Sonntag, 26. Dezember

Die Höchststrafe für Sonntagsblätter.

Am 25. Dezember das Blatt für den 26. Dezember vorbereiten müssen, mit Informationslage 24. Dezember, das ist nun echt hart. Da könnte man sich etwas einfallen lassen – oder daran scheitern. Wenn das die Wahl ist, weiss der Schweizer Journalismus, was zu tun ist.

Der Dreizack der mehr oder minder gepflegten Langeweile sah so aus:

 

Früher hatte «Frontseite» noch eine gewisse Bedeutung.

Ein Zusammenhang zwischen Artikel und Inserat wäre rein zufällig.

Zum Glück gibt’s den Rückblick. Sonst müsste man noch Peach Weber interviewen. Oh, das tat man.

Der SoBli hätte auch titeln können: Uns ist alles ins Abflussrohr gegurgelt.

Immerhin: Frank A. Meyer zerlegt gekonnt Philipp Loser von Tamedia. Ist aber auch keine Kunst.

So sieht eine Seite aus, wenn man nicht schreiben will: Die Alternative wäre ein Katzenfoto gewesen.

Auch die NZZaS begibt sich in die Niederungen des Sauglatttismus.

Ein Loblied auf Queen Elizabeth II.: Das wollte man unbedingt schon mal in der NZZaS lesen. Aber eher vor 50 Jahren.

Aber wir haben noch ein Absackerchen. ZACKBUM warnt schon lange, dass die Auswirkungen des Virus auf die Hirntätigkeit dringend genauer untersucht werden müssten. Felix E. Müller beweist das aufs Erschreckendste.

Schon im Titel seiner Medienkolumne hat er danebengegriffen. Aber der Reihe nach. Er sieht zwei Herangehensweisen an die Corona-Berichterstattung. Die Medien hätten versuchen können, «mit sachlicher Information den Wissensstand zu verbessern». Leider fällt ihm kein Beispiel dafür ein. Oder er ist zu bescheiden, die NZZaS zu erwähnen.

Aber da gab es auch die dunkle Seite der Macht, der sowohl die Linken wie auch die Rechten anheim fielen, nämlich die «Erregungsbewirtschaftung»: «In der linken Ausprägung hiess dies, Weltuntergangsstimmung zu verbreiten oder extreme Prognosen zu Opferzahlen als wahrscheinliche Entwicklung darzustellen. Das rechte Lager dagegen hämmerte dem Publikum ein, sämtliche Prognosen seien falsch und alle Massnahmen der Behörden absurd.»

Das ist schon eine gewagte Vereinfachung, mit der sich Müller den gar nicht NZZ-liken Titel «terrible simplificateur» einhandelt. Aber nun wird’s leicht absurd:

«Diese Berichterstattung hat längst das leninistische Kommunikationsmodell der Agitprop übernommen, mit dem die Kommunisten den Boden für die Revolution vorzubereiten suchten.»

Im Sinne eines Rosta-Fensters des grossen Revolutionsdichters.

Echt jetzt? Linke wie Rechte frönen dem Agitprop? Majakowski lässt grüssen? Kann Müller einen negativen Corona-Test vorweisen? Ist er geboostert? Wenn nein, warum nicht?

Seine Spalte kommt zum Ende, er muss leider schliessen. Das geht natürlich nur mit einer conclusio, wie der ehemalige Gymilehrer gerne sagen würde: «Der Unterschied zwischen den beiden journalistischen Prinzipien macht den Unterschied zwischen einem verantwortungsvollen und einem verantwortungslosen Journalismus aus.»

Der Unterschied macht den Unterschied aus? Hallo? Brennt da im Oberstübchen noch ein Licht? Will niemand den schreibenden Rentner vor sich selbst schützen, vor weiteren Beschädigungen?

Ach, Weihnachten

Pflichtstoff für die Medien. Alle Jahre wieder. Aber diesmal ist alles anders.

Immerhin fast 500 Treffer erzielt man an einem Montagmorgen in der Mediendatenbank SMD bei der Suche nach dem Begriff Weihnachten.

Schon am Sonntag mussten sich natürlich die Blätter damit beschäftigen, denn nächster Sonntag ist bereits der 26. Dezember, dann ist die Sause ja soweit vorbei. Dabei geht auch unter, dass dieses Jahr mal wieder sehr arbeitnehmerfeindlich ist; die Feiertage fallen mit dem Wochenende zusammen, keine Extrafreitage.

Aber so richtig besinnlicher Kaufrausch will sowieso nicht aufkommen. Es wird vond er deutschen «Bild» schon als gute Nachricht abgefeiert, dass es Weihnachten ohne Lockdown geben werde. Da kann sich der Deutsche dann einen «Rotkäppchen»-Sekt für sagenhafte 2,39 € reinpfeifen.

Immerhin, das «Bündner Tagblatt» zeigt noch Grösse und widmet gleich eine ganze Seite der Erörterung:

Allerdings, wenn man eine kleine Stilkritik anbringen darf, «mehr als nur», das hat nun einen noch längeren Bart als der Weihnachtsmann.

Richtig bösartig wird die NZZ:

Der Autor stellt ein wahres Horrorkabinett von Weihnachtsliedern zusammen:

«War Roy Blacks «Weihnachten bin ich zu Haus» am unerträglichsten oder doch «Weihnachten mit Heintje»? Wie steht es mit Freddys «Weihnachten auf hoher See», Wolfgang Petrys «Freudige Weihnachten» und «Weihnachten mit Bernd Clüver»? Wie nachsichtig sollte man mit Johnny Cashs «Classic Christmas Album» und Peter Alexanders «Wunderschöne Weihnachtszeit» umgehen?»

Mit der nötigen Nüchternheit und der Objektivität eines Wetterberichts geht hingegen nau.ch das Thema an:

Sehr nutzwertorientiert ist hingegen der «Landbote»:

Allerdings vermisst man im Licht der Prognose von nau.ch Vorkehrungen gegen Regen von oben.

Ganz in den Dienst der Volksaufklärung stellt sich hingegen – für ein Mal – «watson»:

Hier kann man höchstens über das völlige Fehlen der Originalität meckern; die Geschichte des Weihnachtsbaums ist nun wirklich auserzählt.

Mit einem Trauerrand gedenkt die «Aargauer Zeitung» dem kommenden Fest:

Tamedia hingegen bleibt sich auch bei diesem Thema treu. Das Wichtigste ist die Bauchnabelschau:

Ex-Press am Sonntag

Blüten aus dem Mediensumpf.

Am Tage des Herrn wird gern in Kleinklein gemacht. Aber immerhin, die NZZaS hat eine frohe Botschaft zu verkünden:

Es sieht danach aus, als ob das zweitteuerste Gesundheitssystem der Welt – nach zweijährigem Nachdenken – dazu bereit ist, möglicherweise mehr Intensivbetten anzubieten. Also die Absicht ist zumindest da.

