Tell, teller am tellsten

Der Abstimmungskampf in der heissen Phase. Die Befürworter am Ende.

Man muss an Sabotage denken. Denn so viel Dilettantismus in der Medienbranche kann nicht nur durch Unfähigkeit erklärt werden. Die Webseite der Befürworter der Steuermilliarde für notleidende Medienclans kommt daher wie ihr eigenes Begräbnis:

Der Name «Die Meinungsfreiheit» lässt 90 Prozent der Stimmbürger etwas ratlos zurück. Der Slogan «Demokratie braucht starke Medien» erklärt auch nicht wirklich, wieso sie mit zusätzlich Hunderten von Millionen unterstützt werden müssten.

Auf Deutsch gibt es den Begriff veräppeln. Das bedeutete ursprünglich, jemanden mit Äpfeln bewerfen, im übertragenen Sinn hochnehmen, auf den Arm nehmen, eine Lüge glaubhaft erzählen.

Das kommt einem beim Plakat der Befürworter automatisch im Sinn. Obwohl hier Tells Armbrust gar nicht zum Apfelschuss fähig wäre:

Zu dieser Werberschande haben wir schon alles Nötige gesagt. Sie wird auch nur sehr schamhaft plakatiert. Denn wer soll das verstehen? Tell, Zeitung, Mauer, Fake News. Das seien «Fakten»?

Es gibt aber offensichtlich noch Varianten, zum Beispiel diese hier:

ZACKBUM ist noch verwirrter. Ist das Tell, nachdem er die Mauer mit der Zeitung niedergemacht hat? Und dann in ein Wurmloch geriet, um weiter in der Zukunft zu landen? Denn hier hat er zwar immer noch die defekte Armbrust im Rücken, ist aber von einem Tablet, einem Radio (DAB+?) und einem Laptop umgeben.

In der Hand hält er offensichtlich ein Smartphone. Ob er da ein Apfelschussspiel geniesst? Und wieso hat er es sich auf jeder Menge Zeitungspapier bequem gemacht? Wozu braucht er das eigentlich, bei all seiner elektronischen Ausrüstung?

Tell, teller am hellsten? Oder am tollsten? Bekommt Tell bei Annahme des Medienpakets eine funktionierende Armbrust? Oder ein neues Smartphone mit 5 GB gratis plus Roaming in Europa inklusive? Wieso braucht er all das, um Nachrichten aus seiner Region zu empfangen?

Ach, es muss Sabotage sein. Dummheit reicht als Erklärung nicht aus. Oder doch?

Punkt, Satz, Sieg

ZACKBUM wird noch zum NZZ-Groupie. Aber nur punktuell.

Bei all den Ausflügen in tiefste Niederungen des Kampagnenjournalismus tut eine Stimme der Vernunft einfach gut.

In der Affäre Djokovic – darf ein Tennisspieler in Australien Tennis spielen – haben sich die drei Schweizer Medienkonzerne Tamedia, CH Media und Ringier bis auf die Knochen blamiert.

Sie haben diese nebensächliche Story zu einem Grosskampf über Impfschwurbler, arrogante Serben und Grössenwahn aufgeblasen. Sie haben alle niederen Instinkte bedient und mit Fotos gearbeitet, wegen deren demagogischen Gehalt sie man den Bildredaktoren um die Ohren hauen sollte.

Dass ein paar Amoks – auch aus niederen persönlichen Gründen – voll auf die Kacke hauten, ist nicht mal das Problem. Sondern dass das alle Kontrollinstanzen durchlief – ohne Einspruch.

Vor diesem Hintergrund ist es beruhigend, dass ein Kommentator in der NZZ noch Mass und Mitte kennt. Nachdem wir uns schon beim grossen Vorsitzenden Eric Gujer rangeworfen haben, wollen wir auch hier ein paar Kernsätze unkommentiert zitieren, weil die einfach nicht nur elegant formuliert, inhaltlich richtig, sondern auch wohltuend unaufgeregt sind.

