Geheime Tipps für noch mehr Klicks

Der Titel ist schon mal Bauernfängerei. Und nun kommt noch der Sex ins Spiel.

Fragen im Titel? Das, wurde einem früher eingebläut, geht im Journalismus gar nicht. Man soll nicht werweissen, sondern informieren. Doch im Online-Journalismus gilt diese eiserne Regel nicht mehr. Denn ein klarer Titel verführt weniger zum Klicken. Und Klicks – Visits – bedeuten mehr Werbung. Gaudenz Looser, Chefredaktor von «20 Minuten», weiss, wie das geht. Wer unter ihm arbeitet, kann ein Lied davon singen. Der Titel muss sitzen und der kurze Text sofort reinziehen. Ein immer noch treffender Artikel in der NZZ am Sonntag (März 2020, hinter Bezahlschranke) bringt das auf den Punkt. Der Druck sei hoch, es gebe interne Rankings, ein Video müsse bei jedem Ausrücken her, wenn es pressiere, schreibe man ein Zitat und frage bei den Politikern, ob das so ok sei. Den letzten Vorwurf wies Looser vehement zurück. Auch die anderen Beispiele hielt Looser für realitätsfremd, «da sie von anonymen Quellen stammen». Nur, wer in der Schweiz offen Kritik übt am System, hat es schwierig im Medienkuchen. Wenn Klicks so sehr zählen, schreibt man entsprechend. Sex geht immer, Fragen im Titel sind bald Standard.

Clever ist hier der «Blick», der eine gute alte Publireportage fast schon als Investigativ-Text aufmacht. Und dann 5000 Zeichen darüber bringt, wie verantwortungsvoll Philip Morris doch ist.

«20 Minuten» lässt oft im Titel und im Lead die Katze nicht aus dem Sack. Man wird aber gwundrig und schon hat man geklickt. Drei schöne Beispiele hier:

Natürlich und wie gesagt. Sex geht immer. Auch wenn der Teaser-Text (vom Dienstagmittag) leicht überholt daherkommt: «Neben Boutiquebesitzern und Restaurantinhabern haben sich Single-Frauen wohl am meisten auf die Lockerung des Lockdowns gefreut. Jetzt kann das Sexdating endlich wieder losgehen.»  Da kann ZACKBUM.ch nur sagen: schlechte Qualitätskontrolle bei 20 Minuten.

Auch nicht schlecht ist die Masche mit den Listicles, auch wenn dieser Trend eher wieder abzuebben scheint. Die «Du-Form» geht natürlich nur bei «20 Minuten». König der Listen (und der Katzenbilder) ist aber eigentlich das Millionengrab watson.ch. Aber davon ein andermal.

Swissinfo.ch: Die 10 Plagen

Schweizer Schnarch für Chinesen und Araber.

Wer sich bei der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenplattform swissinfo.ch vorstellen darf, sollte darauf achten, beim Bewerbungsgespräch nicht zu lügen oder zu spät zu erscheinen. Wahrscheinlich haben das in der Vergangenheit zu viele Bewerber getan. Das HR hat deswegen die Richtlinien auf der Website aufgeschaltet. Ach ja, «Unterbrüche durch Mobiltelefone usw.» schmälern ebenfalls die Chancen für eine Beschäftigung.

Swissinfo.ch ist eigentlich der Gegenbeweis zu Ueli Maurers Behauptung, dass sich die Schweiz keinen zweiten Lockdown leisten kann. Wohl kein Land der Welt gönnt sich eine Nachrichtenplattform für Ausländer in den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch, Chinesisch und Japanisch. Eine Sprache vergessen? Ja, Arabisch.

In Zeiten von Fake-News sieht sich swissinfo.ch als Garant für unabhängige Nachrichten. Der Servce public habe dann «international einen besonders grossen Wert». Die Macher haben ausgerechnet: «Mit unseren 10 Sprachen erreichen wir potenziell rund 75 Prozent der Weltbevölkerung.» Warum «potenziell», warum so bescheiden? Ist es nicht so, dass rund 5 Milliarden Menschen die spannenden Artikel von swissinfo.ch lesen?

Maturaarbeit Salz

Zum Beispiel den Artikel «Salz in der Schweiz, so alltäglich und doch so wichtig», ein superduper aufwendiger Artikel, hinter dem vier Nasen steckten. Der Artikel kommt wie eine Maturaarbeit daher und wirft zwei Fragen auf: Müssen das wirklich 5 Milliarden Menschen lesen, und wie viel Geld steckt eigentlich in swissinfo.ch?

Die Zahlen sind gigantisch: Über 18 Millionen Franken kostet das 10-Sprachen-Ding. Über 100 Mitarbeiter sind für das Portal zuständig. Sonntagsarbeit ist beim Luxus-Portal aber anscheinend verpönt. Ein einziger selbstverfasster Artikel wurde letzten Sonntag aufgeschaltet, die anderen sieben stammten von Keystone-SDA.

Die 18 Millionen Franken stammen zu je 50 Prozent  aus den Gebührengeldern und Bundesgeldern, verwaltet durch das Bundesamt für Kommunikation (Bakom).

Das Babylon bei swissinfo.ch hinterlässt seine Spuren in den Texten. Bei einem Artikel über die Schweizer Uhrenkrise erscheint zum Beispiel plötzlich eine Grafik in Russisch. Und manche Sachen sind so schlecht geschrieben, dass sie hoffentlich in der arabischen Übersetzung noch knapp verstanden werden:

Ex-Press XIX

Blasen aus dem Mediensumpf.

Werfen wir zunächst einen Blick auf ein gutes Stück Qualitätsjournalismus aus dem Hause Tamedia:

Interessen der deutschen Sprache in Untergewichtung.

Da muss man wie beim Schneeräumen geordnet vorgehen, um die Fehlersammlung vollständig wegzuräumen.

Fangen wir mit dem Einfachen an: Saudi-Arabien schreibt man so. Macht nix, ist ja auch irgend so ein Morgenland, und Pilatus ist im Fall richtig geschrieben.

Das gilt dann aber nicht für «Heraushaltung». Man ahnt zwar, was damit gemeint ist, aber leider existiert das Wort nicht. Obwohl es eine Lieblingsmarotte des Beamtendeutschs ist, alles, was nicht schnell genug davonläuft, zu substantivieren.

War’s das? Nein, bei so vielen Buchstaben kann man doch auch inhaltliche Fehler nicht vermeiden: «Welche Interessen sind höher zu gewichten …, oder Arbeitsplätze und der Technologiestandort Schweiz?» Da möchte man gerne wissen, welche Interessen denn Arbeitsplätze artikulieren, vom Technologiestandort ganz zu schweigen. Und durch die gewählte Form des Satzes kann der Hersteller vermeiden, die entscheidende Auskunft zu geben: wer gewichtet denn diese Interessen? Das Bundesverwaltungsgericht? Der Autor? Wir?

