Nächste Klatsche für JSH

Sie hat nun auch vor Bundesgericht verloren.

Zwei voneinander unabhängige Quellen haben ZACKBUM informiert: Das oberste Schweizer Gericht hat das Urteil des Zuger Obergerichts bestätigt. Das von einer Tamedia-Journalistin geplante Buch über die Ereignisse an einer Zuger Politikerfeier anno 2014 kann veröffentlicht werden. Darin soll vor allem die Perspektive des zweiten Beteiligten an dieser Affäre geschildert werden.

Es wurde Geld gesammelt, unter anderem von «Fairmedia». Es wurde getönt, dass Jolanda Spiess-Hegglin das Urteil der zweiten Instanz unbedingt ans Bundesgericht weiterziehen wolle. Müsse.

Denn das Zuger Obergericht hatte die medienrechtlich problematische Massnahme, ein noch nicht geschriebenes Buch präventiv zu verbieten, gekippt. Mit einer glasklaren und logischen Begründung.

Das Bundesgericht ist in solchen Fällen nur dafür zuständig, nochmals zu überprüfen, ob alle Rechtsvorschriften eingehalten wurden. Es geht normalerweise nicht mehr materiell auf das Urteil der Vorinstanz ein.

Kann ein Buch präventiv verboten werden?

Bei dem ganzen Streit geht es darum, ob die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger ein lange geplantes Buch über die berüchtigte Landammann-Feier in Zug schreiben darf. Dort war es überparteilich zu Übergriffen gekommen. Spiess-Hegglin hatte anschliessend daraus ein Geschäftsmodell gemacht und unter anderem den Verein «Netzcourage» gegründet.

Damit erlangte sie nationale Bekanntheit, bekam auch staatliche Unterstützung. Die hat sie sich nun selbstverschuldet wieder abgeschraubt. In letzter Zeit musste die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet diverse Nackenschläge einstecken.

Die Berufungsverhandlung gegen Ringier wurde haushoch und vollständig verloren. Der Prozess wegen Gewinnherausgabe dürfte auf ein neues Desaster hinauslaufen. Ihr Sprachrohr Pascal Hollenstein wurde zackbum bei CH Media entsorgt; man einigte sich auf eine sofortige «Auflösung» des Vertrags. Gründe? «Stillschweigen vereinbart

Nun offenbar auch noch das: mit allen Mitteln versuchte JSH zu verhindern, dass Binswanger ihre Recherchen über die Sichtweise des zweiten Beteiligten an dieser angeblichen Schändung publiziert. Sie unterstellte der Journalistin, dass damit unbezweifelbar eine Rufschädigung, eine Persönlichkeitsverletzung einherginge, die irreparablen Schaden verursachte und deshalb verboten werden müsse.

Ein Zuger Einzelrichter stimmte ihr zu und erliess eine superprovisorische Verfügung, die er später in eine Massnahme umwandelte, die Binswanger diverse Themenbereiche verbot. Das bedeutete, dass das Buch nicht erscheinen konnte.

Vergeblich ans Bundesgericht weitergezogen

Das Zuger Obergericht korrigierte dann diese Fehlentscheidung. Dagegen wandte sich Spiess-Hegglin ans Bundesgericht und war samt ihrem kleiner werdenden Fanclub euphorisch, als das oberste Schweizer Gericht verfügte, dass die vorsorgliche Massnahme bis zu seiner Urteilsverkündung aufrecht erhalten bleibe.

Das wurde als Indiz missinterpretiert, dass JSH hier obsiegen könnte. Dabei war es nur logisch; das Bundesgericht wollte verhindern, dass das Buch vor der Urteilsverkündung erscheinen könnte, was ein allfälliges negatives Verdikt sinnlos gemacht hätte.

Aber nun ist diese juristische Irrfahrt beendet. Das Urteil des Obergerichts bleibt gültig, das Buch kann endlich publiziert werden. Nach all diesem Tamtam dürfte es zu einem Bestseller werden. Ausser, die Öffentlichkeit hat von diesem Thema und ihrer Exponentin endgültig die Nase voll.

Es bleibt die Frage, wieso dafür Geld gesammelt werden musste. Und es bleibt die Frage, wieso die Anwältin von Spiess-Hegglin ihre Mandantin nicht vor all diesen Niederlagen schützt, indem sie ihr abrät, sich in solch aussichtslose Schlachten zu werfen.

Sollte nun auch noch der Kampf um eine Gewinnherausgabe wie das Hornberger Schiessen enden und eine minimale Summe herausschauen, dann muss eine neuerliche Spendensammlung lanciert werden. Damit JSH ihre Anwältin bezahlen kann.

«tippinpoint»: ruhiger Start

Es gibt eine neue Wirtschaftsnewsplattform. Sauber eingeschenkt.

Beat Schmid ist der Mann fürs Unaufgeregte, Sorgfältige. Ein gestandener Wirtschaftsjournalist mit langer Karriere bei CH Media und Tamedia. Er arbeitete skandalfrei und effizient.

Was auch für ihn spricht: anstatt sich über den zunehmend verelenden Journalismus in diesen Armutshäusern mit konstanten Sparrunden zu beschweren, macht er etwas dagegen. Das ist heutzutage nur ausserhalb solcher Strukturen möglich.

Also gibt es «tippinpoint», «ein neues Wirtschaftsmedium für Finance, Sustainability und digitale Transformation. Das Medium analysiert und kommentiert die spannendsten Entwicklungen in der Finanzwelt».

Am 31. Januar ohne grosses Trara online gegangen, mit einem Startstrauss von frischen und weniger frischen Blüten.

Sachlich, ruhig und kompetent ist die Tonlage, dabei fokussiert sich die Plattform auf moderne Formen von Geldanlagen und will als Zielpublikum «professionelle Investoren, Unternehmerinnen, private Anlegerinnen, Akteure des Schweizer Finanzplatzes sowie ein allgemein interessiertes Publikum» erreichen.

Understatement inbegriffen, selten gab es eine so diskrete Ankündigung, trockener als ein trockener Martini:

Wendepunkt wäre die deutsche Übersetzung. ZACKBUM ist gespannt und wünscht gutes Gelingen.

 

 

Die feste Burg bröckelt

Der VSM verliert Mitglieder – und wohl auch die Abstimmung.

Der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM) sollte die Interessen der Medienhäuser vertreten. Ihm gehören rund 100 Medienunternehmen an – von insgesamt rund 1430 Medienhäusern mit 28’645 Mitarbeitern. Laut Selbstauskunft.

Es gab immer mal wieder Knatsch zwischen den Big Boys, so zog sich Ringier mal beleidigt zurück, kam aber wieder. Der VSM hat das strukturelle Problem, dass er die Interessen der Big Boys wie auch von kleinen Verlagen vertreten sollte. Online-only-Unternehmen, Print, TV, Radio, lokal, national.

