Ein Chefredaktor sieht rot

Oder braun-rot. Gieri Cavelty, gebeutelter Chef des SoBli (Lachappelle) rempelt Bundesrat Maurer an. Gibt’s diesmal die rote Karte?

Die Höchststrafe hat Cavelty eigentlich schon kassiert. Am Sonntag beschwerte sich der SoBli lautstark über angeblich unanständiges Verhalten des damaligen VR-Präsidenten von Raiffeisen.

Am Montag durfte er – mitsamt der feixenden Öffentlichkeit – im «Blick» eine Entschuldigung des Ringier-Verlags dafür lesen mit der Ankündigung, dass dieser Artikel restlos aus allen Archiven gespült sei und man so etwas nie mehr tun wolle.

Zur allgemeinen Verwunderung blieb Cavelty auf seinem Sessel sitzen. Aber vielleicht reicht es diesmal für einen Abflug. Denn er will sich mit der Generallinie seines Hauses gut stellen und gleichzeitig kräftig nachtreten: «Die Bewegung der Impfgegner zeigt totalitäre Züge», behauptet er in seinem aktuellen Editorial.

Dafür nimmt er den ganz groben Hammer hervor. Denn die «radikalen Impfgegner» missbrauchten einen Begriff, dem wie keinem anderen in «den letzten 200 Jahren derart viel Gewalt widerfahren» sei: der Begriff «Freiheit». In den Beispielen greift er weit in die Geschichte zurück und ganz tief nach unten. So habe die NSDAP 1935 den «Parteitag der Freiheit» gefeiert. Dabei seien hier die Nürnberger Rassegesetze verkündet und die deutschen Juden ihrer bürgerlichen Freiheiten beraubt worden.

Fast noch schlimmer: «Der sowjetische Diktator Josef Stalin beschwor in seinen Reden die «Freiheit der Arbeiter und Bauern»», donnert Cavelty.

Bei den Nazis war allerdings die «Befreiung» von den Bestimmungen des Versailler Vertrags gemeint, und dass der sowjetische Diktator auch nur einmal von deren Freiheit gesprochen haben soll, dafür gibt es keinen Beleg.

Reichsparteitag der Impfgegner?

Offensichtlich beschlich dann Cavelty selbst leiser Zweifel, ob das statthaft sei: «Aber ist es nicht mehr als übertrieben, die paar Tausend radikalen Impfgegner in einem Atemzug mit den finstersten Gestalten der Geschichte zu nennen?»

Nun, die Jahrhundertverbrecher sollen nur illustrieren, dass jemand, der das Wort Freiheit verwende, «noch lange nicht ihr Fürsprecher» sei. Dafür hätte es wohl nicht den demagogischen Zusammenhang mit Hitler-Faschismus und Stalin-Diktatur gebraucht, aber item. Er sei halt erlaubt: «Doch gerade im Hinblick auf ihr Handeln darf sich man bei den radikalen Impfgegnern nichts vormachen. Die Bewegung zeigt erschreckend aggressive und totalitäre Tendenzen.» Solchen Ansprüchen der deutschen Syntax beugt sich Cavelty allerdings nicht.

Gab’s denn schon einen Reichsparteitag der Impfgegner, machen sie Anstalten, Millionen von Menschen zu liquidieren, wie das Stalin tat? Noch nicht, aber das kann vielleicht noch werden, denn: «In den Vorzimmern mancher Bundesräte stapeln sich Drohbriefe, praktisch täglich erhalten sie einschüchternde Anrufe und E-Mails.»

Es gibt auch in der Schweiz immer einen Bodensatz von Verwirrten und Amoks, die ihren Frust ablassen, indem sie anonyme Beschimpfungen oder Drohungen ausstossen. Widerwärtig, aber nichts Neues. Mindestens so widerwärtig ist es, das alleine den Kritikern der Massnahmen zur Pandemiebekämpfung in die Schuhe zu schieben.

Natürlich gibt es auch unter ihnen Verwirrte und Verblendete. Aber die Gewerkschaften und die SP haben es sich zu recht verbeten, dass man ihnen die Taten des Schwarzen Blocks in die Schuhe geschoben hätte, der jeweils nach den 1.-Mai-Demos Saubannerzüge durch Zürich mit beeindruckendem Sachschaden durchführte.

Hemmungslose Anbiederung der SVP

Aber damit bereitet Cavelty nur seinen eigentlichen Schlag vor:

«Hinzu kommt, dass sich die grösste Partei des Landes der Bewegung hemmungslos anbiedert.»

Wie äussert sich diese Hemmungslosigkeit? Bundesrat Maurer schlüpfte doch tatsächlich in ein T-Shirt der «Freiheitstrychler», «einer jener Organisationen, die bei den Demonstrationen der radikalen Impfgegner den Ton angeben», weiss Cavelty. Diese Bezeichnung würden sich wohl 99 Prozent aller Teilnehmer an solchen Manifestationen verbitten, aber auch damit ist Cavelty nur unterwegs zu seinem vermeintlichen Blattschuss.

Denn Maurer hielt auch noch eine Rede, die Cavelty so zusammenfasst: Die Menschen müssten sich «wehren gegen den Mainstream und gegen die Moral», sagte Maurer.

Er verbreitete bei dieser Gelegenheit gleich noch den Unsinn, die Covid-Impfung mache Frauen unfruchtbar.

Mit derlei Darbietungen bestätigt dieser Meister der Doppelzüngigkeit die radikalen Impfgegner in ihrer Haltung und er befeuert sie in ihrem Tun.»

Damit nähert sich Cavelty dem Schluss, dem Höhepunkt und der Climax seines Kommentars. Der verdient es, vollumfänglich zitiert zu werden:

«Unser Rechtsstaat gibt jedermann die Freiheit, Unfug zu erzählen und insbesondere dem Wort Freiheit noch mehr Gewalt anzutun. Ebenso aber gehört es in einem funktionierenden Rechtsstaat zur Aufgabe der Medien, den totalitären Charakter einer Bewegung zu benennen – sowie die Gefahren, die davon ausgehen. Nicht weniger deutlich müssen die Medien darauf hinweisen, dass Politiker wie Ueli Maurer unmittelbar die Verantwortung dafür tragen, wenn das Misstrauen gegenüber unseren Institutionen stärker wird.»

Das nennt man allerdings einen klassischen Schuss ins eigene Knie und in den Fuss zugleich. Cavelty will Bundesrat Maurer unterstellen, der trage die Verantwortung für zunehmendes Misstrauen in Institutionen. Währenddessen es die Aufgabe der Medien sei, aufrecht vor Gefahren zu warnen.

