte weiter. Sie sollte auch die SRG einbeziehen.»

Von hier an geht’s steil bergab. In der Niederlage sollte sich Grösse zeigen. Das geht bei der Verzwergung der Medien allerdings schlecht.

Für Tamedia wird Jacqueline Büchi als Kommentatorin vorgeschickt. Die fiel in der Vergangenheit mit unverantwortlichem, antidemokratischem Gerempel auf. «Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich», behauptete sie, «in trumpesker Manier flirtet er mit Verschwörungstheorien», behauptete sie wahrheitswidrig.

Schon damals überschätzte sie etwas ihre eigene Bedeutung und forderte streng: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land

Fast fünf Monate später können wir aufatmend feststellen: Der «Zündler» wurde nicht zurechtgewiesen, dennoch brach kein Bürgerkrieg aus in der Schweiz. Aber nach der Kanterniederlage im Kampf um Steuermilliarden für notleidende Verlegerclans sieht Büchi schon wieder Fürchterliches voraus:

«Tatsache ist, dass viele Aspekte unserer direkten Demokratie und unseres alltäglichen Zusammenlebens gefährdet sind, wenn unabhängige Informationen und eine gemeinsame Diskussionsbasis fehlen

Die natürlich nur Qualitätsmedien wie Tamedia liefern können, wo Qualitätsjournalistinnen wie Büchi schreiben.

Immerhin in etwas Selbstkritik übt sich Francesco Benini im Reiche CH Media: «Die Chefs grosser Schweizer Medienhäuser verhielten sich in einer Weise, als wollten sie das Paket unbedingt versenken, für das sie vehement plädierten.»

Das ist tapfer ausgeteilt. Allerdings erwähnt er dabei nur das grenzwertige Verhalten des Ringier-CEO Marc Walder und die Ankündigung von Tamedia, eine Sonderdividende auszuschütten. Wenn er für die Zukunft fordert, «sie sollten sich nicht so blöd anstellen wie bei ihrem Einsatz für das Medienpaket», dann könnte er auch seinen Ex-Vorsitzenden Pascal Hollenstein und seinen Besitzer Peter Wanner erwähnen. Aber bitte, Arbeitsplatzsicherung geht vor.

Noch schwerer hatte es Ringier mit seiner «Blick»-Gruppe. Verschiedene der sieben Zwerge aus der Leitungscrew hatten sich schon unsterblich lächerlich gemacht, herausragend «SoBli»-Chefredaktor Gieri Cavelty. Michael Ringier höchstpersönlich musste in die Tasten greifen, um seinen CEO Walder in Schutz zu nehmen. Als dessen zweites Malheur mit einer blöden E-Mail durchsickerte, verstummte Ringier. Walder sowieso.

Also wer bleibt noch: Ladina Heimgartner, die sich bereits mit einem völlig überflüssigen Leitartikel zur Lachnummer gemacht hatte, weil sie damit ohne Not die strikte Trennung zwischen Verlag und Redaktion ad absurdum führte, musst als CEO der «Blick-Gruppe» (um nur einen ihrer vielen Titel zu erwähnen) nochmals nachlegen und wird von der SDA zitiert: «Viele Leute läsen immer noch sehr gern Zeitungen. Diese blieben für die Demokratie wichtig, auch wenn sie vielfach kein Geschäft mehr seien, da Werbeeinnahmen zu grossen Internetkonzernen abflössen.»

Das sind Erkenntnisse von einer Tiefe und profunden Kennerschaft, die man erst mal sacken lassen muss. Während man sich die Lachtränen abwischt.

Geht’s noch schräger? Aber sicher, dafür ist «watson» immer zu haben. Hier fabuliert Peter Blunschi, «die Arroganz der «Grossen» war Gift für das Medienpaket». Schön für ihn, dass er nur ein «Kleiner» ist und daher auch auf die Komkurrenz einprügelt. Das sei allerdings «ein starkes Stück», wenn es der stellvertretende Chefredaktor des SoBli tue, der die «schlechteste Kampagne aller Zeiten» als Ursache für die Niederlage ausmache. Dabei aber «eigene Fehlleistungen grosszügig ausblendet. Gemeint ist das peinliche Video, in dem Ringier-CEO Marc Walder …» Tamedia ihrerseits habe sich mit der Sonderdividende bei gleichzeitigem Bezug von Kurzarbeitsgeld in die Bredouille begeben.

Und «watson»? Ach, ausser dass das Organ jeden Tag Fremdschämen provoziert, hat es sich wohl nichts zuschulden kommen lassen. Meint Blunschi, völlig frei von Selbstkritik.

