Berichten, was relevant ist

Gute Ansage. Gute Idee. Aber wenn ewig der eigene Bauchnabel näher ist als die Welt?

Der Journalist, so steht’s sicher in einem verstaubten Lehrbuch, hat die vornehme Aufgabe, die Welt zu kartographieren. Zu berichten, was sich so alles abspielt, nah und fern. Da das etwas mehr ist, als in eine Zeitung passt, muss er auch noch das Relevante auswählen und gewichten.

So viel zur schönen Theorie. Gehen wir in die hässliche Praxis. «Blut, Busen und Büsis für die Romandie», gleich zwei Werke ist dem «Tages-Anzeiger» das welterschütternde Ereignis wert, dass es neuerdings auch eine Online-Ausgabe des «Blick» auf Französisch gibt. Das mag ja den Westschweizer Leser allenfalls am Rande interessieren.

Aber hier in der Deutschschweiz? Echt jetzt, und auch noch einen Podcast obendrauf? In dieser Ausführlichkeit? Absurd. Gesteigert werden kann das nur noch auf eine Art: Tamedia berichtet über diese Expansion, vermerkt, dass auch «watson» aus dem Hause CH Media schon in die Romandie eingedrungen ist.

Die Westschweiz (rot eingefärbt).

Dass man der Konkurrenz von Herzen alles Schlechte wünscht, ist menschlich verständlich. Das Tamedia mit keinem Wort erwähnt, dass dieser Konzern der Platzhirsch bei den französischsprachigen Medien in der Schweiz ist – das ist wieder mal ein kräftiger Beitrag zur Förderung der Glaubwürdigkeit.

Nur Bäumchen werden ausgerissen

Auch im Lieblingsgeschäft der modernen Journalisten reisst Tamedia nur ganz kleine Bäumchen aus. Wenn man der Welt mangels Ressourcen dafür schon nicht näher kommen kann, dann gibt’s ja immer noch den Kommentar. Den der Tag rückt immer näher, an dem der frisch eingestellte Kindersoldat im Newsroom, nachdem ihm seine Verrichtungsbox auf einem halben Meter Breite und Tiefe zugewiesen wurde, verschreckt fragte: Aber ich dachte, dass sei ein Bürojob. Ich soll jetzt echt rausgehen und reportieren? Aber es regnet doch!

Stattdessen lieber ein Kommentar. Zu aktuellen Ereignissen. Oder zu längst vergangenen, noch besser. Wenn das Ereignis passiert ist und schon etwas abgehangen zu müffeln beginnt, ist der beste, weil sicherste Moment, dran zu schnuppern und die Ergebnisse der Schnüffelei dem Leser zu servieren.

Das tut der unermüdliche Michael Hermann, der sich nicht einkriegen kann, dass der Bundesrat doch tatsächlich eingesehen hat, dass das Rahmenabkommen dermassen aus dem Rahmen gefallen ist, dass man die Leiche endlich ruhen lassen sollte, statt versuchen, sie immer wieder wachzuküssen.

Hermann ist dabei unangenehm aufgefallen, dass die Gegner eines vernünftigen Zusammenwucherns im Hause Europa, wo die Schweiz in der Mitte doch nicht abseits stehen könne, mit dem Argument arbeiten, dass sie an Souveränität verlieren könnte.

Ganz falsch, doziert Hermann. «Die Schweiz agiert ängstlich, wenn es um ihre Selbstbestimmung geht», behauptet der Wissenschaftler eingangs. Das ist natürlich bedauerlich, liebe Schweiz. Man stelle sich vor: Helvetia kauert ängstlich in einem noch nicht zur Touristenattraktion umgewidmeten Gotthard-Reduit in der Ecke und bibbert. Wie man kann das arme Wesen wieder ans Tageslicht der europäischen Sonne führen?

Souveränes Denken mit Hermann

Da hat Hermann eine merkwürdige Idee. Dieses Mäandern muss man in voller verwickelter Länge geniessen:

«Die Covid-19-Situation ist nicht zuletzt ein Stresstest für die Handlungsfähigkeit von Staaten und damit im Kern auch für das Ausmass ihrer Souveränität. Mit ihren eigenständigen Strategien haben Dänemark und Schweden in besonderem Mass ihr Vermögen unter Beweis gestellt, selbstbestimmt zu handeln. Und hier kommen wir bereits zum eigentlichen Clou: Beide Staaten sind hochgradig souverän, obwohl beide EU-Vollmitglieder sind.»

Wer ZACKBUM erklären kann, was Hermann uns damit sagen will, bekommt die Medien-Verdienstmedaille am Band mit Brillanten (falsch, aber glitzern) verliehen. Auch der Nachsatz zum Clou macht’s nicht wirklich verständlicher: «Was wir in der Schweiz dabei gerne vergessen: Souveränität misst sich nicht am Ausmass des Abseitsstehens.»

Aha, wer’s immer noch nicht verstanden hat (wir zum Beispiel), dem greift Hermann noch paartherapeutisch unter die Arme, sich dabei auf «unsere zwischenmenschliche Erfahrung» stützend:

«Es gibt Personen, die sind stark eingebunden und leben dennoch selbstbestimmt, und andere, die halten sich aus allem raus und schaffen es doch nicht, ihr Leben selber zu bestimmen.»

Wir befürchten nun, dass Hermann als Paartherapeut ungeeignet wäre. Allerdings ist er es auf seinem Gebiet auch. Zudem ist er beratungsresistent. Denn zur Abrundung singt er noch Lobeslieder auf ausgewählte EU-Staaten, die trotz Mitgliedschaft ganz furchtbar souverän seien und vor allem die Schweiz auf diversen Gebieten längst hinter sich gelassen haben. Der Letzte, der diese Nummer probierte, war der unermüdliche WeWo-Kolumnist und ehemalige SP-Chef Peter Bodenmann. Der sang über Jahre hinweg das Lied, wie toll es doch Österreich ginge, wie die uns Schweizer so was von abhängen würden, eigentlich auf allen Gebieten besser und besser werdend, möglicherweise mit Ausnahme des Käsefondues.

Bei denen geht’s ab, in der Schweiz herrscht Stillstand, Rückschritt, Gejammer, bald werden wir wieder auf den Alpen Kühe hüten und zur Selbstversorgung zurückkehren. Weil wir Deppen nicht in der EU sind. Aber seit geraumer Zeit, hat Bodenmann diesen Wortsalat auf den Schindanger geworfen und möchte nicht mehr daran erinnert werden. Er wird aber auf den Stockzähnen grinsen, dass Hermann nun diesen toten Gaul nochmal reiten will.

 

Was macht eigentlich …

… Pascal Hollenstein? Die journalistische Leiter nach unten von CH Media?

Sein Megaphon im Dienste von Jolanda Spiess-Hegglin verstaubt zurzeit in der Ecke. Publizistischer Bedarf besteht auch nicht. Eigentlich könnte Pascal Hollenstein in die Frühpensionierung abschwirren. Der Leser würde es ihm danken. Ausser, er machte den Felix E. Müller (Ex-Chef der NZZaS, pensioniert und weiterschreibende Sparmassnahme) und schriebe und schriebe und schriebe.

So ist Pascal Hollenstein nicht. Hat er nichts zu sagen, schweigt er. Schweigt er nicht, hat er trotzdem nichts zu sagen. Item, zum Abbruch der Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen mit der EU hielt die Welt gespannt den Atem an und kriegte schon ein rötliches Gesicht.

