Kuba ist weit weg

Erschütterndes Niveau der Auslandberichterstattung bei Tamedia.

Am 5. August veröffentlichte der Redaktor der «Süddeutschen Zeitung» Benedikt Peters den Artikel «Ans Eingemachte. Auf der sozialistischen Karibikinsel öffnet nach vielen Jahren wieder eine Marmeladenfabrik. Doch den eklatanten Mangel kann das nicht überdecken», vermeldete der Recherchierjournalist, der für solche Analysen überqualifiziert erscheint: «Stammt aus Mönchengladbach und ist immer wieder gern im Rheinland, wo er inzwischen eine zauberhafte Nichte hat», vermeldet seine Autorenseite.

Diese News hat Peters natürlich nicht etwa vor Ort recherchiert, sondern im Internet. Denn schon vor einigen Wochen berichteten diverse spanischsprachige Medien innerhalb und ausserhalb der Insel darüber. Also kalter Kaffee aufs Brötchen, sozusagen. Aber nicht so alt, dass ihn Tamedia nicht nochmal aufwärmen würde.

Nach zehntätiger Bedenkzeit überrascht das Haus des Qualitätsjournalismus am 15. August mit diesem Artikel:

Einfach einen schlechteren Titel drüberkleben, den Lead etwas einschweizern, schon hat die Auslandredaktion ihres Amtes gewaltet. Wir vermissen nur einen fäustelnden Kommentar des Auslandchefs Christof Münger. Aber vielleicht kommt der noch.

Nun ist das Abschreiben spanischer Quellen die eine Sache. Das Recherchieren von zusätzlichen Fakten eine andere. Peters will einen Einblick in die Lebensmittelkosten geben. Ein Karton Eier koste inzwischen 1200 Pesos. Auf dem Schwarzmarkt. Das ist noch einigermassen realistisch, der Durchschnittspreis liegt bei 1000 Pesos für 30 Eier. Auch den Preis für einen Liter Speiseöl hat Peters korrekt gegoogelt: 700 Pesos.

Was dem fernen Kuba-Kenner allerdings entgangen ist: bis heute existiert noch die sogenannte «Libreta», eine Rationierungskarte, auf der Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Zucker, Salz, Speiseöl oder Milchpulver für Kinder sowie spezielle Diätnahrung für Schwangere oder Chronischkranke zu staatlich subventionierten Preisen abgegeben werden. Zwar in bescheidenen Quantitäten, aber dafür kostet das alles den Kubaner kaum mehr als 50 Pesos.

Natürlich machen solche Zahlen nur Sinn, wenn man sie mit den Einkommen vergleicht. Und da hat Peters schwer danebengehauen beim Googeln. «Eine Ärztin», also wohl auch ein Arzt, verdiene «5000 Pesos im Monat». Da würden Ärztinnen und Ärzte aber eine Flasche Rum aufmachen, wäre das so. In Wirklichkeit oszilliert das Jahresgehalt zwischen 13’000 bis maximal 40’000 Pesos.

Wir betreten ganz dünnes Eis mit einer Angabe zum Durchschnittseinkommen in Kuba. Denn statistische Angaben sind auf der letzten Insel des Sozialismus eine ziemlich schmutzige kapitalistische Erfindung. So etwas wie ein statistisches Jahrbuch gibt es nicht, den Zahlen, die gelegentlich aus der Staatsbürokratie heraustropfen, kann man glauben – oder auch nicht. Aber sagen wir mal rund 1000 Pesos im Monat. Welche Kaufkraft haben die nun? Wenn wir den Wechselkurs zur weiterhin inoffiziellen Zweitwährung US-Dollar nehmen, entspricht das etwas mehr als 8 Dollar.

Nun weiss Peters noch, dass «seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre und dem damit einhergehenden Wegfall der sozialistischen Wirtschaftshilfe Kuba in einer Art Dauerkrise» stecke. Auch das ist Unsinn; es gab die «spezielle Periode in Friedenszeiten» bis zur Jahrtausendwende, als in Venezuela eine linke Regierung an die Macht kam und die Rolle der Sowjetunion übernahm. Bis sie selbst vor ein paar Jahren in existenzielle Probleme geriet und die brüderliche Unterstützung zurückfahren musste.

Das und der Zusammenbruch der zweitwichtigste Deviseneinnahmequelle Tourismus durch die Pandemie treiben inzwischen Kuba an den Rand. Bis zu 18-stündige Stromausfälle im brütend heissen Sommer, mitverursacht durch ständige Ausfälle der angejahrten Ölkraftwerke. Versorgungsprobleme aller Art, Kleptokratie, Schlamperei, Korruption, Behördenversagen wie im Fall des Grossbrands eines Tanklagers in Matanzas, bei dessen Bekämpfung 17 Feuerwehrleute starben, das sind die wahren Probleme Kubas heute.

Peters sieht da ganz andere Ursachen: «Schuld an der Misere sind verunglückte Wirtschaftsreformen der Regierung ebenso wie US-Sanktionen, die zum grossen Teil noch unter Ex-Präsident Donald Trump beschlossen wurden.» Der zweite Grund ist die ewige Entschuldigung des Regimes für hausgemachtes Versagen. Abgesehen davon, dass die US-Sanktionen seit Jahrzehnten in Kraft sind. Eine fruchtbare subtropische Insel, die über 80 Prozent ihrer Nahrungsmittel importieren muss, darunter auch Zucker (und bis vor der Revolution Nettoexporteur von fast allem war), es braucht keine weiteren Zahlen, um das krachende Versagen der Revolution in der Landwirtschaft und in der Wirtschaft zu belegen.

Seit dem Tod des charismatischen Fidel und dem Rückzug seines Bruders Raúl Castro von öffentlichen Ämtern sieht man zum ersten Mal immer wieder Protestaktionen der Bevölkerung. Trotz drakonischen Strafen von bis zu 12 Jahren für die blosse Teilnahme an einer Manifestation gelingt es dem Regime nicht, solche Zeichen des zunehmenden Unbehagens zu unterdrücken.

Mit einem hat Peters dann allerdings wieder recht: alleine in den letzten Monaten haben über 140’000 Kubaner ihre Insel fluchtartig verlassen. Vor allem Jugendliche sehen keinerlei Zukunftsperspektive mehr und haben eigentlich nur einen Wunsch: nix wie weg.

