Nach dem Text der Ton

Für alle, die von Zeyer nicht genug kriegen können.

Nach 1538 eigenen Beiträgen hier auf ZACKBUM (wer’s nicht glaubt: nachzählen!) ist es höchste Zeit, dass die Welt auch mit Mitteilungen von René Zeyer beschallt wird.

Nun ist es leider schon ein Weilchen her, dass Schweizer TV- oder Radiostationen es wagten, solche Beiträge auszustrahlen. Auch wenn es hierzulande Brauch ist, dass Auftritte in der «Arena», bei «Talk kläglich» oder auch bei «Schawinski» gratis sind.

Nun ist es ein mittleres Wunder, dass sich die Welt seither weitergedreht hat, ohne aus dem Takt zu geraten. Aber nun gibt es Abhilfe. Es gibt ein neues Radio, das bereits die Aufmerksamkeit von Recherchierjournalisten auf sich zog. Allerdings fand der eine nicht mal die Büroräumlichkeiten des Internetfunks, der andere zeigte, dass er den Unterschied zwischen Aktien- und Betriebskapital nicht kennt.

Für diese beiden, aber auch für alle anderen, die gerne etwas mehr von Wirtschaft verstehen möchten, gab es am Sonntag eine Premiere.

Tusch und Tralala: die erste Ausgabe von

«Zaster und Desaster: Das Wirtschaftsmagazin mit René Zeyer»

wurde ausgestrahlt. Getextet, gesprochen und musikalisch untermalt von René Zeyer. Gut, das mit der Musik ist gelogen, aber ansonsten werden in der Sendung nur Wahrheiten ausgesprochen. Der erste Premierengast ist der Freiburger Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger. Das grosse Thema der ersten Ausgabe ist «Inflation».

Natürlich kann man diese Ausgabe nachhören; sie kann gestreamt, gespeichert oder immer wieder abgespielt werden.

Ist das Eigenwerbung? Lässt das jede journalistische Distanz vermissen? Wird hier ungehemmt gelobhudelt, was ansonsten streng kritisiert wird?

Na und?

 

«Republik»: Besitzer-Beschimpfung

Verlegerkritik an einem Schmieren-Artikel? Die Autoren kläffen zurück.

Die «Republik» beantwortete die Frage von ZACKBUM, ob es menschenmöglich sei, das unterirdische Niveau des Verleumdungsartikels über ein angebliches Netzwerk von «Info-Kriegern» noch zu unterbieten. Die Antwort lautet ja, es erblickte der Schmieren-Artikel «Der Aufsteiger» über den NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer das Licht der kleinen Welt der Demokratieretter.

Diese ausschliesslich auf anonymen Stänkereien beruhende Kloake journalistischen Schaffens wurde sogar innerhalb der Gesinnungsblase der «Republik»-Verleger in Kommentaren scharf kritisiert. Neben wenig (wohl bestelltem) Lob hagelt es sogar Abbestellungen:

«Der Artikel behauptet, statt zu zweifeln. Er ist kritisch, ohne selbstkritisch zu sein. Die Autor:innen scheinen restlos überzeugt von ihrer Einschätzung.  – Und jetzt? Was genau ist die Story? – Für mich ist das Gossip: Persönliche Recherchen, gespickt mit Zitaten, wo sie grad passen. – 

Dieser Artikel hat mich in meinem Unbehagen bestärkt, das mich bei der Lektüre von Republik zunehmend befällt.

– Manchmal führe ich mit mir den folgenden Test durch: Ich frage mich «Was von dem, was ich eben gelesen habe, könnte ich jemandem als eine verlässliche und überprüfbare Information weitervermitteln?» Je näher die Antwort gegen Null zustrebt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es sich beim Gelesenen um Kolportage handelt. – Braucht es dazu uns, das Publikum? Gibt es dafür keine andere Organe? – Sie Herr Albrecht, wie auch der Rest des Teams, welche die publizistische Verantwortung der Republik trägt, sollten sich hingegen fragen: Haben Sie auch tatsächlich was Relevantes zu berichten über diese Person? (Meinem Verdikt nach: Offenbar nicht wirklich. Deshalb die Seichtigkeit.) – Ich persönlich finde den Artikel ziemlich geschmacklos.»

Sogar der Ex-Mitarbeiter Urs Bruderer kann nicht schweigen: «Disclaimer: Jonas Projer war mein Kollege in Brüssel und ist mein Freund. Und für die „Republik“ hab ich mal gearbeitet. Aber so geht das nicht. „Die Republik hat mit zwei Dutzend Personen gesprochen, …“ – diese Floskel ist kein Freipass, um nachher eine Geschichte ohne Belege und Zitate zu erzählen.»