Das ist eigentlich eine Mission impossible, selbst in friedlichen Zeiten. Nun ist der VSM einer der grossen Motoren auf Verlagsebene, der die Annahme des Medienpakets am 13. Februar befürwortet.

Dafür hat er einen bunten Strauss von Komitees ins Leben gerufen oder unterstützt und fährt eine Werbekampagne für die zusätzliche Steuermilliarde. Aber obwohl unermüdlich wiederholt wird, dass die schwergewichtig den kleineren Playern zugute käme, sprechen alle seriösen Analysen dagegen.

Wer grosse Taschen hat, kriegt mehr ab als die kleinen. Ist ja auch sonst im Leben so. Also fühlen sich die Kleinen nicht mehr richtig vertreten und haben eigene Interessensvertretungen gründet.

Bröckel.

Ein Grosser hat dem Verband den Rücken gekehrt

Nun wurde so nebenbei bekannt, dass auch ein ziemlich Grosser dem VSM den Rücken gekehrt hat. Nämlich der Verlag Konsumenteninfo. Der gibt nicht nur den K-Tipp, sondern auch Saldo, Gesundheitstipp, K-Geld, Kulturtipp, K-Tipp Wohnen und Plädoyer heraus. Die Juristenzeitschrift ist eine Referenz an den Gründer und Besitzer René Schuhmacher.

Dessen Meinungsmacht ist nicht zu unterschätzen. 2009 ergriff Schuhmacher das Referendum gegen eine Verschlechterung der Bedingungen der Pensionskassen – und gewann. Auch 100’000 Unterschriften für die Initiative «Pro Service Public» brachte er problemlos zusammen, unterlag dann aber an der Urne.

Alleine sein K-Tipp hat weit über 200’000 Abonnenten und geniesst hohes Ansehen. Schuhmacher kritisierte von Anfang an die Gratisgeld-Verteilung an Medienhäuser. In seinen Zeitschriften listete er minutiös auf, wie welche Verlage von der zusätzlichen Steuermilliarde profitieren würden.

Insgesamt erreicht Schuhmacher über eine Million Leser. Da er sämtliche Gewinne immer in den Verlag reinvestierte, steht er heute schuldenfrei da – und völlig unabhängig. So konnte er – alleine auf weiter Flur – die Verbandelung der Mitglieder der Task Force to the Bundesrat mit der Pharmaindustrie thematisieren.

Obwohl ihm dadurch 4,2 Millionen Subventionsfranken entgingen, ist er klar gegen das Medienpaket. Warum?

«Man beisst nicht in die Hand, die einen füttert»,

zitiert ihn die SoZ in einem Porträt.

Konsequent hat er schon letzten Sommer die Kündigung beim VSM eingereicht und sie – im Gegensatz zu Ringier – auch per Ende Jahr vollzogen. Der Verband vertrete die Interessen von Zeitschriften und Non-Profit-Verlagen nicht angemessen.

Dreifache Ohrfeige für die anderen Verlage

Das ist gleich eine dreifache Ohrfeige für die Big Player im VSM. Schuhmacher hat im Gegensatz zu ihnen seine Gewinne weder in eine Kunstsammlung, noch in Villen, Yachten und Wagenparks investiert. Sondern zeigt, wie stabil ein Verlag dasteht, wenn die erwirtschafteten Profite reinvestiert werden.

Er zeigt zudem, wie man Medien- und Meinungsmacht einsetzen kann, wenn man dabei auf sein Publikum hört und grossen Nutzwert bietet.

Schliesslich bewahrt sich Schuhmacher kritische Distanz zu Staat und Regierung – nimmt dafür auch hin, dass ihm Subventionsmillionen entgehen.

Nebenher zeigt er, im Gegensatz zu Pietro Supino oder Marc Walder, was gekonnte Verlagspolitik, klare Kante und seit 30 Jahren eine journalistisch blütenweisse Weste wert sind.

Er muss Begriffe wie Bedeutung als Vierte Gewalt, Kontrollinstanz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht vorbeten. Weil er sie lebt.

Was dem VSM und seinen Shareholdern wohl nicht ganz klar ist: auf die Verliererstrasse bei der Abstimmung einbiegen, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Angebot bis zum Skelett abmagern, Einheitssauce in Kopfblätter giessen, das Lokale vernachlässigen und das Niveau ständig tieferlegen: dafür happige Abonnentsgebühren fordern, das kann nicht gutgehen.

Weniger Angebot für gleichviel oder sogar mehr Geld: absurd. Das Jahresabo online des K-Tipp kostet übrigens Fr. 43.50.

 

Bröckel, bröckel, bröckel.

Die Macht der Worte

Entscheidungen fallen mündlich. Ein unterschätztes Phänomen.

Das Regierungshandwerk stellen sich viele völlig falsch vor. Wenn sich der Laie fragt, wie denn eigentlich eine gewichtige Entscheidung zustande kommt, nimmt er an, dass gewaltige Räderwerke in Marsch gesetzt werden.

Es werde analysiert, recherchiert, Arbeitsgruppen verfassen Papers, Entscheidungsgrundlagen, lange Listen von Argumenten dafür und dagegen, die rechtlichen Rahmenbedingungen werden abgeklärt, historische Vergleiche gesucht, Q&A verfasst, Gutachten erstellt, schliesslich wird das Ganze eingedampft und als Entscheidungsgrundlage eingereicht.

Daraufhin beugt sich der Regierende darüber, studiert die Texte, macht da und dort mit grüner Cheftinte Anmerkungen, stellt ein Exzerpt her, ringt mit sich, verbringt eine schlaflose Nacht – und kommt zu einer Entscheidung.

Es ist möglich, dass ganz, ganz, ganz selten eine Entscheidung so zustande kommt. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus.

Andere Faktoren spielen eine entscheidende Rolle

In Krisensituationen spielen Überforderung, Unsicherheit und Schlafmangel eine bedeutende Rolle. Wer das nicht glaubt, lese das ausgezeichnete Buch «Die Schlafwandler» von Christopher Clark. Der Historiker beschreibt eindrücklich, wie wichtig diese Faktoren für den Beginn des Ersten Weltkriegs waren.

Oder wie das Karl Kraus 1914 formulierte, eine Zeit, «in der eben das geschieht, was man sich nicht vorstellen konnte, und in der geschehen muss, was man sich schon nicht mehr vorstellen kann, und könnte man es, es geschähe nicht».

Ein zweiter wichtiger Faktor beim Treffen von Entscheidungen: die Unfähigkeit, sich die Konsequenzen vorzustellen. Das Nichtwissen, welche Auswirkungen eine Entscheidung haben kann.