DAS ist offenbar auch der unermüdlich arbeitenden Auslandredaktion von Tamedia aufgefallen. Denn, wozu gibt’s das Digitale, wieso nicht einen schlechten Titel durch einen anderen ersetzen und den Lead noch etwas umformulieren? Merkt doch keiner (leider doch). Also sah die Einschenke nach wenigen Stunden dann so aus:

Weg mit der Konfi im Titel, aber der Inhalt bleibt gleich …

Kuba ist kompliziert – und faszinierend. Oberflächliche und uninformierte Ferndiagnosen, aufgezäumt an einer völlig unwichtigen Ankündigung der möglichen Wiedereröffnung einer Marmeladenfabrik, sind eine Schande für ein Qualitätsorgan, das für solche Leistungen aus dritter Hand auch noch Geld verlangen will. Ein solcher Bericht ist keinen Peso wert.

Der Blöd-«Blick» verstolpert sich allerdings schon beim Setzen eines korrekten Titels, Luft nach unten ist immer:

Vielleicht hätte Erklärungsnot nicht mehr auf die Zeile gepasst, also wurde das Wort passend gemacht …

«Weltwoche»: Bier her!

Auch das gut gelaunte Blatt des gepflegten Tischgesprächs leidet unter der Hitze.

Anders ist es nicht zu erklären, dass das sonst eher nüchterne Wochenmagazin ganze 15 Seiten dem Gerstensaft widmet. Das hat sicherlich überhaupt nichts mit diesen beiden Inseraten zu tun:

Nachdem das geklärt ist, können wir uns dem weniger flüssigen Inhalt widmen. Roger Köppel ist mal wieder begeistert. Das merkt man daran, dass er von «Viktor Orbáns grosser Rede in Dallas» schwärmt. «Hervorragend, selbstbewusst und humorvoll» habe der ungarische Autokrat für die «Werte des Westens plädiert: Christentum, Freiheit, traditionelle Familie, tiefe Steuern».

Freiheit und tiefe Steuern könnte man gelten lassen. Hier wird’s dann aber düster mittelalterlich: «Wir müssen unseren jüdisch-christlichen Lehren vertrauen», rief Orbán den Republikanern zu, «denn diese Lehren helfen uns zu entscheiden, welche unserer Handlungen gut und welche böse sind». Wer an Gott glaube, könne kein Rassist sein», zitiert Köppel zustimmend.

Ein Ayatollah hätte das auch nicht besser formulieren können, allerdings hätte er eher an Mohammeds Lehren gedacht. Wer an Gott glaubt, war und ist so was von einem Rassisten. Was Millionen und Abermillionen von versklavten, missbrauchten, wie Vieh behandelten und abgeschlachteten Menschen in Lateinamerika und Afrika und Asien bezeugen, alles mit dem Segen, dem Einverständnis und der gottesfürchtigen Legitimation der christlichen Kirche, dieser ältesten Verbrecherorganisation der Welt. Vielleicht sollte Köppel, der ja viel liest, nur ein paar Bände von Karlheinz Deschners Lebenswerk «Kriminalgeschichte des Christentums» lesen.

Hier merkt man wieder schmerzlich, dass der WeWo Checks and Balances fehlen, denn niemand konnte Köppel davon abhalten, diese im Übrigen eher mässige, demagogische und effekthascherische Rede auf vier Seiten abzudrucken. Bier her, kann man da nur sagen.

Dann geht’s erwartbar weiter. Copy/paste-King Urs Gehriger erregt sich über «Amerikas politisierte Justiz». Natürlich meint er die Razzia bei Donald Trump zu Hause, die sei «beispiellos», «Geheimniskrämerei», wieso sage der FBI-Chef nix? Der übrigens noch von Trump höchstselbst ernannt worden war, der Schlingel.

Weil auch Gehriger nicht mehr weiss als alle anderen, nämlich nix, spielt er dann «wieso der, aber der und die nicht?» Also wieso Trump und nicht Hunter Biden, der dubiose Sohn des amtierenden Präsidenten? «Für Hillary Clintons Hetzkampagne gegen Trump hat sich das FBI nie interessiert», klagt Gehriger. Um gleich zum Schluss zu kommen, dass sich der Eindruck bei vielen Amerikanern bestätige, «dass die US-Justiz nicht nur auf einem Auge blind ist, sondern aus politischen Motiven agiert». Das ist dann schlichtweg andersrum blöd als der Kommentar von Tamedia-Münger. Sollen die beiden doch mal ein Bier trinken gehen.

Aber für bösartige Qualität sorgt wie meist dann Christoph Mörgeli. Er nimmt sich die «gefährlichste Denkfabrik der Schweiz» vor. Übertriebene Ehre für Foraus, aber dass hier Bundesbeamte mitschreiben und der Haufen mit 120’000 Steuerfranken subventioniert wird, sind zwei schöne Giftpfeile. Über die mangelnde Eignung der Co-Geschätfsführerin Anna-Lina Müller konnte man hier schon lesen.

Gerecht wie Salomon haut Mörgeli dann auch noch ihrer Kollegin Sanija Ameti eins über die Rübe. Auch über diese Flop-Königin war hier schon zu lesen. Mit seinen giftigen Bemerkungen hat sich Mörgeli gleich eine genauso giftige Reaktion eingefangen. Denn auch Libero ist kein Kind von Traurigkeit:

Mit solchen spätpubertären Scherzen verspielt die einstmals erfolgreiche Lobbytruppe ihr Renommee.

Wir wissen nun nicht, ob Mörgeli gläubig genug ist, um Rassist zu sein. Ihn aber wegen dieser Polemik als solchen zu bezeichnen, ist schlichtweg dumm.

Es folgt Erwartbares und Wiedergekäutes, «Die scheinheilige Supermacht» USA, auch Gehriger macht im Spielchen mit «Journalisten interviewen Journalisten» und will sich in den gleichen Sessel gesetzt haben, den zuvor noch Richie Sunak gewärmt habe, einer der beiden Spitzenkandidaten um die Nachfolge von Boris Johnson. Doch der war schon wieder weg, also interviewt Gehriger seinen Kollegen Charles Moore vom «Spectator». Damit sich die Reise nach London auch gelohnt hat, auf drei Seiten. Erkenntnisgewinn?