Die hat sich nun entladen, endlich. Hollenstein präsentiert das Resultat tiefen Nachdenkens, unermüdlichem Polierens, einem titanischen Kampf mit der Sprache (nach dem dritten K.o. warf sie das Handtuch).

Hollenstein geht’s ums Ganze, worum denn sonst

In seinem Kommentar geht es ums Ganze:

«Ein Sieg von Blocher und der SVP, für den die Partei einen hohen Preis zahlen könnte».

Hollenstein versucht sich hier an einem gepflegt-staatstragenden Ton, der Helmut Schmidt gut anstand. Auch Hollenstein will das ganze Orchester auffahren. Warnen, mahnen, erinnern. Analytische Schärfe aufblitzen lassen. Sozusagen das Wort zum Sonntag der Politik sprechen. Oder in einem Wort: klugscheissen.

Auch das muss man können. So versemmelt es Hollenstein schon mit der Einleitung: «Die Schweiz mag die politische Folklore. Zum festen Inventar gehört dabei die Illusion, Bundesräte stünden immer und in jedem Fall über parteipolitischen Interessen.» Keine Ahnung, bei wem – ausser vielleicht Hollenstein – diese Illusion zum festen Inventar gehört. Wer trotzdem weiterliest, wird dafür nicht belohnt. Eher gequält.

Wohin und zurück mit Hollenstein.

Denn Hollenstein hat eine (in Zahlen 1) Idee gehabt. Nicht originell, nicht umwerfend, aber he, immerhin eine Idee. Die lautet so: durch den Abbruch der Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen ist der SVP der nächste Wahlkampfschlager, wenn nicht die Seele der Partei abhanden gekommen. Ihre Daseinsberechtigung. Denn wäre es doch noch zu einer Einigung gekommen: «Ein Traumszenario für die Volkspartei, deren einstiger kometenhafter Aufstieg eng mit der EWR-Abstimmung 1992 zusammenhängt.»

Dieser Abbruch trifft die SVP hart, meint Hollenstein

Also sozusagen a one trick pony, wie der Ami sagt. SVP, das ist Anti-EU. Lassen wir mal die Partei als Hort von Volksverhetzern, Corona-Leugnern, staatliche Massnahmen laienhaft und verantwortungslos kritisierenden Dumpfbacken beiseite. Also Anti-EU. Denn für sie sei mit dem Abbruch der Verhandlungen

«der Feind abhandengekommen, das Lieblingsthema weg und kein anderes in Sicht. Kurz: Ein Desaster.»

Schön für die bürgerlichen Parteien, und da kann es für die NZZ nur eine geben. Aber da sieht Hollenstein ein kleines Fünklein Licht, das er nun auch während Dusche und Bad nie mehr erlöschen lässt: «Nicht gut, aber immerhin etwas besser sieht es für FDP, Mitte und SP aus. Allen drei Parteien drohten bei einem Abstimmungskampf zum Rahmenabkommen hässliche interne Querelen. Der SP mit ihrem Gewerkschaftsflügel. Insbesondere aber die Freisinnigen boten im Rahmenabkommen-Dossier ein pitoyables Bild, ihr Aussenminister Ignazio Cassis wäre in den Wahlen zur ernsthaften Belastung geworden.»

Wir lieben es, wenn ein Tiefflieger das Wort «pitoyabel» verwendet, weil er meint, damit eine geradezu goetheanistische Flughöhe zu simulieren.

Nachdem Hollenstein die Auswirkungen dieses historischen Moments (meiner Treu, Verhandlungen wurden abgebrochen, das kann doch mal passieren, passiert auch ständig) abgeschmeckt, abgewogen, staatmännisch eingeordnet hat, in einer verstaubten Grossbürgersprache, wie es sich nicht einmal mehr die NZZ trauen würde, sondern nur noch Möchtegerns, wie sieht denn das Orakel die Zukunft?

Höret und staunet:

«Für die FDP und insbesondere Ignazio Cassis geht es in den nächsten Wahlen um viel, der Formstand der Partei ist miserabel. Gewiss, nach dieser Woche ist nun die Konkurrentin SVP thematisch geschwächt. Aber ob das reicht, um den freisinnigen Absturz zu verhindern, bleibt offen. Denn die eigentliche Gefahr droht den Freisinnigen ohnehin von den Grünliberalen. Mit dem historischen europapolitischen Entscheid vom Mittwoch ist sie nur noch grösser geworden.»

Ein Desaster. Dieser Kommentar von Hollenstein

Wer einen Ausblick auf kommende Wahlen mit «für xy geht es um viel» beginnt, hat eigentlich schon jede Kontrolle verloren. Denn, vielleicht abgesehen von Diktaturen, wann geht es bei Wahlen für Parteien mal nicht um viel? Wann hört man aus Parteizentralen: Ach, die nächsten Wahlen? Sind uns egal, wir müssen noch überall das Gendersternchen einpflegen.

Ich schwör’s, Hugo Bütler hätte so einen Satz vielleicht noch per Montblanc Meisterstück und grüner Cheftinte aufs Papier gekritzelt. Dann angeschaut, kurz den Kopf geschüttelt, leise «Quatsch» gesagt, das Papier zerknüllt, Papierkorb, neuer Anlauf. Nicht nur das unterscheidet Hollenstein von Bütler.

Der ehemalige Chefredaktor der NZZ, dessen Kürzel Bü. lautete, wurde von Niklaus Meienberg selig (Nora Zukker, das war, aber lassen wir’s) völlig richtig damit vorgeführt. Ob Bü. wohl für Büttel stünde? Oder für Bünzli? Nein, das stehe für Bürgertum, donnerte Meienberg. Wofür steht denn dann hol.? Genau, für ein fehlendes h nach dem o.

 

Rah-ha-ha-abkommen ist tot

Weder Befürworter noch Gegner kommen um die Erkenntnis herum: mausetot.

Eigentlich war die Haltung aller Schweizer Medien zum Gewürge mit dem sogenannten Rahmenabkommen mit Deutschland: im Prinzip ja.

Ringiers Vorschreiber Frank A. Meyer, Wohnsitz Berlin, ist ein vehementer Befürworter. Gewesen, denn was geht ihn sein dummes Geschwätz von gestern an. Auch der Club der Chefredaktoren, die etwas zu sagen haben, also Patrik Müller (CH Media), Arthur Rutishauser (Tamedia) und Eric Gujer (NZZ) waren mal mehr oder minder begeisterte Befürworter.

Zuerst Rutishauser, schliesslich auch Gujer gingen aber im Verlauf des Gemurkses immer mehr auf Distanz. Zwischendurch wurden Geheimpläne enthüllt, der arme Aussenminister demontiert, immer neue Verhandlungsvarianten ins Spiel gebracht. Halt das, was die Medien so tun, wenn ihnen absolut nichts mehr einfällt zu einem Thema.

Aber immerhin, es gibt News. Rahmenvertrag aus dem Rahmen gefallen. Was nun? «Nicht der Bundesrat, sondern das System ist schuld», (SRF), «Grenzregionen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit», (nau.ch), «Gescheitertes EU-Rahmenabkommen: «Die Schweiz hat das Feld verlassen, bevor das Spiel zu Ende war»», (CH Media), «Gescheitertes Rahmenabkommen: Grenzregionen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit», («watson»), «EU-Rahmenabkommen: Nicht alle Bundesräte wollten sofortigen Abbruch», («Blick»), «Nach dem Verhandlungsabbruch beginnt die Suche von vorn: Könnte eine Volksinitiative die EU-Frage klären?», (NZZ), «Exklusiv-Interview mit Carl Baudenbacher: «Das Geschäft muss auf ein neues Gleis»» («Nebelspalter»), «7 Folgen nach geplatztem EU-Deal: Hier drohen jetzt die nächsten «Nadelstiche»» (Tamedia).