«Man kann von Novak Djokovic halten, was man will. Man kann seine Weigerung, sich impfen zu lassen, für sein gutes Recht sehen oder als Dummheit. Man darf sich zurecht fragen, warum so ein Aufsehen gemacht wird um einen Typen, der sich allein dadurch auszeichnet, dass er gelbe Bälle besser über ein Netz schlägt als andere Menschen.»

«Es geht darum, dass es eine australische Ausnahmeregelung gibt, laut der ungeimpfte Spieler ans Tournier nach Melbourne reisen können. Novak Djokovic ist ungeimpft. Aber Djokovic hat die Ausnahmebedingungen erfüllt – das haben zwei unabhängige Kommissionen befunden.»

«Als die Grenzschutzbehörden Djokovics Visum annullierten und ihn in Auslieferungshaft steckten, twitterte Premierminister Scott Morrison: «Regeln sind Regeln – vor allem, wenn es um unsere Grenzen geht. Niemand steht über diesen Regeln.» Das war billigster Populismus.»

«Für die brusttrommelnden Politiker heisst das: «Gesteht euch ein, dass ihr euch verschätzt habt.»

Ihnen bleibt nur, das Australien Open am Fernseher zu schauen – und ganz fest zu hoffen, dass Djokovic das Tournier nicht auch noch gewinnt. Sonst haben sie neben dem Schaden auch noch den Spott.»

Um es im Tamedia-Jargon verständlich für die übrigen Journalisten auszudrücken: diese Sätze sind Schläge ins Gesicht dieser Schreibnulpen.

 

 

Führungslos durch die Nacht

Christof Moser tritt überraschend als Chefredaktor der «Republik» zurück.

Als herrliches Beispiel für transparente Kommunikation teilt die «Republik» mit, dass sich ihr Chefredaktor per Ende Januar verabschiedet. Er sei ein bisserl müde, werde aber den «Übergangsprozess» noch einige Monate begleiten.

Die Gründer: nun ist nur noch einer übrig: Seibt (Mitte).
Wallraff gehörte nie dazu, alle anderen (Moser rechts) sind nun weg.

Ob er in anderer Funktion dem Online-Magazin erhalten bleibe oder nicht, das wisse er noch nicht. Und nein, für Interviews stehe er nicht zur Verfügung.

Interimistisch übernehme sein Stellvertreter Oliver Fuchs, über dessen Befähigung auf irgend einem journalistischen Gebiet man mit guten Gründen so seine Zweifel haben kann.

Aber es solle dann eine neue Führungscrew entstehen, teilen die Retter der Demokratie noch mit.

Wenn ein Chefredaktor bekannt gibt, dass er in 20 Tagen dann mal weg sei, als Begründung eine gewisse Müdigkeit anführt, die Nachfolgeregelung nur aus einer Interimslösung besteht, dann hat’s gekracht.

Hat Moser die unendlichen Streitereien mit dem Godfather der «Republik» satt gehabt? Hat Constantin Seibt endlich den Machtkampf doch gewonnen? Ist Moser mit seinem Mikromanagement und seiner verbohrten Weigerung, ohne rechtlichen Zwang irgend einen Fehler einzugestehen, den übrigen Republikanern zunehmend auf den Geist gegangen?

Hat er sich in der Frage, ob die «Republik» als potenzieller Grossprofiteur dem vor der Abstimmung stehenden Medienpaket zustimmen soll oder nicht, zu sehr aus dem Fenster gelehnt?

Man weiss es nicht. Man weiss nur: Transparenz ist was anderes.

Lustige Zeiten bei der NZZ

Wenn die NZZ dem Schwesterblatt NZZaS eine reinwürgt.

Früher war es legendär, wie sich «SonntagsBlick» und «Blick» gegenseitig gehasst haben. Weiterzug einer Story, gemeinsame Kampfbündnisse? I wo, wenn man sich gegenseitig ignorieren oder in den Unterleib treten konnte: sehr gerne.

Das hat sich im Rahmen der Sparmassnahmen und der Skelettierung der beiden Blätter erledigt. Aber im Hause NZZ gibt’s noch Potenzial.