Wir wollen diese kleine Blütenlese nicht ohne eine humoristische Note ausklingen lassen. Dafür greifen wir noch unterhalb von «watson» in die Mottenkiste. Dort schreibt «bajour»-Chefin Andrea Fopp:

«Wir von Bajour suchen jetzt aus eigener Kraft einen Weg in die Zukunft. Das ist ein Challenge

Aus eigener Kraft? Mit den geschenkten Millionen einer Pharma-Erbin, wäre ehrlicher. Wie soll denn diese «Challenge» gemeistert werden? «Wir von Bajour, Tsüri und Hauptstadt haben uns deshalb mit anderen Online-Projekten im Netzwerk Wepublish zusammengeschlossen, eine Vision von Bajour-Gründer Hansi Voigt.»

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, meinte Helmut Schmidt selig ganz richtig. Eine weitere Totgeburt von Voigt, wäre richtiger. Immerhin ist er auch dort «Geschäftsführer», als Fall-Back-Position, wenn «bajour» samt Fopp Geschichte ist.

 

 

 

 

Wo lag Auschwitz?

Geschichte wird immer wieder neu umgegraben.

Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen. Einen Beitrag zu dieser Erkenntnis leistet aktuell «20 Minuten». Denn das Gratis-Blatt veröffentlichte diese «Berichtigung»:

Dahinter steht, wie meist, eine komplexere Wahrheit. Es gibt wohl keinen anderen Begriff, der so symbolisch für das Jahrhundertverbrechen der Judenvernichtung steht wie Auschwitz. Das Wort steht für die Hölle auf Erden, für unvorstellbare Skrupellosigkeit und für die Ermordung von vermutlich 1,5 Millionen Menschen; in der überwiegenden Mehrzahl Juden.

Nun liegt Auschwitz heute unbestreitbar in Polen, heisst Oświęcim. Daher wird häufig der Begriff «polnisches KZ» verwendet, um es geographisch zu lokalisieren.

Unbestreitbar wurde das Lager von deutschen Besatzungstruppen errichtet und unter deutscher Leitung betrieben, im Generalgouvernement Polen. Das bestreitet – ausser ein paar unverbesserlichen Holocaust-Leugnern – niemand. Natürlich haben sich hier die Deutschen Schuld aufgeladen, die auch in der historischen Distanz nicht kleiner wird. Als die Rote Armee das KZ am 27. Januar 1945 befreite, traf sie auf noch 7000 Überlebende, von denen viele trotz medizinischer Hilfe in den folgenden Tagen verstarben.

Im Rahmen einer Geschichtsrevision gibt es in einigen europäischen Ländern den Versuch, die Beteiligung der eigenen Bevölkerung an der Judenverfolgung kleinzuschreiben. Denn in keinem anderen Land wurde diese dunkelschwarze Etappe der Geschichte so umfangreich aufgearbeitet wie in Deutschland.

Geschichtsklitterung in vielen europäischen Ländern

In Frankreich wiegt man sich bis heute noch in der Illusion, dass eigentlich fast jeder Franzose in der «Résistance», also im Widerstand war. Alle historischen Fakten und Tatsachen, die dieser Geschichtslüge widersprechen, werden gerne ausgeblendet.

Polen ist sogar einen Schritt weiter gegangen. Es hat Gesetze erlassen, die es untersagen, der polnischen Nation auch nur eine Mitverantwortung für den Holocaust zu geben. Wer das tut, muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen.

Dennoch gibt es aktuelle Untersuchungen wie die Studie «Judenjagd» von Jan Grabowski, der aufgrund historischer Forschungen in Archiven und erhaltenen Akten zum Schluss kommt, dass Polen am Tod von bis zu 200’000 Juden mitverantwortlich waren, dass es auch polnische Judenhatz gab, Stichwort «Blaue Polizei».

Damit soll die unbestreitbare Hauptschuld der Deutschen in keiner Form relativiert werden. Es ist auch eine deutsche Schuld, die Schuld einer ganzen Nation, in der sich nach dem Zweiten Weltkrieg allzu viele damit herausreden wollten, dass sie von nichts gewusst hätten. Was eine kollektive Lüge ist.

Aber gesetzlich festzulegen, was über Geschichte gesagt werden darf und was nicht, das ist von Übel. Damit wird Vergangenheit nicht bewältigt, sondern beschönigt. Das ist Ausdruck eines übersteigerten Nationalismus, eine Schuldabweisung, die den historischen Tatsachen nicht entspricht.

Polen will sich seiner Vergangenheit nicht stellen

Gegen die Verwendung des Begriffs «polnisches KZ» für Auschwitz wehrt sich insbesondere der Verein «Patria Nostra», der schon im Titel auf seiner Webseite klarstellt: «Auschwitz war deutsch». Das ist so unbestreitbar wie die geographische Tatsache, dass Auschwitz in Polen liegt.