Dass den Autoren Albrecht und Beck eine Kritik von ZACKBUM schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigeht, ist einfach Ausdruck von Arroganz, die aus Unsicherheit entsteht. Aber wenn selbst innerhalb der eigenen Verlegerschaft massiv protestiert wird, entsteht daraus der vielbeschworene «Dialog» mit den Autoren? Nicht wirklich. So meldet sich Albrecht zu Wort und weist seine Brötchengeber scharf zurecht:

«Ich möchte hier auf die vielen Kommentare antworten, die unseren Text kritisieren. Und ich möchte betonen, dass es für uns nach wie vor keinen Zweifel an der Recherche gibt. … Es ist wichtig, dass wir die Geschehnisse so wiedergeben, wie wir es hier getan haben. Dazu gehört auch die Zitierung von anonymen Quellen. Ohne sie wäre Veränderung unmöglich

Welche Recherche? Welche Geschehnisse? Welche Veränderungen?

Auch die Co-Autorin Ronja Beck will unter Beweis stellen, dass sie völlig beratungsresistent ist: «Ich glaube, hier eine Diskussion zu entfachen, bringt aus offensichtlichen Gründen nichts. Deshalb nur kurz: Warum du Informationen von anonymisierten Quellen mit Gerüchten gleichsetzt, ist mir schleierhaft. Ich kann dir versichern, wir haben hier mit gut informierten Quellen gesprochen.»

Sie will offenbar nicht verstehen, dass die Verwendung von anonymen Quellen eine entscheidende Voraussetzung hat: die Glaubwürdigkeit desjenigen, der sie zitiert …

Aber Beck kann noch mehr dafür tun, sich lächerlich zu machen: «Es gibt auch nahezu beliebig viele Unternehmen, die ihr Personal schlecht behandeln. Hätten wir deshalb nie über Globegarden schreiben sollen

Darauf erübrigt sich jeder Kommentar, ausser dem eines «Verlegers»: «Globegarden? Ich hoffe, die Geschichte über Projer fällt nicht genauso in sich zusammen … 😬»

Denn das Duo Infernal Albrecht/Beck zeichnete ebenfalls für den Gewaltsflop «Globe Garden» verantwortlich. Aufgrund fast ausschliesslich anonymer Anwürfe ehemaliger Mitarbeiter zogen die beiden den grössten Betreiber von Kitas in der Schweiz durch den Dreck. Eine gründliche externe Untersuchung der Vorwürfe ergab dann: nichts dran, null, kein einziger Vorwurf (sofern die ungenauen Behauptungen überhaupt konkretisiert werden konnten) liess sich erhärten. Nicht einer. Anlass für Einsicht oder Selbstkritik bei den beiden? Ebenfalls null.

Offensichtlich findet bei der «Republik» keinerlei Qualitätskontrolle mehr statt. Anders lässt sich der Unsinn über die «Info-Krieger» nicht erklären. Anders lässt sich nicht erklären, dass dieser Schmieren-Artikel publiziert werden konnte, der an Lächerlichkeit und fehlerhaften Anwürfen nicht zu überbieten ist. Dazu nur ein Beispiel als Absackerchen.

Um den ungebremsten Egotrip von Projer zu belegen, behaupten die beiden Schmierfinken in ihrem Artikel: «Damit die Schein­werfer keine unerwünschten Schatten auf das Gesicht des Chef­redaktors werfen, muss die Raum­höhe erweitert werden.»

Kleines Problem mit der Wirklichkeit: Der Chefredaktor stand im ersten Jahr praktisch nie vor der Kamera

Wie kommentiert ein gefrusteter Verleger so richtig: «Ich bin allerdings vor allem enttäuscht, wie auf die kritischen Kommentare reagiert wird. Ich sehe vor allem Rechtfertigungen und Abwehrreaktionen.»

Wer sich selbst ohne Not ins Eck manövriert, über keinerlei Fähigkeit zur Selbstkritik verfügt, null Ehrfurcht vor den primitivsten Standards seines Berufs hat, sollte ihn wechseln, statt das ohnehin ramponierte Image noch weiter zu versauen. Im Gastgewerbe zum Beispiel werden dringend Kräfte gesucht …

Wer hat’s erfunden?

Roger Schawinski bekommt Journalistenpreis. Schon wieder.

Es begab sich zu Weihnachten 2020, dass ZACKBUM die alternativen Schweizer Journalistenpreise verlieh. And the winner is: natürlich Roger Schawinski als Journalist des Jahres. Aus unserer Kurzlaudatio:

Roger Schawinski (Radio 1)

Schawinski trägt persönlich enorme Verluste wegen fehlenden Werbeeinnahmen, hat aber niemandem gekündigt. Hat sein Angebot sogar während der Krise ausgebaut. Und er ist als Moderator wegen Corona zu neuen Höchstleistungen aufgestiegen, mit seinem Talkradio. Zudem ist sein Doppelpunkt nach wie vor das Mass aller Interviews.

Allerdings wurde Roger Schawinski vom Schweizer Journalisten noch nie in dieser Funktion ausgezeichnet. Erstaunlich…

Auch sonst hielt es niemand für nötig, dem wohl bedeutendsten Medienmacher der Schweiz jemals einen Preis zu verleihen. Dafür ist er zu erfolgreich, zu eigenwillig, zu dominant. Ein Marathonläufer halt, der auch mit 77 noch wacher und jünger im Kopf ist als ganze Redaktionscrews.