Aber, sonst wär’s ja nicht die WeWo, die Erinnerung an Hellé Nice, Aktmodell, Nackttänzerin und Rennfahrerin, grossartig. Hier leuchtet das Blatt auch hell, denn als nächstes kommt «Ukraines polnische Gespenster», eine gewinnbringende historische Einordnung des Verhältnisses zwischen Polen, Russland und dem Land, das heute Ukraine heisst. Erkenntnisgewinn:

Auf kulturellem Gebiet kann der WeWo schon seit Längerem höchstens noch die NZZ das Wasser reichen. Ein Jean-Martin Büttner in Bestform über Reggae, Bob Marley und kulturelle Aneignung. Das Feuilleton von Peter Weber ist jedes Mal ein Genuss. Intelligent, der Platz ist gut verwaltet, Aktuelles und Interessantes im Wechselspiel. Vielleicht fand deswegen das Gejammer von Milosz Matuschek ausserhalb statt. Der erzählt nochmal, als Teaser für sein Buch zum Thema, die leidige Geschichte nach, wie er als NZZ-Kolumnist abserviert wurde. Sicher kann man ihm da keine allzu grosse Objektivität unterstellen. Richtig Liga Ameti (die mit dem Sprung vor Rodins Höllentor) wird’s allerdings bei der Bebilderung. Da sehen wir Matuschek auf einem Steinbänkchen mit der NZZ in der Hand. Er schaut links nach oben, wo ein Denkmal von Victor Hugo thront. Man spürt die Absicht und ist verstimmt: ich, Matuschek, bin schon deutlich kleiner als der. Aber irgendwie spiele ich doch in der gleichen Liga. Tut er aber nicht. Um die Proportionen zu wahren, hätte man ihn so schrumpfen müssen, dass man ihn nur mit Lupe und hoher Auflösung erkannt hätte.

Ab «Leben heute» seichtelt es etwas vor sich hin; mit einzelnen Ausnahmen sind die Texte einfach zu platt und flach geschrieben, als dass Lebensfreude aufkommen könnte. Und bei allem Verständnis für die Massage von Werbekunden, was soll so ein Lead? «Niemand braucht ein Auto wie den Porsche Cayenne Turbo GT. Zum Glück wird es trotzdem gebaut.» Niemand braucht so einen Text, zum Pech des Lesers wird er trotzdem gedruckt.

Das gilt auch für den «Werber des Jahres», der offenbar das Pech hatte, in einem All-Inclusive-Hotel auf Mallorca zu landen. Dabei hätte er sich problemlos ein schnuckeliges Artsy-Fartsy-Designerjuwel-Boutique-Hotel leisten können, in dessen Stühle schon Philipp Starck persönlich furzte.

Aber so bleibt David Schärer nur, «Grüsse aus der Mittelschichts-Hölle» auszurichten: «Es herrschte rastlose Ereignislosigkeit.» Am Buffet habe er doch tatsächlich «an Sartre gedacht: «L’enfer, c’est les autres» (die Hölle, das sind die anderen).» Nett von ihm, dass er des Französischen nicht so mächtige Leser gleich mit der Übersetzung beglückt. Nur fragen die sich vielleicht: wer ist Sartre, war das ein Kämpfer gegen schlechten Buffet-Frass? Und wenn man schon beim Fragen ist: wieso hat sich der Geizhalz diese Hölle angetan? Und ob er in der Lage wäre, ohne zu googeln zu sagen, aus welchem Buch das stammt und worum es darin geht?

Damit überspringen wir das EMS-Chemie-Kreuzworträtsel und sind auf Seite 100, also am Schluss angelangt. Himmel und Hölle liegen in der «Weltwoche» wirklich nahe beieinander.

Zwei Arten von Journalismus

Schmiere von Tamedia, Porträt von der «Weltwoche».

«Ein Insider rechnet mit dem Schweizer Fernsehen ab», so der Titel eines «Weltwoche»-Artikels vom 28. Juli 2022. Er thematisiert das Buch von Martin Hasler, der nach jahrzehntelanger Tätigkeit für die SRG im Bundeshaus im Herbst 2021 ausstieg. Die Berichterstattung über Corona hatte ihn zweifeln, dann verzweifeln lassen.

WeWo-Mitarbeiter Stefan Millius beschreibt den entscheidenden Moment: «Nie in fast vier Jahrzehnten habe er (Hasler, Red.) das Bedürfnis verspürt, sich in den journalistischen Bereich einzumischen. Aber als Daniel Koch, der damalige «Mister Corona» im Bundesamt für Gesundheit, ein düsteres Bild der Lage in den Intensivstationen zeichnete, konnte Hasler nicht mehr anders.»

Er begann Fragen zu stellen, zu zweifeln, er konstatierte Einseitigkeit und Betriebsblindheit – und stieg aus, bzw. liess sich frühpensionieren. Inzwischen widmet er sich der Auslieferung seines im Eigenverlag erschienenen Buchs, das zu einer kleinen Erfolgsgeschichte geworden ist. All das beschreibt Millius mit der nötigen Distanz und der Genauigkeit, die entsteht, wenn man sich auf einen Menschen einlässt, ihm Raum gibt, ihn verstehen, nicht aburteilen will. Ohne deswegen seine Meinungen übernehmen zu wollen.

Am 10. August greift die Allzweckwaffe von Tamedia in die Tasten:

«Buch begeistert Service-Public-Gegner: Der SRG-Insider der «Weltwoche» ist Verschwörungstheorien verfallen»,

so betitelt Andreas Tobler seinen Verriss über den gleichen Autor und das gleiche Buch. Schon in der Unterzeile macht er alles klar: «Ein früherer Mitarbeiter wirft dem Schweizer Fernsehen in einem Buch Manipulation vor. Wer es liest, kommt zu einem anderen Schluss.»

Jeder, der das Buch liest? Nein, einer. Aber Tobler arbeitet in der Rechthaber- und Gesinnungsjournalismusbranche, wo man die Weisheit und Wahrheit mit Löffeln gefressen hat und es keineswegs als Aufgabe sieht, dem Leser Denkanstösse zu vermitteln. Sondern die Aufgabe ist, im Sinne des Wahren und Guten Grossinquisitor zu spielen, auch wenn man dafür das intellektuelle Rüstzeug nicht hat. Meinung ersetzt Kenntnis, Polemik Recherche, Demagogie eine der Wirklichkeit verpflichtete Darstellung.

Nach einer kurzen, unvollständigen Zusammenfassung des Inhalts wird eingeordnet. Nicht etwa die Aussagen des Buchs. Es wird vielmehr durch seine Resonanz verortet: «Neben der «Weltwoche» sieht auch das neue Internetradio Kontrafunk in Haslers Buch einen Beleg dafür, dass öffentlich-rechtliche Medien als «Instrument zur Indoktrination und Ablenkung» gelten können.» Devise: Was WeWo und «Kontrafunk»* gut finden, muss schlecht sein.

Was ist denn nur mit diesem Hasler los? Dafür hat Tobler eine einfache Erklärung parat: «Anfang 2021 suchte Martin Hasler einen Psychiater auf: Als «Sklave der Hintermänner» habe er die «seelische Vergewaltigung» während der Arbeit für die SRG nicht mehr ausgehalten, schreibt Hasler in seinem Buch.» Es hat eine lange, aber unselige Tradition, Abweichler vom Mainstream, wie man das heute nennt, als psychisch angeschlagen abzuqualifizieren.