Genauso unbestreitbar wie die Tatsache, dass es nicht nur in Polen, sondern auch in der Ukraine und anderen von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten im Osten eine mehr oder minder ausgeprägte Bereitschaft gab, sich an der Judenhatz zu beteiligen. Denn Antisemitismus war keine Geisteskrankheit, die erst von den Deutschen mitgebracht wurde. Sie grassierte in Ungarn, Rumänien, Bulgarien und selbst in der UdSSR.

Es ist genauso unbestreitbar, dass fast alle KZ von Deutschen errichtet und geleitet und betrieben wurden. Es gibt hier die Ausnahme des KZ Jasenovac in Kroatien, ebenfalls ein Vernichtungslager, das aber von den Kroaten in eigener Regie betrieben wurde. Daran möchte sich das heutige Kroatien nicht gerne erinnern lassen.

Es gibt den türkischen Völkermord an Armeniern, die Vernichtung der Kulakenklasse in der UdSSR. Ohne die Singularität des Holocaust damit relativieren zu wollen: in all diesen Fällen ist ein Weisswaschen im Nachhinein, gar Verbote, gewisse Begriffe zu verwenden, das Führen von Prozessen zum Beispiel in Deutschland gegen die Verwendung der Formulierung «polnisches KZ Auschwitz» sicherlich der falsche Weg einer Vergangenheitsbewältigung.

Eine Berichtigung, die eine Verfälschung ist

Dass, um zum Anlass zurückzukommen, «20 Minuten» sich zu einer «Berichtigung» veranlasst sah, die die falsche Tatsachenbehauptung enthält, dass Auschwitz Teil des Deutschen Reichs gewesen sei, zeugt von allgemeiner Geschichtsvergessenheit.

Denn das stimmt einfach nicht. Das Generalgouvernement Polen wurde eben gerade nicht dem Deutschen Reich einverleibt. Die Berichtigung, Auschwitz sei in Deutschland gelegen, ist deshalb schlichtweg falsch.

Wieso «20 Minuten» eine «Berichtigung» einrücken musste, die nicht berichtigt, sondern verfälscht, das wäre die interessante Frage, bzw. Antwort. Offenbar gibt es dort keinen Mitarbeiter, der über historische Kenntnisse verfügt.

Auschwitz war und ist ein deutsches Verbrechen, das KZ lag im deutsch besetzten Teil Polens. Das ist keine Haarspalterei, sondern der Versuch, komplexe historische Verhältnisse in ihrer Komplexität abzubilden. Denn nur so hilft das Verstehen von Vergangenem, Wiederholungen zukünftig zu vermeiden. Gesetze und Verbote sind untaugliche Mittel dafür.

Wenn man bedenkt, dass nur schon dieser Artikel in Polen Gefahr liefe, dem Autor eine Gefängnisstrafe einzubrocken …

 

 

Das Leid mit dem Leserbrief

Blattbindung, Reaktionen, Aufschlüsse. Der Leser hat das Wort.

Jeder hat das Recht, einen Leserbrief zu schreiben. Niemand hat einen Rechtsanspruch darauf, dass der auch veröffentlicht wird.

Ausser, im juristischen Fingerhakeln hat sich eine Reaktion mit einem Kritisierten darauf geeinigt, dass der auf eine kurze Gegendarstellung verzichtet und dafür einen längeren Leserbrief schreiben darf.

Früher, wo bekanntlich alles besser war, brauchte es bei der Verfertigung der Gedanken einen gewissen Aufwand. Schreibmaschine, Papier, Tippfehler, ein neuer Gedankengang führten meistens dazu, dass das Werk zerknüllt im Papierkorb landete und neu angesetzt wurde.

Schliesslich die Mühwaltung, es ins Couvert zu stecken, Briefmarke drauf, Andresse und Absender nicht vergessen, et voilà.

Auch hier hat die Digitalisierung Bahnbrechendes, aber nicht unbedingt Besseres geleistet. Noch vor ein paar Jahren rauschten auch auf grösseren Medienplattformen Kommentare, wie der Leserbrief modern heisst, ohne grosse Kontrolle rein.

Das Medium ist mitverantwortlich für den Kommentar

Erst, als es den verantwortlichen Redaktionen schmerzlich klar wurde, dass sie als Verbreiter von Hassbotschaften, Beleidigungen, Fake News oder Geschwurbel verantwortlich und haftbar für den Inhalt sind, wurde das abgeklemmt.

Seither machen mehr oder minder ausführliche Benimm-Regeln die Kommentarschreiber darauf aufmerksam, was erlaubt ist und was nicht. Sehr ungern gesehen werden anonyme Kommentare, da so bekanntlich der Mut des Heckenschützern oder Rabauken ungemein steigt.

Für solche Berufskeifer gibt es die asozialen Medien, wo man nach wie vor ziemlich blöd tun muss, damit der Account gesperrt wird. Ausser, man sagt etwas Kritisches zum Thema Corona. Dann geht’s fix.