Man muss schon sagen: So wenig Wörter, so viele Fehler. Da weiss man doch wieder, wieso sich Geldausgeben für eine Zeitung lohnt.

Ein Wirtschaftschef im roten Bereich

Die Rechtschreibung hat hingegen Peter Burkhardt (oder der Korrektor der SonntagsZeitung, wenn es ihn noch gibt) im Griff. Der Wirtschaftschef des Hauses Tamedia ist normalerweise ein konzilianter Mensch, eher auf Ausgleich statt Konflikt bedacht.

Aber tiefe Wasser schlagen hohe Wellen, wenn sie mal aufgewühlt sind. So verwandelt Burkhardt das Editorial der aktuellen SoZ, den Leitartikel, in einen Leidartikel. In eine Schimpfkanonade ungekannten Ausmasses. Den ersten Pflock schlägt er bereits im Titel ein: «Die Schweiz – ein Opfer rechtsbürgerlicher Ideologie».

Solche Töne ist man sonst von der WoZ gewohnt. Auch in der Fortsetzung wirft Burkhardt nicht mit Schneebällen, sondern setzt seinen revolutionären Durchmarsch fort, es wird scharf geschossen. Mit einer klassischen Nummer. Zuerst lobt er Finanzminister Ueli Maurer. Der habe «vieles richtig gemacht», die Staatsfinanzen in Ordnung gehalten, bravo. Nur: «vor der Corona-Krise.»

Seither gilt: «Jetzt, in der Not, macht Maurer vieles falsch.» Warum? Weil Burkhardt etwas hat, was Maurer fehlt: «der Blick fürs grosse Ganze.» Was übersieht Maurer da? Bei der Bekämpfung der Pandemie brauche es «scharfe Massnahmen», weiss Pandemiologe B. Plus «grosszügige, rasche Geldspritzen», ergänzt der Wirtschaftskenner.

Denn, so die glasklare Logik, zunächst können wir uns das leisten. Geringe Staatsverschuldung, Negativzinsen, eine Pleitewelle «wegen unterlassener Hilfeleistung» sei dann im Fall noch schlimmer.

Nach Anlauf im Volldampf-Modus

Soweit aufgewärmter, kalter Kaffee von vorgestern. Aber bis hierher hat Burkhardt nur seine Betriebstemperatur erreicht und den Druck im Kessel erhöht. Nun lässt er aber richtig Dampf ab: «Die Schweiz ist in Geiselhaft rechtsbürgerlicher Ideologien.» Ausgerechnet die «Wirtschaftsparteien» FDP und SVP «gefährden damit die Wirtschaft». Das führt Burkhardt dann zu Volldampf am Schluss: «Wer behauptet, unser Land könne sich konsequente Massnahmen nicht leisten, setzt nicht nur den Wohlstand aufs Spiel – sondern nimmt letztlich Tote in Kauf.»

Aber hallo, FDP und SVP gehen über Leichen? Rechtsbürgerliche Ideologie will die Wirtschaft abwürgen, nimmt auch tote Eidgenossen hin? FDP und SVP als Totengräber des Kapitalismus? Wahnsinn. Wir sind allerdings verwirrt. Lautete der Vorwurf bislang nicht, dass wirtschaftsfreundliche Parteien Geld und Wirtschaft höher gewichten als Leben und Gesundheit?

Fehlt Maurer wirklich der Blick fürs grosse Ganze, wenn er – als einziger Bundesrat – darauf hinweist, dass hier Entscheidungen übers Knie gebrochen werden, die Auswirkungen für die nächsten 15 Jahre haben?

Money for free – jetzt auch von Wirtschaftschefs gefordert

Ist Burkhardt in seinem Zorn wirklich entfallen, dass Schuldenmachen, vor allem für Staaten, tatsächlich kinderleicht ist, dass aber konsumiertes Geld einfach weg ist, keine Wertschöpfung schafft, einfach Ersatz ist für vorher betriebene Produktion? Meint Wirtschaftschef Burkhardt wirklich, man könne eine Schraubenfabrik ins Koma versetzen, die Belegschaft nach Hause schicken, all das mit Hilfsgeld zuschütten, und das sei problemlos und zukunftsträchtig?

Money for free, das ist der uralte, feuchte Traum der Etatisten, der Gläubiger eines allmächtigen Staats mit tiefen Taschen. Das ist diese «kann sich doch die reiche Schweiz leisten»-Haltung. Dass so etwas von SP-Genossen propagiert wird, deren einziger Kontakt zur Wertschöpfung, zur Wirtschaft darin besteht, vom warmgefurzten Funktionärssessel aus gute Ratschläge zu erteilen, ist zumindest logisch.

Aber der Wirtschaftschef eines der beiden Duopolmedien der Schweiz? Fehlt nur noch, dass er eine Sondersolidaritätsabgabe von den Reichen fordert, denn die haben’s ja. Er hingegen hat wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

 

Jedem sein eigener «Experte»

Was die «Weltwoche» mit ihren irgendwo ausgegrabenen «Experten» kann, die noch ein nettes Wort zu Trump sagen, kann der SoBli erst recht. Nachdem nun wirklich von allen alles über den Abgang Trumps gesagt wurde, es bis zum nächsten Höhepunkt, der Amtseinführung, noch etwas hin ist, was tun?

Glücklicherweise sind die USA gross genug, dass man immer einen Spezialisten für alles findet. SoBli proudly presents: Eric Ward. DEN Extremismus-Experten, den verdienstvollen Mitarbeiter einer Bürgerrechts-NGO. Mehr Informationen über ihn zu finden, ist etwas schwierig, er hat im Internet nur wenige Spuren hinterlassen. Aber was soll’s, der richtige Gesprächspartner für die Frage, wie’s denn mit Trumps Partei weitergehen soll. Ward als alter Hase weiss natürlich, dass es bei solchen Interviews vor allem um ein titelfähiges Quote geht, und das liefert er: «Der Bürgerkrieg in der Republikanischen Partei hat begonnen». Um das zu merken, muss man allerdings Extremismus-Experte sein.

 

Noch ein Experte für alles und noch viel mehr

Ein anderer Experte für eigentlich alles und noch mehr kommt trotz fortgeschrittenem Alter in geradezu jugendliche Lockerheit und wagt den Kolumnen-Titel: «Huaweia». Dann drischt Frank A. Meyer mit ungestümer Energie auf den chinesischen IT-Konzern Huawei ein. Wunderbar, muss mal gesagt sein. Kleines Problem: Er stützt sich dabei auf eine weitere Grossreportage der «Republik». Mal wieder 41’000 Buchstaben brauchte die Plattform, um im Verbund mit anderen grosse Schweinereien eines grossen Konzerns aufzudecken.

Leicht unverständliche Illustration: Screenshot «Republik».