Logisch, dass Tobler zu einem vernichtenden Urteil kommt: ««Im Hexenkessel» ist also nicht der Enthüllungsbericht eines Insiders. Sondern letztlich das Dokument eines langjährigen Mitarbeiters, der Verschwörungstheorien verfiel und damit aneckte

Immerhin gibt Tobler gegen Ende Hasler kurz Gelegenheit, sich gegen solche Diffamierungen zu wehren: «Als Verschwörungstheoretiker möchte Hasler nicht bezeichnet werden. «Verschwörungstheoretiker ist ein Diffamierungsbegriff, der von jemandem verwendet wird, der nicht bereit ist, alle Fakten auf den Tisch zu bringen und zu diskutieren», sagt Hasler.»

Es gibt allerdings einen bezeichnenden Unterschied zwischen Tobler und Hasler. Der angeblich Verschwörungstheorien Verfallene war bereit, mit Tobler zu sprechen und auf dessen Fragen zu antworten. Das ist allerdings meistens ein Fehler, wie schon der Chefredaktor der NZZaS feststellen musste. Diesen Fehler will Tobler selbst nicht begehen. Er antwortet prinzipiell nicht auf journalistische Anfragen. Ob man sich daher um seinen Geisteszustand Sorgen machen sollte?

*Packungsbeilage: Der Autor schreibt gelegentlich für die «Weltwoche», «Die Ostschweiz» und spricht im «Kontrafunk».

Wumms: Christof Münger

Nochmal? Na und, Münger wiederholt sich doch auch.

Die Weltberichterstattung erledigt für den grossen Konzern Tamedia die vergleichsweise kleine «Süddeutsche Zeitung» in München. Denn eigene Korrespondenten kosten halt Geld, und das möchte Talmedia-Boss Supino lieber für eine Sonderdividende für die Aktionäre ausgeben.

Nun verfügt das Ausland-Ressort laut Impressum immer noch über ganze 5 Nasen. 3 Häuptlinge und 2 Indianer. Die dürfen dann das ß in ss verwandeln und so gut es geht bei Bezügen Deutschland durch die Schweiz auswechseln. Damit ihnen nicht das gleiche Malheur wie CH Media passiert, wo in einer Taiwan-Analyse die Auswirkungen auf Deutschland drinstanden. Aber CH Media hat auch nur insgesamt 2 Auslandredaktoren.

Nun wollte es offenbar das ungnädige Schicksal, dass der Oberhäuptling, ganz ermattet vom ständigen ß zu ss Stress, in den Ferien weilte, als die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi einen Kurzabstecher nach Taiwan machte. Das war vergangenen Dienstag. Im Anschluss daran meinte jeder, der schon mal mit Stäbchen gegessen hat, er müsse seinen Kommentar dazu abgeben.

Tamedia lieh sich seine Meinung, Überraschung, von der «Süddeutschen». Inzwischen scheint Christof Münger wieder aus den Ferien zurück zu sein. Oder jemand hat ihm am Ferienort erklärt, wie man ins Internet kommt. Eigentlich ist zum Thema Taiwan schon so ziemlich alles gesagt worden. Aber natürlich noch nicht von Münger.

Nun hat Häuptlingsein im Elendsjournalismus noch einen Vorteil. Keiner kann einem reinreden, wenn man einen Kommentar schreiben will. Weiter oben sind offenbar auch alle Entscheidungsträger in der Sommerfrische, also darf Münger am 6. August wie die alte Fastnacht noch seine Meinung absondern:

Dieser Ansicht kann man nun weder Originalität, noch Exklusivität, noch Intellektualität unterstellen. Sie ist einfach gähn. Sie ist nicht mal nur gähn, weil sie Tage nach dem kommentierten und überkommentierten Ereignis stattfindet. Sie ist auch gähn, weil sie mit den ewigen Worthülsen eines Heissluft-Kommentars arbeitet. Was hat denn  Pelosi gemacht? Genau, sie «hat ein Zeichen gesetzt». Gähn. Was hält Münger von der Reise? «Es ist gut, dass Nancy Pelosi nach Taiwan gereist ist.» Doppelgähn.

Was haben wir denn von Taiwan zu halten? «Dagegen ist Taiwan heute das leuchtende Beispiel einer lebendigen, jungen Demokratie». Nun, jung stimmt. Und was hält Münger von China, diesem Problemdrachen? Nicht Taiwan sei das Problem, «sondern China, wo sich seit der Teilung 1949 eine menschenverachtende Diktatur entwickelt hat.» Ganz im Gegensatz zu Taiwan, wo sich seit 1949 eine liebevoll-sanfte Diktatur entwickelt hatte. Schnarch.

Gibt es vielleicht Ähnlichkeiten mit einem anderen Staat, wie heisst der schon wieder? «Taiwan und die Ukraine sind zurzeit die Frontstaaten im globalen Wettstreit zwischen Diktaturen und Demokratien, der die kommenden Jahre prägen wird.»

Ob Münger nun Taiwan und die Ukraine eher unter Diktaturen oder Demokratien einreiht, das bleibt sein süsses Geheimnis bei diesem Satzbau. Und was ist die Ukraine eigentlich? «Eine geopolitische Grossbaustelle.» Hä?

Zurück zur anderen geopolitischen Baustelle, was soll, was muss nun getan werden, obwohl der Westen von China noch abhängiger ist als von Russland? Logo: «Davon muss der Westen wegkommen und gleichzeitig die Demokratie in Taiwan unterstützen, auch wenn es etwas kostet.»

Vielleicht führt ein Tamedia-Wirtschaftsredaktor Münger ganz sanft und langsam an wirtschaftliche Realitäten heran, zum Beispiel ans Thema Aussenhandel der Schweiz. Auch wenn es etwas kostet, das könnte sich lohnen.

Tamedia wiederholt sich, ZACKBUM wiederholt sich: wenn ein Auslandredaktor Tage nach einem Ereignis den Leser beim Wiederkäuen von Längst-Gesagtem zuschauen lässt, wo bleibt da die Qualitätskontrolle? Oder wird das ein weiterer Belastungstest: wie sehr kann man den Leser quälen, bis er das Abo kündigt?

 

Hitzestau

Schon mitgekriegt? Es ist heiss.

Wenn der Journalismus nichts anbrennen lässt, dann heizt er einem Thema richtig ein. Es gäbe eigentlich ziemlich viel zu erklären und aufzuklären in der Welt, aber es ist viel einfacher, dem staunenden Leser mitzuteilen: es ist heiss. Es ist wirklich heiss. Es ist Sommer, und erstaunlicherweise ist es heiss. Gelegenheit für eine Fotoromanza.

Zuerst zum Aufwärmen der Blöd-«Blick»:

Einzelfeuer aufs Thema Hitze.

Dauerfeuer aufs Thema Hitze.

Man zwingt den Leser auch dazu.