Auf Netflix läuft eine dramatisierte Darstellung der Ereignisse rund um die Müncher Konferenz von 1938. Das basiert auf dem Buch von Richard Harris «München». Nicht sein bester Thriller, aber er dramatisiert die Ereignisse um den vergeblichen Versuch des britischen Premiers Neville Chamberlain, durch Opferung eines Stücks der Tschechoslowakei den Kriegsausbruch zu verhindern.

Nach seiner Rückkehr hielt Chamberlain eine kurze Rede, in der er über den «peace for our time» schwärmte, das Abkommen sei der erste Schritt in eine friedliche Zukunft. Rund ein Jahr später begann der Zweite Weltkrieg.

Entscheidend ist das Wort. Das gesprochene

Der dritte, wichtigste Faktor bei einer Entscheidungsfindung ist aber das Wort. Genauer: der mündliche Vortrag. Wer in einer Debatte das schlagende Argument aus dem Hut zaubert, wer alle Einwände niederbügelt, wer schlagfertig ist, auch nach stundenlangem Geraufe hellwach und schnell mit Antworten zur Hand, der gewinnt.

Ist es eine streng hierarchische Veranstaltung, singt natürlich immer der Häuptling am schönsten. Seine Lakaien versuchen zu erahnen, welche Absicht der Herrscher wohl hat, welche Ansicht er vertritt. Und reden ihm dann nach dem Mund.

Häufig ist es aber so, dass im vertraulichen Kreis der Entscheider zunächst im offenen Schlagabtausch herausfinden will, was vielleicht die beste Entscheidung wäre. Und da gewinnt dann meist nicht das beste, zweckrationale, überlegene, weise, richtige Argument, sondern das am besten vorgetragene.

Alles Geraschel mit Papieren, Executive Summarys, Pro und Cons, Entscheidungsbäumen, Herleitungen: unnütz. Der bessere Rhetoriker gewinnt. Immer. In der Neuzeit konnte man das Phänomen zum ersten Mal in den Versammlungen nach der Französischen Revolution beobachten.

Da gab es ganz verschiedene Temperamente unter den Rednern. Die unerbittliche Kühle eines St. Just. Die gewaltige intellektuelle Überlegenheit eines Marat. Die schon körperlich sich manifestierende Urgewalt eines Danton. Und die schneidende, unerbittliche Logik eines Robbespierre. Der aussah wie ein schmächtiger Buchhalter, der gebückt und ohne grosse Stimmkraft seine Argumente vortrug. Damit aber alle anderen in den Schatten stellte. Schon fast entscheidungsreife Überzeugungen mit einer einzigen Rede umwarf.

Das Zünglein an der Waage spielte, als es darum ging, ob man den König hinrichten sollte oder nicht. Man war eher für nicht, bis Robbespierre seine Rede hielt. Daraufhin verrichtete die Guillotine ihr Werk; eine zeitgenössische Darstellung erlangte jüngst wieder unrühmliche Bekanntheit, als geschmacklose Dummsatiriker in sie den Kopf einer missliebigen Journalistin hineinkopierten.

Diese gewaltige Macht des Wortes beschreibt Hilary Mankel in ihrem Gewaltsroman «Brüder» über die Französische Revolution. 1100 Seiten, deren Lektüre sich unbedingt lohnt.

Bis heute ist es so, dass alle Wordings, alle ausgetüftelten Kampagnen, alle klug gewählten Keywords das eine sind. Das andere, wichtigere ist aber der Sieg in der offenen Feldschlacht, in der Debatte. Auch da kann mit vorbereiteten Zeilen gearbeitet werden. Es hängt aber vom Geschick des Redners ab, wann und ob er sie zum Einsatz bringt.

Seltene Sternstunden heutzutage

Leider entstehen solche Sternstunden immer seltener, und meistens ausserhalb des parlamentarischen Betriebs. Dort verkommen die Wortmeldungen immer mehr zu Pflichtübungen, da die Meinungen schon vorher gemacht sind und sich auch nicht mehr durch noch so überzeugende rhetorische Leistungen umstürzen lassen.

Aber im kleinen Kreis, beispielsweise im Bundesratszimmer, da kommt es wieder sehr darauf an, wie überzeugend jemand vorträgt. Auch da wird ein SP-Genossen eigentlich niemals einem Vorschlag des SVP-Bundesrats zustimmen. Aber manchmal, manchmal dann doch. Weil mal wieder die Macht des Wortes triumphiert hat.

Es darf gelacht werden: Blattschuss

Bei Ringier geht’s zu wie weiland bei der Credit Suisse. Walder zum zweiten Mal getroffen.

Hinterlass keine Spuren. Das gilt nicht nur bei Verbrechen. Es gibt Anweisungen, Mitteilungen, Befehle, die unbedingt nur mündlich erteilt werden sollten. Und auch nur unter vier Augen.

Plausible Deniability heisst das auf Englisch. Wirklich nicht wissen oder so tun als ob. Nur so kann im Brustton der Überzeugung abgestritten werden. Ich? Soll das gesagt haben? Niemals. Schon die zweite Verteidigungslinie «ist aus dem Zusammenhang gerissen» ist erbärmlich. Die dritte «war nicht so gemeint, ist doch gar nix», die gleicht dann schon einem Röcheln und Wimmern.

Nun müssen die Verlegerclans eine ganze Reihe von Tiefschlägen hinnehmen. Ihre Abstimmungskampagne ist unterirdisch schlecht. Wenn der Big Boss von Tamedia ohne Rücksichten auf die Trennung von Verlag und Redaktion selbst in die Tasten greift und in all seinen Kopfblättern für die Annahme der Medienmilliarde wirbt, weil das die Unabhängigkeit garantiere, macht Pietro Supino sich und seine Organe lächerlich.

Die grüne Nationalrätin Aline Trede weibelt wie wild für das Medienpaket und die Unterstützung von Online-Medien – während ihr Gatte genau so eines darauf hinschnitzt, dass es für die «Hauptstadt» viele Steuerbatzeli geben könnte.

Marc Walder muss verdeckt im Referendumskomitee arbeiten

Aber den Vogel hatte Marc Walder abgeschossen, der sich dabei aufzeichnen liess, wie er («das sollte in diesem Kreis bleiben») stolz verkündete, dass er seinen Redaktionen Anweisungen gegeben habe, möglichst regierungstreu über die Pandemie zu berichten.

Marc Walder. Geheim im Referendumskomitee?

Wenn ein Befürworter und ein Gegner des Geldregens im «Blick» gegeneinander antreten, dann ergibt die Publikumsabstimmung 75 Prozent Zustimmung für den Initiator des Referendums. Tschakata.

Der gesammelten Wirkkraft von Duopolmedien, den gesammelten Anstrengungen wohlbestückter Teppichetagen, dem gemeinsamen Bemühungen von Mietschreibern und Claqueuren gelingt es nicht, die öffentliche Meinung so zu bearbeiten, dass die Abstimmung gewonnen werden könnte.

Geld und Medienmacht, selten war grösseres Versagen.