1000 mal erwähnt, nichts passiert

Lassen wir es bei dieser Kakophonie bewenden. Insgesamt gibt die Suche nach «Rahmenabkommen» in der SMD für die letzten 7 Tage über 1000 Treffer. Wie könnte man die aufklärerische Wirkung messen, da dieses Thema offensichtlich von Bedeutung ist?

Ganz einfach; indem sich der geneigte Leser drei Fragen stellt (und beantwortet):

  1. Was beinhaltete das Rahmenabkommen?
  2. Ein Argument dafür, eines dagegen?
  3. Geht’s der Schweiz nun dreckig?

Vor allem bei der letzten Frage hält man sich inzwischen gerne bedeckt. Zu unangenehm noch die Erinnerung, als zur allgemeinen Überraschung 1992 schon etwas Ähnliches abgelehnt wurde. Damals wurde flächendeckend der Untergang der Schweiz an die Wand gemalt, der Ausbruch von neuem Elend, die Schweiz als Paria im Zentrum Europas. Eine Insel, die sich egoistisch dem europäischen Gedanken verweigert. Und schon sehen wird, was sie davon hat.

Das hat die Schweiz tatsächlich gesehen. Mit den üblichen Einschlägen entwickelte sie sich in den seither vergangenen knapp 30 Jahren prächtig. Was man von der EU wirklich nicht sagen kann. Bei allen Befürwortern, Euro-Turbos bis sich selber als Pragmatiker sehenden Politikern und Medienschaffenden: und jetzt?

Ein weiteres Armutszeugnis für die Medien; mit wenigen Ausnahmen. Sie beschränkten sich wieder darauf, im Wesentlichen grosse und kleine Teufel an die Wand zu malen, sollte diese Vereinbarung nicht zustande kommen.

Reflexe statt reflektieren

Der Reflex ist weiterhin überstark: Wenn die SVP dagegen ist, muss man dafür sein. Wenn Christoph Blocher dagegen ist, muss man dafür sein. Wofür? Ist doch egal.

Nun wäre nach dem Katzenjammer eigentlich angebracht, sich Gedanken zu machen, wie das nun weitergehen könnte. Denn, Wunder über Wunder, die Welt ist nicht stehengeblieben, als der Bundesrat das Ende des Gemurkses verkündete.

Aber wenn man nicht mit routiniertem Griff copy/paste machen kann, die ewig gleichen Gedanken nochmal durchschütteln und wieder in Spalten giessen – dann herrscht erst mal gähnende Leere. Ein schwarzes Loch, in das Millionensubventionen geschüttet werden.

Es darf gelacht werden: diesmal über Interviews

Ein schriftlich geführtes Gefälligkeits-Interview ist die Hölle.

Wir betreten den ersten Kreis der Hölle, wie übrigens auch ein Roman von Alexander Solschenizyn heisst (Nora Zukker, aufgepasst, sollte man gelesen haben).

Aber während es da um sowjetische Gulags ging, geht es hier um die Hölle des «Blick»-Newsrooms. Das einzige Organ mit eingebautem Regenrohr hat mal wieder einen neuen Chef gekriegt. Zu den übrigen Häuptlingen (und immer weniger Indianern) gesellt sich Sandro Inguscio als neuer Chäf von blick.ch und Blick TV.

Interessiert zwar nicht wirklich, aber die Gelegenheit für ein schriftlich geführtes Interview. Schriftlich geführte Interviews sind gar keine, weil hier schon von Anfang an alles Spontane, alles, was eben den Unterschied zwischen Dialog und Geschriebenem ausmacht, wegradiert ist. Nun könnte man einwenden, dass das ja auch häufig während des Autorisierens geschieht. Schon, aber da kann sich eine Redaktion, so sie noch etwas Ehre im Leib hat, dagegen wehren oder auf die Publikation verzichten.

Aber schauen wir mal, mit welchen Antworten Inguscio die kritischen Fragen von persoenlich.com pariert hat. Nein, das war ein Scherz mit den kritischen Fragen.

  • «Ich freue mich wahnsinnig auf die Aufgabe und habe gleichzeitig grössten Respekt davor.»
  • «Es würde den grossartigen Teams nicht gerecht werden, wenn ich bereits vor meinem Start Änderungen ankündigen würde.»
  • «Jetzt gilt es, die Synergien noch besser zu nutzen.»
  • «Ich werde diese beiden digitalen Vektoren näher zusammenführen.»
  • «Als Teenager hatte ich mir zum Ziel gesetzt, eines Tages für den Blick arbeiten zu dürfen.»

Mit Wumms im «Blick»: Sandro Inguscio.

Immer mehr Leser winseln um Gnade? Also gut, lassen wir es bei diesen inhaltsschweren Brocken bewenden, die Inguscio über den Lesern abwirft. Wobei man den Verdacht nicht loswird, dass er einfach die Antworten anderer Antrittsinterviews aus dem Stehsatz geholt hat, kurz abgestaubt, leicht geschüttelt und gemixt, dann eiskalt serviert hat.

Resultat: wunderbar angemalte Luft. Vielleicht fürs nächste Mal; ein Aspekt fehlt: die Frauenförderung, der Einsatz für Inklusion, der Kampf gegen Rassismus, gerade auch in der Schweiz. Das Bekenntnis zur humanitären Tradition, zur Neutralität und zur EU. Aber das wird schon.

Wir kommen unten an: bei Simone Meier

Simone Meier, ja, die One and Only, hat auch ein Interview gemacht. Nämlich mit Xavier Naidoo. Der ehemalige Sänger der «Söhne Mannheims» entwickelt durchaus etwas schräge Ansichten über Gott, die Welt und das Virus. Dazu hat er zwei neue Songs veröffentlicht. Dem geht nun Meier nach und kommt nach vielen, vielen Buchstaben zum Schluss:

«Am Ende ist es ganz einfach: Der Körper, der sich niemals impfen lassen will, und die Heimat, in deren Boot kein Platz mehr ist, verschmelzen bei Naidoo und seinen Geschwistern auf beängstigende Weise zu einem Brandbeschleuniger. In Form eines aggressiven, abwehrbereiten und in allem selbstgerechten Volkskörpers.»

Wir versuchen, der Kulturjournalistin des Jahres zu folgen. Ein ungeimpfter Körper, eine Heimat als Boot ohne Platz verschmelzen zu einem Brandbeschleuniger. Der wiederum hat die Form eines Volkskörpers.

Ohne Durchblick: Simone Meier.

Wahnsinn, welche Bilderfülle, wie Meier es auf so engem Platz schafft, so ziemlich jedes verwendete Wort mit einem anderen kollidieren zu lassen. Wir sehen hier einer Massenkarambolage nichtssagender Gedankentrümmer zu. Einem sprachlichen Schrotthaufen, einem Versuch, Unsinn so zu schreddern, dass er den Verstand verliert.

Und hat Meier Naidoo echt interviewt? Natürlich nicht, da hat ZACKBUM gelogen. Wir beschäftigen uns hier schliesslich mit «watson», da muss man sich anpassen.