Gute Ratschläge dürfen nicht fehlen.

Dem Leser muss alles erklärt werden.

Für Leser, die zu blöd sind, eine Karte zu verstehen.

Keine Mär zu ausgeleiert, um nicht rezykliert zu werden.

Aber auch der hochstehende Qualitätsjournalismus aus dem Hause Tamedia kommt um das Thema nicht herum:

Bangemachen gilt nicht.

Wenn die B-Mannschaft am Gerät ist, gibt’s halt einen Ticker.

Und ein Sammelgefäss mit den schönsten Hitze-Storys.

Heiss, heisser, am heissesten.

Die Kollegen von CH Media werfen sich lieber aufs Lokale:

Besser ein Rasensprenger als den Rasen sprengen.

Auch der Wald stirbt mal wieder.

Schliesslich der Aufschwung in die Höhen des Oberliga-Qualitätsjournalismus, auch die NZZ kommt am Thema nicht vorbei:

Immerhin ein internationaler Aspekt.

Ein Beitrag für unsere vierbeinigen Freunde.

Gerne sagt’s auch die NZZ nochmal.

Den grossen IQ-Test haben wir uns bis zum Schluss aufgehoben. Wer weiss die Antwort auf die schwierige Frage: Was macht «watson» aus dem Thema? Bevor unsere Leser ins Schwitzen geraten: ist doch logo, ein Listical:

Wo bleibt das Positive?

Immer nur meckern und kritisieren. Nein, ZACBUM spendet auch Lob.

Allerdings müssen wir uns dafür wiederholen und auf das einzige Blatt in Reichweite rekurrieren, das Lob verdient. In der Schweiz hat man ja nur noch im Tageszeitungsmarkt eine kleine Qual der Wahl, mehr Qual als Wahl. Tamedia, CH Media und tschüss. Dann noch Blöd-«Blick», Randgruppenorgane in der Südostschweiz, wenige Einzelkämpfer wie in Schaffhausen.

Aber es gibt glücklicherweise immer noch die «Neue Zürcher Zeitung». Jawoll, ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat mal ein paar Jahre als Auslandredaktor für die NZZ gearbeitet. Das ist aber verjährt und verklärt den Blick keinesfalls.

Also blättern wir als Kontrastprogramm durch die Mittwoch-Ausgabe der NZZ im Print. Mit mageren 32 Seiten und einem Kaufpreis von stolzen 5.10 sollte sie dann schon etwas bieten.

Die Front kann man als, nun ja, konservativ bezeichnen:

Ein ausdrucksschwaches Foto, zwei breit abgenudelte Themen. Aber immerhin von eigenen Mitarbeitern bespielt, und erst noch solchen, die sich nicht das erste Mal mit Taiwan oder Afghanistan und Al-Kaida befassen. Aber schon auf Seite 2 vermag die alte Tante zu überraschen:

Das setzt sich auf Seite 4 fort; ein Bericht, der nicht im Mainstream der ewigen Wiederholungen schwimmt:

Zudem noch für NZZ-Verhältnisse üppig bebildert und auf zwei Seiten ausgerollt. Zudem das Werk eines hoffnungsfrohen Nachwuchsjournalisten.

Im Schweiz-Teil gibt es einigen Food for Thought, Denknahrung. Über das verdichtete Bauen, über die komplizierte Suche nach einem Neuen Kampfjet, ebenfalls ohne Rücksicht auf die Wisch-und-weg-Lesegewohnheiten auf zwei Seiten mit vielen Buchstaben angerichtet.

Im Zürich-Teilchen wird, das sei im Sommerloch verziehen, grossen Wert auf Nutzwert gelegt: «Die Badi-Kioske mit dem stimmungsvollsten Ambiente und dem besten kulinarischen Angebot in der Region Zürich».  Unter «Meinung und Debatte» macht dann Lorenz Honegger dem Häuslebesitzer Angst:

Hier könnte man höchstens meckern, dass Titel, die «das Ende naht» verwenden, eigentlich auf die No-Go-Liste gehören.

Dass sich die Wirtschaft um die Ernäherungssicherheit Afrikas kümmert, ehrt sie, setzt sich aber dem Vorwurf einer gewissen Beliebigkeit aus. Aber mit diesem Bericht erobert sich die NZZ wieder ihr Alleinstellungsmerkmal zurück:

Das Feuilleton befasst sich mit einer Künstlerin, die für den NZZ-Redaktor nun eindeutig der modernen Jugendkultur zuzurechnen ist. Illustriert wird der Artikel über Beyoncé zudem mit dem Foto der halbnackten Sängerin auf einem durchsichtigen Pferd. Zudem ist der Text eine geradezu schwärmerische Lobesarie über die «womöglich zu Recht als grösster lebender Popstar bezeichnete Sängerin». Ein wenig vorsichtige Distanz muss schon sein im Hause NZZ.

Das richtige Hammerstück fehlt dieser Ausgabe des Feuilletons, auch wenn sich Felix E. Müller um die Antwort auf die Frage verdient macht, wieso die Evangelikalen seit 50 Jahren ziemlich aktiv in der Politik mitmischen. Da hatte die Ausgabe vom Dienstag schon ein anderes Kaliber auf der letzten Seite der Ausgabe und damit des Feuilletons:

Aber immerhin: eine einzige Ausgabe der NZZ bietet mehr Eigenleistung und Anregung als eine ganze Wochenration der übrigen Tagespresse in der Schweiz.

 

 

Rufmord am Rufmord

Was Andreas Tobler kann, muss man erst mal hinkriegen.

Der Tamedia-Redaktor entwickelt sich zum Spezialisten für Hinrichtungsversuche.  So arbeitete er sich bereits am NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer ab. Schon bevor der überhaupt sein Amt angetreten hatte, wusste Tobler:

«Als jetziger Chefredaktor bei einem Boulevardmedium wie Blick TV widerspricht Projer auch dem Qualitätsanspruch der «NZZ am Sonntag» – und der linksliberalen Positionierung des Blattes.»

Tobler selbst entspricht nun überhaupt keinem Qualitätsanspruch. Er schreibt unter jedem Niveau, beschönigte auch schon mal einen Mordaufruf gegen den WeWo-Chefredaktor Roger Köppel.

Aktuell arbeitet sich Tobler am neuen Internetradio «Kontrafunk»* ab. Das tat schon eine Reporterflasche des SoBli. Der spürte dem Redaktionssitz in Cham nach und entdeckte tatsächlich einen Namenskleber auf einem Briefkasten. Allerdings scheiterte der Investigativjournalist daran, die Büroräumlichkeiten aufzufinden. Unter Lebensgefahr drang er in ein Bürogebäude ein und fotografierte leere Zimmer und einen leeren Gang.