Aber üble Beschimpfungen, Hetze, Verschwörungstheorien, gegenseitiges Masturbieren in der luftabgeschlossenen Meinungsblase, alles normal. Nur leiden hier die Keifer, Beller und Rechthaber darunter, dass die öffentliche Aufmerksamkeit überschaubar ist, sich oft auf einen kleinen Sympathisantensumpf beschränkt.

Daher ist das Ziel vieler Kommentatoren, es möglichst häufig auf die Plattformen grosser Multiplikatoren zu schaffen. Also von Tageszeitungen oder grossen elektronischen Medien. Welchen Lustgewinn allerdings einer daraus zieht, den 789. Kommentar zwei Tage post festum zu posten, erschliesst sich dem Normalmenschen nicht wirklich.

Vielleicht ist es die Illusion: Die Welt hat mich und meine Meinung zur Kenntnis genommen. Und bestünde die auch nur aus: «Völliger Quatsch, was im vorangehenden Kommentar steht

Kommentarfunktionen müssen kontrolliert werden

So wie die asozialen Plattformen ganze Heerscharen von Kontrolleuren beschäftigen müssen, die versuchen, wenigstens einen Teil des ganzen Unrats, Abschaums der Perversionen, zu denen der beschränkte menschliche Geist fähig ist, wegzuräumen, wird jede Kommentarfunktion inzwischen moderiert.

Je nach Niveau des Multiplikators müssen zwischen einem bis zwei Drittel aller Einsendungen gelöscht werden. Das, was übrigbleibt, ist häufig auch nicht sonderlich erhebend.

Aber bereits früher, als nicht ganz alles besser war, wurde der Leserbrief als Möglichkeit benützt, gratis für eine bestimmte Position, Meinung Werbung zu machen. Gratis, indem das umsonst publiziert und multipliziert wurde. Bezahlt vom Besteller des Leserbriefs.

So einer ist vor Kurzem aufgeflogen. Der Nachrichtendienst des Bundes entblödete sich nicht, sich einen Vielschreiber zu halten, der gegen 60’000 Fr. im Jahr (plus Spesen) im Sinne seines Auftraggebers kommentierte. Als der seine Zahlungen einstellte, kritisierte er sofort, biss in die Hand, die ihn gefüttert hatte.

Nicht nur auf Social Media, auch in den Kommentarspalten tummeln sich natürlich Mietmeinungen, besonders vor Abstimmungen. Denn jeder Kanal, um die eigenen Absichten zu propagieren, muss genützt werden. Damit ist das Kommentarschreiben zu einer Dienstleistung wie jede andere auch geworden.

Alles ist käuflich im Internet

Besonders beliebt ist das Kaufen von Kommentaren oder Followern für den eigenen Account auf Social Media. Man muss allerdings nicht mal ins Darknet gehen, wenn man eine Horde von Medienkommentaren kaufen will. Wird nicht gerne drüber geredet, gehört aber auch in der Schweiz zum Standard-Angebot jeder besseren PR-Bude.

Auf der anderen Seite, das ist wenigstens originell, sind diverse Medienportale dazu übergegangen, für die Publikation eines Kommentars selbst Geld zu verlangen. Neue Einkommensquelle, schreckt zudem Trolle und Mietmäuler ab.

Denn das Monitoring der Kommentarspalten kostet natürlich. Beliebt sind daher darauf spezialisierte Anbieter aus östlichen Gefilden. Billig heisst nicht unbedingt gut, aber das Gröbste wird meistens weggeschaufelt. Immer noch besser als die auch gerne eingesetzten Algorithmen, die auf Schimpf- oder Reizwörter reagieren. Aber oft schon an einem A*loch oder einem Nazischw* scheitern.

Im Abfallhaufen geht’s rund

Wer twittert, ist selber schuld. Blick in ein Elendsloch.

Twitter vereinigt alles, was das Internet toxisch macht:

– Beschränkung auf 280 Zeichen, gut für Kurzdenker und Weltvereinfacher
– Geschwindgkeit; schneller gepostet als drüber nachgedacht
– Rudelbildung, man vernetzt sich nur mit Gleichgesinnten
– Kreische und Hetze, weil man auffallen will und muss
– Zeitvernichtung ohne erkennbaren Nutzwert
– Die Taschen der Erfinder und Besitzer der Plattform werden gefüllt
– So manch einer hat sich bereits um Kopf und Kragen getwittert
– Förderung von asozialem Verhalten und Vereinzelung

Nach den ersten fünf Punkten wär’s auf Twitter bereits fertig, maximale Länge erreicht. Das heisst, wir verlieren hier mit jedem Buchstaben Twitter-Abhängige.

Glücklicherweise hat sich diese Plattform zur Selbstentäusserung nie so durchgesetzt wie Facebook. Aber die Kollateralschäden und die direkten Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen.