Jetzt noch der Aufschwung ins Gehirn

Wollen wir die Reihe mit einem richtig hochstehenden Interview abschliessen? Also gut, da nehmen wir doch Barbara Reye vom «Tages-Anzeiger» interviewt den «Neuropsychologen Lutz Jäncke» von der Uni Zürich. Der hat nämlich herausgefunden: «Viele Leute hängen wie Junkies an ihren Smartphones».

Will nur spielen: Lutz Jäncke.

Es wird gemunkelt, dass Jäncke für diese bahnbrechende Forschung auf der Shortlist für den nächsten Nobelpreis für Psychologen steht. Oh, den gibt es nicht? Na, dann wird es aber höchste Zeit.

Jäncke lässt es aber nicht nur bei dieser erschütternden Diagnose bewenden, er bietet auch Lösungen für dieses neue Problem: «Wir müssen unsere Selbstdisziplin trainieren und wieder lernen, uns nicht ständig ablenken zu lassen.» So paraphrasiert Reye den Wissenschaftler.

Den muss aber der Verdacht beschlichen haben, dass er vielleicht einen Tick zu wenig wissenschaftlich rüberkommt, wenn er schlichtweg eine Banalität rezykelt. Also gibt er mal kurz Gas auf die Frage, was sich eigentlich so alles im Hirn abspiele:

«Durch die emotionalen Impulse wird erst einmal das «Reptiliengehirn» aktiviert. Zu diesen evolutionär alten Hirnstrukturen des limbischen Systems gehört auch der Nucleus accumbens als Zentrum für Lust und Freude oder die Amygdala für negative Gefühle wie Angst und Wut. Anschliessend werden die Informationen gemäss dem Bottom-up-Prinzip nach oben etwa an das stammesgeschichtlich neu entstandene Stirnhirn, den Frontalkortex, geleitet.»

 

Die Amygdala  ist allerdings, soweit man das überhaupt mit Sicherheit sagen kann, auch für Lust und Freude zuständig, aber das würde wohl wissenschaftlich zu weit führen.

Wir wollen unsere Leser mit einer weiteren bahnbrechenden Erkenntnis des Wissenschaftlers verabschieden, die ihm Reye entlockte:

«Man sollte beim Lesen nicht in oberflächliches und schnelles Konsumieren verfallen. Denn das ist die Geissel der modernen Welt.»

Merken Sie sich das; hier bei ZACKBUM wird nicht oberflächlich und schnell konsumiert, okay?

Ex-Press XXXIX

Blasen aus dem Mediensumpf.

Zugegeben, das Pfingswochenende war – publizistisch gesehen – ein rechter Reinfall. Zu weltbewegenden Ereignissen gehörte bereits ein Stau vor dem Gotthard. Das sagt wohl alles, mit welcher Qual die Journaille sich Themen aus dem Nichts backen musste.

Besonders hart erwischt hat des diesmal den «Blick»:

Die medizinische Fachzeitschrift versucht verzweifelt, aus diesem Thema noch die letzten Serumstropfen rauszulutschen.

Das hingegen ist nicht nur ein Primeur, sondern trifft voll ins Schwarze; bzw. Braune, bzw. Gefleckte. So können und wollen wir uns die Schweiz nicht vorstellen. Ohne vierbeinige – und auch zweibeinige – Kühe, das geht einfach nicht. Wie soll es da noch Schweizer Milchschokolade geben? Wer kaut Alpwiesen nieder? Wie soll man Eidgenossen dann weiter als Kuhschweizer beschimpfen können? Da würde ein Stück Identität wegbrechen.

Vielleicht waren wir doch etwas vorschnell mit dem Urteil, dass der «Blick» nicht unbedingt für Intellektuelle gemacht werde. Denn:

«Ein materiell bestens ausgestattetes Milieu versucht, seine Meinungsherrschaft zu zementieren und die einfachen Menschen maternalistisch-paternalistisch mit sozialen Wohltaten zu sedieren, auf dass man beim Lenken nicht gestört werde durch gemeines Volk.»

Öhm. Dunkel bleibt der Sinn von dem, was die zementierte Meinungsherrschaft bei Ringier, nämlich Frank A. Meyer, nebenbei auch materiell bestens ausgestattet, dem gemeinen Volk hier sagen will. Zumindest eines ist klar: Ringiers Hausgespenst käme nie auf die Idee, mit sozialen Wohltaten zu sedieren. Es arbeitet eher mit sedierenden Wortkaskaden.

Oder ist das ein erster Ausdruck einer neuen Linie, die die «NZZ am Sonntag» so beschreibt: «Der «Blick» wird sensibel. Die Chefredaktion setzt auf Journalismus mit weniger Crime.» Echt jetzt, die einzige Boulevardzeitung der Welt mit eingebautem Regenrohr will auf ihre alten Tage endgültig Abstand nehmen vom alten Erfolgsrezept: «Blut, Busen, Büsi?»

Solchen Themen widmet sich immer häufiger und lieber hingegen die NZZ. Immerhin macht sie dem «Blick» vor, wie man schon im Titel eines Artikels eigentlich alles Wesentliche sagen kann:

«Hat eine junge Klimaaktivistin versucht, einen Zürcher Stadtpolizisten zu beissen? Weshalb noch kein Urteil gefällt wird»

Allerdings steht doch zu befürchten, dass den niveaumässig höhergelegte Leser der NZZ weder das eine noch das andere interessiert.

Was wäre eine Ausgabe von Ex-Press ohne den Lachschlager eines Zitats des «Republik»- Chefredaktors Christof Moser? Richtig, so langweilig wie die «Republik» wäre es:

«Wir sind nicht am Ziel, jetzt steht gerade das Fundament. Und nicht Behäbigkeit ist die Gefahr, sondern Erschöpfung. Eine der häufigsten Todes­ursachen für junge Unternehmen ist der Kollaps im dritten, vierten Jahr, wenn die Mitarbeiterinnen wieder ein Privat­leben haben wollen.»

Wirklich wahr jetzt; Erschöpfung, man musste bislang auf ein Privatleben verzichten? Um mit 50 Nasen und 6 Mio. Budget schlappe 18 Artikel pro Woche rauszuhauen? Wobei das nicht nur für exorbitante interne Löhne, sondern auch für den Zukauf vieler Artikel verwendet wird, damit keine Burn-outs entstehen?

Damit hat’s Moser natürlich wieder provoziert, wir lassen die Luft aus seinen Wortblasen. Vom 21. bis 24. Mai hat das Organ in diesen vier Tagen seine Verlegerschaft und seine Millionenspender mit 13 Schriftwerken erfreut. Es bitzeli mehr als 3 am Tag, hörte sich doch gut an. Aber nur, wenn man die Sache so oberflächlich betrachtet wie diese Zeitschrift alles. Denn:

Darunter ist eine Bildbetrachtung, auf die ein Primarschüler stolz sein könnte. Dann gibt es einen Kommentar der schreibenden Schmachtlocke, und das kann ja nicht ernsthaft zu Journalismus zählen. Zudem 2 Nachrichtenbriefings und 3 Inhaltsangaben, die mehr oder weniger langfädig dem Leser auch mal auf 15’000 Anschlägen erklären, was er nun zu lesen bekommt. Plus einen Leseraufruf (das hat man «watson» abgeguckt): Wie viele Punkte geben Sie dem Eurovision Song Contest?