Aber immerhin, nach jahrelangem, um nicht zu sagen jahrzehntelangem Ignorieren hat die Jury des Zürcher Journalistenpreises die Auszeichnung an Schawinski verliehen. Für sein Lebenswerk. Wobei ZACKBUM für einmal stolz sagen kann: Wer hat’s erfunden? Wir. Und wir haben nicht fürs Lebenswerk gelobt und gepriesen. Sondern für konkrete Taten in diesem Jahr.

Das Lebenswerk ist natürlich beeindruckend. «Die Tat», «Kassensturz», «Radio 24», «Tele Züri», «Tele 24», Leitung Sat 1 Deutschland, Talkshow «Schawinski», nachdem ihm das SRF den Stecker zog, nun bei Blue. Der «Doppelpunkt», legendär. Sein Talk Radio während Corona und nun zum Ukrainekrieg. Nicht zu vergessen sein erfolgreicher Ein-Mann-Aufstand gegen das Abschalten der UKW-Ausstrahlungen.

Der Mann ist so gross, dass selbst alle Neider und Kleinmacher nicht mehr umhin konnten, ihn auszuzeichnen. Ihr langes Zögern erklärt sich wohl damit, dass sie hofften, dass sie das Lebenswerk dann ehren können, wenn es vollendet ist – also wenn Schawi in die Pension abgezwitschert wäre. Aber den Gefallen tut er ihnen nicht. Obwohl ein Lob des Lebenswerks immer die Einleitung für einen Nachruf ist …

Ein wenig altersweise ist er geworden, aber nicht altersmüde. Auch wenn er im persoenlich.com-Interview gesteht: «Nach jeder längeren Sendung sehne ich mich heute nach einem Power Nap, einer Siesta. Früher war dies nicht nötig.»

Dann hoffen wir auf noch viele Siestas. Denn davor macht er immer irgendwas, das man sich ansehen oder anhören sollte. Wo Schawinski ist, da ist Leben im Äther. Das ist so wichtig wie nie, denn es ist so viel Narkosemittel im Äther.

Kritik musste er mehr als genug einstecken, nun ist er etwas erstaunt: «Belobigungen gab es eher wenige von Branchenkollegen und Konkurrenten. An die muss ich mich erst noch gewöhnen.»

Doch, ZACKBUM mochte und mag ihn schon sehr, bei allen Differenzen gibt es so etwas wie vertraute Nähe.

Lob mag er nach wie vor sehr; auf Kritik reagiert er nach wie vor eher ungnädig. Aber das sei ihm nachgesehen. Denn er ist etwas, was fast ausgestorben ist. Ein Radio Man. Mit Herzblut, Engagement, Kreativität. Er ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, obwohl er mit ihnen ein bequemes Lotterbett füllen könnte. Er macht jede Sendung, als wäre sie seine erste und seine letzte. Vielleicht ist er manchmal masslos, übermässig, a Man in Full halt. Aber das ist hundertmal besser als Mittelmass und Mainstream. Eigentlich hätte jemand vom Format eines Tom Wolfe seine Biographie schreiben sollen.

Natürlich ist ZACKBUM nicht ganz unparteiisch in dieser Sache. Na und?

Abrazo. Y adelante, compañero. Hasta la victoria siempre.

Der Deutsche ist unbelehrbar

Über 100’000 Unterzeichner hat ein offener Brief gefunden. Und ein paar Kritiker.

Deutsche Intellektuelle fordern vom Bundeskanzler Olaf Scholz, dass er seine bedächtige Politik beibehält und alles tut, um einen Dritten Weltkrieg zu vermeiden. Dazu gehört auch, an die Ukraine keine schweren Waffen zu liefern und Präsident Putin keinen Vorwand zu liefern, Deutschland oder die NATO als direkt involvierten Kriegsgegner anzuschauen.

Man kann über diese Position, die immerhin unter anderen von Alice Schwarzer, Alexander Kluge und diversen weiteren Schwergewichten des deutschen Geistes unterstützt wird, geteilter Meinung sein. Oder ihr zustimmen wie der ZACKBUM-Autor René Zeyer.

Was beelendet, ist das Niveau der Kritik daran. Der «Satiriker» Jan Böhmermann wurde schon mit einem Schmähgedicht über den türkischen Autokraten Erdogan verhaltensauffällig. In seine Reaktion auf den offenen Brief erreicht er einen neuen Tiefpunkt:

Man kann ihn beruhigen: das ist nur der Fall, wenn er selbst von einer Rakete getroffen würde.

Dass der ukrainische Botschafter in Deutschland tobt, ist zwar verständlich, aber alles andere als diplomatisch:

«Keiner mit Verstand soll Ihre schäbige Emma kaufen.» Damit zeigt Melnyk, was er von westlicher Meinungsfreiheit hält. Nichts. Er möchte gerne ukrainische Zustände in Deutschland, aber das wird nicht passieren. Herrschten gegenüber der Ukraine normale Zustände, würde der Botschafter zumindest einbestellt und mit einer scharfen Protestnote bedacht.