Statt einer argumentativen Herleitung einfach ein paar aktuelle Beispiele, die das ganze Elend illustrieren:

Werbung in eigener Sache. Meinungsmacht «Ostschweiz»? Echt jetzt?

Unermüdliche Corona-Kreische Brupbacher gibt nie auf.

Insidergequatsche für den eigenen Fanclub.

Kotzbrocken, versteckt in anonymer Feigheit.

Das waren natürlich nur abtemperierte Beispiele, wir wollen hier bei ZACKBUM auch bei Belegen ein tiefes Niveau nicht weiter nach unten durchbrechen.

Debatte, Argumente, Meinungsaustausch, Fakteninput? Fehlanzeige. Mehr oder minder verzweifelt wird hier Bestätigung gesucht. Je verbitterter die eigene Position, desto aggressiver. Durch Anonymität wächst der Mut von feigen Hetzern und Schimpfern.

Ventil für Verpeilte und Verzweifelte?

Vielleicht kann man Twitter zu Gute halten, dass es als Ventil für Frustrierte, Verbitterte und Ungehörte dienen kann, die dann wenigstens keinen grösseren Blödsinn anstellen. Auf der anderen Seite muss auch bei Twitter die gleiche Frage wie bei Ego-Shooter-Ballerspielen gestellt werden: ist das Triebabfuhr, pädagogisch nützlich – oder ist das verführerisch und gefährlich?

Ist der Nachplappereffekt, vornehm Retweet genannt, Treibstoff für totale geistige Verarmung, weil der Wiederkäuer nicht mal mehr den Schatten eines eigenen Gedankens formulieren muss? Fördert Twitter nicht die redundante Selbstbestätigung, schaltet jeden Zweifel, jedes Nachdenken, jede Analyse, jeden Erkenntnisfortschritt aus? Beinhaltet der Begriff des «Followers» nicht in aller Offenheit, dass der Nutzer anderen hinterherhöseln will?

Die Zeiten, als Twitter ein Zeitvernichtungs- und Unterhaltungsprogramm war, sind längst vorbei. Neben Gekeife, Hetze und sich selbst rückkoppelnden Echokammern wird Twitter immer häufiger für Manipulationsversuche missbraucht. Auch dazu, Gegenöffentlichkeiten herzustellen.

Da im Gegensatz zu immer noch existierenden Newsmedien jeglicher Faktencheck, jede Kontrolle des Wahrheitsgehalts fehlt, entwickeln sich immer wieder abseitige Verschwörungstheorien, kaputte und finstere Vermutungen über Weltherrscher, über Methoden, wie wir alle geknechtet und kontrolliert werden sollen.

Über Reiche, die sich an der Lebensessenz von Kleinkindern vergreifen und damit ihre Jugendlichkeit erhalten. Die Archetypen solcher Absurditäten sind durch die Jahrhunderte gleich geblieben, nur die Transportmittel sind moderner geworden.

Realitätsverlust durch Abkapselung

Indem sich hier jeder Japser und Angstbeisser austoben darf, findet immer weniger eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit statt, immer weniger soziale Interaktion. Der fanatische Twitterer ist weitgehend davor gefeit, sich dem Zweifel seiner Meinung widersprechender Gedanken aussetzen zu müssen. Sollte er kurz verunsichert werden, findet er schnell in den warmen Schoss seiner In-Group zurück, zum gemeinsamen Masturbieren, zum Suhlen in Rechthaberei, Rückbestätigung. Geeint durch die finstere Ablehnung alles Andersdenkenden.

Twitter ist wohl das hässlichste Gesicht des Internets. Aber wo Bedarf existiert, gibt es auch Angebot. Jedes Angebot beinhaltet, den Einmalkunden zum regelmässigen Konsumenten zu machen. Seien das Drogen, Konsumgüter oder Plattformen im Internet. Je unnützer und überflüssig sie sind, desto raffiniertere Tricks verwenden sie, um die Nutzer bei der Stange zu halten.

Das ist ein wenig so wie die Verwendung von Goldfolie bei Speisen. Völlig überflüssig, gaga, hat aber ihre Fans. Allerdings: das kostet, ist dafür unschädlich. Twitter ist vermeintlich gratis (der User zahlt mit Attention und seinen Daten), aber sehr schädlich.

Die Quittung

Anteil Nein zum Mediengesetz legt «überraschend» kräftig zu.

Ein tapferer Edgar Schuler, sonst der Tamedia-Lautsprecher für ein kräftiges Ja, musste durch schlechte Nachrichten schreiben.

Das hat er – immerhin – recht objektiv hingekriegt, ohne ausfällig, weinerlich oder polemisch zu werden. Die Botschaft, die er zu verkünden hat, ist bitter genug:

«Die Ablehnung liegt jetzt bei 57 Prozent, 6 Prozentpunkte höher als in der ersten Umfragewelle.»