Schön gegeben, nur leider falsch …

Dieses schöne Selbstbildnis hat leider nur zwei Fehler. Denn von dieser Rede, blöd gelaufen für Cavelty, gibt es eine Aufzeichnung. Aus der geht eindeutig hervor, wie jedermann nachprüfen kann, dass Maurer einen solchen Unsinn NICHT gesagt oder verbreitet hat (ab Minute 11.25).

Alleine das ist schon hochnotpeinlich. Aufgrund von Drohungen von ein paar Verwirrten auf den totalitären Charakter «einer Bewegung» zu verweisen und sie mit Hitler oder Stalin zu vergleichen, ist geradezu widerwärtig. Einem Bundesrat etwas in den Mund zu legen, das er nicht gesagt hat, ist für einen Chefredaktor unverzeihlich. In einem ähnlichen Fall musste schon der damalige Chef der «SonntagsZeitung» den Hut nehmen, obwohl er selbst gar kein Falschzitat verwendet hatte. Aber einer seiner Redaktoren.

Schliesslich muss man Cavelty darauf hinweisen, dass solche demagogischen Falschbehauptungen das Misstrauen in die Medien ganz deutlich steigern. Um eine weitere Erosion des sowieso schon angeschlagenen Images zu vermeiden, kann es nur eine Konsequenz geben.

Untauglicher Verteidigungsversuch des Mediensprechers

Cavelty lies den «Mediensprecher der Blick-Gruppe» an seiner Statt antworten. Maurer berichte «von einer Zusammenkunft mit fünf jungen Frauen, die ihm von ihrer Angst erzählen, aufgrund der Impfung «keine Kinder bekommen» zu können. Er widerspricht diesen Bedenken nicht und stellt nichts klar, sondern verweist vielmehr darauf, dass es sich um «gescheite, gut ausgebildete Frauen» handelt.» Wie steht es um den Respekt vor dem Konjunktiv eins? Statt seinen Respekt für alle, die sich impfen lassen, und für alle, die das nicht tun, auszudrücken, hätte der Bundesrat widersprechen sollen?

«So unterstreicht er die vermeintliche Glaubwürdigkeit ihrer Aussage und verbreitet so das von Impfskeptikern in die Welt gesetzte Gerücht, dass eine Impfung Frauen unfruchtbar mache.» Zum Mitschreiben: Maurer referierte eine Begegnung und betonte das Bildungsniveau der Frauen. Er verbreitet damit weder ein Gerücht, noch unterstreicht er die Glaubwürdigkeit einer Aussage. Er referiert als Anekdote diese Begegnung. Wie viele Ringier-Journis braucht es, um diesen Unterschied zu verstehen?

Wie kann nur ein zurechnungsfähiger Fachmann einen solchen Unsinn erzählen: «Es gibt bisher wenige Daten bei jungen Frauen, weil die meisten Frauen nicht so schwer erkranken. Die Studie aus Wuhan zeigt jedoch, dass bei den Frauen mit ganz schweren Infektionsverläufen eine spätere Einschränkung der ovariellen Reserve vorliegt.» Wer verbreitet denn da solche Gerüchte? Hoppla, das tut die von SRF interviewte Abteilungsleiterin für Jugendgynäkologie des Unispitals Zürich. Eine Fachärztin! Am Unispital! Unterstreicht mit dem Wort «Studie» noch die vermeintliche Glaubwürdigkeit dieser Aussage! Ein Fall für Cavelty!

«Zu einer Richtigstellung sehen wir keinen Anlass», fügt his master’s voice noch hinzu. Immerhin: damit bringt er das ganze Elend der «Blick»-Gruppe auf den Punkt.

Knigge mit Kick

Die Medien als Benimm-Ratgeber. Ratschläge statt Recherche.

Im Kapitalismus gilt das Leistungsprinzip. Im Prinzip. Sogenannte Qualitätsmedien zeichnen sich dadurch aus, dass sie Eigenleistungen erbringen und dafür Geld verlangen. Im Prinzip.

Journalistische Eigenleistungen bestehen aus Recherchen, Analysen, dem Herstellen von Zusammenhängen, Aufdecken von Missständen. Auch aus Interviews mit durchdachten Fragen und interessanten Antworten. Im Prinzip.

Da aber Schmalhans Küchenmeister ist, zweimal gegoogelt und einmal geskypt aus der Verrichtungsbox im Newsroom heraus bereits als journalistische Spitzenleistung gilt, greift um sich, was früher ein Randphänomen war. Weil das den Leser eigentlich eher am Rande interessiert: die Meinung.

Vielleicht ist einer der Gründe für die Erfolgsstory von «20 Minuten», dass das Pendlerblatt auf eines konsequent verzichtet: seine Leser mit Meinungen zu beschallen. Natürlich impliziert Auswahl der Themen, Gewichtung und der Spin der Darstellung immer auch Meinung. Aber es gibt keine Kommentare, keine Editorials, keine Leitartikel. Für «20 Minuten» dreht sich die Welt auch weiter, ohne dass sie zurechtgewiesen, eingeordnet, erklärt oder beschimpft wird.

Deshalb ist «20 Minuten» auch in der Tx Group eine eigene Geschäftseinheit. Der ganze Rest des Medienschaffens ist in Tamedia gebündelt. Und hier wird gemeint, was die Spalten hergeben.

Mal wieder ein «Editorial» vom Katheder herab

In einem «Editorial» zieht «Redaktionsleiter» Thomas Speich über die Demonstranten gegen die Corona-Massnahmen her. Immerhin konzediert er ihnen das Recht auf Manifestationen. Er ruft sogar zum Dialog auf: «Gute Argumente finden sich sowohl auf der Seite der Massnahmen-Kritiker als auch auf jener der Befürworter. Wir täten auch gut daran, uns die jeweils anderen anzuhören.»

Bis hierher ist es einfach nur eine banale, daher überflüssige Meinungsäusserung. Aber das ist natürlich nur die Einleitung für eine strenge Zurechtweisung:

«Was aber endlich und endgültig aus der Welt geschafft gehört, ist dieser unselige «Diktatur»-Vorwurf, der gerade an solchen Demos gerne erhoben wird. Das ist reine Polemik, bar jeder Grundlage.»

Nun kann man tatsächlich darüber diskutieren, ob der Vorwurf angebracht ist oder nicht. Es ist allerdings eine altbekannte Tatsache, dass bei Demonstrationen zugespitzt wird. Denn ein Plakat oder sogar ein Transparent hat nur einen begrenzten Platz für eine eher kleine Anzahl Buchstaben.