Also bleiben von den 13 Stück, Moment, kurz rechnen, 6 Artikel in 4 Tagen. Aber immerhin, das ist erstens mehr als einer pro Tag. Zweitens ist es bei dieser übermenschlichen Leistung von 50 auf jedes Privateben verzichtenden Mitarbeitern eher unwahrscheinlich, dass jemand an Erschöpfung sterben könnte. Allerdings sieht das bei der Leserschaft vielleicht anders aus.

Aber, nachdem sich der «Tages-Anzeiger» vorgenommen hat, auf allen Hierarchiestufen eine Frauenquote von 40 Prozent einzuführen, es ist verständlich, dass die kritischen Artikel (ausser natürlich die reflexhaft in der Gesinnungsblase geblubberten) rar werden. Dafür soll eine Datenanalyse gezeigt haben, dass seit dieser Ansage der Suchbegriff «Geschlechtsumwandlung» deutlich häufiger gegoogelt wurde. Dafür hat aber der Konsum von Pornoseiten deutlich nachgelassen.

Aber es werden doch immer mal wieder Zeichen gesetzt, Fanale, Forderungen aufgestellt, böse die Stirne gerunzelt:

«Es kann nicht sein, dass Urs Rohner über 40 Millionen Franken bekommen hat und am Ende die Credit Suisse in einem solch desolaten Zustand hinterlässt, ohne dass dies Konsequenzen für ihn hätte»,

sagt Christoph Gloor, Bankier und ehemaliger Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken, dem «Tages-Anzeiger». Leider muss man erwidern: doch.

Watsinn!

Wir wollten nicht. Aber wir müssen. Hier ist nichts Fake, alles erschütternd echt; in dieser Reihenfolge aufgefunden.

Was das Artikelbild soll? Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Aber daher ist’s zur Einstimmung bestens geeignet.

Das glaubt keiner, aber das sind nun Auszüge aus einem Organ mit bald einmal staatlichen Subventionen. Dieser Blödelhaufen kriegt auch Unterstützung durch einen Verein, der das Geld einer Milliardärin verschleudert. Und weil das mit «bajour» alleine nicht möglich ist …

Aber lassen wir nackte, eigentlich reine, weil so ungehemmte Beknacktheit sprechen. Wir bitten zuvor das Publikum, sich nicht zu fest und fassungslos auf die Stirn zu schlagen. Da muss man jetzt einfach durch:

Alkohol kann eine Lösung sein, wissen wir seit dem Oscar-Gewinner «Drunk». Aber hier hilft nicht mal ein Vollrausch samt Ausnüchterungszelle.

Wir dachten schon, der Tauchgang sei grundlos. Sozusagen nach dem Grund suchend, gründelnd. Aber ein von t-online, dem Portal der tiefen Denke und der massgeblichen Wirtschaftsberichterstattung, kopierter Flach- und Plattmacher verzapft hier, was Anleger garantiert nicht wissen müssen.

Es wurde kurz ernst, aber hier wird mit Sauglattismus ein Scherz auf den Bildschirm geprügelt, damit fremdschämen mal wieder Sinn macht.

Hier hingegen fragt man sich, ob das schlichtweg verboten blöd, absolut gaga oder eben ein Beitrag zu Dada ist.

Damit wollten wir eigentlich schliessen, aber dann kam noch das hier:

Wer danach noch glaubt, dass der durchschnittliche IQ der «watson»-Macher liege über 100, der muss selbst zum Arzt.

Das Alien komme über Obrist

HR Giger ist tot. Das ist in dem Sinn gut für ihn, dass er das «Magazin» nicht mehr lesen muss.

Manchmal tun auch kürzere Texte länger weh. Die «Republik» braucht immerhin mindestens 15’000, eher 25’000 Anschläge, damit sich beim Leser das Gefühl einstellt, in ein nasses Handtuch zu beissen.

Hans Ulrich Obrist reichen schon 2662 Buchstaben, damit es einem den übrigen Tag übel ist. Dabei soll er doch einer der einflussreichsten Kuratoren im Kunstbereich sein. Aber, Hand aufs Herz, würden Sie diesem Mann dieses Buch abkaufen?

Endlich. Die Fortsetzung von «A Brief History of Curating».

Wer noch mehr will: Obrist hat auch noch «Kuratieren!» im Angebot, für Deutschsprecher. Oder wie wäre es mit «Everything you always wanted to know about curating»? Gerüchte besagen, dass Obrist an «Curating, the Beginnings», «Curator returns», «Curator, Reloaded» und an «Curator, the Making of» arbeitet. Patrick Frey plane bereits eine hochwertige und hochpreisige Gesamtausgabe.

Vielleicht hat Obrist nur sein sonst viel höheres Niveau für Tamedia niedriger gelegt.

Beim «Horror-Giger» ist Etikettenschwindel. Es ist beim «Horror-Obrist».

Schon hier stimmt mal genau nichts. Man kann HR Giger als vieles bezeichnen, aber ganz sicher nicht als den «Salvador Dalí der Schweiz». Das ist ungefähr so bescheuert, wie wenn man Greta Thunberg als «Heidi des Nordens» verkaufen möchte. Aber eigentlich geht es – ein Schuss ins eigene Knie für jeden Kurator – Obrist nicht um den genialen Künstler – sondern um sich selbst. «Wenige Monate vor seinem Tod habe ich ihn gemeinsam mit Patrick Frey besucht und ein Interview mit Giger aufgezeichnet.»

Das könnte Giger den Rest gegeben haben. Aber nun ist Obrist voll in Fahrt, Versuche, Gigers Kunst zu erklären, seine Motive, sein Ringen, sein Abgründe? I wo, da gibt es wichtigere Befindlichkeiten: «Es war mein zweiter Besuch bei ihm, nachdem der erste, dreissig Jahre zuvor, für mich ein wenig panisch verlaufen war.»

Wieso über Giger schreiben? Obrist ist doch viel beängstigender

Das ist ja spannender als der erste, unerreichte Alien-Film. Als damals der Taxifahrer dann noch sagte, dass man sich nun der Gegend nähere, wo «der Horror-Giger» wohne, da gesteht der Bauchnabelbetrachter Obrist, «dass ich plötzlich Angst bekam». Leider hatte die Giger nicht vor ihm und öffnete seine Türe.

Nun ist es Zeit für Obrist, Weltläufigkeit sprühen zu lassen: «In Tokio ist Giger eine Bar gewidmet.» Nicht nur das:

«In Geschäften und Arztpraxen begegnen einem Gigers Werke als Poster in schöner Regelmässigkeit.»

Ist ja aber auch. Da muss man schon das Auge des wichtigen Kunstvermittlers haben, um das zu beobachten. Dass es in Chur eine von Giger eingerichtete Bar gibt, in Gruyière nicht nur Käse, sondern auch ein Giger-Museum, das wäre sicherlich zu banal, um es zu erwähnen.

Dafür aber das schweineteure Buch «Alien Tagebücher», das aufgebrezelt in der «Edition Patrick Frey» erschienen ist. Kostet schlappe 111 Franken und bietet dafür so viel Hintergrund zum ersten Alien-Film, den man gar nicht so genau wissen möchte. Da gibt es viel bessere – und viel billigere – Einführungen in Gigers Werk und Welten.

Giger, der Künstler, seine Motive, seine vielen verschiedenen Welten?

Abgesehen davon, lieber Kunstüberflieger mit Bruchlandung, HR Giger war nun überhaupt nicht nur Alien, nicht nur Monstermaler. Er war vieles mehr, was eine ernsthafte Beschäftigung mit ihm verdient hätte. Nur schon aus Respekt. Vielleicht sollte Obrist das nächste Mal nicht einen toten Künstler missbrauchen, um über sich selbst zu schreiben.