Einzig bei dem den Artikel begleitenden Foto konnte es sich die Bildredaktion nicht verkneifen,  Trychler in den Fokus zu rücken.

Allerdings umfährt Schuler – verständlich – die Ursachen für diese dramatische Entwicklung weiträumig. Er zitiert stattdessen, dass die Veranstalter der Umfrage mal wieder «überrascht» sind. So wie Meinungsumfrageinstitute allgemein, die häufiger bei engen Ergebnissen daneben liegen als richtig.

Das ist aber ein Nebenschauplatz, die grosse Frage, die Schuler nicht beantwortet, lautet natürlich: warum? Alleine die drei grossen Medienclans beschallen mit Tamedia, CH Media und Ringier über 80 Prozent des Tageszeitungsmarkts. Dort füllen sie aus zwei Küchen den gleichen Einheitsbrei in 36 Kopfblätter ab.

Man kann da von einem Fast-Medienmonopol sprechen; der Zwangsgebührensender SRG ist selbstverständlich in aller Staatsferne ebenfalls ausgesprochen für die Annahme des Medienpakets.

Ursache: Unfähigkeit in aller Öffentlichkeit

Nur: unfähiger, schwächer, blöder ist selten eine Abstimmungskampagne geführt worden wie die der Befürworter der Zusatzmilliarde für angeblich notleidende Medien. Ein verstolperter und unterirdischer Webauftritt des Ja-Komitees. Ein Plakatsujet, das so peinlich ist, dass es schnell wieder in der Versenkung verschwand. Eine «Club»-Sendung, in der eine völlig überforderte Moderatorin nicht verhindern konnte, dass drei Teilnehmer sich gegenseitig niederzubrüllen versuchten.

Falsch gewählte Kampfbegriffe (Meinungsfreiheit, Demokratie stärken), dann noch eine mehr als unglückliche Aussage eines Clanmitglieds über Weisungen an Redaktionen. Schliesslich der typische Beziehungssumpf; eine grüne Nationalrätin weibelt mit Hochdruuck für die Annahme, lobt vor allem die Förderung von Online-Medien – während ihr Gatte zufällig genau ein solches aus dem Boden stampft und finanziell so positioniert, dass es jede Menge Zusatzbatzeli geben könnte. «Hauptstadt» heisst das Teil.

Ursache: grobe Leserverarschung

Das alles sind aber noch Peanuts gegen das eigentliche Problem: die Leserverarschung. Man kann das leider nicht gewählter ausdrücken. Denn die Medienkonzerne haben den Irrwitz veranstaltet, dass für weniger Angebot mehr verlangt wird. Trotz allen beschönigenden Geräuschen fällt es jedem Zeitungskonsumenten auf, dass ihm sowohl vom Umfang wie vom Inhalt her eine dünnere Suppe in kleineren Teller serviert wird.

Zudem kann der Leser der «Basler Zeitung» feststellen, dass in der «Berner Zeitung» oder im «Tages-Anzeiger» die gleiche Brühe serviert wird. Das bemerkt auch der Leser des «Tagblatts», wenn er einen Blick in die «Aargauer Zeitung» oder die «Luzerner Zeitung» wirft.

 

Das kann man nicht als Beitrag zum Meinungspluralismus verkaufen. Das kann man nicht als Ausnützen von qualitätssteigernden Synergien verkaufen. Besonders peinlich ist das im Falle Tamedia, die immer grössere Brocken von der «Süddeutschen Zeitung» bezieht, bis hin zu Katzentexten eines ehemaligen Münchner Bürgermeisters.

Dass man da das deutsche ß durch ss ersetzt, parken durch parkieren, schweizert die deutsche Sauce auch nicht genügend ein. Wie der Teutone die USA, Putin oder China sieht, deckt sich meistens auch nicht unbedingt mit Schweizer Blickwinkeln. Von der EU ganz zu schweigen.

Also muss man zusammenfassend sagen, dass das Resultat wohlverdient und keinesfalls «überraschend» ist.

Fake News aus dem Bundesrat

Eine unglückliche Figur macht auch die zuständige Bundesrätin. Medienministerin Simonetta Sommaruga verkündet Mal um Mal, dass 75 Prozent der zustätzlichen Steuerfranken kleineren und lokalen Medien zugute käme. Ihr Bakom behauptet, dass in den letzten Jahren 70 Zeitungstitel eingegangen seien. Solche Fake News machen es den Gegnern einfach, den Sinn der Milliarde in Frage zu stellen.

Zu allem Unglück werfen sich dann noch Figuren wie Hansi Voigt für ein Ja in die Bresche. Selbst von einer reichen Pharma-Erbin ausgehalten, kritisiert er Milliardäre, die sich Medien halten würden. Selber eine Spur der Verwüstung hinterlassend, behauptet er, exorbitante Gewinne durch Artikel im Internet ausrechnen zu können. Und schliesslich beschimpft er die Befürworter des Referendums als «Freunde des Faschismus», auch wenn er dann zurückrudert.