«Gesundheit vor Profit», fordert die Unia. «Eat the Rich», plakatieren die Linksautonomen. «Die Krise bekämpfen, heisst den Kapitalismus bekämpfen», belehrt ein Transparent, «Nieder die Zäune, hoch die Fäuste» ein anderes. Auch immer wieder beliebt: «Klassenkampf» oder «Proletarier aller Länder vereinigt euch!» oder «Solidarität heisst Widerstand».

Gelebter Widerstand am 1. Mai.

Das ist nur eine kleine Auswahl an Sprüchen, die jeweils zum 1. Mai feilgeboten werden. Über ihre Sinnhaftigkeit kann man ausgiebig diskutieren, am besten bei einem revolutionären Roten in der Roten Fabrik.

Sprüche, Taten, Zuspitzungen, Zensur

Niemand käme allerdings auf die lachhafte Idee, dazu aufzufordern, einige dieser Sprüche aus der Welt zu schaffen. Aber bei Massnahmen-Gegnern fühlt sich der Redaktionsleiter bemüssigt, ihrem Diktatur-Spruch die Knöpfe reinzutun. Denn unsere Landesregierung sei nun nie diktatorisch gewesen. Wer so etwas behaupte, solle sich mal die Philippinen anschauen, da gehe es diktatorisch zu und her.

Klare Ansage mit 13 Buchstaben und einem Satzzeichen.

Woher kommt dieser verbissene Ernst gegenüber einer zugegeben leicht lächerlichen Überspitzung? Ist das die reine Meinungslust? Das Bedürfnis, die Welt ein wenig besser zu machen, indem man ihr Bescheid stösst? Das Angebot eines Dialogs?

Wäre es so, wäre es lediglich lächerlich, so wie die Überspitzung «Diktatur». Leider ist es aber mehr als das. Denn ausser in den Kolumnen des Pausenclowns Markus Somm kommen die Argumente – auf die man doch auch hören sollte – der Massnahmenkritiker bei Tamedia nicht vor. Oder höchstens, um als unwissenschaftlich, fahrlässig, unverantwortlich, gefährlich nahe an Verschwörungstheorien, zumindest weltfremd, ungehörig, absonderlich in die Pfanne gehauen zu werden.

Ist das noch erlaubt?

Der Ersatz von Meldung durch Meinung ist das eine. Der Abschied vom Modell Forumszeitung ist das andere, Schlimmere. Denn während des Endkampfs des medialen Pluralismus, als es sich abzeichnete, dass in allen Grossstädten der Schweiz, mit der einzigen Ausnahme Zürich, nur noch ein Monopolblatt überleben wird, wurde das Mantra gebetet: schon, aber dafür wird in der Basler, Berner, Luzerner, Zuger, Aarauer, St. Galler, Appenzeller Zeitung Platz für Pluralismus sein.

Das war allerdings nur so eine Meinung.

Sturm oder kein Sturm, das ist hier die Frage.

 

Rassenkunde: Neues vom Mohrenkopf

Gibt es verschiedene Rassen auf der Welt? Oder ist schon die Frage rassistisch?

Die «Süddeutsche» vermeldet: «Ein wichtiges Medizin-Fachjournal publiziert bald nur noch Studien, wenn in diesen die «Rasse» der Probanden angegeben wird. Woran liegt das?»

Natürlich findet dieser Artikel seinen Weg in die Spalten der Qualitätsmedien von Tamedia, die ja immer weniger Content selber herstellen. Allerdings wurde am Lead etwas geschraubt, so heisst die Schweizer Version:

«In Studien soll künftig die «Race» der Probanden angegeben werden, um Minderheiten besser abbilden zu können. Damit begibt sich das New England Journal of Medicine auf gefährliches Terrain.»

Denn es kann ja in diesem Konzern mit hochstehendem Qualitätsmanagement nicht sein, dass der Leser mit einer ergebnisoffenen Frage in einen Artikel entlassen wird. Da muss eine Wertung her, damit von Anfang an alles klar ist.

Worin besteht denn nun dieses «gefährliche Terrain»? Zunächst einmal kommt dieser Begriff im differenzierten Artikel des Wissenschaftsjournalisten Markus C. Schulte von Drach nicht vor.

Nicht nur wegen den Erfahrungen im Hitler-Faschismus ist der Begriff «Rasse» auf Deutsch aufgeladen, problematisch, verbrannt. Zudem herrscht allgemein Einigkeit, dass Rasse nur schwerlich ein biologischer Begriff ist, sondern vielmehr ein soziales Konstrukt, wie von Drach referiert.

Muss weg.

Dann liefert er die Begründung des NEJM, das übrigens zum Club der weltweit hochangesehenen wissenschaftlichen Fachzeitschriften gehört.

«In den Vereinigten Staaten haben schwarze Amerikaner hohe Raten von Bluthochdruck und chronischer Nierenerkrankung, hispanische Amerikaner haben die höchste Prävalenz von nicht-alkoholischer Fettleber, amerikanische Ureinwohner haben überproportional häufig ein metabolisches Syndrom, und asiatische Amerikaner sind einem besonderen Risiko einer Hepatitis-B-Infektion und nachfolgenden Zirrhose ausgesetzt, jedoch sind diese Gruppen in klinischen Versuchen und Kohortenstudien häufig unterrepräsentiert.»

Differenzierte Debatte von Fachleuten

Zudem hat das Journal eine ganze Reihe von Fachleuten eingeladen, sich zu diesem Thema zu äussern. Sie liefern – verständlich – einen Eiertanz ab. Auf genetischer oder biologischer Ebene gebe es keinerlei Beweise für die Existenz unterscheidbarer rassischer Gruppen. «Aber in einigen Fällen, ich denke, da ist es den meisten von uns klar, dass Rassekategorien bis zu einem gewissen Grad mit genetischer Abstammung korrelieren», eiert Michele Evans. Ein Nephrologe ergänzt: «Es ist eine Sache zu sagen, dass Rasse ein soziales Konstrukt ist, aber es gibt genetische Abstammungsmarker, die sehr wirkungsvoll über die Ausprägung von Krankheiten in bestimmten ethnischen Minderheitengruppen informieren können.»

Dahinter steht das Problem, ob und wie man Rassismus Vorschub leistet. Diese unausrottbare Unart geht davon aus, dass gewisse Eigenschaften auf Rassen zutreffen. Also beispielsweise «Weisse sind intelligent, Schwarze sind faul und dumm». Das ist natürlich hanebüchener Blödsinn, weil es auch viele faule und dumme Weisse gibt, viele intelligente Schwarze.

Ist schon weg.

Nicht alle Schweizer mögen Schokolade, blasen ins Alphorn und arbeiten auf einer Bank. Der chaotische Italiener, der stolze Spanier, der pünktliche Deutsche. Alle diese normativen und generalisierenden Begrifflichkeiten sind Versuche, durch Verallgemeinerungen etwas Ordnung zu schaffen, greifen aber auf der Ebene individueller Betrachtung viel zu kurz. Dort entscheidet sich dann, ob ein Rassist spricht oder kein Rassist.