Auch wunderbar. Nur: bislang ist die «Republik» mit solchen «Enthüllungen» regelmässig auf die Schnauze gefallen. Mit ihren Vorwürfen gegen die ETH Zürich, mit ihren Verleumdungen gegen den Kita-Betreiber Globegarden als jüngste Beispiele. Das liegt meistens daran, dass die «Republik» konsequent mit anonymen (oder «anonymisierten», wie sie zu sagen pflegt) Informanten arbeitet. Deren Motivation, der Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen sind für Redaktion und Leser nicht erkennbar. Da es sich fast immer um ehemalige Mitarbeiter handelt, muss ein weiteres Fragezeichen hinter ihre Wahrheitsliebe gesetzt werden.

Deshalb hat auch bei Globegarden eine externe und umfangreiche Untersuchung ergeben, dass kein einziger der Vorwürfe, die die «Republik» erhoben hatte, verifiziert werden konnte. Keiner, null, nada. Dass hingegen einige Vorwürfe nicht überprüft werden konnten, weil ausser der anonymen Aussage keine weiteren Angaben vorhanden waren.

Von wem möchte man gerne abgehört werden?

Das ist im Fall Huawei natürlich etwas anders. Ein Riesenkonzern aus China mit undurchsichtiger Besitzerstruktur, ihm wird Staatsnähe und mögliche Spionage oder Aushorchung im Dienst des chinesischen Regimes nachgesagt.

Die Betonung liegt auf nachgesagt; belastbare Beweise fehlen bis heute. In erster Linie schimpfen die USA über Huawei und verbieten ihm, als Mitbewerber bei IT-Projekten aufzutreten. Verständlich, denn Huawei ist vor allem bei 5G seinen Mitbewerbern meilenweit voraus. Er bietet die Infrastruktur stabiler, besser und billiger an als die US-Konzerne.

Für den Nutzer kann man es sicher so sehen: Ob seine Kommunikation von der NSA oder von China abgehört wird – oder von beiden –, kann ihm eigentlich egal sein.

Nun verwendet die «Republik» auch hier wieder ihr vermeintlich bewährtes Prinzip. Es gibt als Zeugen für das Innenleben von Huawei Joe, Sam und Ana. Richtig, die heissen nicht so, wollen auch nicht erkannt werden. Aber dienen als Kronzeugen der Kritik an Huawei. Plus «einen ehemaligen Mitarbeiter von Huawei treffen wir in London».

Das soll à la «Spiegel» Weltläufigkeit ausdrücken, Detailtreue: «Die kanadischen Beamten stecken Mengs Huawei-Telefon, ihr iPhone, ein roségoldenes iPad und ein rosafarbenes Macbook in Sicherheits­taschen, die jeden Versuch, sie aus der Ferne zu löschen, unmöglich machen.»

So beschreibt die «Republik» die Verhaftung der Finanzchefin von Huawei, der Tochter des inzwischen milliardenschweren Firmengründers in Kanada. Im Gegensatz zu Relotius beim «Spiegel» räumt die «Republik» immerhin ein, das von «Wired» abgeschrieben zu haben. Dann muss es ja stimmen.

 

Garniert mit dem üblichen «Republik»-Gedöns

Garniert werden diese anonymen Beschuldigungen mit dem üblichen «Republik»-Gemüse. Anschuldigungen, Dementis, Vorwürfe, von Huawei bestritten. Aber das gibt natürlich den Geräuschteppich für die These: Huawei ist ein ganz übler Ausbeuter. Ein wunderbares Beispiel: Dem «Recherche-Netzwerk» ist eine Excel-Tabelle in die Hände gefallen, in der die Arbeitszeiten von europäischen Mitarbeitern eingetragen sind. Könne man nicht meckern, räumt die «Republik» ein, auf dem Papier sehe alles ordentlich und gesetzeskonform aus.

Wer ahnt das Aber? Natürlich, anonyme Ex-Mitarbeiter behaupten, in Wirklichkeit werden die Arbeitszeiten nicht eingehalten, besonders, wenn ein Grossprojekt vor dem Abschluss stünde. Dann würden sogar, unglaublich, zusätzliche Kräfte aus China eingeflogen. Das kann vielleicht der Grund dafür sein, dass Huawei im Vergleich zu seinen Mitbewerbern als ausnehmend pünktlich gilt. Wer schon einmal mit gröberen IT-Arbeiten zu tun hatte, weiss, was das wert ist.

Leider ist die «Republik» wie Antifalten-Creme

Nebenbei: Militärischer Jargon in einer Firma, die von einem Militär gegründet wurde, die eine oder andere Schweinerei gegenüber fast 200’000 Mitarbeitern: unbestritten, üblich; mit drei anonymen Zeugen und viel Geraune nicht im Ansatz als systemisch bewiesen.

Es ist Meyer zu gönnen, dass seine Lektüre der «Republik» verjüngend auf ihn wirkt. Nur: auf den Wahrheitsgehalt von deren Storys sollte er sich nicht verlassen.

 

 

Die grosse Hoffnung der Journalisten

Nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Und schneller vergessen. Gut für Journis.

Arthur Rutishauser, Oberchefredaktor bei Tamedia, servierte der staunenden Leserschaft unermüdlich und Jahr für Jahr die gleiche News: Die Strafuntersuchung im Fall Vincenz stehe kurz vor dem Abschluss, demnächst werde die Anklageschrift eingereicht.

Das tat er im Frühling, im Herbst, wenig variantenreich und unbekümmert darum, dass es nie eintraf. Aber wie eine stehengebliebene Uhr, die auch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt: Endlich hat’s dann, nach drei Jahren, doch mal geklappt.

Es war zwar nicht demnächst, auch nicht im August, aber Ende Oktober 2020. Uff. Wieso kam er damit durch? Ganz einfach: Er setzte auf das Kurzeitgedächtnis der Öffentlichkeit. Auf ihre Fähigkeit zum schnellen Vergessen. Darauf, dass sich doch niemand mehr daran erinnert, was Rutishauser vor einem halben Jahr angekündigt hat. Wohl nicht mal er selbst.

Keiner zu klein, Rutishauser zu sein

Wie der Herr, so’s Gescherr. Seitdem Mario Stäuble zum Co-Chefredaktor des «Tages-Anzeigers» aufgestiegen ist, erblüht er als Kommentator. Innert kürzester Zeit hat er sich dabei das Rüstzeug angeeignet, um im Chor mit vielen anderen Ratschläge zu geben, Kritiken anzubringen und zu zeigen, wo’s langgeht:

«So funktioniert das mit der Quarantäne nicht»,

«wir müssen verschärfen», selten sieht er Anlass zu Lob: «Endlich klemmt der Bundesrat das «Gstürm» ab».

Trost zu spenden ist seine Sache nicht: «Was für die betroffenen Branchen brutal klingt, ist in Wirklichkeit ein Schritt vorwärts», behauptet der Angestellte Stäuble. In Wirklichkeit ein brutaler Schritt über die Klippe für Tausende von KMU, aber was soll’s. Auch Stäuble profitiert davon, dass sich doch einen Tag später keiner mehr an sein dummes Geschwätz erinnert.