Verdienstvollerweise hat die NZZaS auch zusammengestellt, was so ein einziges Bett auf einer Intensivstation an Mitarbeitern braucht – und was es kostet.

Es handelt sich um rund 6 Vollzeitstellen pro Bett und Kosten von 1,1 Millionen Franken pro Jahr. Das sind 3000 Franken pro Tag oder fast 100’000 Franken pro Monat. Ob das Bett leer ist oder nicht. Das erklärt die Tatsache, dass Spitäler natürlich immer so wenig Reserve wie möglich zur Verfügung halten wollen.

Wo Licht ist, ist auch Schatten.

Gar nicht vornehm-zurückhaltend und eigentlich ohne konkreten Anlass prügelt das Blatt auf den TV-Sender des Red-Bull-Besitzers ein. Der leistet sich seit Jahren «Servus»-TV. Ein munterer Privatsender, bei dem Kosten nicht so eine Rolle spielen und der ziemlich heftige Talkshows veranstaltet, an denen ZACKBUM auch schon teilnehmen durfte.

Dass dort aber auch Roger Köppel auf Sendung geht und bezüglich Corona keineswegs dem Mainstream gefolgt wird, das stösst der Sonntagstante dann sehr unangenehm auf.

Auch nicht ganz auf Niveau ist ein Zusammenschrieb von Peter Hossli zur Anschuldigung einer Jungredaktorin, dass sie ihr damaliger Chefredaktor sexuell belästigt habe. Immerhin machte sie das mit voller Namensnennung publik und sorgte damit dafür, dass der Chefredaktor nun seine Stelle los ist. Denn sein Verleger ist von der ursprünglichen Position, er wolle zuerst das Ergebnis einer Strafuntersuchung abwarten, abgewichen.

«Die Unschuldsvermutung scheint geritzt», salbadert Hossli. Nein, andere und nun auch er pfeifen auf solche störenden Details. Da er nicht Neues beizutragen hat, sondern einfach einen Rehash von schon Publiziertem liefert, ist das besondere stossend, zudem in der NZZaS.

So hingegen sieht eine Schlagzeile aus, wenn dem «SonntagsBlick» nun wirklich nichts mehr zum Thema einfällt.

Besonders gelungen will auch diese Seitengestaltung erscheinen:

Der Hauptartikel oben erzählt per copy/paste eine weitere Anschuldigungsstory aus Hollywood nach. Nun scheint es aber plötzlich aufgefallen zu sein, dass die rechts nicht genügend hergibt, um den Platz zu füllen. Nun, da kommt glücklicherweise ein «süsser Kerl» dahergeschwommen, der angeblich «Haie das Fürchten lehrt». Das ist sicherlich furchtbar interessant, nur, wo ist hier der Hauch eines Zusammenhangs?

Abgerundet wird das schittere Bild durch den Beginn der Inseratekampagne in eigener Sache. «Ja! zum Medienpaket». Immerhin, den Tell, der mit einer Zeitung eine Mauer kaputthaut, den spart man sich wohl noch auf.

Wir haben gesucht und gesucht und gesucht, denn es geht ja um unparteiische Berichterstattung über das Schaffen der Sonntagspresse. Aber diesmal war es bei der «SonntagsZeitung» verdammt schwierig. Glücklicherweise sind wir dann noch auf das hier gestossen:

Oh, verflixt, das ist ja «Sponsored», also gekaufter Inhalt. Na, da nehmen wir doch dafür doch eine Eigenleistung, völlig frei von finanziellen Interessen:

Kostet auch bloss 161’300 Franken, der sportliche Spass. In der Grundausstattung. Geht noch einer? also gut das Absackerchen, das Bäuerchen sozusagen, von Wissen-Chef Nik Walter, offenbar aus eigenem Leiden geschöpft:

Das muss wohl auch ein Appell an die SBB sein, endlich die Speisewagen abzuschaffen. Denn dort wird vielleicht unsolidarisch geschmatzt, dass es nur so eine Unart hat.

 

Obduktion des Medienkörpers

Erstaunliches und Verwunderliches aus dem täglichen Schaffen.

Das muss man dem «Blick» lassen. Zäh ist er, und António Horta-Osório wird die Medienschau nicht gerade zur Lieblingslektüre des Tages erklären. Oder vielleicht lässt er sich’s einfach nicht mehr übersetzen und schaut nur noch, ob Krawatte und Frisur auf den Fotos sitzen.

Wohnsitz als Steuersparmodell? Vermuten darf man ja.

Nachdem das lustige Leben des Jetsetters in jeder Facette beschrieben wurde, hat der Whistleblower in der Credit Suisse offensichtlich die Bitte nach Nachschub erhört. Ist nicht mehr der Überknaller, aber bei möglichen Steuersparmodellen ist der «Blick»-Leser immer spontan sauer.

Kann man nun aus dem Ort der Einreichung der Selbstanzeige wegen Quarantäneverstoss schliessen, wo sich der wahre Wohnsitz des Bankenlenkers mit Lizenz zum Vielfliegen befindet? Schwer zu sagen.

Aber dem «Blick» gebührt zumindest ein kleiner Prix Courage. Der grosse Zampano des Hauses hatte ja in seiner SoBli-Kolumne verkündet, dass solche Vorwürfe gegen einen Manager völlig überflüssig seien, wenn sie zudem moralinsauer aufgeschäumt daherkämen. Da scheint’s um seinen Einfluss nicht mehr so rosig bestellt zu sein, denn früher wäre jeder Chefredaktor auf dem Absatz umgekehrt, inklusive Bückling. Oder gefeuert worden. O tempora, o mores.

Wenn der Cartoon den meisten Platz bekommt …

Nichts gegen die Würdigung des Künstlerwerks. Aber Übervater Nico (35’000 Karikaturen) kam noch mit Schwarzweiss und vergleichsweise bescheidenem Platz aus. Aber so Frechheiten, wie die Offiziersbeförderungsliste der Schweizer Armee mit der Vignette einer sprudelnden Champagnerflasche zu verzieren, unter der stand: «hoch die Flaschen», das ginge heute natürlich nicht mehr. Abgesehen davon, dass sich niemand mehr für den Generalstab der besten Armee der Welt interessiert.

Aber, Lob, wem Lob gebührt:

Das ist nun ein feines Stück Kleinrecherche und tut erst noch der eigenen Klientel mit vielen Anhängern in der Redaktion weh. Man kann höchstens meckern, dass auch hier der Bildanteil viel zu gross ist.

Aber herauszuarbeiten, dass der mediengeile Grünen-Präsident Balthasar Glättli den Bundesrat scharf kritisiert, gar von «Regierungsversagen» spricht und viel, viel schärfer Massnahmen gegen Corona fordert – während seine Parteikollegen still und heimlich in der Gesundheitskommission (SGK) gegen striktere Massnahmen stimmen, das ist ein hübscher Blattschuss.