Verwendung von Unterscheidungsmerkmalen ist völlig richtig

Aber die Verwendung von Kategorien zwecks besserer Einteilung, gesteigertem Verständnis beispielsweise von Krankheiten, was soll daran falsch sein? Wer sagt, dass stark Übergewichtige überproportional höhere Gesundheitsrisiken haben im Vergleich zu Normalgewichtigen, ist deswegen doch kein Rassist oder Ausgrenzer und äussert auch kein Ressentiment gegen Dicke.

Es ist auch kein Rassismus, Formulierungen wie «gefährliches Terrain» als Ausdruck von in Dummheit umschlagendes Gutmenschentum zu kritisieren. Korrelationen zwischen Ethnien – um den Begriff Rassen zu vermeiden – und überproportional häufig auftretenden Krankheiten können bei Therapie und Heilung helfen. Wer dagegen ist, ist ein Dummkopf.

Wer sagt, jeder Schwarze habe Bluthochdruck, hat ebenfalls nicht alles verstanden. Hinzu kommt die unterschiedliche Sensibilität beim Ausdruck «race». In jedem amtlichen US-Formular wird heute noch nach Geschlecht, Nationalität und Rasse gefragt. Das stört dort auch niemanden gross, obwohl der Bürgerkrieg um die Sklavenbefreiung nicht Hunderte von Jahren her ist.

Ausdifferenzierte Fragen nach ethnischer Zugehörigkeit.

In den USA wird viel unternommen, um verschiedenen, bleiben wir bei Ethnien, gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft zu eröffnen. Einem Hispanic oder Schwarzen besondere Förderung zuteil kommen zu lassen, ist aber nur möglich – wenn er so kategorisiert werden kann.

Ethische und Rasseninformation wird gesetzlich verlangt.

Denn die Benachteiligung von Schwarzen ist nur messbar, wenn man Schwarze als solche identifiziert. All das übersehen die Rassimus-Kreischen, die am liebsten alle diese Kriterien als diskriminierend, eben rassistisch abschaffen möchten, so wie den Mohrenkopf.

Selektive Wahrnehmung einer Selbstzerstörungsmaschine

Der Recherchierjournalist Daniel Ryser denaturiert zum demagogischen Kommentator.

Es ist der Weg nach unten eines Begabten zu beklagen. Daniel Ryser hatte seinen eigenen Sound geschaffen, bei seinen Langzeitreportagen. Er traute sich sogar an ein Buch über den umstrittenen Publizisten Roger Köppel. Unter dem etwas verwirrlichen Titel «In Badehosen nach Stalingrad» wurde eine Abrechnung draus.

Ein durchaus lesenswertes Buch, wenn auch nicht immer mit sauberen Methoden recherchiert. Ryser arbeitet seit einiger Zeit für die «Republik», und das ist leider nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.

Anfang August erschien von ihm der Artikel «Die Zerstörungsmaschine» in der «Republik». Seine These:

«Der grösste Medienkonzern der Schweiz» habe es auf Jolanda Spiess-Hegglin abgesehen, sie werde «mit allen Mittel diskreditiert».

Auf den üblichen 23’000 Anschlägen diskreditierte er sich hier allerdings selbst, obwohl er sozusagen als Mahnung sich einleitend aufrief, dass diese «Geschichte präzis erzählt werden» müsse, «aus Fairness gegenüber Spiess-Hegglin».

Das schloss allerdings keine Fairness gegenüber Tamedia ein. Der Artikel strotzte von Unsauberkeiten, Fehlern und polemischen Überspitzungen. Schlimmer noch: Ryser begab sich aus dem Feld der Debatte.

Gesprächsverweigerung und Rechthaberei statt Recherche

Wir stellten ihm damals 25 präzise Fragen, darunter auch die, wieso er gegen ein Grundprinzip des anständigen Journalismus verstossen habe; nämlich sämtlichen in seiner Polemik angegriffenen und namentlich kritisierten Personen keine Möglichkeit zur Stellungnahme einräumte.

Ryser schwieg.

Auf dem Weg nach unten hat er inzwischen ein neues Niveau erreicht. Offenbar strebt er danach, sich selbst immer mehr tieferzulegen. Er greift zum Kommentar, um auszuführen: «Der Mord an einem Tankstellen-Kassier in Deutschland zeigt auf drastische Weise: Wer mit Begriffen wie «Diktatur» und «Faschismus» aufwiegelt, ebnet den Weg zur Gewalt.»

Streng gegen Linksradikale?

Das ist eigentlich die Spezialität von Linksradikalen, die diese Begrifflichkeit für das uns angeblich beherrschende Schweinesystem verwenden. Ein Blick auf die Webseite aufbau.org genügt, um die inflationäre Verwendung dieser Begrifflichkeiten zu sehen.

Aber das meint Ryser nicht. Denn in der hysterisch aufgeheizten Debatte um Massnahmen zur Pandemie-Bekämpfung findet sozusagen eine Vergesellschaftung dieser Keulen-Begriffe statt. Auch rechtskonservative Kreise beginnen, sie zu verwenden.

Denunziation einer Bewegung aufgrund von Amoks

Herausragend dabei offensichtlich der Irrwisch Nicolas A. Rimoldi. Ein Wirrkopf, der im Trüben fischt und sich als Feindbild für Ryser anbietet, weil er auch auf dem Weg nach unten ist. Vom ehemaligen Jungfreisinnigen zum Sprachrohr absurder Verschwörungstheorien.

Ryser hat ihn verdienstvoll in einem längeren Artikel porträtiert. Was da an Rimoldi auffällt: er will unfassbar bleiben wie Quecksilber. Widerspricht sich gerne und häufig, weicht aus, korrigiert und löscht, lebt offenbar in einer Welt mit abnehmendem Kontakt zur Realität.

Nun hat anscheinend in Deutschland ein Amoktäter einen Tankwart ermordet, weil der ihn zum Tragen einer Maske aufforderte. Der Täter soll seine Bluttat damit begründet haben, dass er ein Zeichen gegen die Maskendiktatur setzen wolle.

Ein Vollirrer. Auf einschlägigen Plattformen, in Telegram-Chatgruppen schäumte danach weitere Irrheit hoch, «wenn’s die richtigen trifft, hab ich nichts dagegen», zitiert Ryser einen verantwortungslosen Spinner.

Soll man ganze Strömungen so disqualifizieren?