Das gilt auch für seine Kollegin Priska Amstutz. «I am speaking», dieser kleine Satz der zukünftigen Vizepräsidentin der USA hat für Amstutz «globale Strahlkraft», wie sie backfischartig schwärmte. Aber auch das, zusammen mit ihrem Betty-Bossi-Rezept, das sie als von «Grossmüetti Amstutz» ausgab, ist längst vergessen.

Auch das Fussvolk spielt mit

Wie das Gescherr, so das Fussvolk. Im Newsletter wird der männerdominierten Sprache Saures gegeben, bis sie nur noch Sternchen sieht. Ein anderer Amok twittert, dass die Uni Luzern ein Interview mit zwei renommierten Wissenschaftler von ihrer Webseite nehmen sollte. Oder wie er zu formulieren beliebt: «Hey, Uni Luzern, nehmt den Dreck runter, entschuldigt euch bei C. Althaus und publiziert eine Richtigstellung.»

Aber was ist vom einem «Leiter digitales Storytelling» zu erwarten, der auch schon mal dem gesamten Bundesrat attestiert:

«Jetzt sind sie komplett übergeschnappt.»

Auch er rüpelt so vor sich hin, weil er auf das schnelle Vergessen hofft. Und auf die eigene Belanglosigkeit, obwohl er das natürlich nie zugeben würde.

Auch die übrigen Chefkommentatoren zählen auf Vergesslichkeit

Selbstverständlich ist Tamedia nicht alleine. Auch Christian Dorer, der Amtskollege von Rutishauser bei Ringier, hofft auf schnelles Vergessen: «Ski fahren, snowboarden, langlaufen, Schneeschuhtouren machen oder ausgedehnte Winterspaziergänge – es wäre falsch, ausgerechnet das zu verbieten, was Geist und Körper in dieser Jahreszeit am besten stärkt.»

So jauchzte er noch Ende November letzten Jahres. Schon Ende Februar 2020 wusste Dorer: «Klarmachen sollten wir uns aber auch:

In ein paar Monaten ist der Spuk vorbei.»

Nein, damit meinte er nicht die Amtszeit von Präsident Trump, dem er mit seinem Schwiergmutterschwarm-Charme eine Unterschrift auf sein Blatt abgenötigt hatte. Er meinte Corona.

Im April sah Dorer dann eine originelle Chance, dem drohenden Wirtschaftsabschwung zu begegnen: «Feiern Sie das Ende des Lockdowns im Restaurant! Decken Sie sich mit der aktuellen Frühlingsmode ein! Richten Sie Ihr Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer neu ein! Holen Sie sich den neuen Computer! Kaufen Sie das Auto, von dem Sie schon lange träumen!» Aber schon im September tönte er fast resigniert: «Lernen wir, mit dem Virus zu leben.»

«Historisch einmalig, nie dagewesen»

Auch CH Media ist auf das schnelle Vergessen angewiesen. So positionierte sich der dortige Überchefredaktor Patrik Müller bereits am Anfang von 2020 leicht gereizt: «Jeden Tag Weltuntergang – es nervt». Denn nun sei neben dem Klimawandel auch noch im fernen China ein Virus ausgebrochen. Mitte April 2020 verfällt er dann in einen tiefen Pessimismus:  «Um Massenarbeitslosigkeit abzuwenden, muss die Wirtschaft behutsam, schrittweise wieder geöffnet werden. Sonst drohen wirtschaftliche und auch gesundheitliche Schäden, die beispiellos, historisch einmalig, nie da gewesen sind.»

Ende Juli redete er den Eidgenossen ins Gewissen:

«Ferien im eigenen Land! Die Schweiz bietet fast alles.»

Gegen Ende Jahr können dann die Politiker aufatmen: Der Präsenzunterricht beginnt in der Regel am Montag wieder. Das ist richtig.» Genauso richtig wie, dass von seinen immerhin über 200 Kommentaren wohl die meisten überflüssig waren.

Selbst, um nichts auszulassen, selbst der NZZ passieren manchmal kleinere Flops, die man dann gerne ebenfalls im Archiv von «schnell vergessen» versorgt. So wollte sie, nach einigen Erfolgen bei der Credit Suisse, auch im Fall Vincenz mal vorne mitspielen. Also setzte sie, natürlich wie immer «von informierten Kreisen nahe am Verfahren» angefüttert, das Gerücht in Umlauf, dass es noch vor der Einreichung der Anklageschrift zu einem Deal kommen werde. Strafbefehl gegen Schuldeingeständnis. War dann nix.

 

Wendler verpixelt und verstummt

Auf RTL ist ein bemerkenswertes Stück Mediengeschichte mitzuerleben.

Die Redaktionen, die sich ums Showbusiness kümmern, haben es momentan schwer. Wegen der Corona-Krise gibt’s keine VIP-Anlässe, keine Premieren, keine Preisverleihungen. Für Klatschheftli und analoge TV-Formate wie Exklusiv (RTL) der Horror. Es gibt fast nichts zu berichten. Umso dankbarer wird die sogar strafrechtlich relevante verbale Entgleisung von Sänger Michael Wendler thematisiert. Er verglich Deutschland wegen den harten Coronamassnahmen mit einem «KZ». Später machte er alles nur noch schlimmer, indem er seine «KZ»-Bezeichnung als «Krisen-Zentrum» verstanden haben wollte.

Wendler: Klassische Krisenkommunikation, die alles nur noch schlimmer macht. 

Zumindest in der Schweiz könnte sich Wendler damit strafbar machen, wie ein Anwalt gegenüber «Watson» sagte. Die Holocaust-Verharmlosung des Schlagersängers könnte unter den Straftatbestand der Volksverhetzung fallen, der in § 130 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt ist. Eine Busse oder gar das Gefängnis wären die Folge. Doch wo kein Kläger, keine Strafe. Und dann müsste Wendler ja noch in die Schweiz einreisen. A propos Schweiz: Hier ist oder war zumindest bis vor Kurzem der Begriff «KZ» Standard in der Soldatensprache der Schweizer Armee. «KZ»=Krankenzimmer. Neuerdings heisst das offiziell «KA» für Krankenabteilung.

Wie Fettflecken

Doch zurück zu Wendler. Die Konsequenzen zog RTL schon vor einer Woche. Der TV-Sender schnitt den Juror Wendler in der aufgezeichneten Castingshow «Deutschland sucht den Superstar» heraus. Wo möglich wurden die Sequenzen mit seinen Urteilen gelöscht. Speziell: bei Aufnahmen mit der ganzen, vierköpfigen Jury, wurde «Wendler» verpixelt. Oder verschmiert, wie es der «Spiegel» spöttisch nannte. «Wie wenn der Bildschirm Fettflecken hätte».