Auch der Grünen-Politiker Peter Heilrath hat einen Vergleich auf Lager, der an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten ist:

Natürlich liegt in Deutschland die Faschismus-Keule immer gut in der Hand, aber dafür hätte der Autor dieses Tweets selbst eins über die Rübe verdient, für diese unanständige Schamlosigkeit.

Die früher pazifistische Partei «Die Grünen», die sich für die Abschaffung der NATO einsetzte, hat sich, opportunistisch wie immer, in eine Partei von Kriegsgurgeln verwandelt, die gar nicht schnell genug schweres militärisches Gerät in die Ukraine schaffen können. Haltung, das ist denen völlig unbekannt.

Andere keifen «Wahnsinn», «Sofa-Pazifismus» und gebärden sich überhaupt so, als gälte es, mal wieder für Kaiser, Führer und Vaterland in den Krieg zu ziehen. Aber bitte nicht persönlich, so weit geht das Engagement dann doch nicht.

Auch der wohl bedeutendste lebende Philosoph deutscher Sprache artikuliert mahnende Worte: Ihn irritiere  «die Selbstgewissheit, mit der in Deutschland die moralisch entrüsteten Ankläger gegen eine reflektiert und zurückhaltend verfahrende Bundesregierung auftreten».

Altersmilde versetzt Jürgen Habermas all diesen Kriegstrommlern einen sanften Hieb auf die Nase: «Wie tief muss der Boden der kulturellen Selbstverständlichkeiten, auf dem unsere Kinder und Enkel heute leben, umgepflügt worden sein, wenn sogar die konservative Presse nach den Staatsanwälten eines Internationalen Strafgerichtshofes ruft, der weder von Russland und China noch von den USA anerkannt wird.»

Zu Waffenlieferanten gewendete Pazifisten, sorglose Maulhelden, verantwortungslose Kriegstreiber, Denunzianten von jeder besonnenen Wortmeldung: welche Kleingeistigkeit zeigt sich hier. Letztlich auch wieder der gleiche Hass auf diese «Intellektuellen», der in Deutschland immer gerne geschürt wird, wenn man des Volkes Stimme ungestört beherrschen und manipulieren will.

Es ist allerdings richtig: von Böhmermann abwärts und aufwärts kann keiner der Kritiker an diesem offenen Brief behaupten, jemals zu recht als Intellektueller oder als analytischer Denker bezeichnet worden zu sein.

Dumm, dumpf, bösartig und unverantwortlich. Das ist alles bedauerlich, aber erlaubt. Auch noch stolz darauf sein und es öffentlich kund tun: das ist ein starkes Stück.

 

 

Ein kleiner Lichtblick

Deutsche Intellektuelle haben einen Brief geschrieben.

Es ist ein offener Brief an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz. Er wird dringlich gebeten, bei seiner bedächtigen Position zu bleiben:

«Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen allerdings könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. Und ein russischer Gegenschlag könnte so dann den Beistandsfall nach dem NATO-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen.»

Gestartet wurde die Unterschriftensammlung von Alice Schwarzer. Zu den Erstunterzeichnern gehört eine ganze Reihe von intellektuellen Schwergewichten:

Dr. Svenja Flaßpöhler, Philosophin
Prof. Dr. Elisa Hoven, Strafrechtlerin
Alexander Kluge, Intellektueller
Prof. Dr. Reinhard Merkel, Strafrechtler und Rechtsphilosoph
Prof. Dr. Wolfgang Merkel, Politikwissenschaftler
Gerhard Polt, Kabarettist
Alice Schwarzer, Journalistin
Robert Seethaler, Schriftsteller
Antje Vollmer, Theologin und grüne Politikerin
Martin Walser, Schriftsteller
Prof. Dr. Peter Weibel, Kunst- und Medientheoretiker
Prof. Dr. Harald Welzer, Sozialpsychologe
Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist
Juli Zeh, Schriftstellerin
Prof. Dr. Siegfried Zielinski, Medientheoretiker

Wer mitmachen will, hier klicken. Inzwischen haben Tausende den offenen Brief unterzeichnet, darunter René Zeyer. Natürlich schlägt ihnen scharfe Kritik von Kriegsgurgeln und verantwortungslosen Hetzern entgegen. Aber die Lage ist inzwischen so kritisch, dass es auf jeden kleinen Beitrag ankommt.

Vincenz: eine Stimme der Vernunft

Strafrechtsprofessor Marcel Niggli kritisiert das Urteil scharf.

Ordinarius für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Uni Freiburg: Niggli ist ein Schwergewicht, sozusagen die Instanz bei allen Fragen rund ums Strafrecht. Dabei hält er mit seiner Meinung nie hinter dem Berg – im Gegensatz zu vielen Kollegen, die sich lieber nicht in den Nahkampf mit den Mühlen der Justiz begeben.