Zudem noch mit fantasievoller Ausschmückung: «Sein Angebot, den Garten zu besichtigen, nahm ich dankbar an, doch weil er dort eine Art Geisterbahn installiert hatte, kam ich klopfenden Herzens schnell wieder zurück.» Das Züglein im Garten eine Geisterbahn? Das ist nicht künstlerische Freiheit, das ist schlicht Fake News.

 

 

 

 

 

 

Kleine Ehre für ZACKBUM

Es gibt ja noch ein anderes Medienmagazin. Der/die/das/divers «Schweizer Journalist:in».

Eigentlich wollten wir über ein Organ, das von Eugendorf (Österreich) aus über die Schweizer Medienszene berichtet, nichts mehr sagen. Auch nichts über die beiden neuen Spar-Chefredaktorinnen, das wäre uns sicher wieder als frauenfeindlich ausgelegt worden.

Schon alleine Cover und Rückseite passen für einmal zusammen. Vorne «Neustart radikal», also Rakete gezündet und ab nach unten, hinten «Haltung zeigen, watson lesen», also mit einem Strich im Gesicht zeigen, dass man furzdoof ist.

Der schwache Mann gesteht’s, einer Provokation hätte er noch widerstehen können. Aber zwei, drei, viele? Das ist zu viel. Die erste: die «Diversity-Expertin Esther-Mirjam de Boer» hat eine originelle Idee.

Wir geben sie in den Worten des Qualitätsjournalisten Jeremias Schulthess wider:

«De Boer glaubt, dass in diesen Situationen eine «kulturelle Sanierung» nötig sei. Die Quellen des Gifts müssten erkannt und sanktioniert werden. Das heisst zum Beispiel: Führungskräfte, die seit Jahren Unfrieden schüren, Ungleichheiten pflegen und Neuerungen blockieren, müssen das Unternehmen verlassen. Erst dann seien echte Veränderungen möglich.»

Das ist eine interessante Auffassung. Quellen des Gifts samt Sanierung, das nannte man im Kommunismus die Säuberung von Konterrevolutionären, im Faschismus die Ausmerzung von jüdischen Verunreinigungen im arischen Volkskörper.

Toxische Mischung im «Schweizer Journalist»

Im «Schweizer Journalist» hingegen, wir halten gerne an einer deutschen und verständlichen Bezeichnung fest, entsteht nun aber eine toxische Mischung, wenn der «Fairmedia»-Geschäftsführer und journalistische Bruchpilot Schulthess zusammen mit de Boer Schweinejournalismus vorführt.

Der Geschäftsführer dieser Gurkentruppe Schulthess ist unseren Lesern einschlägig bekannt; aber wer ist de Boer? Sie sei eine «Diversity-Expertin», ein Titel, der so wenig geschützt und nichtssagend ist wie Kuchen-Expertin. Sie gründete und leitet das «Beratungsunternehmen UR Management» über das wenig in Erfahrung zu bringen ist, da es sich nicht mal eine Webseite leistet. Ganz anders die «GetDiversity GmbH». Hier surft de Boer auf der Genderwelle und vermittelt Verwältungsrätinnen. Damit nicht ausgelastet, führt de Boer auch noch eine eigene Webseite, auf der sie sich anpreist und gleich eine ganze Latte von «mögliche Arten der Zusammenarbeit mit Esther-Mirjam de Boer» aufzählt.

Also halt eine Vermittlerin und Selbstvermarkterin mit USP Diversity. Ist nichts Schlimmes, ist aber auch keinerlei Qualifikation, um die Entsorgung von angeblich «toxischen Personen» zu empfehlen. Was steht sonst noch in der Coverstory? Nicht Nennenswertes; ausser, dass der Autor angeblich mit «17 Journalisten und Branchenkennern» gesprochen habe. Verflixt auch eins, alle natürlich nur anonym zitierbar. Eben, Schweinejournalismus à la «Republik».

Wahre Diversity strahlt auch der übrige Heftinhalt aus. Ein grosses Interview mit Anja Reschke. Anja who? Also bitte, die Chefin «Dokumentation und Kultur» beim NDR (der nördliche Ableger der ARD) und Moderatorin von «Panorama». Damit sei sie «zum Gesicht von Haltung und Moral» geworden, schmachtet die neue Hälfte der Chefreaktion des SJ.

Dummerweise einen Riesenfälschungsskandal an der Backe

Dummerweise hat Reschke gerade ihren eigenen Relotius-Skandal im Haus. Der vom NDR finanzierte «Dokumentarfilm Lovemobil» über Prostitution stellte sich als Fake heraus. Prostituierte waren Schauspielerinnen, ein besonders schlimmer Zuhälter in Wirklichkeit Hausmeister. Peinlich. Rückgabe von Preisen, Löschung des Films aus den Archiven. Kritikfähigkeit beim «Gesicht» Reschke? Null. Wenn nun alle so schlau sein wollten und fänden, man hätte das sehen müssen, typische Besserwisser im Nachhinein.

Eine Nachfrage beim «Zuhälter» eines Alternativmediums genügte, um den als harmlosen Hausmeister zu enttarnen? «Ich möchte jetzt nicht allen Autoren mit Misstrauen begegnen.»

Das erstaunte Gesicht von Haltung und Moral …

Sonst noch was? Ach ja, ein Streichel-Interview mit der sich schon kräftig lächerlich gemacht habenden Leiterin der «Tamedia-Literaturredaktion».

Also Gesinnungs- und Haltungsjournalismus der übelsten (und schlechtesten) Sorte, allen gegenteiligen Beteuerungen der neuen Chefredaktorinnen zum Trotz. Das reisst dann ein launiger Bericht über ZACKBUM auch nicht raus. «Nur noch einer zerreisst sich das Maul», ist er betitelt. Man könnte hier schon den Verdacht haben: es geht ausnahmsweise um einen Mann. Stimmt. Die Autorin hatte – Überraschung – eine These, die sie sich auch durch noch so langes und gutes Zureden nicht austreiben liess.

 

Das Therapieorgan für Männer mit Frauenproblemen

ZACKBUM scheine «nur noch einen Zweck» zu haben: «Frauen zu beleidigen. Ob Zeyer hier ein tiefer liegendes Problem hat?» Als Beleg dafür führt die Autorin die leicht obsessive Verfolgung von Patrizia Laeri auf ZACKBUM an. Dummerweise ist dafür aber einer der beiden abgesprungenen Autoren verantwortlich, nicht Zeyer. Aber der sei in Schlagzeilen wie dieser «ausgeartet»: «Manche Frauen haben nicht nur beim Parkieren Mühe». Mea culpa, Ironie ist nie eine gute Idee.

Selbst auf die Gefahr hin, hier ein tiefergelegtes Problem mit Frauen zu outen: Ich glaube nicht, dass sich insgesamt 826 Artikel, davon 468 von Zeyer, so korrekt zusammenfassen lassen. Zumal ich im Gespräch mit der Autorin auch eine ganze Reihe von männlichen Journalisten namentlich nannte, die nicht gerade in Feierlaune geraten, wenn sie sich an Artikel über sie auf ZACKBUM erinnern.