Eine Klatsche nach der anderen

Herausragend dabei allerdings Walder. Kaum ist die desaströse Wirkung seiner Videobotschaft etwas verraucht, kommt schon der nächste Hammer. «Inside Paradeplatz» wurde mit einem Mail angefüttert, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.

Es ist ein Mail, wie man es niemals schreiben sollte – wenn man als Manager nicht von allen guten Geistern verlassen ist. Aber offensichtlich war Walder am Anfang der Pandemie im Panikmodus:

«Wenn die Menschen in der Schweiz nun den sozialen Kontakt nicht radikal verringern, dann droht der Schweiz eine medizinische Katastrophe»,

hyperventilierte er an die Adresse der Führer der anderen Medienclans, gerichtet auch an zwei eigene Nasen in der Chefetage, die völlig überflüssigen Ladina Heimgartner und Alexander Theobald.

Darin forderte er alle auf, nach Kräften die Kampagne des Bundesrats «Bleiben Sie zuhause» zu unterstützen. Er selbst tue das nach Kräften: «Wir werden … die Front-Seiten dafür zur Verfügung stellen.»

Wenn es noch einen Sargnagel für den Deckel über der Behauptung gebraucht hätte, dass der Verlag die Unabhängigkeit der Redaktionen respektiere …

Wenn es noch einen Sargnagel gebraucht hätte, dass sich die Medien nicht im Zweifelsfall zum Büttel des Bundesrats machen lassen («Bundespräsidentin Sommaruga liefert einen Text (2700 Zeichen), eine Art Rede zur Nation heute Nachmittag. Ich werde ihn Euch umgehend zukommen lassen») …

Es erstaunen vier Dinge:

  1. Die unverfrorene Offenheit, mit der Walder eine regierungshörige Kampagne in eigenen Blättern und bei Tamedia, CH Media und SRG schüren will.
  2. Der alarmistische Panik-Tonfall eines hyperventilierenden Tropfs, der Mass und Mitte verloren hat. Als Chef …
  3. Die schreckliche Dummheit, das unter eigenem Namen und mit offener Empfängerliste abzuschicken.
  4. Wie undicht die Teppichetagen der Medienhäuser sind.

Wie im Fall Horta-Osório stellt sich die interessante Frage, wer dieses Dokument des Grauens an IP durchgestochen hat. Dafür kommen alle Empfänger sowie die jeweilige Entourage in Frage, da man als wichtiger Chef normalerweise E-Mails lesen lässt.

Auf der anderen Seite hat jeder Chef eine private E-Mail-Adresse, meistens auch noch zusätzlich geschützt, also bei Proton, Signal, usw. Walder hat aber jeweils die offiziellen Anschriften gewählt. Unglaublich.

Das ist etwa so bescheuert, wie wenn er auch hier noch erwähnt hätte, dass das bitte schön im kleinen Kreis bleiben solle. Hier schrieb er aber: «Bitte umgehend distribuieren in Euren Redaktionen».

Vielleicht hat da ein arbeitsfauler Medienlenker gedacht: distribuieren, okay, dazu gibt es doch diesen Knopf «weiterleiten».

Bei CH Media kam die Redaktion völlig unabhängig auf diese Idee …

Auf jeden Fall: solche Gegner wünscht man sich in einer Abstimmungsschlacht. ZACKBUM dachte immer, Hansi Voigt auf der anderen Seite, das sei schon die Höchststrafe für die. Aber nach diesem noch kräftigeren Schlag ins Kontor müssen wir sagen: sollte Marc Walder jemals als unser Kampfgenosse auftreten, kriegten wir echt Schiss.

Was bleibt: findet man wenigstens hier den Heckenschützen? Muss Michael Ringier schon wieder selbst in die Tasten greifen? Bietet Walder zum zweiten Mal seinen Rücktritt an? Wird er diesmal angenommen? Gründen Pascal Hollenstein und Walder eine Beratungsfirma mit dem unschlagbaren Slogan:

«Vermieten Sie uns an Ihre Gegner, dann gewinnen Sie!»

 

Immerhin, es darf nun wirklich gelacht werden.

Abgang Hollenstein

CH Media probiert’s per sofort ohne publizistische Leiter nach unten.

Pascal Hollenstein war laut Impressum die Nummer zwei bei CH Media. Über ihm thronte nur noch Peter Wanner, unter ihm werkelte der Oberchefredaktor Patrik Müller und alle anderen noch überlebenden Redaktoren und Chefs der unzähligen Kopfblätter.

Hollenstein stiess zu CH Media, als die NZZ Gruppe sich von ihren Regionalmedien trennte und sie in ein Joint Venture mit der AZ-Mediengruppe einbrachte, in der Wanner das Sagen hat. Damit endeten alle Karrierepläne von Hollenstein innerhalb der NZZ, wo er sich mehrfach Hoffnungen gemacht hatte, Chefredaktor der NZZaS zu werden. Das Schicksal blieb dem Blatt erspart.

Dafür durfte er «Leiter Publizistik» werden, in die Geschäftsleitung Einsitz nehmen und auch in einem «Publizistischen Ausschuss» neben Koryphäen wie Peter Hartmeier, Esther Girsberger und natürlich Wanner himself.

Furztrockener kann man nun aber einen Abgang nicht kommunizieren: Wanner und Hollenstein hätten sich «auf eine Aufhebung des Arbeitsvertrags verständigt. Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart.»

Wenn das so weit oben in der Chefetage so passiert, hat’s gekracht, aber gewaltig. Da nützen auch die Krokodilstränen des CEO von CH Media nichts, der sich artig bedankt und hinzufügt: «Entsprechend kann ich den Weggang nur bedauern.»

Das Bedauern in den Redaktionen und bei der Leserschaft, die er schon mal als Milchkühe verunglimpfte, die man noch melken müsse, bis man sie zur Schlachtbank führe, dürfte sich in Grenzen halten.

Akzente nur bei einem einzigen Thema gesetzt

Auch sein unermüdlicher Einsatz als Büttel und Sprachrohr für eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass und Diskriminierung im Internet ist vielen unangenehm aufgefallen. Da ihm bei seinen Artikeln niemand widersprechen konnte, fantasierte er auch schon mal eine krachende Niederlage vor Gericht in einen Triumph um oder hielt sich nicht an gerichtliche Sperrfristen, um als Erster mit einer News herauszuplatzen.

Immer gut dokumentiert von seiner Quelle, was es ihm erlaubte, ungeniert aus Gerichtsunterlagen zu zitieren.

Wo da der Vorbildcharakter eines publizistischen Leiters abblieb? In letzter Zeit war er eher schweigsam geworden, bis er sich in einem «Leitartikel» nochmals für die Annahme des Medienpakets stark machte, die auch seinem Besitzerclan viele Millionen in die Taschen spülen würde.