Das war noch vor der Retouche: Wendler (ganz links) als RTL-Juror.

Wo Wendler doch noch etwas sagte, ersetzten Comic-artige Sprechblasen seine Wortmeldungen. Dazu blendete RTL wie von Zigarettenpackungen bekannt mit weißer Schrift vor schwarzem Bildschirmhintergrund einen redaktionellen Hinweis ein. «Ein Juror hat Verschwörungstheorien verbreitet». Wegen «völlig untragbarer Äusserungen» habe man ihn aus den 2020 aufgezeichneten Folgen herausgeschnitten.

Warum nicht ganz neu inszeniert und abgedreht?

Konsequent wäre aber die Absetzung, respektive Neuverfilmung der ganzen Staffel gewesen. So bleibt ein Nachgeschmack. Denn seinen medialen Auftritt hat Wendler gleichwohl. Vollends absurd wird es, wenn ein Kandidat ein Lied von Wendler vorträgt. RTL dann aber den Ton abstellt, weil ja Wendler nicht mehr genehm ist. Das gerade stärkt die Anhänger von Wendler und vielleicht auch die Anhänger von Wendlers übler Theorie. Es ist die Theorie der Märtyrer, die sich opfern für das Gute, für die Freiheit, für die offene Meinungsbildung. Der Umgang mit solchen Ansichten und den Menschen dahinter ist nicht einfach. Negieren, diskutieren, lächerlich machen?

Bildbearbeitungen sind eine eher simple Sache. Wie Stalin (UdSSR) und Ulbricht (DDR) Fotos retouchieren liessen, ist legendär. So liessen sich Regimekritiker ausradieren. «Welt.ch» hat das kürzlich eindrücklich zusammengetragen.

Dumm nur, das sich der ZACKBUM-Autor nur schon mit diesem Vergleich auf extrem dünnes Eis begibt. Aus dem Zusammenhang gerissen würde das dann etwa so lauten: «Wendler passierte das gleiche wie früher Kommunisten-Kritiker: sie wurden wegretouchiert. Dabei gab ihnen der Lauf der Geschichte recht». Ein Beispiel, wie kompliziert die Welt ist.

 

Ex-Press XVIII

Blasen aus dem Mediensumpf.

Die deutsche Sprache wird sozusagen von zwei Seiten in die Zange genommen. Zum einen von Kampffeministen, die nicht zwischen Genus und Geschlecht unterscheiden können und deshalb meinen, jede Form von Genderisierung der Sprache sei ein echter Fortschritt für die Sache der Frau.

Zum anderen sind immer mehr Journalisten auf ihre eigenen Orthografie-Kenntnisse zurückgeworfen, und auch da kommt die deutsche Sprache meistens nicht unbeschädigt davon.

Oder aber, Korrektoren in Banja Luka oder anderen Niedriglohngegenden der Welt, die vorgeben, die deutsche Sprache zu beherrschen, und auch gans billik, Erenword, zeigen selbst bei Titeln, was ein gut gesetzter Deppen-Apostroph doch bewirken kann.

Wenn’s durchs wilde Kannitverstan geht.

Dass offensichtlich aber auch keinem am Herstellungsprozess beteiligten Qualitätsjournalisten aufgefallen ist, dass hier der Apostroph genauso überflüssig ist wie bei Rita’s Restaurant, das ist mal wieder oberpeinlich.

Reden wir erst gar nicht vom Inhalt, reden wir von der Form. Wer dermassen eine Schneise der Zerstörung in der deutschen Sprache hinterlässt, gleichzeitig aber grossen Wert auf Leser*in, LeserIn, Leserin* oder anderen Schwachsinn legt, dafür erst noch Geld verlangt, muss sich wirklich nicht wundern, wenn er keins kriegt. Vielleicht sollte sich CH Media mehr aufs (oder auf’s, wie das Medienhaus schreiben würde) gesprochene Wort verlegen, genügend TV- und Radiostationen hat man doch.

 

Reiche Ernte beim Tagi

Das Blatt der richtigen Lebensart unterscheidet mal wieder klar zwischen Realität und Irrealem, um nicht zu sagen Irren.

«Eine Konkurswelle kommt auf uns zu», konstatiert Milan Prenosil von der Zürcher City-Vereinigung nüchtern. «Ich kenne einige langjährige, gute Unternehmer, die letztes Jahr Konkurs angemeldet haben. Familienunternehmen, deren Existenz innerhalb eines Jahres ausgelöscht wurde.» Prenosil weiss, wovon er redet.

Der frisch ins zweite Glied zurückgeschobene Co-Unterchefredaktor Mario Stäuble* hingegen tut das, was Journalisten am besten können: Er schreibt über ein Thema, von dem er keine Ahnung hat. «So brutal die neuerliche Stilllegung der Schweiz ist, so unvermeidlich ist sie

Dann outet sich Stäuble noch als Epidemiologe und Virologe: «Angesichts der Virusmutation wird es zuerst nochmals schlimmer, bevor es besser wird.» Offensichtlich bezieht Stäuble seine Welterkenntnis vom bekennenden Tagi-Amok Marc Brupbacher, der schon den gesamten Bundesrat für übergeschnappt erklärte, bevor er über Alain Berset endgültig den Stab brach.

Es ist schon erstaunlich, wie offensichtlich über ihre Kompetenzgrenze hinweg beförderte Nullen, die ja eigentlich und unermüdlich nur das Beste für ihre Mitmenschen wollen, vor allem für Marginalisierte und Diskriminierte, dermassen menschenverachtend, zynisch und ohne Empathie aus der Zuschauerloge heraus gnadenlos brutale Massnahmen befürworten.

 

Fröhlich ins Abseits

Eines muss man Roger Köppel lassen: Er knickt nicht ein, nicht mal vor der Realität. Obwohl Doppel-Impeachment-Trump alle mit in seinen Untergang reisst, die ihm immer noch die Stange halten, kennt der Politstratege Köppel nichts.

Das vernichtendste Urteil über sein neustes Werk fällt sein eigener Redaktor Eric Ebneter: «Schlechter Journalismus beschreibt Fiktion als Wirklichkeit.» Damit mokiert sich Ebneter zwar über einen neuen Erguss von Lukas Bärfuss, der den renommierten Büchner-Preis weiter verzwergt. Aber das trifft noch besser auf seinen eigenen Chefredaktor, Verleger und Besitzer zu.

Gleich viermal wird der Angriff des Abschaums auf das Capitol und die Rolle von Trump thematisiert. Eher leichtfüssig von Christoph Mörgeli, der völlig zu Recht auf Ähnlichkeiten zwischen dem «urigen Vieh, das bei der Stürmung des Kapitols gesichtet wurde» und dem Uristier aus dem gleichnamigen Urkanton hinweist. Ohne die Urner zu fragen, was sie von dieser kulturellen Aneignung ihres Wappens durch einen Vollbekloppten halten.