Wo solche Grosstaten des Schmierenjournalismus vollbracht werden, kann Tobler nicht fehlen. Wenn ein Journalist Unsinn schreibt und dem widersprochen wird, dann schreibt der nächste Journalist natürlich: «Kontroverse um Internetradio». Auch ein blindes Huhn findet manchmal ein Körnchen Wahrheit. Das besteht hier aus einem Satz:

«Gegründet wurde das Radio vom 65-jährigen Journalisten Burkhard Müller-Ullrich, einem Schweizer Staatsbürger, der in seiner Berufslaufbahn für verschiedene Medien gearbeitet hat. Zuletzt moderierte er als freier Mitarbeiter eine Diskussionssendung beim SWR.»

Wobei, die Erwähnung der letzten Tätigkeit unterschlägt die jahrzehntelange Radiokarriere von Müller-Ullrich. Aber item, schnell wird es aschgrau: «Das Zielpublikum vom Sender scheint vor allem in Deutschland zu leben, wenn es nach den thematischen Schwerpunkten der bisherigen Sendungen geht. In Deutschland hat Müller-Ullrich offensichtlich gute Kontakte zu stramm bürgerlichen Publizisten, die auf Kontrafunk weitgehend unwidersprochen zu Wort kommen.»

Gäbe es bei Tamedia noch so etwas wie Qualitätskontrolle, hätte hier gefragt werden müssen: steile These, gibt es dafür wenigstens ein Beispiel, einen Namen, einen Beleg? Aber da es diese Kontrolle nicht mehr gibt …

Von aschgrau wechselt der Ton dann zu Schmiere: «Im «SonntagsBlick» wurde die Vermutung laut, Kontrafunk habe seinen Sitz in der Schweiz, um die in Deutschland geltenden Qualitätsauflagen zu umgehen.» Eine völlig unsinnige Vermutung, wie schon dem SoBli erklärt wurde. Aber das hält Tobler nicht davon ab, sie zu wiederholen.

Was schon der SoBli andeutete, muss Tobler wiederkäuen: «Die Frage nach Geldern aus der AfD drängt sich auf, da der Kontrafunk-Gründer bereits seit September 2017 Mitglied der rechtspopulistischen Partei ist. Für die Gründung von Kontrafunk erhielt Müller-Ullrich auf Facebook Applaus von prominenten Parteimitgliedern wie Erika Steinbach und dem AfD-Scharfmacher Björn Höcke.»

Gerne wüssten wir, welcher Partei Tobler angehört, denn das scheint entscheidend wichtig zu sein bei der Beurteilung journalistischer Leistungen. Wir können allerdings nur hoffen, dass weder Freiheitstrychler, noch Nicolas Rimoldi, noch Gottseibeiuns Christoph Blocher jemals einem Artikel von Tobler applaudieren. Denn dann könnte man ihn auch in die «rechtspopulistische» Ecke stellen.

Der nächste Tiefpunkt im Schaffen von Tobler folgt sogleich: «Was die Höhe des Kapitals von Kontrafunk anbelangt, das nach Medienberichten bereits auf über eine Million Franken angewachsen sein soll, sind Zweifel angebracht: Im Zuger Handelsregister und auf dem Meldeformular des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) ist für Kontrafunk nur ein Aktienkapital von 100’000 Franken eingetragen.»

Vielleicht sollte ein Wirtschaftsredaktor von Tamedia Tobler mal kurz beiseite nehmen und ihm den Unterschied zwischen Aktienkapital und Betriebskapital erklären. Aber ganz, ganz langsam, er scheint da begriffsstutzig zu sein.

Dann nimmt Tobler verschiedene Angaben über die Anzahl der Mitarbeiter zum Anlass, Müller-Ullrich «mit diesen Widersprüchen zu konfrontieren», als sei Tobler ermittelnder Staatsanwalt. Dabei ist er nur ein Schreibwürstchen, schwimmend in seiner Gesinnungsblase. All das kulminiert dann zum abschliessenden Tiefpunkt:

«Angesichts der Fluktuationen und vielen Unbekannten könnte der Eindruck entstehen, dass Kontrafunk – in finanzieller Hinsicht – ein Scheinriese ist, für den Thiel seine Arbeitskraft und seinen Namen zur Verfügung stellt, mit dem er sein Büro teilt – und mit dem er nun so viel Ärger hat.» ZACKBUM wollte Tobler Gelegenheit zur Stellungnahme geben und fragte ihn unter anderem zu diesem Schluss: Glauben Sie nicht, dass man diese Zusammenstellung als Musterbeispiel für billige Demagogie in jeden Schulungskurs für angehende Journalisten aufnehmen sollte?

Aber zu niveaulosem Journalismus gehört es, als selbstverständlich vorauszusetzen, dass angefragte Personen dem Schreiber antworten. Tun sie das nicht, wird das übellaunig vermerkt. Aber selber antworten auf eine journalistische Anfrage – niemals.

Tobler kniff schon damals, als er den Mordaufruf schönschrieb, Tobler kneift auch jetzt. Wer wissen will, wie tief Journalismus sinken kann – nur Tobler lesen.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer sendet gelegentlich auf «Kontrafunk».

Du nix verstan?

Kann man Feminist und Rassist sein? Aleksandra Hiltmann weiss Rat.

Es gibt anscheinend einen Sturm im Wasserglas. Denn die deutsche Autorin Sophie Passmann hat in einem Interview etwas gesagt. Wer in die Sektensprache des modernen Feminismus nicht eingeweiht ist, hat vielleicht etwas Mühe, den Satz zu verstehen: «Wenn Redaktionen im Namen des Antirassismus eine schwarze Frau zum vermeintlichen Sprachrohr von rassistischen Erfahrungen in Deutschland machen, führt das dazu, dass wieder nur ein Standard reproduziert wird: Wer spricht am lautesten, am funkiesten in ein Interview­mikrofon hinein

Item, das sei rassistisch, ein Shitstorm brandete über die Autorin, die sich beleidigt aus der Erregungsmaschine Twitter zurückzog. Hat niemand so richtig verstanden, aber nun will Tamedia-Autorin Aleksandra Hiltmann einordnen. Und ZACKBUM darf eine Fortsetzung zum Thema «Tagi-Leser sind Masochisten und zahlen dafür, dass sie gequält werden» schreiben.

Denn die Mit-Rädelsführerin der unbelegten Verleumdungen von 78 Tamedia-Frauen äussert nun Unverständliches über Unverständliches. Den diesen Shitstorm auslösenden Satz mag sie gar nicht zitieren, sie setzt offenbar voraus, dass der jedem Tagi-Leser geläufig ist:

Soweit ZACKBUM Hiltmann verstanden hat, findet sie es wichtig und richtig, dass Passmann für diese Aussage, die eigentlich keiner versteht, kritisiert wird. Denn: «Unkonstruktive Kommentare bedeuten nicht, dass sämtliche Kommentare zu einem Thema unangebracht oder nichts wert sind.» Das mag wahr sein, nur: na und?