Von der Ermordung Martin Luther Kings bis zu den Terrorakten am 11. September im Grossen, von Anschlägen auf Abtreibungskliniken bis zu Sachbeschädigungen durch den Schwarzen Block bei 1.-Mai-Demos im Kleineren, bei den Chaostagen anlässlich des G7-Gipfels in Hamburg: es gibt immer Amoks, die solche Gewalttaten loben, beschönigen, erklären, zum Ausdruck berechtigten Widerstands gegen Diktatur, Faschismus, Imperialismus, im Namen von Rassenwahn oder dem Kampf für ungeborenes Leben erheben.

Im Kopf von geistigen Brandstiftern …

Seit es die Klowände im Internet gibt, ist das öffentlich einsehbar, wenn man sich die Nase zuhält.

Auch in sogenannten Qualitätsmedien gibt es entsprechende Amoks, erinnert sei nur an den Leiter des «Interaktiv-Teams» bei Tamedia. Marc Brupbacher twittert mit dieser Berufsangabe «Sind jetzt alle komplett durchgeknallt in diesem Land», beschimpft Regierende wie Silvia Steiner als «traurigen Clown in einem anti-wissenschaftlichen Polit-Zirkus», ist mit Bundesrat Alain Berset «komplett durch», denn der Gesamtbundesrat ist «komplett übergeschnappt», viele Regierenden verfügen «über die Hirnleistung eines Einzellers». Die Uni Luzern fordert er auf:

«Hey, Uni Luzern, nehmt den Dreck runter, entschuldigt euch bei C. Althaus und publiziert eine Richtigstellung.»

Sicher, er schwafelt nicht von Faschismus und Diktatur, ruft auch nicht zu Gewalt auf. Aber er ist ein Beispiel dafür, dass es überall Amoks gibt. Aber wegen Brupbacher kann man nicht alle Befürworter von Lockdowns oder drastischen Massnahmen als durchgeknallt diskreditieren. Oder alle Mitarbeiter von Tamedia.

Oder wir erinnern an die «rechte-Hetzer»-Kreische Daniel Binswanger in eben dieser «Republik», den Verteidiger der Burka als Ausdruck selbstbestimmten Handelns selbstbewusster Frauen. Deswegen kann man doch nicht die gesamte Crew in Sippenhaft nehmen.

Heinrich Böll würde im Grab rotieren

So wie das Ryser mit Massnahmenkritikern tut. Dazu bemüht er einen heutzutage weitgehend vergessenen deutschen Schriftsteller: Heinrich Böll. Der Literaturnobelpreisträger sagte 1959 in einem Vortrag: «Der Spruch: Wenn Worte töten könnten, ist längst aus dem Irrealis in den Indikativ geholt worden.»

Ein differenzierter Mahner, missbraucht von Ryser.

Ryser zitiert ihn weiter, mit anschliessender strenger Ermahnung: ««Worte können töten, und es ist einzig und allein eine Gewissensfrage, ob man die Sprache in Bereiche entgleiten lässt, wo sie mörderisch wird.» Darüber sollten Leute, die heute ständig von Diktatur sprechen und twittern, dringend nachdenken.»

Teilgebildet, wie Ryser ist, verzichtet er aber darauf, den Zusammenhang herzustellen, in dem Böll das sagte. Holen wir gerne nach:

«In allen Staaten, in denen Terror herrscht, ist das Wort fast noch mehr gefürchtet als bewaffneter Widerstand, und oft ist das letzte die Folge des ersten. Die Sprache kann der letzte Hort der Freiheit sein.»

Böll bezog sich also auf die damals noch frische Erfahrung des deutschen Hitler-Faschismus, darüber sollte Ryser dringend nachdenken. Böll mischte sich damals auch in die Debatte um die Taten der linksterroristischen RAF ein. Dazu schrieb er: «Es ist inzwischen ein Krieg von 6 gegen 60 000 000. Ein sinnloser Krieg.»

Dazu rief er zu Augenmass auf: «Ich habe die Gruppe um Ulrike Meinhof relativiert – ja. Verharmlost nein. Ich habe versucht, die Proportionen zurechtzurücken. Nichts weiter. Wenn Albanien der Sowjetunion den Krieg erklären würde, so fände ich das nicht harmlos, nur fände ich die Situation der Sowjetunion nur relativ gefährlich.»

Proportionen zurechtrücken, darum ging es Böll, darum sollte es vielleicht auch Ryser gehen. Es ist unstatthaft, mindestens ungebildet, wenn nicht absichtsvoll demagogisch, Böll hier als Kronzeugen für Rysers Feldzug gegen Massnahmenkritiker einzusetzen.

Aber wollen wir einen Mann auf dem Weg nach unten aufhalten?

 

 

 

Wie tief hinunter geht’s?

Ein neues Gefäss. Gegen den Missbrauch der deutschen Sprache. Jeglicher Art.

Nein, es ist nicht nur Feministen vorbehalten, der deutschen Sprache Gewalt anzutun. Das kann auch das Organ mit den grösseren Buchstaben und dem Regenrohr im Logo.

Rettet des Genitivs!

Es müssen auch nicht immer Sprachverbrechen sein. Was ist plötzlich in die letzte Sonntagszeitung mit Anspruch gefahren, die NZZaS?

Plötzlich überlebensgrosse Porträtfotos statt Buchstaben?

Hier hätten wir nun einen Beitrag zum Thema «Sprachbilder sind Glücksache»:

«Maurers Freiheits­trychler-Stunt ist nichts als die hässliche Fratze einer radikalisierten Rechten, die sich rund um den Globus beobachten lässt.»

Richtig, das kann nur von der schreibenden Schmachtlocke aus der geschützten Werkstatt «Republik» sein. Oder um es in seinem Stil zu formulieren: Binswangers Sprachbilder-Stunt ist nichts als die hässliche Paraphrasierung einer redundanten Haartolle, die sich rund ums Rothaus beobachten lässt.

Mit ganz feiner Klinge will Mischa Aebi arbeiten. Er ist einer der Bundeshausredaktoren, die am Donnerstagabend Besseres zu tun hatten, als eine Demonstration von ein paar Tausend Menschen zu beobachten. Was? Pediküre, Fondueplausch, neue Netflix-Serie, schwer zu sagen. Auf jeden Fall muss Aebi auch noch etwas zur Enthüllung der «Weltwoche» über fragwürdiges Gebaren des SP-Bundesrats Alain Berset beitragen.

Nein, keine Eigenrecherche, das macht die NZZaS. Die «SonntagsZeitung» wäffelt. Jeder nach seinen Kernkompetenzen.