«Dabei taten die drei grünen SGK-Mitglieder das Gegenteil von dem, was ihr Parteichef öffentlich sagt: Sie versuchten nicht etwa, die von der Regierung vorgeschlagenen Massnahmen zu verschärfen – sie versuchten sie massiv abzuschwächen»,

erzählt Markus Häflinger genussvoll. Lustig ist nebenbei, dass die Online-Version des Artikels um diesen Satz hier ergänzt ist, der in der Printausgabe fehlt:

«Weichelt kritisiert auf Anfrage, dass diese Informationen überhaupt bei dieser Zeitung gelandet seien. Dies sei «eine Verletzung des Kommissionsgeheimnisses und schädlich für die Demokratie».»

Dabei ist das in erster Linie schädlich für die Glaubwürdigkeit der Grünen.

Ist die alte Tante noch wiederzukennen?

Da werden sich manche altgediente Redaktoren fragen, ob es wirklich eine gute Idee war, vom jahrhundertelangen Prinzip abzuweichen: Auf der Frontseite der NZZ gibt es keine Fotos. Nicht mal schwarzweiss …

Aber, auch hier ein Lob; Zwiegespräch zwischen dem langjährigen Wirtschafts-Chef der NZZ, Gerhard Schwarz, und Werner Widmer, ehemaliger Spitaldirektor und Präsident der Zürcher Krebsliga, über Corona.

Das ist mal ein Hammersatz:

«Es kann doch nicht sein, dass sich die ganze Bevölkerung einschränken muss, um das Gesundheitswesen zu schützen.»

Und wenn Widmer schon mal in Fahrt ist: Wir geben 82 Milliarden Franken im Jahr dafür aus, «doch die Spitäler sind offenbar nicht in der Lage, mehr als 865 zertifizierte Intensivbetten zu betreiben.» Aber hallo.

Wir wollten eigentlich am Schluss hier zum Sturzflug ansetzen. Aber leider entzog sich der Landeplatz unserem Anflug:

ZACKBUM gibt niemals so schnell auf, aber mehr als das kam nicht:

Vielleicht sollte sich Online-Guru Hansi Voigt mal um seinen Maschinenraum kümmern. Oder sind das schon die ersten Vorboten des Endes?

 

 

Und Er heisst Köppel?

Der Mann kann was. Aber er ist nicht allmächtig.

Was über alles für Roger Köppel spricht: er ist der einzige Verleger, Herausgeber, Besitzer und Chefredaktor, den man in seinem eigenen Blatt kritisieren kann. Das schreibt ZACKBUM völlig schleimfrei, weil nicht nur wir das schon tun durften. Denn sein Kriterium ist einzig: wenn’s gut und anregend geschrieben ist, hat’s Platz in seiner «Weltwoche».

Allerdings verkörpert er auch als Einziger eine solche Personalunion und damit Machtvielfalt, sozusagen seine eigene Dreifaltigkeit. Hier kann kein Verleger, und erst recht kein Besitzer dem Chefredaktor sagen: lass den Quatsch, sonst knallt’s. Wenn schon, dann knallt’s unter ihm. So hat er nicht immer ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Mitarbeiter oder gar Stellvertreter. Kenneth Angst, gerade nach einer üblen Affäre bei der NZZ in hohem Bogen herausgeflogen, denn deren Firmen-Kreditkarte sollte man nicht unbedingt im Rotlichtmilieu missbrauchen, konnte er bei der WeWo an Bord gehen. Kurzer Ausflug.

Viel länger hielt sich Philipp Gut auf dem Posten. Solidarisch, treu, Köppel konnte «fass» sagen, und Gut schnappte zu, verbiss sich und liess nie mehr los. Selbst Gerichtsurteile konnten ihn davon nicht abhalten. Dann zackiger Abgang, «nicht ganz freiwillig» mehr weiss man nicht. Auch hier: keine übergeordnete Kraft, die Köppel mal kurz in den Senkel stellte.

Die Auswahl des Personals ist nicht seine Kernkompetenz 

Auch Hanspeter Born (Toast Hawaii), wohl der einzige Journalist der Welt, der einen Täter freigeschrieben hat, kommt auch nach seiner Pensionierung immer wieder zu Gastauftritten. Urs Gehriger, mehrfach des Plagiats überführter «Auslandchef», echter Groupie von Donald Trump (und dessen Frau!): beim wiederholten Mal ein strenger Blick von oben, angebliches Opfer «interner Massnahmen», aber sonst: weiter so, Ausland ist weitgehend gegendarstellungsfrei, weiss man doch.

Dann füllt sich das Blatt mit der Krankheit Kolumnitis wie kein zweites. Darunter edle Federn, aber auch Abgehalftertes wie Hansrudolf Kamer, pensionierter Auslandchef der NZZ, mitten im Abklingbecken von ehemaligen Weltenordnern. Andreas Honegger, ehemaliger Zürich-Chef des Weltblatts, der schon damals sehr viel Zeit in Restaurants verbrachte. Oder Anabel Schunke, Postergirl von achgut.de und anderen Selbstbestätigungsplattformen. Claudia Schumacher, die das letzte Tröpfchen Langeweile aus dem Thema Liebe, Beziehungen und Sex rauspresst. Ganz zu schweigen von Tamara Wernli, die flacher als ein Blatt Papier schreibt.

Aber den Vogel schiesst Köppel gerade mit einem Wiederholungstäter ab. Das muss man schon beinahe pathologisch nennen. Denn Tom Kummer begleitet ihn schon seit vielen Jahren. Bereits im «Magazin» des «Tages-Anzeiger» durfte das Relotius-Vorbild seine Lügen- und Fakestorys veröffentlichen. Den Kollegen von der Süddeutschen kostete das den Job.

Und immer wieder grüsst der Faker

Nichtsdestotrotz bekam Kummer weitere Chancen in der WeWo. Und füllte das Blatt, wen wundert’s, mit Fake News. Resozialisierung, zweite Chance, Köppel war ganz als Mutter Theresa gestimmt. Und wieder fehlte ein Vorgesetzter, der ein Machtwort sprach: Köppel, lass den Quatsch. Kummer flog, Kummer fliegt wieder hinein. Und Köppel wird ein weiteres Mal auf die Schnauze fliegen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Checks and Balances ist nicht nur in der Politik eine gute Sache. Wenn das fehlt, kommt es hierzu:

«Wir freuen uns, Ihnen den Berner Schriftsteller Tom Kummer als neuen freien Mitarbeiter der Weltwoche vorstellen zu dürfen.»

Der soll angeblich einen Sohn haben, der in New York wohne, wo ihn Kummer besucht habe. Das schlägt nun alles.