Niggli rechnet in einem Interview im «Tages-Anzeiger» (hinter Bezahlschranke) mit dem erstinstanzlichen Urteil gegen den gefallenen Banker-Star Pierin Vincenz ab. Und lässt keinen guten Faden daran. Schon zuvor hatte er die 368 Seiten umfassende Anklage als «dünn» abqualifiziert. Aus der Tatsache, dass die beiden Hauptangeklagten länger in Untersuchungshaft sassen, folgerte er, «dass das Gericht keinen Freispruch fällen würde. Denn sonst müsste der Staat Ersatz leisten». So kam es dann auch.

Aber Niggli geht noch weiter und zerpflückt die Begründung des Gerichts für sein drakonisches Urteil (45 Monate für Vincenz, 48 für seinen Kompagnon). Dazu nimmt er ein handliches Beispiel:

«Wenn Sie mir 100 Franken schulden, und Sie geben mir die nicht, dann klage ich. Dann bin ich noch nicht geschädigt im strafrechtlichen Sinn. Die Vorstellung, dass jemand, der seine Verpflichtungen nicht erfüllt, per se schon eine Vermögensschädigung bewirkt, ist falsch. Denn dafür ist das Zivilrecht zuständig.»

Also das Problem, dass Vincenz und Beat Stocker ihren Arbeitgebern gegenüber eine Herausgabepflicht von Gewinnen haben, könne man nicht als strafrechtliches Problem sehen. Sondern als zivil- oder arbeitsrechtliches.

Das Gericht begibt sich auf einen gefährlichen Weg

Betrug und Arglist kann Niggli alleine durch die Verwendung eines Konstrukts nicht erkennen: «Das würde ja heissen, dass, immer wenn ich eine Beteiligungsgesellschaft nutze, ich schon im betrügerischen Bereich unterwegs bin.»

Auch die Rolle der Medien sieht der Professor sehr kritisch: «Ohne die Berichterstattung wäre möglicherweise das Urteil viel neutraler ausgefallen.» Im Fall des Spesenbetrugs hätte Niggli eine Strafe von einem Jahr bedingt für angemessen gehalten.

Über den Einzelfall hinaus sieht er aber ein grundsätzliches Problem:

«Wenn man sagt, dass Vertragsverletzungen automatisch strafbar sind, dann begeben wir uns auf einen sehr gefährlichen Weg.»

Es tut gut, eine Stimme der juristischen Vernunft zu hören. Denn gerade in diesem Fall wurden in der Öffentlichkeit (und durch die Öffentlichkeit) Begrifflichkeiten vermischt, die nichts miteinander zu tun haben sollten.

Moral und Strafrecht sind zwei verschiedene Dinge

Die Entrüstung über das moralisch fragwürdige Verhalten von Vincenz versperrte den Blick auf die strafrechtliche Würdigung. Wenn jemand Spesen in Striplokalen oder für Reisen seinem Arbeitgeber in Rechnung stellt, mag das anrüchig sein. Ob es aber strafrechtlich relevant ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hier kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, auf den Banken-Professor Kunz aufmerksam machte: diese Spesen wurden allesamt vom Vorgesetzten des Bankers, vom damaligen VR-Präsidenten, abgesegnet.

Wenn sie dennoch im Nachhinein als betrügerisch gewertet werden, muss eigentlich jeder, der Spesen verursacht, zusammenzucken. Denn selbst die Tatsache, dass sie akzeptiert wurden, schützt ihn nicht davor, allenfalls im Nachhinein strafrechtlich belangt zu werden.

Der ganze Themenkomplex Rotlichtspesen – und die unablässige Veröffentlichung saftiger Details unter Bruch des Amts- und Geschäftsgeheimnisses – kann nur so interpretiert werden, dass damit Ruf und Reputation des Angeklagten irreversibel geschädigt werden sollten.

Damit wurde das andere Thema, arglistiger Betrug durch verschleierte Beteiligungen ohne Gewinnherausgabe, sozusagen vorbereitet. Jemand, der einen solchen Lebenswandel hat, ist doch sicher auch im Geschäftsleben nicht sauber. Um dann noch ungetreue Geschäftsbesorgung auf ein anderes Niveau zu heben, nämlich als Betrug zu werten, setzt Arglist voraus. Die Beweisführung dafür ist tatsächlich mehr als «dünn» und beruht auf der Strapazierung eines Bundesgerichtsurteils im Fall von nicht herausgegebenen Retrozessionen.

Dass das Gericht hier der Argumentation des Staatsanwalts vollumfänglich folgte, macht es wahrscheinlich, dass das Obergericht korrigierend eingreifen wird.

Der Schaden ist angerichtet, unabhängig vom Ende der Justizodyssee

An der Tatsache, dass die gesellschaftliche Stellung der Angeklagten unwiderruflich zerstört ist, ihre finanziellen Verhältnisse zerrüttet, nicht zuletzt durch die schon Jahre andauernde Beschlagnahmung ihrer Vermögenswerte, stellt einen nicht wiedergutzumachenden Schaden dar.