«Demokratie ist kostbar – und darf uns etwas kosten»,

stellte er noch fest. Dann fragte er rhetorisch: «Was sind wir bereit, für unsere direkte Demokratie zu bezahlen?» Dass er damit ein Junktim herstellte, dass nur die zusätzliche Subventionierung mit einer Milliarde Franken nicht etwa nur die Medien, sondern gar die direkte Demokratie retten würde – leicht verständlich war er nie.

Sicherlich ist auch Wanner der Auffassung, dass die Demokratie »uns» etwas kosten darf. Vor allem, wenn unsere Steuerfranken in die Taschen der Medienclans wandern. Allerdings ist Wanner auch der Auffassung, dass er sich einen Hollenstein nicht länger etwas kosten lassen will.

Eine kleine Verschlechterung für Hollenstein, eine grosse Verbesserung für CH Media.

Wirklich schmerzlich ist der Abgang aber für eine Zugerin, die einige Internetportale betreibt. Staatliche Unterstützung gestrichen, die Prozesse laufen schlecht, ein Lautsprecher ist verstummt, es bleibt nur noch Hansi Voigt. Und das ist nie eine gute Nachricht.

Macht und Missbrauch

Wo das eine ist, besteht die Gefahr des anderen.

Medien haben Macht. Immer noch. Sie können Existenzen vernichten, den Ruf von Menschen unrettbar ruinieren. Sie können auch aufdecken, Licht in Dunkelkammern werfen, Fehlverhalten, Korruption, Inkompetenz anprangern. Im besten Sinne des grossen Publizisten George Orwell:

 

Orwell zugeschrieben:
«Journalism is printing what someone else does not want printed:
everything else is public relations.»

Das ist der Januskopf der Medien. Sie sind zu Gutem und Grossem fähig, als ewig leuchtendes Beispiel haben sie sogar den mächtigsten Mann der Welt, den US-Präsidenten Richard Nixon, zum Rücktritt gezwungen. In Filmen und Büchern besungen, die Endung -gate wird inzwischen dermassen missbraucht, dass man sie den Erfindern eines «Busengate» oder «Spesengate» um die Ohren schlagen sollte.

In solchen Respektlosigkeiten drückt sich der elende Niedergang des Journalismus aus. Er hübscht sich auf als Vierte Macht, als unverzichtbare Kontrolle von Herrschenden, Mächtigen und Regierenden. Aber wer kontrolliert die Medien?

Die Vierte Macht in der Hand von Familienclans

Wer zahlt, befiehlt, das gilt auch hier. Nun sind die grossen Medienkonzerne der Schweiz in der Hand von Familienclans. Coninx-Supino, Wanner-Wanner, Ringier-Walder, Lebrument-Lebrument. Multimillionäre, ja Milliardäre, deren persönliche Einstellungen, Freundschaften, Abneigungen, Ansprüche und Ziele das ungeschriebene Gesetz in ihren Medienhäusern sind.

Natürlich gibt es Redaktionsstatute, die innere Pressefreiheit, die angeblich sorgfältige Trennung zwischen Verlag und Redaktion. Ein Popanz, so ernst zu nehmen wie die sogenannten Chinese Walls in Beratungsfirmen, wo die eine Abteilung angeblich nicht wissen darf und kann, was die andere tut. Niemals würde die Buchhaltung, die eine nahende Überschuldung sieht, der Beratung den Tipp geben, so schnell wie möglich Rechnung zu stellen, bevor die Bücher deponiert werden müssen. Niemals, ausser, sie tut es nachweislich.

Niemals würde ein CEO und Besitzer Anweisungen erteilen, niemals ein Editorial zu einem Thema des Eigeninteresses schreiben. Ausser, er tut es nachlesbar.

Macht steht immer in der Gefahr des Missbrauchs. Dafür gibt es im politischen Bereich, bei Regierungen das Prinzip der Gewaltenteilung. Das Genialste, was den Menschen bislang eingefallen ist, um Macht zu zähmen. Legislative, Exekutive und Judikative heisst das, «Checks and Balances» heisst die angelsächsische Ausformung. Keiner hat absolute Macht, jeder sollte dem anderen auf die Finger schauen.

Machtkontrolle funktioniert bei den Medien immer schlechter

Das funktioniert meistens recht, manchmal schlecht. Seit dem Aufkommen der Massenmedien behaupten sie, die neue Vierte Gewalt zu sein. Ein zusätzliches Korrektiv, unverzichtbar, sogar die Demokratie rettend, wie völlig losgelöste Vertreter behaupten.

Das funktioniert immer schlechter. Beim Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen, aufgepumpt zu Leaks und Papers, schwingen sich journalistische Inquisitoren in Dunkelkammern zu Anklägern und Scharfrichtern auf. Klagen an, stellen an den Pranger, verurteilen, vernichten. Allzu häufig stellt sich in der juristischen Untersuchung heraus: zu Unrecht. Falsch. Skandalisierend statt aufklärend. Playboy Gunter Sachs, posthum durch den Dreck gezogen, nichts war dran an den Vorwürfen. Geschäftsmann Jean-Claude Bastos, bei lebendigem Leib ans mediale Kreuz geschlagen, seine Firma vernichtet, nichts war dran an den Vorwürfen.

Die gelinde gesagt regierungsfreundliche Berichterstattung in der Pandemie, mitsamt Skandalisierung, Schreckung der Bevölkerung («Gesundheitssystem vor dem Zusammenbruch, bis zu 100’000 Tote in der Schweiz»), von Fachkenntnissen unbeleckte Journalisten schwingen sich zu scharfen Kritikern auf, verteilen Betragensnoten, fordern dies und das und das Gegenteil davon, haftungsfrei und verantwortungslos.

Die restlose Vernichtung von Ansehen und Reputation eines Bankenlenkers, der alleine mehr Mehrwert geschaffen hat als die Versagercrews der beiden Schweizer Grossbanken zusammen. Oder alle Medienkonzerne. Die schamlose Verwendung von angefüttertem Wissen, die Perversion der Unschuldsvermutung.

Immer wieder muss grobes Fehlverhalten korrigiert werden, Entschuldigungen und Richtigstellungen nach teilweise zähen Kämpfen veröffentlicht werden.

Betrachtung des Bauchnabels mit gestohlenem Bauchgrimmen

Mit schwindender Bedeutung werden die Töne immer schriller, die Kommentare immer rechthaberischer. Mit schwindender Bedeutung wird der eigene Bauchnabel immer wichtiger, die eigene Befindlichkeit, das Leiden an eigenen oder fremden, gestohlenen Diskriminierungen. Das richtige Setzen eines Gendersternchen bekommt eine Bedeutung, die alle anderen viel berechtigteren Forderungen im Geschlechterkampf überstrahlt.