Aebi schleicht sich zuerst hinterlistig an und lobt, dass die Fragen der WeWo «legitim» und sogar «verdienstvoll» seien. Liesse er das so stehen, könnte er aber in der Helfti nicht mehr in Ruhe sein Feierabendbier kippen, wenn er mal in Zürich ist.

Daher geht’s weiter: «Aber Mörgeli überschreitet auch eine rote Linie, denn im Bericht werden angebliche Sexpraktiken des Bundesrates ausgebreitet. Der Autor versucht zwar, das öffentliche Interesse an den intimen Details zu rechtfertigen. Doch es sind fadenscheinige Argumente, die nichts mit dem Fall zu tun haben. Vielmehr ging es der «Weltwoche» darum, einen an den Haaren herbeigezogenen Grund zu finden, um den Voyeurismus ihrer Leser zu bedienen.»

An den Schamhaaren herbeigezogen? Welche, sabber, «Sexualpraktiken», lechz, des Bundesrats wurden denn vor den voyeuristischen Lesern ausgebreitet? Absonderliche Stellungen, gar Lack und Leder, Abnormes? Gemach, Mörgeli führte lediglich aus, dass der Bundesrat angeblich ungeschützten Geschlechtsverkehr bevorzuge. Daher habe ihn seine Geliebte auch mit einem behaupteten Schwangerschaftsabbruch erpressen wollen und können.

 

Macht irgendwie Sinn, nur nicht für Aebi, der die Bettdecke schön unaufgedeckt lassen will.

Wir wollen uns aus diesem Jammertal der Sprachmisshandlungen aber nicht ohne eine gute Nachricht verabschieden:

«Das hier ist meine letzte Kolumne. Meine letzte Kolumne für ein paar Monate. Und dennoch weiss ich nicht, was ich in dieser «Bitzeli Abschied»-Kolumne schreiben soll. Weil noch alles gar nicht ist.»

Tschäksches? Wenn nicht: so ist halt eine Kolumne von Alexandra Fitz im «Blick». Die hiess zwar «Fix zur Gesellschaft», machte aber die Leserschaft fix und fertig. Aber eben, nicht zu früh freuen, denn nach Dürrenmatt ist etwas nur zu Ende, wenn es die schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Was hier bedeutet: Fitz als ihre eigene Wiedergängerin. Aber wenn wir die Pandemie überleben, wird uns auch das nicht umbringen.

 

Ladies, Gentlemen and everyone beyond

Wir wollen gerecht bleiben: nicht nur «bajour» verwildert. Die «Republik» auch.

Es war ein Freitag. Also eigentlich ein normaler Arbeitstag. Es war auch nicht bekannt, dass sich die «Republik»-Crew schon wieder zur Retraite in die Alpen zurückgezogen hätte. Obwohl die Alpen an diesem Freitag schon eine Rolle spielten.

Eine Solorolle, sozusagen. Denn der Output von 50 Nasen, von unermüdlichen Rettern der Demokratie, von Kommentatoren, Rechthabern und unerschrockenen Rechercheuren, die leider immer nur vergessen, von ihnen Kritisierten die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, ist bescheiden.

Man möchte an diesem Freitag sogar von einem Outpütchen sprechen. Denn zwischen 4.49 und 5.00 Uhr wurden, natürlich vorgefertigt, ganze drei Stücke ins Netz gestellt. Ein normales Tagewerk auf Augenhöhe mit ZACKBUM? Die 2000 Franken wert, die das Qualitätsprodukt jeden Tag verröstet?

Nun ja. Es handelt sich um einen Nachrichtenüberblick:

Und um einen NL, den sonst niemand auch noch ins Netz stellt:

Schliesslich noch um eine (in Zahlen 1) Reportage:

Man beachte: es war nicht einfach ein weiteres Ausflüglein in die liebliche Schweizer Bergwelt. Nein, die Mutprobe ist nur mit den Journalisten vergleichbar, die sich immer noch in Kabul rumtreiben. Denn es handelt sich um «eine Expedition in drei Schweizer Gefahrenzonen».

Das hört sich etwas nach Menschen an, die vor dem Klettern in die Badewanne ihre Tauchausrüstung überprüfen und sicherstellen, dass ein Alarmknopf in Griffweite liegt.

Mutige Reporter in Schweizer Gefahrengebieten

Todeszone eins: Wattenwil, Kanton Bern. Der unvermeidliche szenische Einstieg: ««Für Sand­säcke bitte melden.» Darunter die Telefon­nummer des Material­warts. Diese Notiz am Eingang des Feuerwehr­magazins, von Hand mit grünem Filzstift auf weisses Drucker­papier geschrieben, lässt erahnen: Die Feuerwehr Wattenwil hat reichlich Erfahrung mit Wasser.»

Die Feuerwehrhelden dort leisten Übermenschliches: «Dann heult jeweils auch schon der erste Alarm. Wasser im Keller, in der Wohnung. Die Feuer­wehr rückt aus und pumpt das Wasser aus den Häusern.»

Nehmt das, ihr Klimaleugner.

Runder szenischer Ausstieg: «Die Wand­tafel mit den Sandsack-Bestellungen ist vollgeschrieben.»

Die Reporter atmen auf, nochmal davongekommen, auf zur nächsten Todeszone: Othmarsingen, Kanton Aargau. Hier ist’s ein historischer Rückblick auf den Hitzesommer 2018, als Einstieg für die «historischen Niederschläge 2021». So ist’s, es regnet, oder die Sonne scheint.

Unglaublich, diese Natur.

Regen und Trockenheit, das wird auch in Zukunft die Schweizer Landwirtschaft bestimmen, finden die Recherchierjournalisten hier heraus, am Schluss lassen sich die offenbar städtischen Reporter vom Bauern noch die Grundlage seiner Tätigkeit erklären:

«Ohne Insekten gibt es keine Bestäubung. Und ohne Wasser wachsen die Pflanzen nicht.»

Wahnsinn, diese Natur.

Wenn der Berg nicht ruft, sondern kommt

Schliesslich, man kann sich natürlich steigern, die echte Expedition in echte Gefahren: Kandersteg, Kanton Bern. Eigentlich ist es eine Idylle, so wie am Anfang beim «Weissen Hai»: «An einem sonnigen Mittwoch im August strömen die Menschen in Scharen nach Kander­steg.»

Nichtsahnend, denn der Fachmann blickt sorgenvoll auf die Berge: «20 Millionen Kubik­meter Gestein sind dort in Bewegung.»

Denn Fachleute und Kenner wissen, «dass die Klima­erhitzung in den Alpen zu diversen Gefahren führt». Ganz zu schweigen von einer Klimaabkühlung, die es in der kurzen Geschichte der Menschheit auch schon gegeben hat.