Es geht hier keinesfalls um eine Verteidigung des Verhaltens von Vincenz. Aber es muss zwischen der strafrechtlichen und der moralischen Beurteilung strikt unterschieden werden. Hat doch Dreck am Stecken und konnte den Kanal nicht voll genug kriegen, das ist Volkes Stimme, aber keine rechtlich relevante Position.

Relevant ist hingegen, dass theoretisch bis zu einem rechtsgültigen Urteil für Vincenz und seinen Kompagnon die Unschuldsvermutung zu gelten hätte. Das ist in diesem Fall purer Hohn.

 

 

 

 

Tamedia und CH Media: Fusion!

Eine kurzfristig anberaumte PK mit vier Teilnehmern.

Das ist eine faustdicke Überraschung. Mit ultrakurzer Frist luden heute Morgen Tamedia und CH Media zu einer Pressekonferenz per Videocall. Weil die falschen Zugangsdaten verschickt wurden, gelang es nur wenigen Medien, darunter ZACKBUM, teilzunehmen. Obwohl eine Sperrfrist bis 8 Uhr verhängt wurde, setzen wir uns im Stile von publizistischen Leitern darüber hinweg.

Im geviertelten Bildschirm sah man Peter Wanner und Patrik Müller von CH Media. Dazu Pietro Supino und Arthur Rutishauser als Vertreter von Tamedia.

Die Vier von der Geldtankstelle.

Wanner, Alter vor Schönheit, wie er launig bemerkte, eröffnete die Veranstaltung und liess sofort die Katze aus dem Sack.

«Angesichts eines anhaltend herausfordernden Umfelds haben Tamedia und CH Media beschlossen, unsere Printaktivitäten im Bereich Tageszeitungen zu bündeln.»

Supino übernahm und führte aus, dass ein Gewinn von über 800 Millionen Franken und eine Sonderdividende in der TX Group nur dann nachhaltig garantiert werden könne, wenn in der Business Unit Tamedia die Verluste gekürzt und die Gewinne verlängert würden. Das sei aber nicht weiter durch Sparmassnahmen realisierbar.

«Wir versprechen uns davon eine deutliche Qualitätssteigerung des Angebots», fügte Rutishauser, Oberchefredaktor Tamedia, hinzu. «Wir bringen das Korrespondentennetz und das Know-how der «Süddeutschen Zeitung» ein, ausserdem wird nun «Das Magazin» auch sämtlichen Printtiteln von CH Media beigelegt.»

Supino erläuterte, dass natürlich «TX Markets», «Goldbach» und «20 Minuten» nicht fusioniert werden. «Bei uns bleibt «watson» ausserhalb der Fusion», ergänzte Müller; «unsere TV- und Radiostationen werden wir ebenfalls in Eigenregie weiterbetreiben».

«Leider wird diese Fusion nicht ohne die Freistellung einiger Mitarbeiter genügend Synergien schaffen», sagte dann Supino routiniert. «Es ist eine lineare Kürzung von 25 Prozent auf allen Hierarchiestufen vorgesehen.»

«Das neue Unternehmen wird logischerweise CH Tamedia heissen», erwähnte Wanner; «mein Freund Pietro und ich werden uns das Präsidium des VR teilen, die Geschäftsleitung werden Arthur und Patrik gemeinsam bespielen. Mittelfristig ist hier vorgesehen, dass es dann nur einen CEO geben kann und wird. Möge der Bessere gewinnen.»

Dann setzten die Vier noch einen Akzent zum Schluss, der nicht bei allen Zuschauern gleichgut ankam. Supino schnippte mit den Fingern und sagte leise an «eins, zwei, drei.» Darauf riefen alle im Chor:

«Wir sind CH Tamedia. Wir bleiben dran. Wir finden’s raus. Stoppt den Krieg in der Ukraine.»

Wo informieren?

Eine Liste gegen die Rastlosigkeit.

Immer mehr aufgeweckte Beobachter des Zeitgeschehens fragen sich, welchen Newsquellen sie eigentlich noch vertrauen können. Bzw., wo sie Food for Thought herbekommen, nicht durchgekauten Einheitsbrei. Auf eine Leserfrage hin hat unser Mitarbeit Felix Abt in einem Leserkommentar eine Liste zusammengestellt. Sie verdient es, hier ergänzt aufgeführt zu werden:

The Intercept – ohne Bezahlschranke, unabhängig, das erste Medium, welches über die weltumspannende NSA-Schnüffelei berichtete und die entsprechenden Edgar Snowden-Reports publizierte.

Consortium News –  ohne Bezahlschranke, unabhängig, gegründet von einem amerikanischen investigativen Journalist, der bekannt wurde für seine Rolle bei der Berichterstattung über die Iran-Contra-Affäre für Associated Press (AP) und Newsweek, einschließlich der Aufdeckung der psychologischen Operationen im Guerillakrieg (CIA-Handbuch für die nicaraguanischen Contras) und der CIA-Beteiligung am Contra-Kokainhandel.