Dem glaubt man nicht mal ein Selfie:
das soll Tom Kummer sein, möglicherweise vor Fototapete.

Schliesslich fehlt eine leitende Hand von oben, um Köppel vor sich selbst zu schützen. Denn der Workoholic mit täglichem Morgengrauen-Videocast, der unermüdliche Schaffer und Schreiber, der mehr Energie im kleinen Finger hat als ganze Redaktionen in allen Händen, schreibt auch ein markig mit «R.K.» gezeichnetes Editorial.

Eigentlich immer seiner nach Jahren etwas ausgeleierten Doktrin folgend: gegen den Strom. Was alle gut finden, finden wir aus Prinzip schlecht. Wenn alle Donald Trump bashen, entdecken wir seine staatsmännischen Seiten. Wenn alle Steve Bannon für einen geschwätzigen Vollidioten halten, der es sogar schafft, sich selbst aus rechtsgewirkten Plattformen zu kübeln, dann laden wir den nach Zürich ein und wollen uns in seiner aschgrauen Sonne glänzen sehen.

Auch ein Gottgleicher kann nicht alles

Vor allem aber, wenn es philosophisch wird, spielt Köppel leider ziemlich oberhalb seiner geistigen Gehaltsklasse. So bezeichnet er in seinem jüngsten Editorial den tief angebräunten Schwulstschwätzer aus dem Schwarzwald, den ehemaligen Nazi-Rektor und Lobhudel der braunen Pest, also den völlig zu Recht bis heute verfemten Martin Heidegger, als «Über-Philosophen», als «enttäuschten Katholiken», der nie über Nietzsche hinweggekommen sei.

Dabei ist dessen mystisches Geraune über Gesamtzusammenhänge der Welt als «Geviert» zutiefst kontaminiert durch seine NSDAP-Mitgliedschaft von 1933 bis 1945. Als Rektor der Freiburger Universität (und Nachfolger eines SPD-Rektors) salbaderte er über «Grösse und Herrlichkeit des Aufbruchs» der Nazis, war unbedingter Anhänger des Führerkults und mit einem Wort ein in der Wolle gefärbter Faschist.

Bis heute eigentlich nicht zitierfähig, abgesehen davon, dass sein schwülstiges Werk schwer verständlich ist und ohne Verluste an Erkenntnis ignoriert werden kann. Aber das ist für Köppel leider nur die Einleitung zu seinem eigenen Glaubensbekenntnis:

«Ich behaupte: es muss eine gütige Vorsehung geben, einen gnädigen Gott.»

Der Pfarrer von der Kanzel könnte es nicht besser: «Spielt es eine Rolle, ob wir an Gott glauben? Gottseidank glaubt Gott an uns.» Um mit einem urbi et orbi zu schliessen: «Fürchtet euch nicht. Bald ist Weihnachten.»

Nun ist Glauben Privatsache. Schon Bob Dylan sang:

But you’re gonna have to serve somebody, yes indeed
You’re gonna have to serve somebody
Well, it may be the devil or it may be the Lord
But you’re gonna have to serve somebody

Aus dieser Verirrung kam er dann auch wieder heraus, damals besass er noch eine Singstimme, und zusammen mit Mark Knopfler war das ganz schön rhythmisch inszeniert. Bei Köppel muss man bedauern, dass er selbst gottgleich über seiner Redaktion thront. Die darf zwar schon widersprechen, so ist’s nicht. Aber vor und nach Weihnachten entscheidet dann nur einer.

The Man. The Boss. Der, der keinen über sich hat und sich vor keiner Fehlentscheidung fürchtet.

 

Packungsbeilage: René Zeyer schreibt mehr oder minder regelmässig in der «Weltwoche». Weniger über Gott, mehr über die Welt.

Neuer Bärfuss des Grauens

Man kann dem SoBli (fast) alles verzeihen. Mit einer Ausnahme.

Wir tun mal so, als hätten wir noch nie etwas vom Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss gelesen. Und wollen uns nur an der Sprachbeherrschung einer Literaturgrösse laben. Denn Literatur hat sicherlich auch auf dem Boulevard nichts mit Littering zu tun.

Wir werden gleich mit dem ersten Satz auf Moll eingestimmt: «Auch in diesem Jahr erwartet uns eine schwierige und traurige Weihnachtszeit.» Das erinnert zwar an den Beginn eines Schulaufsatzes, aber das steigert sich sicherlich noch.

Neue Position, gleicher Blick. (Bildzitat Screenshot SoBli).

Wir hoffen nicht umsonst, schnell wird das Dichterwort dunkel: «Wenn das Virus im Körper eskaliert, versagen oft die besten Methoden der Wissenschaft.»

Aber gut, auch Jean Paul war verdammt schwer zu verstehen. Nun legt Bärfuss eine Fährte aus, sozusagen ein Ariadnefaden, die ihn zum eigentlichen Thema führen soll. Man spricht da unter Literaturwissenschaftlern von einem Leitmotiv. Hier ist es das Erbgut. Das besimme auch, wie schwer die Corona-Erkrankung sei, weiss der Litterat. Um zu verallgemeinern: «Früher stehen alle vor der Frage, die das Erbe stellt.» Könnte da ein «oder später» fehlen? Aber vielleicht verstehen wir zu wenig von literarischer Verkürzung. Oder handelt es sich gar um eine Apokope? Also im weiteren Sinne, wohlgemerkt.

Wenn das Erbe an der Türe klingelt, oder so

Nun, welche frühe Frage stellt uns das Erbe? Das beantwortet der Dichter aus eigenem Erleben, denn auch sein Vater starb (nein, nicht an Corona, steht zu vermuten). Und hinterliess ein schweres Erbe, das leicht ausgeschlagen werden konnte.

Unser Beileid, aber wie geht’s mit dem Leidmotiv weiter? «Gebäude, die mit Asbest isoliert wurden, sind wertvoll und gleichzeitig tödlich giftig.» Ach was, wieso sollen sie denn wertvoll sein? Aber gut, nur nicht grübeln, riet schon Gotthelf, das wollen wir beherzigen. Denn jetzt kommt’s:

«Genau gleich wie gewisse Kunstsammlungen. In Zürich vergiftet eine einschlägige Erbschaft die Stadt, verseucht Institutionen und Beziehungen. Schöne, kostbare Gemälde machen die schlimmsten Verbrechen lebendig, Vertreibung, Raub und Genozid. Emil Bührle, ein Krimineller, raffte sein Vermögen aus Leid und Tod zusammen. Ein Schatz, der sich aus dem Verbrechen nährt, eine teuflische Mischung: Wer damit in Berührung kommt, ist auf immer krank und vergiftet.»

Hilfe, wir gestehen: Wir sind damit in Berührung gekommen. Wir waren schon im Kunsthaus, das hoffentlich nicht auch noch mit Asbest verseucht ist. Das ist nun ein Paukenschlag, ein Zornesblitz, darüber sollten wir Zürcher nun aber mal richtig nachdenken.