Das ist sowieso der letzte verzweifelte Versuch, das Steuer noch rumzuwerfen. Auch die WoZ ist sich nicht zu schade, eine Verschwörungstheorie auszubreiten, dass rechte Verleger und Mitglieder des Refrendumskomitees beispielsweise das St. Galler «Tagblatt» kaufen wollten. Obwohl es nicht zum Verkauf steht, aber als Schreckgespenst muss es herhalten.

War wohl nix.

Die Medienclans müssten sich selbstkritisch fragen, welche Pfeifen denn in ihren Teppichetagen sitzen, die nicht mal in der Lage sind, die geballte Medienmacht für eine knackige Ja-Kampagne auszunützen. Die nicht mal in der Lage sind, viel Geld sinnvoll auszugeben.

Unabhängig davon, ob es ein Ja oder ein Nein absetzt: mit dieser Management-Crew sieht es dunkelschwarz oder blutrot aus für die Zukunft der Medienkonzerne in der Schweiz.

 

Jodeln für die Clans

Die Freiheitsjodler der grossen Medienkonzerne singen das hohe Lied auf das Medienpaket.

Meinungsvielfalt, das ist eines der Argumente, die von den Befürwortern des Medienpakets verwendet werden. Denn am 13. Februar wird darüber abgestimmt, ob die Schweizer Presselandschaft mit zusätzlich einer Milliarde Steuergelder gedüngt werden soll – oder nicht.

Überraschungsfrei sind die grossen Medienclans – Coninx-Supino (Tamedia), Wanner-Wanner (CH Media) und Ringier-Walder (Axel Springer Ringier) dafür. Das sei nötig, um die Medienvielfalt zu schützen und zu unterstützen.

Das ist der schöne Schein. Die Wahrheit dahinter ist: der Konzern Tamedia besitzt heute 15 Tageszeitungen. Vor 20 Jahren war es nur der «Tages-Anzeiger» plus ein wenig Anteil an «Luzerner» und «Berner Zeitung».

CH Media – nach der Fusion mit den NZZ-Regionalzeitungen – beschallt sogar mit insgesamt 21 Tageszeitungen die Schweizer Leser. Von Vielfalt kann da keine Rede mehr sein. Denn alle diese Zeitungen werden von zwei Zentralredaktionen bespielt. Also die gleiche Einheitssauce ergiesst sich in alle Kopfblätter.

 

Die halten sich dann jeweils noch eine Lokalredaktion und einen Chefredaktor, weil das halt so Brauch ist. Zu sagen hat der nix, und die Lokalredaktion arbeitet motiviert unter dem Damoklesschwert, dass nach der Sparrunde vor der Sparrunde ist.

3,3 Milliarden Gewinn, dafür eine Milliarde obendrauf?

Wie der Ktipp vorrechnet, haben die drei grossen Medienclans von 2011 bis 2020 einen Betriebsgewinn von netten 3,3 Milliarden Franken eingefahren (vor Steuern und Abschreibungen).

Ihr Problem ist also nicht, dass sich mit dem Modell Grossverlag kein Geld mehr verdienen liesse. Ihr Problem ist vielmehr, dass ein unfähiges Management verpasst hat, sich den neuen Herausforderungen des Internets zu stellen.

Rund 90 Prozent des Online-Werbekuchens werden in der Schweiz von Google, Facebook und Amazon abgefrühstückt. Für die Grossverlage bleiben nur kleine Krumen übrig. Selten hat eine Branche dermassen in einem Wandel der Technologie versagt. Selbst die Hersteller von Dampflokomotiven oder Pferdekutschen sind innovativer mit dem Aufkommen von Elektroloks und Autos umgegangen.

Alte digitale Herausforderungen

Gleichzeitig beherrschen die drei grossen Medienclans rund 80 Prozent des Pressemarkts in der Schweiz. Eine Monopolstellung haben und nicht mal die richtig ausnützen können – mehr Versagen ist nicht denkbar.

Die beiden Hauptargumente, um mehr Staatsbatzeli zu kassieren, sind Medienvielfalt und Hilfe bei der technologischen Bewältigung der neuen digitalen Herausforderungen.

Was drakonische Einsparungen, das Zusammenlegen von Redaktionen, das Ausschütten einer Einheitssauce aus Zentralredaktionen mit Medienvielfalt zu tun haben soll, ist völlig unerfindlich.

Wie man 25 Jahre lang das Internet verschnarchen kann, mit offenem, Mund dabei zuschauen, wie grosse US-Konzerne sich den Werbekuchen untereinander aufteilen, ist blamabel.

Nach dieser Vollklatsche staatliche Unterstützung erbetteln, um diesem angeblichen Innovationsdruck gewachsen zu sein, das ist schon nassforsch.