Fair Observer –  ohne Bezahlschranke, unabhängig, ein Kunterbunt an Artikeln verschiedenster Ausrichtung, da die Beiträge nach dem Crowdsourcing-Prinzip entstehen: prinzipiell kann jeder Artikel einreichen. Man erhofft sich so eine länderübergreifende umfassende 360°-Perspektive.

Asia Times – teilweise mit Bezahlschranke, die wichtigste der [englischsprachigen] Regionalpublikationen, welche Asien abdecken.

Counterpunch – ohne Bezahlschranke, unabhängig, gegründet von investigativen Journalisten, gilt als eine der beliebtesten politischen Quellen in Amerika, war in einen Skandal verwickelt, als eine fiktive Journalistin, hinter der angeblich der russische Geheimdienst stand, Artikel publizierte (die inzwischen alle gelöscht wurden).

Off-Guardian – ohne Bezahlschranke, unabhängig, wurde im Februar 2015 ins Leben gerufen und hat seinen Namen von der Tatsache, dass seine Gründer, ehemalige Journalisten und Leser der britischen Zeitung «The Guarden» zensiert und/oder aus den Abschnitten «Comment is Free» des Guardian verbannt wurden. Ihre Redaktoren und Administratoren sitzen in den USA, Großbritannien und Europa.
Off-Guardian will sich dem offenen Diskurs und der freien Meinungsäußerung widmen und Artikel auf beiden Seiten eines bestimmten Themas publizieren.

The American Conservative – ohne Bezahlschranke, unabhängig, steht für einen Konservatismus, der unkontrollierte Macht in Regierung und Wirtschaft gleichermaßen ablehnt.

CovertAction Magazine – ohne Bezahlschranke, gegründet von einem ehemaligen CIA-Offizier, der zum Agenturkritiker wurde. Das Magazin hat sich spezialisiert auf illegale Regierungsaktivitäten, die in aller Regel geheim gehalten werden und von den Medien nicht thematisiert werden. Beiträge und Informationen stammen zu einem grossen Teil von ehemaligen CIA- und anderen Regierungsbeamten. Einer seiner Autoren ist John Kiriakou, ein ehemaliger CIA-Agent, welcher sich gegen Folterungen aussprach, selbst nie folterte, aber 30 Monate lange ins Gefängnis musste, weil er diese Praktiken öffentlich machte. Im Unterschied zu ihm wurde keiner der Folterknechte der CIA und des amerkanischen Militärs jemals bestraft.

The Atlantic – mit Bezahlschranke. Aber lachhafte 60 US-Dollar kostet das digitale Jahresabonnement; eine Investition, die sich lohnt.

The New Yorker – mit Bezahlschranke. Das Blatt, bei dem Journalisten noch Freiheiten und Privilegien der Tiefenrecherche geniessen, bei denen man in Europa nur grün vor Neid werden kann.

Mother Jones – die grosse, alte Dame des Muckraking-Journalismus, des Aufdeckungsjournalismus in der Tradition eines Upton Sinclair oder Lincoln Steffens. Finanziert sich weitgehend durch Spenden.

The Economist – das grosse englische Wirtschaftsmagazin, das dank eigener Stiftung selbstfinanziert ist. Und den guten, alten angelsächsischen Faktenjournalismus betreibt, weiterhin ohne Autorenzeile, denn Bauchnabelschau ist nicht in. Eigentlich alles hinter Bezahlschranke; wobei 175 Franken für ein digitales Jahresabo ist gut investiertes Geld.

Financial Times – Höchstens im Zweikampf mit dem WSJ an einem Konkurrenten zu messen. Deckte zum Beispiel im Alleingang den deutschen Wirecard-Skandal auf – während alle deutsche Medien sich einer Verleumdungskampagne anschlossen und Wirecard Prozesse lostrat. Mit einem Franken ist man für vier Wochen dabei. Wer sich dadurch anfixen liess, zahlt dann 399 Franken für ein Jahr. Die Hälfte einer Schweizer Tageszeitung – für den doppelten Wert.

Wall Street Journal – Auflage 2,2 Millionen; auf jeden Artikel wird normalerweise mehr Manpower verwendet als für eine ganze Ausgabe einer Schweizer Tageszeitung. Zusammen mit der FT die Benchmark für Wirtschaftsberichterstattung – und vieles mehr. Mit dem Schnäppchenpreis von 24 Franken ist man digital dabei – für ein Jahr.

 

Und auf Deutsch? Auf Deutsch senden wir das Pausenzeichen …

Alte, weisse Männer

Eigenlob stinkt. Eigenwerbung riecht gut.