Das Expeditionsteam in Schweizer Gefahrenzonen ist heil ins Rothaus zurückgekehrt. Es begiesst womöglich in der Bar das geschenkte, zweite Leben, aber es warnt:

«Starkniederschläge, Trockenheit und Hitze: Die Besuche in Wattenwil, Othmarsingen und Kandersteg zeigen, dass die Schweizer Klima­gefahren bereits heute aufflackern.»

Wie kann man dieses Flackern abstellen? «Eine drastische Reduktion des Ausstosses von Treibhaus­­gasen ist zwingend.» Weniger CO2, genau. Der Promilleanteil der Schweiz muss unbedingt unter die Messbarkeitsschwelle gedrückt werden. Ach, und den Amis und Chinesen sollte auch mal einer Bescheid sagen, dass es so nicht weitergeht.

«Etwas Grausames»

Autoren müssen ihre Bücher promoten.  Also geben sie Interviews. Auch an Nora Zukker. Das tut weh.

Zunächst eine gute Nachricht: «Juden canceln»-Simone Meier, die «Kulturjournalistin des Jahres» («Schweizer Journalist:In*»), hat (noch) keinen Ton zum neusten Werk von Sven Regener gesagt.

Wenn Sie nun sagen: Sven who?, dann sind Sie zwar kein Kulturbanause, aber nicht so wirklich mit der Berliner Szene vertraut. «Element of Crime» (is’ so ‘ne Band), und der Frontmann schreibt in seiner Freizeit Bücher. Als Musiker, das sei vor allem nach seinem neuen Jazz-Album gesagt, ist er klasse.

Mit «Herr Lehmann» landete er 2001 einen Beststeller. Berlin, Kneipen, Mauerfall, Jackpot. Das weidet er seither aus, und so kam es zum neuen Schriftwerk «Glitterschnitter». Bis hierhin ist es eine übliche Literatur-Story. Autor schreibt, Verlag publiziert, Autor wird zu Interviews herumgereicht.

Die «Süddeutsche», die «Schaffhauser Nachrichten», die NZZ, auch die «Nidwalder Zeitung» nimmt dieses Ereignis zum Anlass für Gespräch und Würdigung. Das ist gut so, denn es wird ja immer weniger gelesen.

Einigermassen lustig und unterhaltsam.

Nun hätte Tamedia wie gewohnt das Porträt der «Süddeutschen» übernehmen können. Ist keine Spitzenleistung, aber brauchbar. Das hätte dem Leser aller Tamedia-Kopfblätter, und deren sind viele, das Interview mit Sven Regener erspart, dass die sogenannte Literaturchefin Nora Zukker mit ihm führte.

Auch hier muss man eine gute Nachricht vorausschicken: es fand nicht auf einem Friedhof statt, und – soweit bekannt – wurde auch nicht übermässig dem Alkohol dabei zugesprochen.

Den braucht allerdings der Leser, will er tapfer bis zum Schluss durchhalten. ZACKBUM hat sich – hoch lebe die internationale Solidarität – für einen «Pampero Aniversario» aus Venezuela entschieden. Alles Geschmacksache, aber wohl der beste Rum der Welt. Wenn ein Kuba-Kenner das sagt, muss es wohl stimmen.

Es war nur eine Flasche, im Fall.

Wir kommen nicht um die Beschreibung des Elends herum

Aber es hilft nichts, wir müssen zum Interview schreiten. Der Titel ist immerhin so gewählt, dass der Leser gewarnt wird, ob er sich das wirklich antun will: «Kacki, das hat etwas Grausames». Das mag so sein, aber das ist nix gegen den Fragenkatalog der Literaturchefin ohne Bildungsrucksack.

Das ist wahr, aber es gibt Schlimmeres.

«Was trinken Sie denn hier», «wie lebt es sich denn über die Jahre mit dem ganzen Personal?»,

«Wie haben Sie zu dieser gesprochenen Sprache (!) gefunden?»,

«Dialoge können Sie!», «Im November kommen Sie nach Zürich. Haben Sie eine Beziehung zur Stadt, oder ist sie Ihnen zu klein?»

Gut, die ersten Leser winseln bereits um Gnade, ich habe ein Einsehen. Was antwortet Regener nun auf diese strenges Desinteresse auslösenden Fragen? Besonders zu der über die «gesprochene Sprache»? Nun, er ist ein Profi, der auch auf die Frage: Wie gefällt Ihnen das Wetter heute?, eine zumindest anekdotische Antwort geben könnte. Aber hier verschlägt es selbst ihm etwas die Sprache, also die gesprochene: «Ich verzichte darauf, zu beschreiben, wie die Leute aussehen, das interessiert mich nicht so sehr.»

Nun könnte es ja sein, dass ein solches Interview dem Leser dabei hülfe, sich zu entscheiden, ob er sich diese 480 Seiten antun will. Das Interview selbst ist dafür nicht zweckdienlich, schliesslich sagen höfliche und sogar witzige Antworten auf Nonsens-Fragen nichts über literarische Qualitäten aus.

ZACKBUM findet es aber eher unfair, dass Zukker mit dieser Beschreibung sicherlich unfreiwillig vor der Lektüre abschrecken will:

«Sven Regeners Stil der gesprochenen Sprache hat manchmal einen Hang zur Länge, weil er die Leute beim Reden denken lässt. Wobei dabei auch Dialoge entstehen, die toll sind: «Wie schon Toulouse-Lautrec sagte: Wir haben unser ganzes Leben gebraucht, damit wir das erst seit drei Wochen machen können.» – «Das hat er gesagt?» – «So ähnlich.»»

Nein, das haben wir nicht erfunden. Das geht gar nicht. Ausser, man heisst Zukker und ist Literaturchefin bei Tamedia.

 

Gute Nacht, «bajour»?

Wir machen uns Sorgen. Echt. Irgendwie verwildert «bajour» zunehmend.

Nein, ZACKBUM hat keine Bitte um Stellungnahme an «bajour» oder an Hansi Voigt gerichtet. Wir geben hier immer und jederzeit allen Kritisierten die Gelegenheit dazu. Ausser, wir kriegen nie eine Antwort.

Das ist dann ein blödes Spiel. Aber wenn jemand eine Replik schreiben will: gerne und jederzeit. Eine Erwiderung worauf?

Wir machen uns echt Sorgen, darauf. «Bajour» braucht rund 25’000 «Member», wenn dann mal die jährliche Million, die diese Todgeburt künstlich am Leben hält, nicht mehr sprudelt. Und das dauert gar nicht mehr so lange.

Zum Motivationsangebot gehörte lange Zeit, dass «bajour» die aktuell nachgeführte Liste der «Member» auf der Homepage veröffentlichte. Weg. Man weiss nicht mehr, wie viele Basler sich 40 Franken abknöpfen liessen.