Gleich zweimal ergreift Köppel selbst das Wort. Zunächst singt er das alte Klagelied «zweierlei Mass». Antifa und «Black Lives Matter» tobt in den Innenstädten der USA, das werde schöngeredet. Aber «Amerika geht nicht unter, wenn ein unbewaffneter Mob ins Parlament einbricht». Zudem: «Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Ursache (Trump) und Wirkung (Einbruch ins Kapitol).»

Schliesslich habe Trump seine Anhänger aufgefordert, «friedlich und demokratisch» zu protestieren. Was natürlich die Medien ausblenden würden. Dann geht Köppel in eine gewagte Grätsche: «Krawalle sind immer zu verurteilen.» Was Trump ja auch mit klaren Worten tat: «Ich kenne Euren Schmerz. Uns ist ein Erdrutschsieg gestohlen worden. Geht nach Hause, we love you. Ihr seid ganz spezielle Leute.»

Eine Liebeserklärung an den Mob, den er zuvor aufgefordert hatte, die Pennsylvenia Avenue (die zum Kapitol führt) hinunterzumarschieren und Stärke zu zeigen. Aber man kann ja, ausserhalb des köppelschen Universums, nicht mehr ernsthaft darüber diskutieren, dass der Abgang Trumps schändlich ist.

Auf ganz dünnes Eis begibt sich Köppel, wenn er wortreich den Tod einer «unbewaffneten» Demonstratin beklagt, die von der Polizei mit einem «Schuss in den Nacken», also einem Genickschuss, getötet worden sei. Diesen Tod zu beklagen, heisst gleichzeitig, den Tod der anderen, darunter auch ein Polizist, zu verschweigen. Das ist nicht mehr Demagogie, das ist einfach dumm.

Aber Köppel kann noch einen draufsetzen. In der gleichen verzweifelten Tonlage, in der Che Guevara von einem Endkampf zwischen Sozialismus und Imperialismus fantasierte, während er in Bolivien seiner Verklärung zum Märtyrer entgegenwankte, vergleicht der rasende Roger Trump sogar mit dem Terminator. Wohl zunächst, weil das so schön alliteriert, dann aber auch, damit er etwas von einem «Genie der Unzerstörbarkeit» fantasieren kann. Denn wie der (in diesem Sequel bösartige) Roboter, der auch mit halbem Körper noch weiterkämpft, fighte auch Terminator Trump weiter.

Seit Jüngers Stahlgewittern hat wohl kaum einer eine so martialische Sprache verwendet. Wo Köppel fightet, ist sein Trump-Groupie Urs Gehriger nicht weit. Da Steve Bannon gerade unpässlich ist, so abgehalftert, dass nicht mal in grosser Verzweiflung seine Meinung gesucht wird, muss Gehriger einen anderen Trump-Verteidiger aufspüren und zum Interview bitten.

Kein Problem, da gibt es Victor Davis Hanson. Was, Sie kennen DEN Hanson nicht? Bestsellerautor, «der Historiker und Stanford-Professor gehört zu den prominentesten Kommentatoren Amerikas». Nun, er ist Militärhistoriker und befasst sich gerne mit den Kriegstaktiken im Altertum. Als Kolumnist fiel er eigentlich nur einmal auf, als eine Kolumne von ihm weitherum als «blöder Ratschlag» (The Atlantic) oder gleich als «spektakulär dumm» (Andrew Sullivan) belächelt wurde. Der Inhalt war weiter nicht nennenswert.

Doch nun wird Hanson zur kompetenten Stimme aufgepumpt und darf mit Pirouetten, Grätschen am Pferd und an den wenigen kritischen Fragen vorbeiplaudernd, sein Klagelied über die ungerechte Behandlung Trumps in den Medien singen.

Wir können nur hoffen, dass uns die WeWo nicht noch mit einem Trump-Interview überrascht, wenn der zwischen Gerichtsterminen dafür Zeit finden sollte.

Bli-Blü-Blick

Etwas unfokussiert kommt zurzeit der «Blick» daher. Er informiert seine Leser alarmistisch über etwas, was sie schon längst mitbekommen haben. Ausser, sie liegen im Bett: «30 Zentimeter Schnee im Flachland!» Wahnsinn, nach dem Killervirus nun auch noch der Killerschnee. Dabei liefert er viel weiter unten und klein eine Story, die sich für ein Boulevardblatt gut eignet: «Unfall in Chur: Schneepflug erfasst Passantin (44)». Das wäre ausbaufähig; obwohl die Fussgängerin nur «leicht verletzt» wurde; dem Fahrer des Schneepflugs wurde der Führerausweis und eine Blutprobe abgenommen.

Apropos Blutprobe, endlich kann der «Blick» an der Corona-Front mit neuen Formen des Schreckens arbeiten, nicht mehr mit der Wiederholung des Ewiggleichen: «Wissenschaftler fürchten sich vor neuen Mutationen.» KMU-Besitzer fürchten sich vor dem Bankrott, Angestellte fürchten die nächste Entlassungswelle, Beizer fürchten sich gar vor dem Abgrund. Und die Sonntagszeitungen fürchten sich vor weiteren Einbrüchen bei den Verkaufszahlen.

Einsam im Wald: Bezahl-Kasten des SoBli. © Urs Oskar Keller

Da hilft nur eins: weiterkämpfen wie der Trump-Terminator. Aber immer darauf achten, dass die Frisur sitzt.

 

*Dank eines Leserhinweises konnte hier die Falschschreibung des Namens behoben werden.

 

Fies, reich, aber nur auf dem ZDF

40 Jahre «Denver-Clan»: SRF zelebriert ein Jubiläum, das gar nie auf SRF gezeigt wurde.

Die Tagesschau-Hauptausgabe vom 12. Januar widmete ihren obligaten Kulturbeitrag einer klassischen Soap. «Der Denver-Clan wird 40 Jahre alt», jubilierte Florian Inhauser mit sichtlichem Vergnügen. «Wer in den 80er Jahren ein Fernsehgerät bedienen konnte, kam an ihnen nicht vorbei», so seine spezielle Einschätzung. «Eine Erfolgsserie mit einer komplett disfunktionalen Ölmillionärsfamilie und der wahrscheinlich höchsten Dichte an Föhnfrisuren der TV-Geschichte». 2 Minuten und 46 Sekunden widmete das Schweizer Fernsehen dem Ereignis. Am 12. Januar 1981 feierte der «Denver-Clan», im Original «Dynasty» genannt, Premiere in den USA.

Auch «Biest» Joan Collins spielte mit. (Screen: SRF)

Die Seifenoper spielt in Denver Colorado – im Mittelpunkt steht der Öl-Magnat Blake Carrington und seine Frau Krystle. Zum Publikumshit wurde die Soap-Opera dank der Figur von Alexis Carrington-Colby-Dexter-Morell. Ähnlich berühmt war schon Dallas, eine von 1978 bis 1991 produzierte US-amerikanische Fernsehserie, die in der gleichnamigen texanischen Stadt Dallas spielt und die Verwicklungen der fiktiven Familie Ewing darstellt. Ihr Milieu: eher das Neo-Cowboy-Styling.