ZACKBUM-Autor René Zeyer publiziert auch auf «Die Ostschweiz». Das hat gleich drei Gründe. Die Einschaltquote dieser munteren Online-Plattform hat bereits diejenige des alteingesessenen St. Galler «Tagblatts» mit all seinen Kopfblättern überholt. Es ist, im Gegensatz zu kläglichen, von reichen Erben gesponserten Produkten, erfolgreich, selbsttragend, kosten-, aber nicht werbefrei.

Der zweite Grund besteht darin, dass «Die Ostschweiz» keine Zensur ausübt, sich als Plattform versteht, auf der alle Meinungen Platz haben, die sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten und weit gefassten moralisch Anständigen bewegen. Daher wird sie mit Missachtung und Missvergnügen in den Mainstream-Medien abgestraft. Vor allem, seit es einem kleinen Komitee aus dem Umfeld des Online-Magazins gelang, den reichen Medienclans eine Milliarde Steuergelder vorzuenthalten.

Über diesen Verlust kann beispielsweise den Coninxclan nur mühsam ein Superprofit von 830 Millionen im letzten Geschäftsjahr hinwegtrösten.

Der dritte Grund besteht natürlich darin, dass hier auch Platz für Selbstdarstellung ist. Denn es wurde eine neue Talkshow ins Leben gerufen. Bevor es die Kritiker rufen, wurde sie gleich selbstkritisch «Alte weisse Männer» genannt.

Es treten an: Stefan Millius (Mitte), Chefredaktor «Die Ostschweiz», Ralph Weibel (r.), Redaktionsleiter «Nebelspalter» Print, und René Zeyer. Als ob das nicht schlimm genug wäre: Die Show wird, dank guter Einschaltquote, monatlich fortgesetzt. Mit Überraschungsgästen. Immer kantig, kritisch, auch hämisch, dafür aber vergnüglich, unterhaltsam, lehrreich, ein «Must See».

 

 

 

Lokaljournalismus dada

In Zürich geht’s um die Renovation des Schauspielhauses. Platz für gaga.

Schon seit einiger Zeit tobt ein Meinungskampf der luxuriösen Art. Die Direktion des Schauspielhauses will das Theater modernisieren. Also konkret für über 100 Millionen das Gebäude am Pfauen auskernen und innen neu bauen.

Die prekären Zustände der Bausubstanz und der Installationen mache das nötig; eine Restauration des Bestehenden käme viel teurer.

Nun ist die Pfauenbühne ein historisches Monument. Hier fand – einzigartig in Europa – während den dunklen Zeiten des Faschismus aufmüpfiges Theater statt, hier wurden Stücke von Bertold Brecht (wie der Kultursender SRF dessen Vornamen verhunzt) aufgeführt, hier fanden viele Exilschauspieler und bedeutende Regisseure ihre Wirkungsstätte. In eben dem Theatersaal, der bis heute in Rosa und Plüsch mit zugegeben ziemlich unbequemen Stühlen lockt.

Es tobt ein Glaubenskrieg in der Stadt Zürich

Der Zürcher Stadtrat und die Leitung des Theaters sind für die Variante «umfassende Erneuerung». Dagegen erhob sich grosses Geschrei, Opposition und Gegenwehr. Das könne man nicht machen, wäre ein Akt der Barbarei, dagegen wurden die Bedürfnisse moderner Theaterinszenierungen gestellt, samt endlich mal bequemen Stühlen.

All das spielt sich wohlgemerkt auf der Ebene Stadt Zürich ab. Hier sind alle Entscheider versammelt. Der Kanton Zürich hat in dieser Debatte kein Wort zu sagen. Eigentlich. Ausser, die Lokalredaktion des «Tages-Anzeigers» konstatiert genau das, um fortzufahren:

«Trotzdem wollten wir von Kantonsrätinnen und Kantonsräten wissen, wie sie zum Schauspielhaus stehen, welche Emotionen und Erinnerungen sie damit verbinden.»

Immerhin ist Zürich bekanntlich der Ort, an dem der Dadaismus gross wurde. Nehmen wir als Ehrenrettung für den Tagi an, dass dieses Stück einen Beitrag dazu leisten will, diese Tradition fortzuführen.

Das Cabaret Voltaire lässt grüssen

Nichtschwimmer haben wenig mit Brust- oder Rückenschwumm zu tun. Fragen wir sie dennoch dazu ab. Was halten Veganer von am Knochen gereiften T-Bone-Steaks? Welche Vorstellungen verbinden Menschen mit Höhenangst mit der Besteigung der Eigernordwand? Welche sexuellen Erfahrungen sammeln schwule Eunuchen?

Kraska, der König von Zürich und Meisterdadaist.

Hier gilt es endlich einmal Neuland zu betreten. Hier macht’s auch nichts, sollten die vielgerühmten Kontrollmechanismen bei Tamedia versagen. Hier ist’s sozusagen Programm. Wenn das der Spät-Dadaist Pjotr Kraska noch hätte erleben dürfen. Ach so, den kann man googeln, liebe Tamedia-Kulturbanausen und Amateur-Gagas.

Für den Tagi unerreichbares Vorbild …