Die NZZaS wartete mit dem Primeur auf, dass sie einen der beiden Hauptbeschuldigten in der Affäre Vincenz kurz vor Prozessbeginn zu einem längeren Interview überreden konnte. Nachdem Beat Stocker eisern die ganzen, quälenden Jahre der Untersuchung geschwiegen hatte.

Immerhin, was man auch vom Inhalt seiner Aussagen halten mag. Da könnte man ja von der NZZ etwas Applaus erwarten.

Könnte man, gibt’s aber nicht. Im Gegenteil. Am Dienstag nach dem Interview meldet sich Lorenz Honegger in der NZZ zu Wort. Die zweite Generation Honegger zieht blank:

Das war wohl nix, daher ist sein vernichtendes Urteil natürlich gepaart mit der unausgesprochenen Frage, wieso sich die NZZaS dafür hergegeben habe.

Nun baut Honegger seine Anklage auf die Aussagen von «zwei führenden Schweizer Litigation-PR-Experten». Darunter versteht man die Benützung der Öffentlichkeit zwecks möglicher Beeinflussung von Richtern.

Der eine Experte ist «Patrick Krauskopf, Professor für Wirtschaftsrecht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.» Das Problem: der ist völlig unbeleckt von Kenntnissen über das Strafrecht und auch sonst in der Branche niemandem als Litigation-PR-Experte bekannt.

Aber praktisch, dass er das interview kritisch sieht: «Ich würde den Angeklagten die Botschaft nicht selbst überbringen lassen.» Und: ««Qui s’excuse, s’accuse», sagt Krauskopf.»

Der zweite «führende Experte» heisst «Laurent Ashenden, Gründer und Geschäftsführer der PR-Agentur Voxia». Der ist ebenfalls noch nie öffentlich in dieser Funktion aufgefallen, was wohl auch den eher dürftigen Trackrecord auf seiner Webseite erklärt. Aber auch Ashenden darf zuschlagen:

«Seine Message ist: Ich bin unschuldig. Aber er schafft es nicht, zu überzeugen.»

Krauskopf darf dann noch das letzte Wort behalten: «Man wird sich fragen, ob es geschickt war, am zweiten Neujahrstag mit einem solchen Interview herauszukommen.»

Anlass, Honegger ein paar Fragen zu stellen:

  1. Halten Sie es für seriös, mit diesen beiden No-Names Kritik am Interview im Schwesterblatt zu üben?

  2. Aufgrund welcher Kriterien haben Sie die beiden ausgewählt?

  3. Sucht man nach den Begriffen «Litigation, Experte, Schweiz» kommt eine ganze Reihe von solchen Angeboten seriöser Kanzleien. Wieso haben Sie keine der so auffindbaren gewählt?

Trotz grosszügig bemessener Antwortfrist verfiel Honegger aber in finsteres Schweigen, was angesichts des sonstigen Niveaus der NZZ doch überrascht.

Da bleibt Platz für Interpretationen. Wie wär’s damit: die grösste Veränderung in den letzten Monaten war der Antritt des neuen NZZaS-Chefredaktors Jonas Projer. Der versucht, dem Sonntagsblatt etwas mehr Drive zu geben und vor allem die Interaktion mit der Leserschaft zu verstärken.

Projer hat dabei die Hypothek, dass er als TV-Mann abgestempelt ist und zudem von «Blick»-TV kommt. Da schüttelt es jeden alten NZZler durch, der das eigene «Format» als Benchmark für seriöse TV-Mache sieht.

Zudem ist es nicht ganz klar, wie eigentlich die Hierarchie zwischen God Almighty Eric Gujer und Projer aussieht. Bei seinen beiden Vorgängern war klar, wer Herr ist und wer Knecht. Durch die weitgehende Zusammenlegung von NZZ und NZZaS schrumpft ja auch das Königreich des NZZaS-Chefs.

Da ein unbedeutender Redaktor wie Honegger so ein Stück sicherlich nicht ohne Einverständnis aller oberen Chargen veröffentlichen konnte, stellt sich die lustige Frage, ob das ein öffentlicher Warnschuss von der Kommandobrücke des Dampfers NZZ vor den Bug des Beiboots NZZaS war.