Beide Erfolgsserien hatten eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit. Sie wurde nie auf SRF ausgestrahlt, wie die Medienstelle auf Anfrage mitteilt. So bekommt Florian Inhausers Moderationseinstieg eine spezielle Note.

Dass das Schweizer Volk damals in die Röhre guckte oder auf ausländische Sender ausweichen musste, war im Tagesschau-Bericht kein Thema. Zum Glück gab es das ZDF, ARD und das ORF. Wenn man die Sender via Antenne störungsfrei ins Haus bekam.

Bald das Motel-Jubiläum

Ob SRF 2024 wieder einen ähnlichen Bericht bringt? Dann feiert die umstrittene Serie «Motel» ihren 40. Geburtstag. Diese Serie wurde – im Gegensatz zu Dynasty und Dallas, nie auf einem ausländischen Sender gezeigt. Hier für alle Nostalgiker die genauen Sendetermine von «Denver Clan» und von «Dallas», freundlicherweise zur Verfügung gestellt von SRF.

Ältere Semester erinnern sich bestens an die DRS-Serie von 1984 «Motel» u.a. mit Jörg Schneider.

Verlängerter PR-Arm

Branchenportale glänzen durch Verlautbarungsjournalismus.

Tamedia fusioniert die Regionalredaktionen des Tagesanzeigers, der Zürichsee-Zeitung, des Zürcher Unterländers und des Landboten. Damit verschwindet die lokale Sicht auf kantonale Themen. Zürcher Einheitsbrei ist mit diesem neuen Mantelresort programmiert. Nun hat’s natürlich zu viele Journalisten. «Natürliche Fluktuationen, interne Wechsel, Anschlusslösungen», heisst es von der Medienstelle gegenüber Keystone-SDA. Wer nicht kündigt, muss gehen. Möglich sei auch ein Sozialplan. Den braucht‘s laut Gesetz nur bei einer Massenentlassung.

Ein Päckli, ein vorproduziertes Interview?

Soweit, so schlecht. Nicht geglänzt haben bei dieser Hiobsbotschaft bisher die Branchenportale. Persönlich.com hat zwar das Kunststück fertiggebracht, ein langes Interview mit den drei Superchefredaktoren aufzuschalten. Kunststück darum, weil es wenige Stunden nach der Medienmitteilung der TX Group schon online war. Wie war das nur möglich? Wer das zahnlose PR-Interview gelesen hat, kann sich die Entstehungsschichte ausmalen. Die geht etwa so: Die Abbaufirma bietet einem Branchenportal ein Exklusivinterview an. Dafür darf man es gegenlesen. Und ja, wichtig sind die Stichworte «Innovation», «Zeitungsverbund», «Redaktionsnetzwerk» und «Stärkung», wird von der Medienstelle ganz kollegial nachgeschoben. Gesagt, getan. Ein herrliches Beispiel von Verlautbarungsjournalismus.

Neuer Vorgesetzter Benjamin Geiger

Interessant ist die nebenbei erwähnte Personalia. Neuer Chef des hochgelobten Zeitungsverbundes wird das bewährte Schlachtross Benjamin Geiger. Es bestätigt gegenüber persönlich.com, es werde Vorgesetzter von Priska Amstutz und Mario Stäuble. Gerade kürzlich hat man die Beiden als neue Hoffnungsträger für den «Tagi» gefeiert. So schnell kann’s gehen.

Standorterhalt – wer’s glaubt?

Die Beteuerung, dass die bisherigen Standorte behalten werden, ist natürlich Blödsinn. Aus zwei mach eins, die Schrumpfung der Zürichsee-Zeitung vom Standort Stäfa an die Aussenstelle Wädenswil war nur der Anfang. Corona zeigt, dass Journalisten ihr Handwerk auch von zuhause aus ausüben können. Dass die Nähe zum Geschehen leidet, nimmt man in Kauf.

Der Kleinreport

Der  Kleinreport machte sich die Aufgabe noch einfacher. Unter dem Titel «Tamedia gründet Redaktionsnetzwerk Zürcher Zeitungsverbund» übernahm er  grossomodo die Medienmitteilung.

Medienwoche und edito.ch in Schockstarre

Geht’s noch einfacher? Leider. Die einst durchaus lesenswerte Medienwoche brachte  – gar nichts. Ausser in der Unten-links-Rubrik «News» ein Link auf den Persönlich.com-Artikel. Die Katze, die sich in den Schwanz beisst.

Leere gab’s auch auf edito.ch, immerhin die Plattform der Medienberufsverbände Impressum und Syndicom.  Es scheint, wie wenn sich eine Art Schockstarre breit gemacht hätte.

Nachtrag: 24 Stunden nach Erscheinen dieses Textes schob der Kleinreport einen gepfefferten Insiderbericht über den TX-Group-Entscheid nach, aus inoffizieller Redaktionssicht des Tages-Anzeigers.

Blablajour: Das haben nicht mal die Basler verdient

Schon Kurt W. Zimmermann beschimpfte die Basler als mediale Trottel. Recht hat er.

Fehler machen kann jeder. Als der Basler Daig mit offenen Mündern zuschaute, wie ihre grossartige Verlegerdynastie die «Basler Zeitung» an den Rand des Ruins führte, hätte es theoretisch die Möglichkeit gegeben, dem unfähigen Hagemann Junior sowohl finanziell wie strategisch unter die Arme zu greifen.

Lieber nicht, sagte sich der Daig. Als sich dann enthüllte, dass der Gottseibeiuns für viele Basler Linke, Edellinke und Daig-Linke, dass Christoph Blocher die «Basler Zeitung» gekauft hatte, begann sogar der Daig zu blubbern und Pickel zu kriegen.

Und als dann auch noch der kleine Gottseibeiuns die Chefredaktion übernahm, da war es fast allen in Basel klar: So geht das nicht. So geht das überhaupt nicht. Statt eine langsam in den roten Zahlen ersaufende, dafür aber Basler BaZ haben wir nun ein von Zürich aus gekapertes Blatt, das so rechtspopulistisch sein wird, dass nur noch die rechte Randspalte bedruckt wird.

Die Rettung nahte: Geld wie Heu

Was tun, fragte sich da der Daig, wie weiland Lenin. Wie es sich gehört, fanden diskrete, aber erregte Gespräche statt. Viele Redaktoren der BaZ waren natürlich zutiefst entrüstet, dass sie nun sicherlich statt von links nach rechts von rechts nach links schreiben mussten. Niemals, sagten sie, aber blöd auch, aufrecht kündigen wäre einfach, einen neuen Job suchen nicht so sehr.