Das alles passiert, wenn die angeblichen Kontrolleure der Macht selbst nicht kontrolliert werden. Die Duopolzeitungen, oft in der Region, selbst im Kanton alleiniger Platzhirsch, bei der grossen Zusammenlegung und dem grossen Rausschmeissen wurde versprochen, dass man sich der Verantwortung bewusst sei. Das Regionale weiterhin pflegen wolle. Als Podium Platz für sich widersprechende Meinungen biete. Damit einen Beitrag zur öffentlichen Debatte leiste.

Selbstdarstellung der Medien, realitätsfern.

Alles geheuchelt, alles gelogen. Die Reduktion auf zwei Mantelredaktionen, die Hölle des klickgetriebenen Newsrooms, wo billige Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen ein kurzes Telefonat bereits als Höhepunkt einer Recherche sehen: all das wird der schwindenden Leserschaft als Synergie, als Verbesserung des Angebots schmackhaft gemacht.

Widerstreitende Meinungen? Gelegentlich schwirren Fremdkommentare wie bunte Vögel durch den grauen Einheitsbrei der stetig wiedergekäuten Schreibrichtung. Mehr ist da nicht.

Die schon immer feine, rote Linie zwischen selbst hergestelltem und bezahltem Content löst sich wie ein Stück Zucker in Wasser auf.

Aus eigener Unfähigkeit in die Misere geraten

Die Printausgaben werden durchsichtig, so dünn sind sie. Im Internet greifen agile Grosskonzerne 90 Prozent des Werbekuchens ab. Das ist kein Naturgesetz, sondern der Unfähigkeit und dem Versagen der Medienmanager geschuldet.

Für all das wollen nun die Verlegerclans eine zusätzliche Steuermilliarde. Das ist ein Mehrwert, der zuerst geschaffen, erarbeitet, abgeschöpft werden musste. Einer solchen Geldspritze muss man sich würdig erweisen, muss ihre Notwendigkeit, ihren Sinn begründen können.

Kraftstoff für satte Verlegerclans?

An diesem Beispiel könnten die Besitzer der Massenmedien zeigen, wie pluralistisch, offen, der Debatte zugetan sie sind. Aber in den Duopolzeitungen, im «Blick» liest man ausschliesslich Befürwortendes, Lobendes, die Notwendigkeit dieser Staatshilfe Betonendes.

Ungeniert üben die Besitzerclans ihre Macht aus und greifen sogar selbst zum Griffel. In vorauseilendem Gehorsam schreiben sich die Redaktoren die Finger wund, als his master’s voice.

Nicht mal die Fakten geben sie korrekt wieder, fantasieren, dass die Milliarde in erster Linie kleinen und lokalen Verlagen zugute käme. Was brandschwarz gelogen ist.

Macht, so sie nicht kontrolliert wird, lädt zu Missbrauch ein. Die Medienmacht wird nicht genügend kontrolliert. Der Konsument kann sich nur auf eine Art wehren: er verweigert den Konsum – und die Bezahlung. Das durch Staatshilfe zu ersetzen, ist falsch. Es perpetuiert einen Missstand. Es schüttet Versagen von Privatfirmen mit öffentlichen Geldern zu.

Der Besitzer profitiert. Und sollte selber zahlen

Eigentum verpflichtet. Die Medienclans haben trotz Corona und trotz schwindenden Inserateeinnahmen auch in den letzten beiden Jahren dick Kohle verdient. Sie haben in den letzten Jahren Milliarden verdient. Sie haben das in Kunstsammlungen, Yachten, Villen, Autoflotten und Luxusleben investiert. Das ist ihr gutes Recht. Aber wenn sie nun Schreckgespenster des Untergangs an die Wand malen, Clanchef Peter Wanner von CH Media mit ernstem Gesicht davon spricht, dass sein Medienhaus in ein paar Jahren in die roten Zahlen rutsche – dann sind sie gefordert.

Ist käuflich. Ist auch verkäuflich …

Privatvermögen äufnen, wenn’s gut läuft, nach Staatshilfe krähen, wenn’s aus eigenem Unvermögen schlecht läuft – das geht nicht. Kunstsammlungen, Villen, Yachten können auch verkauft werden. Das mag für die Clans überraschend sein, ist aber so.

Würden die Medienkonzerne ihrer Selbstdarstellung nachleben, hätten sie keine Probleme. Denn gute, ausgewogene, einordnende, vom Regionalen über die Schweiz nach Europa und in die Welt hinausgreifende Information stiesse auf genügend Nachfrage.

Gute Ware findet Käufer. Schlechte bleibt liegen

Eine Mogelpackung, eine unkontrollierte Kontrollinstanz, ein zum Skelett abgemagertes Angebot zu exorbitanten Preisen: das ist zum Untergang verurteilt. Es wird ersetzt werden. Auch die Hersteller von Droschken und Dampflokomotiven warnten vor neumodischem Zeugs wie Automobile oder Elektroloks. Hielten sich für unersetzbar, unabkömmlich, beklagten den drohenden Untergang von Sitten, Gesellschaft und Gesundheit.

Sie gingen unter, leben noch als Folklore weiter. Das Glashaus an der Werdstrasse, der x-mal umbenannte Hauptsitz von Tx, von Tamedia, von 12 Kopfblättern inklusive «Tages-Anzeiger», würde sich als Museum ausgezeichnet eignen. An den Wänden die Kunst der Coninx-Stiftung, in den Räumen Schaujournalismus wie in einer Schaukäserei. Die Ähnlichkeiten zwischen Käseherstellung und Fabrikation dieser Art von Journalismus wären verblüffend.

Schaukäserei in Appenzell, bald auch an der Werdstrasse?

 

Sexismus: kommt darauf an

Gross ausrufen, klein beigeben: so peinlich ist Patrizia Laeri.

Die mit ihren Geldanlagen für Frauen ins Feuer der Kritik geratene Medienfrau Patrizia Laeri hat mehrere Prozesse gegen den Finanzblog «Inside Paradeplatz» angestrengt.

Sie sei dort übel «sexistisch verunglimpft» worden. Damit versucht sie, von einer Kritik an den auf der Webseite «elleXX» angepriesenen Produkten abzulenken.

Sexismus ist immer ein guter Kampfruf – gegen andere. Anders schaut es aus, wenn eine vermeintliche Kampfgenossin primitiv austeilt. Patti Basler ist eine «Kabarettistin», Niveaustufe Mike Müller.

Der langjährige Quotenknüller «Benissimo» hat gerade ein Comeback gefeiert. Beni Thurnheer (72) hat damit einen weiteren, späten Triumph eingefahren. Das passt der Randgruppen-Komikerin Basler überhaupt nicht. Also twittert sie sich um Kopf und Kragen:

 

Ist das komisch.

Ähnlicher Brachialhumor wie bei Müller («Frage an ein ungeimpftes Arschloch»). Nur noch ergänzt mit üblem Sexismus gegen einen alten, weissen Mann. Das ist in diesen Kreisen erlaubt und furchtbar lustig.