Gujer könnte sich die naheliegende Frage stellen, wozu es eigentlich noch einen eigenständigen zweiten Chef im Hause braucht …

 

 

 

 

 

 

 

 

Lob, wem Lob gebührt

Wenn Eric Gujer zum «anderen Blick» ansetzt, entsteht grosses Kino.

«Hilfe, die Welt geht unter!» So betitelt Eric Gujer seinen Tour d’horizont, den er pünktlich jeden Freitag abläuft. In erster Linie ans deutsche Publikum der NZZ gerichtet, aber stilbildend auch in der Schweiz.

Untadeliger Aufbau, gescheiter Inhalt, elegant formuliert. Trotz fast 10’000 A in der gekürzten Version: das ist ein Leitartikel, der Nostalgie auslöst. Es geht nicht um die Bewertung der Position, um die Frage richtig oder falsch.

Es geht darum, dass sich an diesem Leitartikel die Fallhöhe abmessen lässt, die inzwischen unter der NZZ klafft. Viele versuchen sich in der Schweiz an staatstragenden Tönen, möchten so souverän und als Elder Statesmen wie weiland Helmut Schmidt formulieren. Verwenden Fundstücke vom NZZ-Jargon der abgedämpften und vornehmen Zurückhaltung.

Aber können’s halt nicht. Gujer kann’s.

«Die nunmehr seit zwei Jahren andauernde Selbstermächtigung der Bürokratie wird begleitet von Panikmache in Politik und Medien.»

«Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder orakelt düster, Corona sei die «grösste Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg». Wo sich Politiker im totalen Krieg wähnen, handeln sie entsprechend.»

«In diesem Kreislauf von Reiz und Reaktion fällt die Politik Entscheidungen, die nicht zwangsläufig besser sind als Bodenmarkierungen im Supermarkt.»

«Zu gutem Krisenmanagement gehört, sich auf alle Wechselfälle einzurichten. Aber Eventualitäten sind noch keine Tatsachen. Diese Erkenntnis scheint während der Seuche verloren gegangen zu sein.»

«Der Krankheitserreger zeigt sich erfinderischer als der Mensch. Für den Homo sapiens ist das eine existenzielle Demütigung.»

«Nirgends wird das utopische Element der Pandemiepolitik deutlicher als in den Extremformen des Diskurses, bei radikalen Massnahmen-Befürwortern und Corona-Leugnern.»

«Die Hohepriester der Hysterie machen sich das Verlangen nach Kontrolle zunutze, indem sie noch mehr Anstrengung, noch mehr Restriktionen fordern.»

«Vor der Aufklärung fühlte sich der Mensch selbstverständlich in Gottes Hand. Im säkularen 21. Jahrhundert ist diese Geborgenheit dahin. Es wäre nicht falsch, wenn wir wenigstens eine Schwundform des alten Gottvertrauens behielten: Demut und Bescheidenheit in dem Wissen, dass der Mensch eben doch nicht der Meister des Universums ist; und Skepsis gegenüber einem Machbarkeitswahn, der für alle Übel eine schnelle Lösung verspricht.»

Das zu lesen bedeutet, in elegant formulierter Vernunft baden. Bevor wir wieder versuchen, im ansteigenden Meer der Dummheit den Mund über Wasser zu halten.

Wenn ein -ic im Netz hängenbleibt

Besser geht’s nicht. Serbe, Veganer, hält sich für was Besonderes. Auf ihn.

Man kann Menschen schon durch eine bösartige Auswahl des Fotos denunzieren:

Vorsicht, bissiger Serbe …

Man kann auch einen offenbar komplexen Sachverhalt simplifizieren. Dann geht die offizielle Story so: ein «arroganter» Serbe, der auch bei seinem Tennisspiel auf eine «teuflische Strategie» setzt, meint, er sei von allen Regeln befreit.

So ein kleiner Horta-Osório, sozusagen; der VR-Präsident der CS meint ja auch, für ihn gälten keine Corona-Regeln.