Bisher können selbst alte, weisse Männer vielleicht noch folgen. Ab hier wird’s dann schwierig: «Es geht darum, wie oft und wo People of Color, Women of Color, im Feminismus, in den Medien und in der Öffentlichkeit repräsentiert sind – oder eben nicht.» Hier wird’s dann unmöglich: «Es geht um Intersektionalität, also darum, dass es Menschen gibt, die verschiedenen Unterdrückungsmechanismen gleichzeitig ausgesetzt sind.»

Nun wird’s zur unverhohlenen und offenen Quälerei des Lesers (doch, da müsst Ihr durch; hier ist’s wenigstens gratis):

«Es geht also auch um weisse Privilegien, ebenso um weissen Feminismus. Also «einen Feminismus, der die Interessen weisser Frauen ins Zentrum stellt» und der «einer Gruppe zugutekommen soll, die in vielerlei Hinsicht privilegiert ist», das heisst oft auch Frauen, die keine Behinderungen haben und über genügend finanzielle Ressourcen verfügen, formulierte es die Autorin, Afrikawissenschaftlerin und Lehrbeauftragte Josephine Apraku neulich beim deutschen Radiosender Cosmo. Privilegiert aber vor allem auch deswegen, weil weisse Frauen zwar benachteiligt werden von patriarchalen Strukturen, nicht aber von rassistischen. Women of Color hingegen sowohl als auch.»

Weisse Frauen leiden unter dem Patriarchat, sind aber privilegiert und haben keine Behinderungen. Andersfarbige Frauen werden doppelt benachteiligt, behauptet Hiltmann. Das nennt man Schwarzweissdenken.

Aber im Ernst: wie kann es ein Publikumsmedium zulassen, das von seinen Konsumenten Geld einfordert, dass ein solches Sektengeschwätz ungefiltert Hunderttausenden Lesern serviert wird? Wo bleibt da die vielgerühmte Qualitätskontrolle? Traut sich denn kein zurechnungsfähiger Blattmacher (m,w,d) mehr, solche Hirnrissigkeiten abzulehnen? Oder soll das ein Belastungstest sein, wie stark man das Publikum quälen kann, bis es schreiend das Weite sucht?

Wohin dieser Sektenwahnsinn führt, zeigt gerade ein absurdes Theater, dass der «Tages-Anzeiger» doch tatsächlich zur Frontmeldung macht:

Das Stürmchen im Wasserglas: In einer Alternativbeiz zu Bern genossen Alternative ein Alternativkonzert. Bis das in der Pause abgebrochen wurde. Ein Musiker unpässlich geworden? Stromrechnung nicht bezahlt? Kä Luscht? Nein, schlimmer. Ein paar Gäste hätten sich beschwert, dass es ihnen «unwohl» geworden sei. Zu viel geschluckt? Falsches geraucht? Nein, schlimmer. Ihnen sei unwohl, weil ihnen die «kulturelle Aneignung» einiger Mitglieder der Band übel aufgestossen sei. Die seien nämlich weiss, aber trügen Dreadlocks und spielten Reggae. Nun dürfen diese Stinklocken offenbar nur nicht-weisse Jamaikaner tragen. Oder so. Auf jeden Fall entschuldigten sich die Veranstalter und beklagen «Sensibilisierungslücken».

Nein; ZACKBUM hat keine verbotenen Substanzen inhaliert, so etwas kann man nicht halluzinieren oder erfinden. Aber damit ist der Wahnsinn ja noch nicht zu Ende. Nach Hiltmann serviert das Qualitätsmedium Tagi diesen Stuss seinen Lesern auf Seite eins. Denn diese Debatte habe nun auch die Schweiz erreicht. Nein, diese Debatte findet nur innerhalb kleinster Sektenzirkel von verpeilten Fanatikern statt.

Und wenn dem Tagi im Sommerloch wirklich keine Story mehr einfällt, hätten wir zumindest einen Alternativtitel für die Front zu bieten: «Käufer, verpisst euch und lest was Anständiges». Das wäre wenigstens ehrlich.

Sommer-Rubrik: GÄHN

Nichts eignet sich besser für eine Fortsetzung als die Sonntagspresse.

Woran merkt man, dass dem B-Team im Hitzestau wirklich nichts eingefallen ist? An einem solchen Cover:

Elefant tot, Pille out, hübsche Frau, Hitzestau.

Immerhin gibt der Chefredaktor auf Seite zwei dann gleich kontra, was sicherlich von ein paar Hitzköpfen als neue Querelen in der Redaktion interpretieren wird:

Aber es ist heiss genug, sie als Titelgeschichte zu verbraten.

Das hier hingegen ist endlich mal nicht-gähn, aber keine redaktionelle Leistung, sondern eine clevere Werbung:

Aber sogleich wird es wieder Doppelter-Ristretto-Gähn, wenn Felix Gähn Müller nun wirklich überhaupt nichts einfällt, womit er seine Medienkolumne füllen könnte. Aber was muss, das muss:

 

Als mildernden Umstand könnte man höchstens anführen, dass er sich im Niveau der Kolumne der sogenannten Kabarettistin Patti Basler anpassen wollte. Denn schlimmer als flach scherzen ist höchstens, pseudogelehrt scherzen: «Lasst uns mit emporgerecktem Kopf  die Troposphäre zurückerobern, als sei es das natürliche Habitat des Homo volans.» Hä? Kein Stress, einfach gähnen.

Was die NZZaS kann, kann der «SonntagsBlick» schon lange:

FDP-Chef sagt was, abgehalfterter Moderator sagt was, Pfadi macht was.

Geht noch mehr gähn? Oh ja, der stellvertretende Chefredaktor Reza Rafi sagt was; sein Chef hat hitzefrei, also darf er sich am Editorial vergreifen: «James Schwarzenbach machte Fremdenfeindlichkeit salonfähig, die Linken wollten den Staat entwaffnen, Christoph Blocher erfand das Feindbild Europa. Anti-Mainstream garantiert Aufmerksamkeit ebenso wie Aufschreie.» Was will uns Rafi damit sagen? Nichts, ausser eine Doppelspalte Einleitung zu diesem dünnen Schluss: «Im Vergleich dazu wirkt es eher harmlos, wenn der Schweizer FDP-Präsident Thierry Burkart sich im SonntagsBlick-Interview dafür ausspricht, dass der Bund alles tun soll, um die heimischen AKW möglichst lange – und sicher – am Leben zu lassen.»