Findet auch Laeri und hat den Tweet mit einem Herzchen und einem Like versehen, womit er durch sie weiterverbreitet wurde.

Darauf machte die Webseite von «Radio Lozärn» aufmerksam. Die Plattform fragte bei Laeri nach. Typische Reaktion: keine Reaktion. Ausser: «gefällt mir» wurde handkehrum entfernt.

Damit aber nicht genug. Während Laeri sich wegduckt, tritt Basler in der Kommentarspalte nach. Sie ist sich offenbar keines Unrechts bewusst: «Ich weiss nicht, welche Kampagne du hier fahren willst und weshalb du hier einen Shitstorm gegen Patrizia Laeri anzettelst.» Das sei «unlauterer Kampagnenjournalismus» und überhaupt:

«Wer dies missversteht, handelt entweder ignorant oder bewusst hetzerisch. Schade, dass du als Journalist hier zynische Satire betreibst und ich als Satirikerin die Fakten erklären muss.»

Die Redaktion stellt richtig: «Ob Satire, Witz oder «nicht so ernst gemeint»: Mit Sexismus ist nicht zu spassen. Vor allem in Kontext, dass Frau Laeri mit ihrer Firma elleXX derzeit gegen die Finanz-Plattform Inside-Paradeplatz wegen Sexismus klagt, macht den sexistischen Like Ihres Tweets auf jeden Fall zu einer Meldung.»

Drei Dinge sind hier bemerkenswert.

– Der peinlich unkomische Tweet einer Komikerin.

– Die Zustimmung von Laeri, die sie – ertappt – sofort wieder löscht.

– Und die aggressive Verteidigung ihres Ausrutschers durch die Komikerin.

Selbstreflexion, Selbstkritik, Einsicht, dass man halt auch mal danebenlangt?

Niemals. So selbstgerecht in der eigenen Gesinnungsblase schwebend sind diese Komiker und Satiriker auf eigene Kosten.

 

Vincenz-Prozess: ein Monster

Auf die nächste Woche freut sich Raiffeisen Schweiz sicherlich.

Von Dienstag bis Freitag findet der Prozess gegen Pierin Vincenz und sechs Mitangeklagte statt. Es wird eine Monsterveranstaltung.

Die «Abba Story» und «Marco Rima» sind abgesagt im Volkshaus Zürich. «Der Nussknacker» und «Schwanensee» werden aber gegeben.

Gleichzeitig findet im grossen Theatersaal dank grosser Nachfrage der Monsterprozess gegen den gefallenen Starbanker von Raiffeisen statt.

Theatersaal: Normalerweise geht’s so zu …

Schon die Vorgeschichte sprengt jede Dimension. Im Dezember 2017 wurde eine Strafanzeige gegen Vincenz eingereicht, im Februar 2018 wurden er und ein Mitangeschuldigter verhaftet und schmorten 106 Tage in U-Haft. Das ist noch keinem anderen Schweizer Bankführer widerfahren, obwohl es genügend gäbe, die es verdient hätten.

Ein Staatsanwalt unter Druck

Damit wurde die Affäre zum Skandal. Mit dieser drakonischen Massnahme setzte sich ein zuvor mehrfach gescheiterter Staatsanwalt unter Erfolgsdruck. Er begann, wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung zu ermitteln. Vincenz und sein Kompagnon sollen zum Schaden von Raiffeisen in den eigenen Sack gewirtschaftet haben.

Schwierig zu beweisen, vor allem braucht es den Nachweis des Vorsatzes. Also eierte der Staatsanwalt rum und wechselte plötzlich auf Spesenbetrug. Ebenfalls ein Straftatbestand, leichter zu beweisen – aber kein Grund für diese U-Haft. Nun versucht er, das zu einem gewerbsmässigen Betrug hochzuzwirbeln, damit er nochmals drakonische 6 Jahre Gefängnis für die beiden Hauptangeklagten fordern kann.

Von der Ermittlung an dauerte es bis November 2020, bis die Strafanklage fertig war. Drei Jahre. Diverse Vergehen sind bereits verjährt oder in Gefahr, zu verjähren. Im Verlauf der Untersuchung wurden unzählige Einvernahmen durchgeführt, Hausdurchsuchungen, Unterlagen im Gigabyte-Bereich beschlagnahmt und ausgewertet.

Die Öffentlichkeit war immer informiert

Viel skandalöser war allerdings, dass im Verlauf der Untersuchung ständig interne Unterlagen an die Medien durchgestochen wurden. Konkret an den Oberchefredaktor von Tamedia. Arthur Rutishauser konnte Mal um Mal mit saftigen Details über Spesenabrechnungen, Ausflüge ins Rotlichtviertel von Zürich und andere anrüchige Verhaltensweisen von Vincenz berichten.

Zugang zu all diesen dem Amtsgeheimnis unterliegenden Dokumenten hatten nur drei Beteiligte. Die Staatsanwaltschaft, die Angeschuldigten – und der Privatkläger Raiffeisen. Man überlege.

Als Höhe- oder eher Tiefpunkt der Affäre wurde die 368-seitige Anklageschrift schneller den Medien zugespielt als dass sie per Paketpost bei den Angeschuldigten landete. Mit all diesen Schmankerln wurde Reputation und Image des ehemaligen Starbankers rettungslos zerstört.

Die Floskel «es gilt die Unschuldsvermutung» wurde zur Lachnummer. Aber die Mainstream-Medien hatten Nachholbedarf, nachdem der Einzelkämpfer Lukas Hässig als Erster auf mögliche Unregelmässigkeiten im Finanzhaushalt von Vincenz hingewiesen hatte. Was lange Zeit niemand aufnahm.

Natürlich darf man auf keinen Fall von Vorverurteilung sprechen, denn es gilt eben die Unschuldsvermutung. Selten so gelacht.

Reden und reden und reden

Nun hat sich die 9. Abteilung des Bezirksgerichts Zürich vorsorglich erkundigt, mit welchem Zeitraum sie für die Plädoyers rechnen müsse. Denn in der Schweiz gilt das schöne Prinzip, dass während der Verhandlung nicht Stunden und Tage Akten gewälzt werden. Deshalb dauern hier solche Prozesse entschieden kürzer als beispielsweise in Deutschland.

Allerdings lupfte es dem vorsitzenden Richter Sebastian Aeppli Hut und Robe, als er anfing, die Angaben zusammenzuzählen. Alleine der Staatsanwalt träumt von einem Plädoyer von sieben Stunden. Insgesamt, wenn auch alle Verteidiger das Wort ergreifen und lange nicht mehr loslassen, ergäbe das einen Sprechmarathon von 39 Stunden.

Theatersaal, neues Stück.