Falls wir dabei auf Abwege geraten, Bärfuss führt uns an die Wurzel des Grauens:

«Aber das geht nur, wenn wir gleichzeitig über das Allerheiligste nachdenken. Oh Privateigentum! Oh Sacerdotium der bürgerlichen Welt! Dir gehört unsere Verehrung und unser Vertrauen! Unangetastet stehst du in den Stürmen der Gegenwart!»

Aber leider – horribile dictu – Fremdwörter sind Glücksache. Sacerdotium, ist uns das peinlich, einen preisgekrönten Dichter zurecht weisen zu müssen, bedeutet Priestertum oder das Reich der geistlichen, kirchlichen Gewalt. Wahrscheinlich meinte Bärfuss Sanctuarium. Aber wer sind denn wir, beckmessern zu wollen. Nur, nicht nur Jean Paul beherrschte Latein

Aber zurück zum Text.Wir Kurzdenker dachten immer, dass es selbst in der Schweiz viele Möglichkeiten gibt, das Privateigentum anzutasten, bis hin zur Enteignung. Schön, dass wir von diesem Irrtum befreit werden.

Wem gehören die Wolken? Die Antwort kennt nur der Wind

Aber ein tief Blickender, selbst wenn das im SoBli geschieht, ist damit noch nicht auf dem Grund der Fragen angelangt: «Das Privateigentum ist heilig, also unerklärlich und unerklärbar. Was kann ein Mensch sein Eigen nennen?»

Denken wir kurz selber nach. Vernunft? Intelligenz? Logik? Sprachbeherrschung? Stringenz? Respekt? Anstand? Das kann hier alles nicht gemeint sein, will uns deuchen. Denn der Schriftsteller fängt ganz woanders an: «Unterschiedliche Güter weisen unterschiedliche Eigenschaften auf. Ein Grundstück ist nicht dasselbe wie ein Regenschirm oder eine Aktie.»

Wohl wahr, sagen wir da, ganz geplättet von so viel Weisheit, die kostenlos auf uns regnet. Apropos regnen, nun wird’s wieder dunkel wie bei Hölderlin im Turm: «Wem sollten die Wolken, der Regen und der Wind gehören? Das Wetter mag unterschiedlich sein, aber für uns alle gibt es nur ein Klima.»

Es bleibt ein Wechselbad der Gefühle, darf man einem Literaten vorwerfen, dass er etwas sprunghaft ist? «Wie man mit den Risiken der Vererbung umgeht, macht uns die Evolution vor, nämlich mit Sex.»

Muss man erst mal drauf kommen …

Hoppla, plötzlich nimmt uns der Dichter im Triebwagen der Evolution mit. Nicht ohne uns weiterer Erkenntnisse teilhaftig werden zu lassen: «Lebewesen können sich vegetativ, parthenogenetisch vermehren. Erdbeeren, Blattläuse und Bambushaie halten es so

Gut, dass wir das wissen. Aber, dadurch unterscheidet sich der wahre Literat vom Möchtegern, wir kehren zum Leitmotiv zurück, also zur Bührle Sammlung. Denn Sex teile das Erbgut durch zwei, weiss der Hobbygenetiker, dadurch werde das Risiko halbiert. Öhm, also bei nicht rezessiven Genen, die beide Elternteile aufweisen, nicht wirklich. Aber wir wollten doch nicht grübeln.

Die Lösung für die Bührle Sammlung? Teilen

Was, oh Dichter, was hat das nun mit der Ausstellung im Kunsthaus zu tun?

«Wenn es um Erbprobleme geht, lautet die Lösung also teilen. Heute wird das Vermögen aus der Erbschaft privatisiert, die Schulden und der Müll aber werden sozialisiert, und die Sammlung Bührle folgt genau diesem Muster. Die Öffentlichkeit übernimmt die Passiven, die Aktiven bleiben bei der Familie. Es ist im Interesse aller Beteiligter, dieses wertvolle und kontaminierte Erbe gemeinsam zu tragen.»

Das ist eine wunderbare Schlussfolgerung, eine eines Büchner würdige Übertragung von genetischen Erbvorgängen ins reale Kunstleben. War Büchner nicht angehender Arzt? Das ist doch sicherlich eine raffiniert versteckte Anspielung darauf.

Das muss es auch sein, denn – wir bitten um Nachsicht wegen unseres Unvermögens – bei der Bührle Kunstsammlung kann das ja nicht ganz stimmen. Ausser, die 203 Bilder im Kunsthaus Zürich wären Müll. Und welche Aktiven sollen denn bei der Familie bleiben? Weiss Bärfuss überhaupt, was der Unterschied zwischen Aktiven und Passiven ist? Eher nicht, will uns deuchen, aber wer sind wir denn.

Passiver Müll oder toxisches Erbe?

Wie soll denn nun, so zwischen Aktiven und Passiven, das wertvolle und kontaminierte Erbe gemeinsam getragen werden? «Es gibt Lösungen», weiss der Dichter. Nur verrät er die nicht. Wir hätten da in aller Bescheidenheit eine zu bieten: regelmässige Lesungen aus seinen Werken in der Ausstellung. Das vertreibt garantiert das Publikum, womit die Bilder nicht länger kontaminieren können.

Ex-Press XLIX: ganz unten

Blüten aus dem Mediensumpf.

ZACKBUM gibt zu: Wir sind nicht stark genug. Oder zu schwach. Nein, Fisherman’s Friend kriegen wir in jeder Geschmacksrichtung runter. Wenn’s sein muss, sogar in der hier:

Aber eigentlich wollten wir diesen Reigen hier, Ehre wem Ehre gebührt, mit «watson» beginnen.

Aber dann begannen wir, uns hier durchzuklicken:

Trotz der Einnahme von Fisherman’s Original wurde uns übel. Dann machten wir den Fehler, bei der Kulturjournalistin des Jahres Erbauung zu suchen:

Aber auch hier kamen wir nicht weiter als bis zu diesem Kotzbrocken:

«Romina war mein Lichtblick. Ich steh auf multipel operierte Gesichter. Erst da kommt nämlich der Mensch hinter dem eigentlichen Gesicht so richtig zum Vorschein

Es mag uns als Schwäche ausgelegt werden, aber wir haben beschlossen: nie mehr ein Text von Simone Meier. Nicht auf leeren Magen und erst recht nicht auf gefüllten.