Wir schleppen uns auch hier ins Ziel. Frank A. Meyer (nein lieber Leser, da müssen wir durch) hat wie immer mit seinem Kommentar die Hand am Puls der Zeit. Da gab es doch mal so eine Flugaffäre mit unserer Knutschkugel BR Berset. Dazu gibt es ein witziges Inserat und einen späten, wohl durch Hitzestau bedingten Nachruf von Meyer. Wir erwarten stehenden Applaus des Lesers, weil wir uns durch den ganzen Text gekämpft haben und nur die Schlusspointe gähnen lassen:

«Alain Berset fliegt hoch, fliegt auf die Nase – fliegt dem Kleingeist davon.»

Hä? Nicht grübeln, wer’s nicht versteht, ist ein Kleingeist.

Allerdings, ganz versteckt und wie nebenbei könnte der SoBli einen Knaller enthalten. Zu diesem Foto muss man wissen, dass beide Herren inzwischen Single sind und mehr oder minder zusammen wohnen; mehr sagen wir nicht, schliesslich ist das deren Privatangelegenheit:

Sieht nach echter Männerfreundschaft aus.

Kann die SoZ noch einen drauflegen im Gähnbereich? Zumindest das Bemühen ist erkennbar:

Bier wird teurer. Seit es Bier und Zeitungen gibt, der Sommerheuler.

Die SoZ schafft aber auch einen ärgerlichen Gähn. Am 20. Juli berichtete «Inside Paradeplatz»: «Leveraged Buyouts krachen – und die CS ist mitten drin».  Am 24. Juli vermeldet die SoZ: «Auf die Credit Suisse kommt ein neuer grosser Verlust zu. Tiefe Zinsen liessen das Geschäft der Banken mit fremdfinanzierten Firmenübernahmen florieren». Deutsch für Leveraged Buyouts. Immerhin wird IP so im Vorbeilaufen im SoZ-Artikel erwähnt. Dass man aber einfach umständlicher, ausführlicher und langweiliger nochmal über das gleiche Thema berichtet – lassen wir das und gähnen einfach ausgiebig.

Wenn man die Preiserhöhung beim Bier schon verballert hat, was kann man dann noch tun, um den Leser am Gähnen zu halten? Richtig, das war nun kein IQ-Test:

Wir holen den grossen Eistee-Test aus dem Kühlschrank und passen einfach auf, dass wir den Stehsatz vom letzten Jahr gut durchschütteln und eiskalt nochmal servieren.

Für alle tapferen Leser, die bis hierher durchgehalten haben: nächstes Wochenende ist dann noch 1. August zu allem Elend. Also wird das ein gesteigertes Gähn-Festival werden …

Neuer Nasenstüber für Rima

Man wird nicht ungestraft ein sogenannter «Corona-Kritiker».

Der Komiker Marco Rima fand die Corona-Massnahmen zunehmend unkomisch. Also benützte er seine Bekanntheit, um öffentlich auf seine Vorbehalte, Kritiken und Analysen der offiziellen Corona-Politik hinzuweisen.

Zeit genug dafür hatte er, denn natürlich trafen ihn einige Massnahmen ins Mark. Keine Bühnenauftritte mehr, verschobenen Auftritte, verkaufte Tickets, zurückzuzahlende Tickets. Da Rima keine One-Man-Show ist, sondern Aushängeschild eines kleinen Unternehmens, gingen die Verluste in die Hunderttausende.

Nun hat die «Luzerner Zeitung» herausgefunden, dass Rimas Unternehmen im Rahmen von Entschädigungen für Künstler vom Lotteriefonds Zug insgesamt rund 150’000 Franken  Entschädigung bezog.

Dazu zitiert die «Luzerner Zeitung» den Leiter des Zuger Amts für Kultur:

«Anzumerken gibt es noch, dass der Schaden über die vergangenen zwei Jahre in diesem Fall um ein Vielfaches dieser Summe grösser war. Diese Unterstützung war also ein Tropfen auf dem heissen Stein für so ein erfolgreiches Comedyunternehmen.»

Damit ist ein Feigenblatt über diesen Anwurf gelegt: «Obwohl Rima die Massnahmen des Bundes, zu denen auch die Ausfallentschädigungen zählen, kritisierte, bezog er also Corona-Hilfsgelder.»

Dann spürt man richtiggehend, wie schwer der LuZ folgendes Eingeständnis fällt: «Rima stellte in jener Zeit, als er bewusst auf Auftritte verzichtete, obwohl er diese hätte durchführen dürfen, kein Gesuch um Ausfallentschädigung

Versuchen wir, der Logik des CH-Media-Schreiberlings Tijana Nikolic zu folgen. Rima hat diverse Massnahmen des Bundes während der Pandemie kritisiert und diese Kritik mit Argumenten untermauert. Zeitweise musste er seine Bühnentournee absagen, zeitweise verzichtete er freiwillig auf Auftritte, weil er nicht wollte, dass sich sein Publikum an die Corona-Vorschriften hätte halten müssen, um ihn zu sehen.

Für diese Zeit stellte er keinen Antrag auf Erwerbsausfall. Für die übrige Zeit tat er das, was sein gutes Recht ist, wobei sogar das zuständige Amt festhält, dass die ausbezahlte Summe nur einen Bruchteil des finanziellen Schadens abdeckt.

Gibt es also am Verhalten Rimas in irgend einer Form oder mit irgend einem Argument etwas zu meckern? Sollte ein Kritiker von Krankenkassenprämien deswegen darauf verzichten, seinen Spitalaufenthalt von der Kasse zahlen zu lassen? Wer findet, die AHV benachteilige die Jugendlichen von heute für die Alten von heute, muss der dann auf seine Rente verzichten?

Darf nur der, der die Corona-Massnahmen nicht kritisiert, Entschädigung beziehen? Eine solche Zurschaustellung ist unterste Schublade. Lohnschreiberei, um einem im Volk durchaus beliebten Coronamassnahmen-Kritiker eine reinzubremsen. Kritisiert Corona-Entschädigungen und kassiert selbst welche, das soll hier insinuiert werden.

Wer staatliche Unterstützung erhält, sollte staatliche Massnahmen nicht kritisieren. Oder auf die Unterstützung verzichten. Das will uns die Autorin wohl sagen. Die «Luzerner Zeitung» kassiert ebenfalls staatliche Unterstützung. Wir sind nun gespannt, welchen Ratschlag Nikolic in eigener Sache hat. Entweder, der Staat wird nicht mehr kritisiert. Oder aber, vor der nächsten Kritik an einer staatlichen Massnahme verzichtet das Blatt auf die Verbilligung der Zustellung. Wir regen an, dass Nikolic den Fehlbetrag aus dem eigenen Sack auffüllt.