Jämmerliches Niveau

Auf welchem Niveau sich die Abstimmungskampagne der Verlegerclans abspielt, zeigt schon die die Webseite «Die Meinungsfreiheit» mit ihrem Begriff und Slogan «Demokratie braucht starke Medien».

Als ob es darum ginge, dass bei einer Ablehnung der Zusatzsubvention die Meinungsfreiheit gefährdet wäre. Als ob die Schweizer Demokratie starke, staatsunabhängige, pluralistische Medien hätte.

Noch lächerlicher machen sich die Befürworter mit ihrer Plakatkampagne mit einem Wilhelm Tell, der mit einer Zeitung (!) eine Mauer niederhaut, auf der «Fake News» steht. Dabei ist dieses Sujet selbst von A bis Z Fake News.

Wie ein durchgesickertes internes Strategiepapier der an dieser Schwachsinnskampagne beteiligten Werbeagenturen Farner und Rod belegt, geht es überhaupt nicht um den Kampf gegen Fake News: «In politischen Debatten sind nicht Fakten, sondern der gedankliche und emo­tionale Deutungsrahmen entschei­dend.»

Das ist zwar seit Gustave Le Bons «Psychologie der Massen» bekannt. Aber dennoch entlarvend als Kontrast zu den staatstragenden Aussagen der Sprachrohre der Verlegerclans.

Schein und Wirklichkeit

So sagt Tamedia-Boss Pietro Supino, ohne rot zu werden: «Der wichtigste Beitrag, den wir als Branche leisten können, ist die verlässliche Information der Bevölkerung über Fakten und Meinungen.»

Peter Wanner vom Wanner-Clan (CH Media) assistiert: «Eine Demokratie braucht Medien, die sich der Wahrheitsfindung verpflichtet fühlen

Das stimmt beides. Nur liefern diese Konzerne, von Ringier ganz zu schweigen, weder verlässliche Informationen, noch fühlen sie sich der Wahrheitsfindung verpflichtet. Sie wollen vielmehr die Regierungen unterstützen, wie Ringier-CEO Marc Walder unverblümt zu Protokoll gab.

Oder sie verlieren sich in absurden Kampagnen über das welterschütternde Problem, ob ein Tennisspieler in Australien Tennis spielen darf. Zum Skelett abgemagerte Redaktionen sind kaum mehr zu Hintergrundrecherche, zu Einordnung, Analyse und Schaffung eines Mehrwerts für den Leser in der Lage.

Kompensationsgesten

Ihren Bedeutungsverlust kompensieren sie mit meinungsstarken, aber haftungsfreien Kommentaren, Forderungen und Rechthabereien. Ihre zunehmende Unwichtigkeit im öffentlichen Diskurs kompensieren sie mit Ausflügen in die Betrachtung des eigenen Bauchnabels, der Beschreibung von erfundenen oder geklauten Leiden. Mit absurden Verkrampfungen über Gendersprache, Inklusion, Exklusion, Diskriminierung und anderen Themen, die den meisten Lesern völlig gleichgültig sind.

Die Medien sind selbstverschuldet in diese Krise geraten. Sie verstärken sie selbst durch die Unfähigkeit von Management und überlebenden Redaktionen.

Im Kapitalismus ist es ganz einfach: wenn es Nachfrage gibt, gibt es auch Angebot. Wenn es Bedarf an qualitativ hochstehender Information gibt, wird es Angebote geben. Wenn grosse Medienclans lieber in Kunstsammlungen, Yachten und Fahrzeugpark investierten, als Geld für Zukunftstechnologien auszugeben, dann sind ihre Firmen halt zum Untergang verurteilt.

Deswegen geht nicht die Demokratie zu Grunde. Dieses Argument hatten die Hersteller von Dampflokomotiven oder Pferdekutschen oder Textilien oder Stahlprodukten in der Schweiz nicht. Sie kreischten und jammerten auch, gingen dann unter. Weder sie noch ihre Produkte fehlen uns.

Wer ragt schon aus dem Einheitsbrei heraus

Niemand sollte den Medienclans und ihren Produkten eine Träne nachweinen. Entweder, sie schaffen den Turnaround aus eigener Kraft, oder sie sind obsolet geworden. Aber bevor sie eine weitere Milliarde Staatshilfe bekämen, sollten sie vielleicht zuerst ihre Yachten, Kunstsammlungen und den Fahrzeugpark verkaufen. Oder in den eigenen Sack greifen und etwas von den 3,3 Milliarden Franken Profit reinvestieren.

Oder mindestens die Redaktionen nicht weiter zu Tode sparen, mit der verlogenen Behauptung, dass das Kompetenz, Content und Informationsmehrwert sowie Meinungspluralismus stärke.

Die eigenen Leser, das Publikum, die Stimmbürger für dumm verkaufen, das war noch nie eine gute Idee.