Dazu Primeurs, Recherchen, immer und ausschliesslich faktenbasierte Kritiken, ein wohltuender Unterschied zu belegfreien Behauptungen wie: «ZACKBUM hat sich auf die Fahne geschrieben, alles in der Medienbranche durchzuhecheln, was nicht so tickt wie seine Autoren.» Was nun, mit Verlaub, reiner Schwachsinn und mit vielen Lobesartikeln oder Nachrufen widerlegt werden könnte. Sagen wir mal so: eine solche dünne Suppe, voreingenommen und verzweifelt bemüht, eine These durchzukämpfen, hätte Bettina Zanni bei «20 Minuten» niemals ins Blatt schütten dürfen.

Aber macht nix, man kann ja noch dazulernen. Beim SJ scheint das allerdings hoffnungslos zu sein. Deshalb haben wir eine gute Nachricht ganz am Schluss: Es ist selbst aus Berichterstatterpflicht nicht mehr einsichtig, wieso wir auf zukünftige Ausgaben, wenn es die denn geben wird, eingegangen werden sollte. Das Leben ist dafür zu kurz, und es gibt genügend Dinge und Lesestoff, die entschieden mehr Spass machen.

Lausig gelayoutet, mit Verlaub.

Frauen, aufgepasst: Lebensgefahr!

Neben den Redaktionen von Tamedia, dunklen Nebenstrassen und selbst in der eigenen Wohnung gibt es eine neuentdeckte Gefahrenquelle.

Zungenverknotung beim richtigen Aussprechen des Wortes Opfer*In**? Nein, das Thema ist ernst, die Gefahr gross, bislang noch nicht richtig im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen.

Aber, wer sonst, Tamedia benennt Ross und Reiter. Nun gut, vielleicht nicht das richtig passende Bild. Aber nachdem der interne, nach aussen getragene Protest offenbar verröchelt ist – sagt da jemand wankelmütige Frauen? –, kann man sich mit frischer Energie anderen potenziell tödlichen Formen des patriachalischen Sexismus widmen. Denn der tobt nicht nur im gläsernen Hauptquartier von Tamedia an der Werdstrasse.

Es gibt eine noch viel allgemeinere Form; bedauerlich, dass Tamedia dafür den Input einer Journalistin der «Süddeutschen Zeitung» braucht; wie konnte das den über 100 Frauen entgehen, die das Protestschreiben unterzeichneten – statt vielleicht mal ihrer Arbeit nachzugehen?

Lebensgefahr, titelt Tamedia, «Autos oder Klimaanlagen werden immer noch für Männer gebaut», weiss SZ-Journalistin Laura Weissmüller. Genauer gesagt, sie weiss es nicht, hat’s aber gelesen. Denn eine gewisse

«Rebekka Endler ist wütend. Sehr, sehr wütend. Kaum eine Seite in ihrem Buch kommt ohne Ausrufezeichen aus, gerne auch in der Variante eines Interrobangs, der Mischung zwischen Ausrufe- und Fragezeichen. Sie schreibt in Versalien, um ihren Erregungszustand zu verdeutlichen».

Ja was bringt die arme Frau denn so in Wallungen? Hormonelle Unausgeglichenheit? Aber nein: «Weil der Mann, schreibt sie, genauer der weisse Cis-Mann, das Mass aller Dinge sei: «Männlich ist die Norm, weiblich die Abweichung von der Norm.»»

Wir stellen vor: das Interrobang. Wird sich auch nicht durchsetzen.

Was kann man da tun, ausser richtig wütend werden? Auch da weiss Endler Abhilfe: «Wenn die Nasenscheidewand so schief ist, dass der Mensch nicht mehr atmen kann, muss die Nase erst gebrochen werden, bevor es besser wird.» Da sage ich doch als Mann mit gerader Nasenscheidewand: au weia. Wenn das ein Mann als Metapher bei einem Frauenthema verwenden würde… Mit etwas Pech müsste er sich um eine gebrochene Nase keine Gedanken mehr machen.

Männliche Dummys ignorieren die Hälfte der Menschheit

Denn die Auswirkungen, dass Auto-Dummys lange Jahre nur in männlich zu haben waren, sind leider nur in toten Frauen zu messen. Wussten sie: «Wenn eine Frau unter 50 einen Herzinfarkt erleidet, ist ihre Sterbewahrscheinlichkeit doppelt so hoch wie für einen Mann aus der gleichen Altersgruppe.» Warum denn das? «Weil bei ihr die Symptome anders seien», was aber häufig nicht richtig diagnostiziert werde.

Autofahren, Herzinfarkt haben, überhaupt die Medizin. Aber es ist natürlich noch schlimmer: «In den Städten fehlt es an Sitzgelegenheiten zum Ausruhen genauso wie an öffentlichen Toiletten – gerade für all diejenigen, die kein Pissoir benutzen können.» Sind denn Frauen wenigstens am Arbeitsplatz einigermassen geschützt, also ausserhalb von Tamedia? Ein klares Nein, denn so weiss frau,

«auch Raumtemperatur ist sexistisch».

Dabei ist sie doch gendermässig eindeutig weiblich. Aber in den USA sei die Standardbürotemperatur 21 Grad. Frauen haben’s aber, weiss man, lieber kuschelig wärmer. Bei 21 Grad gilt: «Kreative Arbeit, lernen, sprechen, alle intellektuellen Fähigkeiten sind quasi auf Eis gelegt, wenn Menschen frieren.» Wenn Frauen frieren.

Das ist nun wahrhaft diabolisch; was ergeben eigentlich Temperaturmessungen bei Tamedia? Etwa auch 21 Grad? Gut, das wäre eine Erklärung  für die auf Eis gelegten intellektuellen Fähigkeiten. Sind damit die Abgründe der zutiefst menschenverachtenden männlichen Perspektive im Design, in der Herstellung von Gebrauchsgegenständen, schon ausgeleuchtet? Fast. Denn nach schlimm kommt immer schlimmer.

 

«Es ist die klar feministische Perspektive auf das Design und all seine Verästelungen, die diese eklatante Fehlstellung, den blinden Fleck auf dem Skizzenblock der Gestalter zutage fördert. Wobei ja nicht nur Frauen ausser Acht gelassen werden, wenn nur ein gesunder, mittelalter weisser Mann als Ausgangspunkt für den Entwurf genommen wird. Alte und Kranke fallen nicht darunter, Menschen mit anderer Hautfarbe und Transgender auch nicht.»

Design nur für den mittelalten gesunden Mann

Genau. Meinen die männlichen Designer eigentlich, mit einer Schere für Linkshänder sei es getan? Wo bleibt der Schlagbohrer für einarmige uralte Transgender? Das Springseil für Rollstuhlfahrer? Trainingseinrichtungen für Bettlägerige?  Farbfernseher für Blinde? Autos, wo der Schminkspiegel nur hinter der linken Sonnenblende steckt? Tastaturen mit allen weiblichen Sonderzeichen?

Das fordere ich vehement. Als gesunder, mittelalter weisser Mann, der sich dafür schämt, so privilegiert zu sein. Ich bin gerade meine Gallenblase losgeworden, gilt das wenigstens als mildernder Umstand? Oder hätte ich mich beschweren müssen, dass es sicherlich keine Operationswerkzeuge speziell für Frauen gibt. Und der Chirurg war auch ein Mann. Die Krankenschwester hingegen entweder weiblich oder mindestens Transgender. Aber als Mann war ich wenigstens nicht in Lebensgefahr.

 

NZZaS Magazin: kleines Zwischenhoch

ZACKBUM kann auch nichts dafür, wenn neben dem Kulturbund auch das Magazin gelobt werden will und muss.