Aber die Rettung nahte, eine reiche Pharma-Erbin öffnete die Portokasse ihrer Portokasse und schmiss ein paar Millionen auf. Damit kann man etwas anfangen, sagten sich viele Journalisten, auch bei der BaZ, die zwar ums Verrecken keinen Anlass fanden, um dem neuen Chefredaktor Markus Somm in irgendeiner Form Zensur, Eingriffe, politische Vorgaben vorwerfen zu können.

Das alles sollte erst noch kommen, denn nach vielen öffentlich solidarisch, aber insgeheim natürlich intrigant geführten Debatten entstand die «TagesWoche». Nun konnten einige BaZ-Journalisten, nicht gerade die besten, endlich die Konsequenz daraus ziehen, dass sie zwar nicht auf rechtspopulistische Linie getrimmt werden sollten, aber grundsätzlich und aus Prinzip nicht für ein Blocher-Somm-Organ arbeiten konnten.

Statt Begeisterung sehr schnell Ernüchterung

Am 28. Oktober 2011 erblickte die erste Ausgabe das Licht der Welt; mit dem grossartigen Slogan: «Die Welt im 21. Jahrhundert braucht Medien aus dem 21. Jahrhundert.» Das mag so sein, aber während Gottseibeiuns Blocher zusammen mit Eisenfuss Bollmann den Trümmerhaufen BaZ aufräumte und sanierte (nicht zuletzt mit dem Einschuss von Geld in die Pensionskasse), holperte die «TagesWoche» von Anfang an vor sich hin.

Anspruch und Einlösung, mit vollen Händen das Startkapital ausgeben, aber keinerlei Businessplan, wie es nach einer Anschubfinanzierung aus eigenen Kräften weitergehen sollte: die erste Begeisterung, es den Zürcher Invasoren gezeigt zu haben, machte sehr schnell einer grossen Ernüchterung Platz.

Wie es sich gehört, begannen auch ziemlich schnell die offen ausgetragenen Intrigen und Machtkämpfe im Kollektiv. Schon nach anderthalb Jahren wurde der Gründungschefredaktor abgesägt. Ein knappes Jahr später wurde Urs Buess offiziell entsorgt. Dem Trio um Dani Winter wurden zwar exzellente Beziehungen zur Mäzenin nachgesagt, aber Performance, Erfolg, Führung, das waren nicht so ihre starken Seiten.

Schritt für Schritt konsequent zum Ende

Den Anfang vom Ende leitete das Bekanntwerden eines übelriechenden Deals ein. Mehr als die Hälfte der beglaubigten Printauflage verstopfte gratis die Flughäfen Basel und Zürich. Machen auch andere, aber nicht gleich mit dem grösseren Teil der Auflage. Auch die tolle «Community» mit angeblich ziemlich aktiven 10’000 Mitgliedern erwies sich als ein Luftschloss. 70 Prozent von ihnen waren laut den eigenen Statistiken der TaWo noch nie aktiv geworden.

2015 wurden dann auch Dani Winter samt Gefolgschaft per sofort rausgeworfen. Ab Januar 2016 versuchte es noch ein Neuer, aber auch Christian Degen verliess das sinkende Schiff ein Jahr später. Am 5. November 2018 überraschte dann die Herausgeberschaft die wenigen verbliebenen Leser und Mitarbeiter mit der Nachricht, dass das Blatt zugeklappt werde. Sicher reiner Zufall, dass das eine Woche nach dem Abschluss des Verkaufs der BaZ an Tamedia bekannt gegeben wurde.

Hat die reiche Mäzenin etwas aus diesem Desaster gelernt?

Ende der Fahnenstange, 30 gefeuerte Mitarbeiter verbrachten fröhliche Weihnachten. Nun könnte man ja einige Schlussfolgerungen daraus ziehen. Zum Beispiel, dass ein Organ «gegen» damit keine Existenzberechtigung  für irgendwas bekommt. Zum Beispiel, dass sich die TagesWoche eigentlich als Lokalblatt positionieren wollte, ihre Redaktoren aber natürlich lieber die grosse, weite Welt als ihr Thema sahen.

Und schliesslich, eine millionenschwere Anschubfinanzierung ist eine tolle Sache, aber irgend etwas oberhalb von «wird schon irgendwie» als mittelfristiger Businessplan, das sollte es schon mal geben. Gab’s nicht, stattdessen Intrigen, Stühle wegziehen, Beschiss.

Unverdrossen, denn es leert sich ja weiterhin nur die Portokasse der Portokasse, wurde neuerlich eine Million pro Jahr als Anschubfinanzierung für irgendwas ausgelobt. Ausgerechnet dem begabten Millionenverröster Hansi Voigt den Zuschlag zu erteilen, der gerade nicht ganz freiwillig die Geldvernichtungsmaschine «watson» verlassen hatte, zeugte nicht gerade von Weitblick und gewonnenen Erkenntnissen.

Schon wieder riecht es streng nach Untergang

Wie schon mehrfach berichtet, brüstet sich bajour.ch inzwischen mit «2427 Member». Da Voigt sich leider weigert, unsere Fragen zu beantworten, weiss niemand, ob die wirklich oder nur digital existieren. Aber selbst wenn, wie bajour mit seiner aufgeblähten Mitarbeiterstruktur mit bloss 100’000 Franken im Jahr durchkommen will, wenn dann mal die drei zugesagten Millionen verbrannt worden sind, das steht in den Sternen. So viel verbraucht bajour bei jämmerlichem Output für Gehälter und Infrastruktur. Pro Monat.

Aber im Gegensatz zur «TagesWoche» überzeugt bajour doch sicher durch eine umfangreiche und aktuelle Berichterstattung aus Basel? Nun ja, dem vielköpfigen Team um Voigt ist es in diesem Jahr gerade mal gelungen, ganze sechs Stücke rauszupusten. Darunter ein Gastkommentar und ein Bericht über nachkolorierte alte Aufnahmen von Basel.

Zuoberst ein Nachruf auf Genosse Pfister, ein Klimaprozess, die Eröffnung eines Second-Hand-Shops. Und dann das.

Schon ins alte Jahr zurück führt das Trendthema Sexualität. Einmal als «Transboys will be Boys and only Boys? Blödsinn!» (muss man nicht verstehen) oder als

«Ich hasste es, eine Frau zu sein.»

Ein erschreckender Bericht über Endometriose; fünf Betroffene berichten (muss man nicht kennen). So der Stand am 5. Januar 2021.

Für diese magere und tropfenweise verabreichte Kost sollen tatsächlich knapp 2500 Basler je 40 Franken springen lassen? Und sich wunschgemäss verzehnfachen, wenn bajour in zwei Jahren aus eigenen Kräften über die Runden kommen soll? Also

so vertrottelt können nicht einmal die Basler sein,

Zimmermann hin oder her.

 

Packungsbeilage: Ich publizierte in der BaZ unter Somm. Über alles, was ich wollte. Wie ich wollte. Niemals zensiert, niemals umredigiert.