Mit dieser Haltung sei Novak Djokovic nach Australien gereist. Obwohl er um seinen Impfzustand ein Geheimnis macht. Wahrscheinlich ist er ein Impfgegner, ein Verschwörungstheoretiker, ein Serbe halt, was kann man da schon erwarten.

Wäre Roger Federer nie passiert. Der lebt schliesslich bescheiden, zurückhaltend, nett, ist aus Teflon gemacht. Kann für so ziemlich alle Produkte gleichzeitig werben, unser Roger.

Hier komme ich, Bahn frei, dachte Djokovic sicherlich, bis ihn die australische Einwanderungsbehörde eines Besseren belehrte. Jetzt sitzt der Trottel in einem Quarantänehotel, während ganz Serbien mordlüsterne Drohungen ausstösst.

Wieso sollte man sich von der Realität eine tolle Vorurteils-Story kaputtmachen lassen? Es ist offenbar so, dass sowohl der ausstralische Bundesstaat Victoria wie auch der Turnierveranstalter Djokovic grünes Licht gegeben haben. Als Genesener sei die Einreise kein Problem, welcome.

Sahen die Grenzer anders, und schwups, schon ist’s eine Affäre, in der es um Gesichtswahrung und Kneten von Emotionen geht.

Viele Spieler beantragten eine Ausnahmebewilligung, nicht nur Djokovic

Insgesamt haben laut Tennis Australia immerhin 26 Spieler am Turnier eine Ausnahmebewilligung und eine Befreiung von der Impfpflicht beantragt.

Geradezu lyrisch wird «The Australian»: «Djokovics Trotz bedroht seine Odyssee, der Beste zu sein», titelt das Blatt. Er stünde «am Rande der Endgültigkeit und am Pranger des Spotts».

Mit dieser Aktion werde sein Vermächtnis unwiderruflich zerstört, behauptet die Zeitung. Häme auf allen Kanälen ist ihm tatsächlich sicher. Hunderte von arroganten Spott-, äh Sportjournalisten geben ihm den guten Ratschlag, doch einfach wieder nach Hause zu fliegen, sich nicht so anzustellen und überhaupt, sich endlich impfen zu lassen.

Dass ein Tennisstar wie Djokovic, ein kleiner Konzern mit Entourage, eng getaktetem Zeitplan, sicherlich nicht einfach so 15 Stunden nach Australien fliegt, um dort mal zu schauen, ob man ihn rein- und spielen lässt, ist zwar offenkundig, würde aber die Möglichkeiten für Häme und Spott deutlich mindern.

Einer haut bei solchen Themen furchtbar gerne auf die Kacke

Richtig auf die Kacke haut wie meist bei solchen Themen Enver Robelli. Vielleicht sollte Tamedia die Berichterstattung über den Balkan nicht einem Mitarbeiter mit, nun ja, Migrationsgeschichte, überlassen. Denn Robelli geht es offensichtlich weniger um die Aufklärung der Leser, mehr um die Abarbeitung eigener Vorurteile.

Über die Abschiedsreise der deutschen Ex-Bundeskanzlerin durch den Balkan zeigte er sich «irritiert», denn: «Merkel umarmt die Autokraten». Da war er aber noch sanft gestimmt. Der gebürtige Kosovare leistet gegenüber Kroatien einen gewaltigen Beitrag zur Völkerverständigung:

«Kroatiens Präsident als Provokateur: Er poltert gerade wie ein Betrunkener – gegen Minister und Bosniaken».

Ein besoffener Präsident, da hat die nüchterne Merkel Schwein gehabt. Auch die Sache mit dem Osmanischen Reich hat Robelli nicht vergessen: «Der Westen darf vor Erdogan nicht einknicken.»

Aber zur Höchstform läuft Robelli bei der Affäre um Djokovic auf. «Serbische Krawallpresse», schimpft Krawallant Robelli, «Belgrader Hetzblatt», hetzt Robelli. «Selbstverständlich hätten die aufopferungswilligen Serben 1389 in der Amselfeld-Schlacht gegen die Osmanen die ganze westliche Zivilisation gerettet», behaupte ein verpeilter «ultranationalistischer Pseudohistoriker» in seinen «Machwerken», die Djokovic promote.