Das bedeutet nicht, dass wir diverse Rubriken nicht weiterhin schmerzvoll vermissen. «Stammesrituale», «Beziehungsverhalten» oder «Perfekt», das war eine neue feuilletonistische Lockerheit, wie sie nur die NZZ kann.

Wie sie dann nur die NZZ konnte, als sie in den letzten Sommerferien das Magazin schmerzlich einschrumpfte. Zusammenhakte. Auf Unter-Normal absenkte. Tieferlegte. Schrecklich. Christoph Zürcher beweist weiterhin seine Existenzberechtigung im «Kanon». Aber sonst? «Selbstbetrachtungen», von Zuza Speckert ausgewählte Personen, deren Bedeutung, Wichtigkeit ihrer Ansichten – ohne ihnen zu nahe treten zu wollen – nicht erkennbar ist.

Oder möchte jemand ernsthaft wissen, dass eine Sommelière für sich alleine lieber Tee als Wein trinkt und eine Reise durch die Wildnis für sie wichtig war? Auch alle anderen überlebenden oder neuen Gefässe zeichnen sich durch eine gepflegte Beliebigkeit aus, eine Glätte wie das Hochglanzpapier, auf das sie gedruckt werden. Stilberatung ist ja gut und schön, aber brauchen wir das zu Fragen wie der, ob man als Besitzer eines E-Bikes bergauf keuchende Velofahrer beim Überholen grüssen soll oder nicht?

Hier kommt das Lob

Gut, aber wo bleibt das Lob? «Trinken kann eine Lösung sein», wussten wir das nicht alle, so insgeheim? Nun gibt es sogar einen Film darüber, den Oscar-Gewinner «Drunk» aus Dänemark. Mit dem einzigen Superstar des Landes, dem eigentlich immer grossartigen Mads Mikkelsen in der Hauptrolle. Aber das ist ein Zitat aus dem Interview mit dem Regisseur des Films. Und das ist eine seltene Sternstunde, in der sowohl die Fragen wie die Antworten interessant, intelligent, spannend sind.

Auch das ein seltener Lichtblick im Vergleich zu der Dutzendware «Was fühlten Sie in dem Moment, als Sie den Oscar bekamen?» Das fängt schon mit der ersten Frage an, über die Bedeutung eines Kierkegaard-Zitats (Nora Zuckker, nur googlen, wobei: vergessen Sie’s, zu schwierig), das dem Film vorangestellt ist:

«Was ist Jugend? Ein Traum. Was ist Liebe? Der Inhalt des Traums.»

Als Regisseur Thomas Vinterberg darauf die intelligente Erklärung liefert, die ihm seine Frau geschenkt habe, muss man einfach weiterlesen. Dass der Interviewer dann locker mit weiteren Zitaten des bedeutendsten dänischen Philosophen fortfährt, auch nicht schlecht. Zum Beispiel noch der hier: «Zu wagen bedeutet, für einen Moment den Halt zu verlieren. Nicht zu wagen bedeutet, sich selbst zu verlieren.»

Søren Kierkegaard (1813 – 1855).

Also vier grossartige Seiten, die durchaus noch hätten weitergehen können. Aber sie werden leider durch zehn Seiten abgebrochen, die sich der Frage widmen, wer denn die nächste Präsidentin der Zürcher Kunstgesellschaft werden soll. Genau, es gibt eine Kandidatin und einen Kandidaten. Wobei Mark van Huisseling, sonst eher im mittleren bis unteren Society-Bereich unterwegs – sozusagen die männliche Ausgabe von Zuza Speckert –, keinen Zweifel daran lässt, wen er für «die erste Wahl» hält. Da das auch zufällig die erste Wahl von Walter Kielholz ist, dem langsam abtretenden grossen Mischler – und immer wieder durch Fehlgriffe auffallenden letzten Tycoon – des Zürcher Daigs, wird das van Huisselings Schaden nicht sein.

Wer sich in die Sonnenstrahlen von Kielholz legen kann …

Himmels willen, nicht pekuniär. Aber die Sonne von Kielholz scheint immer noch so hell, dass es einem in seinen Strahlen nie ganz schlecht geht. Nun ist es fotografisch herausfordernd, den noch leeren Neu- und Anbau des Zürcher Kunsthauses zu bespielen. Das ist aber nichts dagegen, einen leeren Text über das Offensichtliche abzuliefern, dass Anne Keller in jeder Beziehung die Wahl des Establishments ist, stinkreich und durchaus auch kompetent.

Es aber einen Frechdachs gibt, viel jünger, nicht die Wahl des Establishments, der ebenfalls antritt. «Florian who?», wie van Huisseling in aller gebotenen Neutralität schreibt. Florian Schmidt-Gabain, 39, Anwalt aus Lengnau im Kanton Bern, spezialisiert auf Kunstrecht, Lehrbeauftragter an den Unis Basel und Zürich, Präsident und Gründer des «Zentrum für Künstlerische Nachlässe (ZKN)».

Wie soll man nun «Florian who?» einordnen? Da hilft van Huisseling: «Ein gut 15 Jahre älterer Collega, er darf als der Anwalt in Zürich für Kunstangelegenheiten bezeichnet werden, hat allerdings weder vom ZKN noch von Rechtsanwalt Schmidt-Gabain jemals zuvor etwas mitbekommen», weiss der Autor.

Wieso er allerdings den Namen des Kunstanwalts nicht nennen mag? Hat sich das Dr. Andreas Ritter wohl ausbedungen? Nur echt mit Künstlermähne, lieber Heckenschütze als offener Gegner? Nun, das ist nun leider alles kein Niveau, das einer NZZaS würdig wäre.

Aber, wir wollen auch diesen Artikel versöhnlich ausklingen lassen; die Woche ist noch jung, es war ein sonniger Sonntag. Auf der nächsten Doppelseite widmet sich Michèle Roten dem weiblichen Körper. Das ist nun nicht nur für unheilbare Sexisten oder Machos ein spontaner Grund, sofort umzublättern.

Auch der weibliche Körper kann interessieren

Das wäre hier und ausnahmsweise ein schwerer Fehler. Denn Roten nähert sich diesem Thema, über das sie natürlich auch ein Buch geschrieben hat, mit so viel Witz, doppelbödiger Ironie und einer durchaus lesenswerten Anamnese der Besonderheiten des weiblichen Körpers, dass es zudem interessant ist.

Schon für den Satz

«Um nicht an dieser Stelle schon alle männlichen Leser wütend zu machen, möchte ich festhalten, dass der weibliche Körper nicht interessanter ist als der männliche. Das kann ich leider aber nicht, denn er ist es»,

möchte man mindestens drei Gendersterne geben. Für die Begründung nochmals zwei.

Dass dann das Magazin wieder völlig absackt, indem es einen angeblich corona-tauglichen «schmackhaften Zeitvertreib» lobt: «zu Hause Pilze züchten», sei ihm noch verziehen. Dass aber anschliessend wieder mal die völlig ab- und durchgenudelte «Asiatische Kokossuppe» in der veganen Ausfertigung (frischer Ingwer! Zitronengras! Limettensaft! Limettenblätter!) dem Leser aufs Auge gedrückt wird, das ist dann wieder unverzeihlich. Dieses Wunderwerk der asiatischen Küche wurde schon gelobt, als Jackets sowohl für Frauen wie auch für Männer dicke Schulterpolster hatten. Und das ist schon ein Weilchen her.