Tastende Schritte nach oben

Wir wollen uns nun vorsichtig nach oben arbeiten. Als nächster Tritt auf der Leiter soll «20 Minuten» dienen. Da werden wir doch glatt schon ganz am Anfang in Versuchung geführt:

Aber, schluchz, die Winterhilfe hat dann doch keinen Franken gekriegt. Dafür haben wir eine frohe Botschaft für unsere Portugiesisch sprechenden Leser:

ZACKBUM denkt scharf darüber nach, diesen Service auch anzubieten. ZACKBUM durum cogitat de hoc quoque ministerio oblatum. Genau, wenn schon, dann natürlich gleich auf Latein. Wir nähern uns nun aber bereits dem ersten journalistischen Höhepunkt:

Kopf in Brot, Werbung und Werbung.

Da weiss man wenigstens, wieso man für «20 Minuten» nix zahlt. Nun aber endlich mal ein Beitrag mit Tiefgang und Zukunft:

Hoppla, das ist ja ein «Paid Post». Das steht ja scheint’s für Werbung, aber so, dass es mehr als die Hälfte der Leser nicht merkt. Gibt es denn gar keine journalistische Eigenleistung, einen Mehrwert? Doch:

Hoffentlich setzt sich der Trend nicht im Tamedia-Glashaus durch …

Aber manchmal schaffen es selbst im Titel nicht alle Buchstaben ins Netz:

Kan doc i de Hekti ma passiere.

Nun, aber «nau.ch» wird doch sicherlich das Niveau höher legen.

Oh je, zwei Werbeartikel und daneben ein für 99,9 Prozent aller Leser völlig uninteressanter Beitrag über Bitcoin.

Aber gehen wir doch zu ernsthaften Themen über, zum Beispiel die Wirtschaft:

Hm, also das nennt man gemischte Nachrichten. Nur ist der Leser verwirrt: geht’s nun in Asien rauf oder runter? Lassen die Sorgen nach oder steigen die Befürchtungen? Das kann man halt so oder so sehen.

Wir klettern in die Höhe der Qualitätsmedien

Einer geht noch? Also gut, wir klettern in die Höhe der seriösen Berichterstattung, die unbedingt mit einer zusätzliche Milliarde Steuergelder subventioniert werden muss.

Beim Blatt mit dem Abflussrohr im Logo stimmen wenigstens Gewichtung und Mischung:

Nein, Moment, so ist’s noch besser:

Apropos Medienmilliarde, es geht doch nichts über eine objektive, ausgewogene und unabhängige Berichterstattung:

Werfen wir auch hier einen Blick (ha, wir Scherzkekse) in die Wirtschaft:

Kalter Kaffee, zwei dem Leser an einem gewissen Körperteil vorbeigehende Artikel plus Werbung.

Übrigens, kommt die Medienmilliarde, dann kann sich die Bildredaktion beim Bilderblatt «Blick» auch wieder ein aktuelles Foto eines Schweizer Kassenzettels leisten. Statt einer Aufnahme aus dem Euro-Raum und vom Jahr 2015:

 

Wir haben fertig. Und brauchen einen Kaffee fertig. Den wir durch die Maske schlürfen werden.

Es darf gelacht werden: Sohohonntag in den Medien

Die beliebte Quizfrage: würden Sie hierfür Fr. 17.40 ausgeben?

Das müsste nämlich der Leser hinlegen, der unsere drei Sonntagsblätter am Kiosk käuflich erwirbt.

Die «SonntagsZeitung» macht das, was man halt so tut, wenn ein Thema so ausgelutscht ist, dass inhaltlich eigentlich nichts mehr geht. Impfen? Schnarch. Triage? Gähn. Bundesrat? Dös. Himmel hilf, da braucht es den uralten Trick, die Ebene zu wecheln. Statt die x-te Corona-Koryphäe nun ein anderer Fachmann:

Der Psychiater über die Covid-Wut. So wie bei Jugendfragen unausweichlich die Allzweckwaffe Allan Guggenbühl zum Einsatz kommt, warnt hier Frank Urbaniok «vor den Folgen».  Fehlt noch etwas zum Leserglück? Natürlich, der unvermeidliche Cédric Wermuth. Der SP-Co-Chef weiss, dass man im Kampf um Aufmerksamkeit zuerst ziehen muss, schnell etwas äussern, und «provokativ» muss das auch sein.

Daher, gähn, zieht der Kämpfer gegen den Kontrollstaat ein Impfobligatorium in Betracht. Oder in der Originalformulierung: er fordert «rasch eine offene Debatte über Massnahmen wie G2 oder eine Impfpflicht». Das heisst nun genau nichts, aber Foto und Quote sind ihm sicher, was will er mehr.

Dann folgt ein Beitrag zum Thema «Paid Post». Laut der aktuellen Untersuchung der ZHAW sind bis zu 60 Prozent der Leser nicht in der Lage zu erkennen, dass die nächste Doppelseite ein bezahltes Inserat ist.

Zum Thema Ausland hat die SoZ einen besonderen Leckerbissen parat:

«Neukaledonien stimmt über seine Unabhängigkeit ab».

Himmel hilf, was interessiert das wohl den Schweizer Leser? Er ahnt aber: Autor Maximilian von Klenze ist ein Jungredaktor der «Süddeutschen Zeitung», von wo der Artikel stammt. Und die Teutonen sind immer noch etwas nachtragend, dass Frankreich bis heute so etwas wie ein Kolonialreich hat, während das Volk ohne Raum, das auch zur Sonne strebte, seine Kolonien im Versailler Vertrag weggenommen kriegte*.

Dass auch Symbolbilder Glücksache sind, zeigt die SoZ hier:

Was der grossartige Film «Falling down» mit Michael Douglas über einen durchrastenden kleinen Angestellten mit Corona zu tun hat, erschliesst sich wohl niemandem.

So viel kriegt man für 6 Franken.

Neuerdings probiert’s die NZZaS mit Sauglattismus:

Hat aber das Hörrohr nahe am Leser und führt mit Trara den Bund «2050» zum Thema Klimawandel weiter. Auch die NZZaS ist langsam verzweifelt, was man zum Thema Corona denn noch machen könnte. Aber dem Ingeniör ist nichts zu schwör:

Da sagt der Fuchs schon mal gute Nacht.

Einen besonderen Tiefpunkt setzt mal wieder Aline Wanner in der langsam peinlichen Medienkolumne. Als hätte es einen Rainer Stadler nie gegeben. Sie kritisiert die Medienmarotte, es immer wieder mit Spekulationen über mögliche Corona-Massnahmen zu probieren. Das käme bei «Tages-Anzeiger», «Blick» und «20 Minuten» vor, dort würde «mit einer merkwürdigen Mischung aus Katastrophenlust und  Regelsehnsucht» gemutmasst. Harsches Urteil: «Spekulationen sind Zeitverschwendung, sie bringen nichts ausser Angst und Aufregung».

Diesem Urteil mag man zustimmen. Nur sei die Prognose gewagt, dass Scharfrichterin Wanner mindestens doppelt so glaubwürdig daherkäme, wenn sie auch Beispiele aus dem eigenen Hause erwähnen würde.