Dabei sollte Robelli wissen, das die historische Wahrheit über dieses Gemetzel – wie meistens – viel komplexer ist, feststehende Tatsache hingegen, dass die Serben tatsächlich aufopferungsvoll gegen das Osmanische Reich in die Schlacht zogen.

Dann diagnostiziert Robelli bei den Serben «Grössenwahn», «verletzten Stolz» und überhaupt «krude Ansichten». Kein Wunder:

«Schwurbler Djokovic geniesst eine ungewöhnlich grosse Narrenfreiheit.»

Dabei sähen wir nun den «tiefe Fall eines grandiosen Tennisspielers».

Die bittere Wahrheit ist aber: Robelli verbreitet hier ungebremst seine kruden Ansichten, die mit dem Versuch, dem Schweizer Publikum die unglaublich komplizierte jüngere Geschichte des Balkans zu erklären, null zu tun haben. Besoffener Präsident, ein Volk im Grössenwahn, Hetzblätter, ein Sportler als Schwurbler.

«Wer in diesen Tagen die serbische Krawallpresse liest, der wähnt sich kurz vor einem Weltkrieg.» So leitet Robelli sein Schmierenstück ein. Dabei ist er selbst recht verpeilt: Wer diesen Artikel aus seiner Feder liest, der wähnt sich tatsächlich in den schlimmsten Zeiten von Hetzern und Schwadroneuren und verantwortungslosen Demagogen.

Deutschsprachige Krawallpresse, 1914 …

Wieso ein angebliches Qualitätsmedium wie der «Tages-Anzeiger» so etwas publiziert, ist unverständlich. Nein, ist eine Schande.

Ein Kommentarschreiber bringt die niedere Gesinnung, in der dieser Artikel entstand, auf den Punkt:

«Bitte in dieser Angelegenheit das Wort Serbe oder Serbien rauszulassen. Er ist als Djokovic hingegangen und nicht als Serbe. Auch die verrückten Nationalisten aus Serbien, sowie seinen Vater nicht mit Serbien in Kontext bringen, nur weil sie Bürger des Landes sind. Serbien verdient diesen Kontext nicht, sowie keine andere Nation den Kontext zu Ausreissern unter ihren Bürgern verdient.Damit setzt ihr sie mit mir und anderen Leuten, die diese Stempel zufällig mit der Geburt erhalten haben, in das gleiche Boot. Weder er noch Federer vertreten mich, noch identifiziere ich mich mit ihnen, auch wenn sie die selben Pässe wie ich haben. Mit diesem Stempel setzt ihr euch auf die gleiche Ebene wie die, über die ihr hier berichtet, das ist der Schweiz nicht würdig.»

Nein, weder der Schweiz noch einem sogenannten Qualitätsorgan, das dafür noch Steuergelder erwartet.

Bon soir, bajour

Wenn Lächerlichkeit doch nur töten könnte.

Bajour.ch ist eine der vielen Plattformen, die nur aus Gesinnung unterstützt werden. Ansonsten keinerlei Existenzberechtigung haben. Es gibt schlichtweg nicht genügend Publikum, um den mageren Ausstoss von vielen Mitarbeitern auf der Payroll zu finanzieren.

Angeführt wird das Projekt von Hansi Voigt. Mehr muss dazu eigentlich nicht gesagt werden.

Wer das Wort fremdschämen nicht versteht, sollte sich nur mal zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf diese Webseite verirren. Was nicht langweilig ist, ist langweilig und alt. Statt Journalismus gibt’s Gesinnung satt.

14 Nasen unterbieten täglich alles, was mit Leistung, Journalismus, Professionalität zu tun hätte. Das kostet aber. Alleine an Löhnen werden pro Jahr mehr als 1,2 Millionen sinnlos verröstet.