Laut «Inside Paradeplatz» hat daher der Richter die Parteien gebeten, ihre Ausführungen zu «verdichten». Auf max. 4,5 Stunden pro Nase und Mund. Das machte dann, der Privatkläger Raiffeisen ist in den 39 Stunden noch nicht inbegriffen, das machte also für sieben Angeklagte, einen Staatsanwalt und einen Privatkläger «nur» noch 40,5 Stunden. Es geht bei dem Prozess ja um Zahlen, aber das scheint nicht wirklich die Kernkompetenz des Richters zu sein.

Theater im Theatersaal

Die zahlreich erwarteten Zuschauer müssen sich auf jeden Fall auf harte Zeiten einrichten. Es gibt aber einen Lichtblick. Da der Theatersaal einige Male für anderes Theater gebucht ist, muss jeweils so gegen 17 Uhr abgebrochen werden.

Ganz harte Teilnehmer können sich anschliessend «Dornröschen» oder «Schwanensee» reinziehen. Aufgeführt vom «Russian Classical Ballett». Ausser, das würde zur Truppenbespassung an der ukrainischen Grenze abkommandiert.

Gerichtsszene. Pardon, «Schwanensee».

Dort geht es allerdings um Krieg und Frieden, hier nur um eine skandalöse öffentliche Hinrichtung. Apropos, das grosse Werk Tolstois dauert in der Hörbuchfassung lediglich 28 Stunden

Tell tot?

Das Befürworterkomitee «Die Meinungsfreiheit» weibelt. Ohne Tell?

Leser von ZACKBUM wissen: Es gibt ein Abstimmungsplakat, das so bescheuert ist, dass es eigentlich verboten gehört:

Das wurde von geschäftsführenden Cracks der beiden Werbeagenturen Farner und Rod nichtsahnenden Medienhäusern aufs Auge gedrückt. Leider ist es so: wer sich das aufschwatzen lässt, ohne sofort Schadenersatz und Schmerzensgeld zu fordern, ist so unterbelichtet, dass jegliche Staatssubvention rausgeschmissenes Geld wäre.

Das Werbeverbrechen wird daher auch sehr zurückhaltend, um es höflich auszudrücken, sehr zurückhaltend plakatiert.

Nun gibt der «Verband Schweizer Medien» auch mit einem «Sondernewsletter» nochmals Gas. Denn nicht nur dank diesem abverheiten Werbegag sind die grossen Medienclans mit ihrer Medienmacht schwer in die Bredouille geraten. Eine als sicher im Sack geglaubte Abstimmung wird immer mehr zum nervenzerfetzenden Thriller und es ist durchaus möglich, dass ein paar Komiteemitglieder mit Pfupf das Unmögliche schaffen könnten: das Medienpaket versenken.

Dann wäre immerhin eine Steuermilliarde futsch, und wie Clanchef Peter Wanner kürzlich jammerte: dann würde CH Media in vier, fünf Jahren rote Zahlen schreiben.

Echt jetzt? Der Besitzer einer grossen Bude kündigt weinerlich an, dass man dann mal in die roten Zahlen rutschen werde? Das sei nur zu verhindern, wenn man Staatsknete reingeschoben kriegt, noch mehr als jetzt schon.

Völlig falsche Einstellung

Was ist denn das für eine Einstellung? Unternehmerisch tätig werden, um das abzuwenden? Das unfähige Management feuern und viel Geld sparen? Das Millionengrab «watson» zuschaufeln? Endlich mal den Ansatz einer Idee haben, wie man im Internet Geld verdienen könnte?

Ach was, wieso denn, Kohle kommt. Oder auch nicht. Aber das sollte Wilhelm Tell höchstpersönlich verhindern. Wir wollen nicht wissen, was dieses Schwachsinns-Plakat gekostet hat.

Aber, Wunder über Wunder, der VSM verschickt seinen «Sondernewsletter» zur Abstimmung. Sauber aufgebaut; Intro, Grafiken, Testimonials. Kein visuelles oder inhaltliches Glanzstück, aber solide.

Am Schluss kommt dann noch dieser hier:

So weit, so gut. Der Hinweis aufs «Komitee Die Meinungsfreiheit» geht in Ordnung. Obwohl der Name ebenfalls bescheuert ist. Die grossen Medienclans, die in den letzten Jahren ständig Kopfblätter aufgekauft haben und aus zwei Küchen insgesamt 36 Tageszeitungen mit der gleichen Sauce abfüllen, die sind die Totengräber der Meinungsfreiheit. Wenn schon.

Zum Fremdschämen. Und dann noch Hansi Voigt

Aber item, blöder Name, unglücklich kämpfendes Komitee, desaströse Kommunikation. Zum Fremdschämen. Seit sich auch noch Hansi Voigt auf die Seite der Befürworter geschlagen hat, kann man getrost Wetten über den Ausgang der Abstimmung abschliessen. Denn wer den im Lager seiner Gegner erspäht, weiss: ich gewinne.

Aber es gibt eine gute Nachricht: dieser NL wäre eine prima Gelegenheit gewesen, das Tell-Plakat weiter unter die Leute zu bringen. Nur: ist nicht. Kein Tell. Keine Mauer, die mit der Ausgabe der NZZ vom 1. August 1291 niedergehauen wird. Nichts. Tell ist tot.

Auch in der extra gebastelten und 8 Seiten umfassenden «Abstimmungszeitung» ist eigentlich alles enthalten, was auch im Newsletter verbraten wurde. Was auch etwas schlapp ist. Aber auch hier kein Tell. Absurd, aber wahr: Da gibt es ein Komitee. Da gibt es ein breites Bündnis vieler Medienhäuser. Und Organisationen. Allesamt Medienprofis.

Die eigentlich wüssten, wie man eine Kampagne führt, die Volksseele richtig massiert, wie wichtig es ist, mit klarer Symbolik und Aussage in die Abstimmung zu ziehen. Also liess man ein Plakat entwerfen, drucken und gab auch dafür einen Haufen Geld aus. Um es stolz zu präsentieren – und anschliessend in der Versenkung verschwinden zu lassen.

Es braucht schon die geballte Fachkompetenz von grossen Medienhäusern, denen es immerhin um einen hübschen Anteil an einer Milliarde geht, um dermassen kläglich zu versagen.

Was muss denn noch alles passieren, damit die Clanchefs – Coninx-Supino, Ringier-Walder, Wanner-Wanner und Lebrument-Lebrument – einsehen, dass sie einen Haufen Geld sparen können, wenn sie den Overhead, die Teppichetage, das Verlagsmanagement mehr oder minder ersatzlos einsparen.

Denn eines ist sicher: schlimmer kann’s nicht mehr werden; diese Kampagne für das Medienpaket wird noch in Jahren Lachtränen verursachen. Schenkelklopfer und unkontrollierbare Kicheranfälle.

Ist’s die NZZ vom 1. August 1291?