Weiter 6.50 sind ausgegeben.

Schliesslich noch der «SonntagsBlick», um die 17.40 komplett zu machen. Dröhnen auf dem Cover, so ist’s recht für den Boulevard.

Im Editorial dann geht Gieri Cavelty der Frage nach:

«Sind die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht Nazis?» Echt jetzt?

Gerade im Boulevard wäre das ein Klassiker für die Antwort: «Nein.» Aber dann könnte Cavelty nicht zeigen, dass er sich Kenntnisse über das Verhältnis der Nazis zum Impfen angeeignet hat. Dabei half ihm – wir rufen bravo! – die Lektüre eines Buchs. Wir wollen die Spannung auf die Spitze treiben, zu welcher Antwort Cavelty nach mehr als 4000 Buchstaben kam – das sei hier nicht verraten.

Und sonst? Wer auf den folgenden Seiten des SoBli irgend etwas findet, das mit grösstem Wohlwollen nach Aktualität, Neuigkeit, Analyse oder Horizonterweiterung riecht, soll sich hier melden. Wir werden dann die nötigen Schritte einleiten.

Aber aufgepasst, auf Seite 38/39 lernen wir, dass Sarah und Jan «nachhaltig wohnen». Warum? «Wir wollen eine intakte Welt übergeben.» Das ist nett von ihnen, noch netter ist, dass das von «BKW präsentiert» wird. Genau, die vormalige Bernische Kraftwerke AG hat sich ein doppelseitiges Inserat gegönnt. Hinweis für die bis zu 60 Prozent SoBli-Leser, die das für den interessantesten redaktionellen Beitrag halten.

Ach, und das Gefälligkeitsinterview mit ZuccheroVielleicht war ich in einem früheren Leben Schweizer») ist kein Inserat. Also zumindest ist es nicht so gekennzeichnet. Hier mussten wir dann doch zu Seite 2 zurückblättern, weil wir schon vergessen hatten, ob die Befürworter der allgemeinen Impfpflicht nun Nazis sind oder nicht.

Während wir das herauszufinden versuchten, wir gestehen es errötend, sind wir dann allerdings weggeschnarcht.

 

*Red. Das geschah nicht scheibchenweise, wie hier ursprünglich stand. Nach einem Leserhinweis korrigiert.

Einmal Wappler, bitte

Die NZZaS versuchte, einen Wackelpudding an die Wand zu nageln.

Ein Interview mit Nathalie Wappler ist etwa so erkenntnisfördernd wie der Versuch, die «Tagesschau» zu interviewen.

Wappler versucht es immer wieder mit der gleichen Strategie. Leugnen, zurückfragen, dann wieder leugnen.

Die NZZaS konstatiert, dass die Sparnmassnahmen zu einer Qualitätseinbusse geführt haben, beispielsweise beim Flaggschiff von SRF, den Nachrichtensendungen. Verteidigungslinie eins von Wappler:

«Dass die Qualität der Sendungen ungebrochen hoch ist, wird uns regelmässig von unabhängiger Stelle attestiert.»

Wechsel von Defensivverteidigung zur Offensive: «Weshalb ist es aus Ihrer Sicht eine Qualitätsminderung, wenn ein Beitrag länger und vertiefter ist?»

Die NZZaS legt nach, dass sei nicht ihre Meinung, sondern Mitarbeiter hätten ausgesagt, dass sie ausdrücklich als Sparmassnahmen angehalten worden seien, Beiträge in Live-Schaltungen durch «längere Gespräche und Zusatzfragen in die Länge zu ziehen».

Nun geht Wappler etwas die Luft aus, also wird sie apodiktisch: «Das sind keine Sparmassnahmen.» Sondern das diene der «Vertiefung».

Wapplers ewig gleiche Taktik

Gleiche Taktik bei Fragen nach dem Abbau in der Kultur. Zuerst Gegenoffensive, dann halbes Eingeständnis: «Das mit dem Sparen ist ernst. Glauben Sie mir, ich hätte lieber neue Formate entwickelt und gleichzeitig die alten behalten. Das ging aber nicht.»

Die NZZaS hakt nach, dass Kultursendungen gestrichen wurden, ohne einen Ersatz zu präsentieren. Da versucht sich Wappler in absurder Logik: «Was soll ich entwickeln, bevor ich weiss, wie viele Mittel ich für die Weiterentwicklung habe?»

Das könnte man in einer ordentlichen Finanzflussplanung theoretisch hinkriegen, aber wieso auch. Dann setzt sie noch einen drauf: «Zu unserer Unabhängigkeit gehört auch, dass wir die Finanzen in Ordnung halten.»

Das muss man nun zumindest als nassforsch bezeichnen, bezüglich Finanzgebaren, Verzögerungen, Zusatzkosten beim Newsroom usw. spricht sogar der sonst um christliche Sanftmut bemühte Parteipräsident der «Mitte» Gerhard Pfister von einem «Saftladen». Aber das kratzt natürlich eine Wappler nicht.

Auch auf die Frage, wieso SRF nicht von den drei TV- und sechs Radiosendern ein paar streiche, die Konzession fordert nur insgesamt fünf, versucht es Wappler mit einer Gegenfrage: «Wieso soll ich in einer Welt mit immer mehr Medienkanälen ausgerechnet Kanäle streichen?»

Knappe Replik der NZZaS: «Weil Sie sparen müssen, um Geld für neue digitale Projekte zu haben.» Da macht Wappler den Wackelpudding: «Die heutigen Sender laufen ja gut.»

Abgesehen davon, dass das sehr relativ ist; wo ist hier der Bezug zur Frage? Im weiteren Verlauf des Interviews verwendet Wappler diesen Trick wieder und wieder.

Antworten auf Fragen, die nicht gestellt wurden

Kritische Fragen an einen Bundesrat? «Sagen Sie mir, wo nicht.» Interne Unruhen und viele namhafte Abgänge? «Erklären Sie mir das mit den vielen Abgängen, bitte.» Die NZZaS erklärt mit langer Namensliste. Darauf Wappler: «Ich finde es immer schade, wenn Kolleginnen und  Kollegen das Haus verlassen.»

Das mag ja so sein, nur war das nicht die Frage. «Wir sind immer noch ein attraktiver Arbeitgeber», die NZZaS kontert mit einer Mitarbeiterbefragung, in der desaströse 54 Prozent SRF als attraktiven Arbeitgeber bezeichnen. Kühle Antwort:

«Eine derart grosse Transformation ist mit Irritation verbunden.»

Natürlich ist es einer Chefin unbenommen, ihre Politik, ihre Entscheidungen und deren Auswirkungen zu verteidigen. Aber dermassen realitätsfern, abgehoben, arrogant und uneinsichtig, das ist bedenklich. Das riecht nach überspielter Unsicherheit. Nach leichtem Angstschweiss. Nach Hilflosigkeit, Prozesse zu lenken und zu verstehen, Keine schöne Sache für die Mitarbeiter bei SRF.