Dem stehen Einnahmen von behaupteten knapp 120’000 Franken gegenüber. Also ein Zehntel. Schön, dass es die «Stiftung für Medienvielfalt» gibt. Die buttert jedes Jahr eine Million rein. Gedacht war an eine «Anschubfinanzierung» in den ersten drei Jahren. Anschliessend sollte die Subventionierung auf den Betrag geschrumpft werden, den «bajour» selbst einnimmt.

Also bei 120’000 wären das nochmal 120’000 gewesen. Das hätte bedeutet, dass sich die Mannschaft von etwa 8 bis 10 Mitessern hätte trennen müssen. Geht nicht, klar. Also wird die «Anschubfinanzierung» um drei weitere Jahre verlängert.

Wie «Inside Paradeplatz» vermeldet: «Der Stiftungsrat hat in seiner Strategieklausur 2021 entschieden, (…) eine weitere voraussichtlich dreijährige Fördervereinbarung mit Bajour abzuschliessen.»

Nun ist es jedem Milliardär – auch jeder Milliardärin – unbenommen, ihr Geld in sinnvollen oder sinnlosen Unternehmungen zu verpulvern.

Richtig witzig wird es aber, wenn bajour und auch der Hauptprofiteur von milden Gaben Voigt gegen angeblich «rechtskonservative Milliardäre» schäumen, die sich Medien unter den Nagel rissen und gegen die Subventionsmilliarde seien, weil die ja bekanntlich staatsunabhängigen Journalismus rette. Während die Gegner «Freunde des Faschismus» seien, wie er krähte, um das dann zurückzunehmen.

Heuchelei greift im Journalismus immer weiter um sich. Aber selbst von einer Pharma-Erbin ausgehalten werden und gegen den Einfluss böser Milliardäre schimpfen, das schlägt alles.

Schrott abliefern, der am Markt keine Chance hat und dafür noch belohnt werden: das ist auch wahnwitzig. Aber so geht halt Gesinnung.

Sternstunde des Interviews

ZACKBUM ist bekennender Schmidt-Fan. Danke, NZZ.

Für einmal ist der Lead nicht zu hoch gegriffen: «Das Harald-Schmidt-Interview gilt längst als eigenes journalistisches Genre.»

Liegend besser als manche stehend: Harald Schmidt. (Screenshot NZZ)

Am 3. Januar wurde das neue Jahr mit einem solchen Glanzlicht durch die NZZ erhellt. Wenn man meckern will, und wann will man das nicht: es ist gemein, dass das hinter der Bezahlschranke versteckt ist. Diese Perlen hätten es verdient, von allen genossen zu werden …

«Ein guter Interviewer kommt erst einmal mit einer Frage, die einen völlig in Schlagsahne bettet. In meinem Fall wäre der ideale Einstieg: «Für mich sind Sie eine Art Frank Sinatra, der Nietzsche zu Ende denkt.» Dann denke ich, da ist einer, der mein Lebenswerk kennt.

Und dann fängt man an, sich um Kopf und Kragen zu reden.

Die tödlichste Kombination ist es, wenn der alte Hase, dessentwegen man zugesagt hat, einen jungen Kollegen mitbringen muss, der vor Ehrgeiz strotzt und als Erstes fragt: «Was macht das mit Ihnen, dass Sie beim vierten Sender rausgeflogen sind und keiner Sie mehr sehen will?» Der will natürlich abends im Klub oder in der Patchwork-Hölle sagen können: Dem hab ich gleich mal einen eingeschenkt.»

«Ja, ich bin jetzt Privatier, aber – Achtung, neue Pointe, die ich noch nicht verheizt habe – Fernsehen kann ich mir finanziell nicht mehr leisten. Ich bin gespannt, wie der Satz nach draussen wirkt. Meine Maxime war immer: Ihr könnt froh sein, dass ich überhaupt auftrete.»

«Als Gläubiger brauche ich keine Theologie. Ich glaube einfach. Ich kenne Frauen in den Neunzigern, die gehen jeden Sonntag in die Kirche und beten täglich den Rosenkranz. Die wissen nicht einmal, dass es überhaupt Theologieprofessoren gibt.»