Auf dem Strich

Bezahlter und redaktioneller Inhalt: immer strikt getrennt. Pustekuchen.

Wenn ein Medium den Schwurfinger erhebt und den treuen Augenaufschlag probt, dann bei diesen beiden Versprechen: Niemals beeinflusst der Inserent den redaktionellen Inhalt. Redaktionelle Unabhängigkeit über alles.

Wenn das neue Modell von Grossinserent VW Schrott ist, dann darf das auch so geschrieben werden. Wenn die neue und sackteure Anti-Wrinkle-Creme des Kosmetik-Multis die Falten nicht wegbügelt, dann wird darüber die Stirne gerunzelt. Wenn die neue Feriendestination voller Ärgernisse steckt und das Hotel eine Touristenfalle ist: das schreibt der Journalist so, obwohl er vom Touroperator eingeladen wurde.

Das gilt selbstverständlich auch für die letzten Grossinserenten aus dem Detailhandel; der neue Wackelpudding wackelt nicht richtig, das darf dann doch wohl noch gesagt und kritisiert werden.

Wir wischen uns die Lachtränen aus den Augen und machen ein ernstes Gesicht beim zweiten Schwur: Bezahlter Inhalt und redaktioneller sind für den Leser deutliche erkennbar getrennt. Durch einen Strich, durch den Titel «Inserat», durch eine grafisch und typografisch deutlich andere Aufmachung.

Mit der «Publi Reportage» fing’s an

Lange Jahre gab es den redaktionellen Inhalt. Drum herum, daneben die Inserate. Nicht verwechselbar. Dann erfand man die «Publi Reportage». Das heisst: ein bezahlter Inhalt kommt so täuschend ähnlich wie möglich im Gewand eines redaktionellen Beitrags daher.

Beispiel «watson».

Mit zunehmender Verzweiflung hat sich ein ganzer Begriffszoo von Euphemismen entwickelt. Irgendwo steht «Paid Post», «Sponsored», «Branded Content» oder «Präsentiert von …» Sauber ausgewiesen, sagen die Medienmanager. Das gilt natürlich auch für die neuste Erfindung, die «Native Ad» oder den «Native Content». Daran ist nichts bodenständig oder heimisch, schon gar nichts naiv.

Auch all diese Bezeichnungen bedeuten schlicht und einfach: jemand hat für diesen Inhalt bezahlt. Nicht die Redaktion, sondern der Auftraggeber hat die Aussage bestimmt. Wunderbar ist auch die Formulierung: «Diese Reportage über sinnvolle Brandrodung in der Dritten Welt ist eine Zusammenarbeit mit Ihrem Palmölproduzenten.»

Beispiel «Blick».

All diese Werbeformen unterscheiden sich vom klassischen Inserat («kauft’s, raucht’s, sauft’s») durch zwei Eigenschaften: meistens wird es vom Medium selber produziert, nicht vom Inserenten, und nicht nur deswegen ist es viel lukrativer als ein angeliefertes Normalinserat.

Aber, wir brauchen schon wieder das Taschentuch, all diese Spielformen sind deutlich gekennzeichnet und vom Konsumenten klar erkennbar. Niemals würde er einen Paid Post mit einem redaktionellen Beitrag verwechseln. Ehrenwort.

Studie zeigt hohe Verwechslungsgefahr

In einer Studie ist die ZHAW dieser Frage nachgegangen.

Überraschung: Im Schnitt erkannte gut ein Drittel der Teilnehmer am Experiment diese Werbeformen nicht als bezahlten Inhalt.

«Je nach Plattform und Art der Kennzeichnung, bemerkten sogar bis zu 60 Prozent der Teilnehmenden nicht, dass es sich bei einem Beitrag um gesponserten Inhalt handelt»,

erläutert Guido Keel, Studienleiter und Professor für Media Literacy am Institut für Angewandte Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule ZHAW.

Beispiel «20 Minuten».

Bezeichnungen wie «Native Content» war für die Hälfte der Teilnehmer nicht verständlich. «Zwischen fünf und zehn Prozent der Befragten nahmen zudem an, dass bei diesen Bezeichnungen der Auftraggeber keinen Einfluss auf den Beitrag hat, weder in Bezug auf das Thema noch auf die konkreten Inhalte.»

Mit Eye-Tracking wurde bei einer kleineren Gruppe belegt, «dass Hinweise auf das Sponsoring, die nicht direkt als Lauftext eines Beitrags aufscheinen, kaum zur Kenntnis genommen, sondern routiniert ignoriert werden». Keel ergänzt: «Selbst Teilnehmende, die den Hinweis auf das Sponsoring betrachteten, konnten sich in der anschliessenden Befragung nicht daran erinnern, einen Hinweis gesehen zu haben».

Also kann man einerseits sagen: voller Erfolg. Bezahlte Inhalte sind so täuschend ähnlich an redaktionelle Beiträge angepasst, dass viele den Unterschied gar nicht bemerken. Oder wenn doch, davon ausgehen, dass der Inserent doch wohl keinen Einfluss auf den Inhalt habe.

Beispiel CH Media.

Andererseits ist das natürlich ein weiterer Sargnagel für die gebetsmühlenartigen Schwüre der Medien. Denn nur durch eine glasklare Trennung sei ja die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen gewährleistet. Pustekuchen.

Es gibt noch eine viel wirksamere Form der Einflussnahme

Dabei haben wir die wirksamste Form der Einflussnahme noch gar nicht erwähnt. Die äussert sich weder in einer Native Ad oder gar einem Inserateboykott. Sondern in einem diskreten Anruf beim CEO oder gleich beim privaten Besitzer des Medienkonzerns.

Man habe gehört, dass da irgendwelche angeblich anrüchige Handlungen recherchiert würden. Sei natürlich nichts dran, aber der mögliche Reputationsschaden. Da müsste man dann allenfalls rechtliche Schritte einleiten, und was das alles wieder kostet. Wäre doch viel besser, das Thema sein zu lassen, interessiere doch sowieso keinen.

Beispiel NZZ.

Wunderbar, sagst das dem zuständigen Chefredaktor im Vorbeilaufen, danke. Und wie geht’s der Gattin, wollen wir mal wieder in meinem Privatjet nach Tokio?

Läuft das so? Natürlich läuft das so. Nur: beweisen kann man’s sehr, sehr selten. Selbst dann nicht, wenn es einem schon mehrfach passierte, dass eine anfängliche Begeisterung über die Beschreibung eines saftigen Skandals urplötzlich abkühlte, ein Vorwand nach dem anderen erfunden wurde, um dann zu einem abschliessenden : «Ist wohl doch kein Thema für uns» zu gelangen.