Harald Schmidt, alles andere ist Dampfplaudern.

 

 

 

 

Fehlerkultur

Billionen, Millionen, Hunderttausende? Ist doch egal.

Gedruckt ist gedruckt. Das ist dann blöd, wenn beispielsweise 500 Millionen steht, wo eigentlich 500’000 richtig wäre.

Ein häufiger und beliebter Fehler von unterbelichteten Wirtschaftsjournalisten ist, das englische «one billion» mit «eine Billion» zu übersetzen. Naheliegend, aber falsch. Auf Englisch kennt man die Milliarde nicht, und eine deutsche Billion wäre dann eine «trillion».

Was der Wirtschaftsjourni kann, kann Kulturjournalist Jean-Martin Büttner schon lange. Zum Vielschreiber mutiert, äussert er sich auch zum Fall einer Amerikanerin, die vom verstorbenen US-Verbrecher Jeffrey Epstein sexuell missbraucht und angeblich auch an seine Bekannten weitergereicht worden sei. Darunter auch Prinz Andrew.

Nun habe die inzwischen 39-Jährige damals einen Deal bekommen. Schweigegeld, was all ihre Begegnungen betrifft. Zuerst hantiert Büttner dabei mit der doch etwas überraschenden Zahl von 500 Millionen Dollar. Fällt im Qualitätsorgan Tamedia mit unendlich vielen Kontrollstellen, Produzenten, Blattmachern, Tagesverantwortlichen, Internet-Verantwortlichen plus Korrektorat – niemandem auf.

Also kommt’s so ins Netz. Das fällt dann aber doch dem einen oder anderen aufmerksamen Leser auf:

Diese Kommentare bleiben, der Text sieht allerdings neu so aus:

Weil im Internet eben – im Gegensatz zum Print – spurlos radiert, korrigiert, verändert werden kann, ist es bei Qualitätsmedien Brauch, bei solchen Änderungen eine Anmerkung dranzuhängen, dass in einer ersten Version von 500 Millionen Dollar die Rede war, das aber inzwischen aufgrund von Leserhinweisen korrigiert worden sei, und Entschuldigung auch.

Das ist wie gesagt bei Qualitätsmedien so. Bei Tamedia heisst es einfach «aktualisiert vor …». Mehr Aufhebens wird doch wegen so einem kleinen Fehler nicht gemacht.

Bei jedem Gendersternchen wird dreimal der Sitz überprüft, es werden ganze Seiten über die richtige Verwendung einer nicht-diskriminierenden, nicht-ausgrenzenden Sprache verschwendet. Es werden ganze Abhandlungen zu Binnen-I, Doppelpunkt, Sternchen und anderem Woke-Wahnsinn verfasst. Aber ein Korrigendum bei einem zwar nebensächlichen, aber doch peinlichen Fehler? I wo, digital radiert und verbessert, dann Schlamm drüber.

Guter Vorsatz für 2022?

Sprechen wir über Inhalte. Also über Mike Müller.

Der arbeitslose Comedian Mike Müller fiel letzthin durch Ausfälligkeiten auf. «Oh je, Sibylle», japste er inhaltsleer, als sich Sibylle Berg erfrechte, sich als Gegnerin des Covid-Gesetzes zu outen.

Das hätte Müller sicherlich als paternalistisches Machogehabe denunziert. Wenn er es nicht selbst und für die gute Sache geäussert hätte. Dann stellte er eine «Frage für ein ungeimpftes Arschloch». Das kommt halt davon, wenn ein normalerweise geskripteter Komiker, dem Gagschreiber zuarbeiten und der dann die Sprüche nur stammelfrei über die Lippen bringen muss, aus eigenen Kräften komisch sein will.

Aber sprechen wir mal nicht über Inhalte, sprechen wir über die Form. Fällt hier etwas auf?

Wir schauen nochmal genau hin:

 

Hoppla, da sprengte er irgendwie den Rahmen. Wir versuchen’s nochmal:

So, nun ist er in voller Breite im Bild. Darf man da von Masse statt Klasse sprechen?