Brandaktuell ist anders. Hintergründig auch.

Es stehen nur noch die Versprechungen auf der Webseite: «Tägliche Hintergrundinformationen». Täglich ist sehr relativ, wenn man die Homepage von «bajour» anschaut. «Exklusive Einladung zu jährlichem Spezial-Event nur für Member». Fand leider noch nie statt.

Nur noch leere Versprechungen …

Aber man kann ja auch «Gönner» werden, dann ist man 160 Franken im Jahr los. Dafür kriegt man all das (auch nicht), dazu noch die «exklusive Zustellung des jährlichen Bajour-Magazins (Printausgabe)», plus «exklusive Einladung zum jährlichen Spezial-Event nur für Gönner». Ist aber beides so exklusiv, dass es auch nicht existiert.

Oder aber, einfach mal spenden. Dafür gibt’s nix, aber das ist ja auch nicht schlimm. Scrollt man auf der Hompage etwas runter, kommt mal schnell in den Bereich gut abgehangener Nachrichten. Herausragend eine aktuelle Gastrokritik – vom 20. April. Aber immerhin 2021.

Wo gab’s im April das beste Cordon bleu?

Zum Beobachtungszeitpunkt gab es anscheinend nur ein einziges aktuelles Thema, das «Basel wirklich beschäftigt», was «bajour» ja zu liefern verspricht. «Tägliche Hintergrundinformationen», aber in Wirklichkeit weder täglich, noch Hintergrund.

Die Messung der Nutzer des Portals wurde leider in KW 17 eingestellt. Die Zahl der «Netto-Leser Basel-Briefing» dümpelt um knapp 4000 herum; jedenfalls bis KW 33. Wir hoffen, dass wir von Zahlen des Jahres 2021 sprechen. Nachprüfen kann die sowieso niemand.

Etwas kompliziert wird es bei der Herausgeberschaft. Da gibt es mal den «Verein Bajour». Fünf Vorstandsmitglieder, darunter Hansi Voigt. Darunter amtet die «Geschäftsleitung» mit vier Mitgliedern, ebenfalls undenkbar ohne Hansi Voigt. Dann hätten wir noch die achtköpfige Redaktion, sechs freie Mitarbeiter, sechs Mitarbeiter von «gärn gschee», darunter die Heimweh-Baslerin Jolanda Spiess-Hegglin. Schliesslich noch drei Fotografen und acht Kolumnisten.

Viele, viele Vorstände, Häuptlinge und Wichtigtuer

«Medienzukunft Basel» nicht zu vergessen, der «gemeinnützige Trägerverein Medienzukunft Basel», der bajour «ermöglicht». In dessen Vorstand drängeln sich nochmal sieben Nasen, aber immerhin: kein Hansi Voigt dabei. Bitter aber, dass im Impressum Bruchpilot David Sieber gar nicht auftaucht, der doch dem Organ unter die Arme greift, nach eigenen Angaben.

Aber gut, das sind alles in allem so 47 Nasen; damit spielt bajour eigentlich in der Liga von der «Republik». Die schafft aber mit ihren 50 Kostenstellenbesetzern immerhin im Schnitt zwei bis drei Artikel am Tag. Fast jeden Tag.

Damit ist geklärt, wohin die jährliche Million einer stinkreichen Pharma-Erbin gurgelt. Was dafür allerdings an Gegenwert hergestellt wird, das erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Auf den zweiten auch nicht.

Wie viele «Member» braucht das Blatt?

Bis zum Jahresende wollte «bajour» immerhin stolze 2100 «Member» haben. Jahresende 2020, wohlgemerkt. Letzte uns ersichtliche News: da fehlten dann noch 248. Wir wünschen und hoffen für «bajour», dass die noch eintrudelten. Ohne uns auf weitere Zahlen abstützen zu können, hoffen wir zudem, dass «bajour» diese Zahl bis heute verdoppeln konnte. Dann wären es also 4200, wir legen noch 800 drauf, damit es runde Zahlen gibt. 5000 Member, mal 40, das sind, Moment, den grossen Taschenrechner gezückt, das sind 200’000 Franken Einnahmen. Fehlen bloss noch 800’000, um die geschenkte jährliche Million zu ersetzen.

Kein Wunder, dass der Elan deutlich nachlässt, angesichts eines unerreichbaren Ziels. Schade nur, dass wieder mal Millionen sinnlos verröstet werden.

Journalismus. Deutsch. Gut.

Ich habe mir «Die Zeit» gekauft. Hätte ich nicht tun sollen.

Was für ein Format. 56,5 auf 39,5 cm. Aufgeklappt gar 79 cm breit. Keine Lektüre in der S-Bahn zur Stosszeit. Aber der Inhalt entspricht dem Format: übergross.

Vielleicht ist die Ausgabe vom 2. September 2021 ein absoluter Höhepunkt des Schaffens der «Zeit»-Redaktion. Auf jeden Fall sind das bestens investierte Fr. 8.50. Wenn man bedenkt, dass für nicht viel weniger Geld beispielsweise die Schweizer Samstags- und Sonntagszeitungen den Leser mit ihrem Flachsinn belästigen, wird’s einem ganz anders.

Schon die beiden Frontkommentare zu möglichen Bündnissen nach den deutschen Parlamentswahlen (was für ein schlanker Titel: «Nein», zu einer Koalition mit den Linken): reines Lesevergnügen. Der zweite ist ein Essay zum Thema «Dummes Geld». Zum Problem, dass immer mehr Firmen als Grossaktionäre Fonds haben, die keinerlei Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen wollen – und können.

Oder wie das der Autor auf den Punkt bringt: «70 gegen 13’000.» An so viel Unternehmen ist der weltgrösste Fondsanbieter BlackRock beteiligt; überwacht wird das von 70 Mitarbeitern.

Es gibt noch etwas zu Afghanistan zu sagen

Dann zwei Seiten zu Afghanistan; wer meinte, hier sei nun wirklich alles gesagt worden, wird eines Besseren, Intelligenteren belehrt. Die nötigen Kontakte zu den Taliban im Zusammenhang mit fundamentalistischem Terrorismus werden ausgeleuchtet. Die interessante Frage beantwortet, wieso Frankreich für ein Mal nicht am «Debakel» in Afghanistan bis zum Schluss beteiligt war. Sondern schon vor Monaten damit begann, eigene Kräfte und afghanische Helfer auszufliegen.

Wofür die Regierung dann von NGOs kritisiert wurde. Die Vorhersagen von einer nahenden Katastrophe seien «ohne Zweifel überzogen», die Gefahr «nicht akut», schimpfte noch am 17. Mai die NGO «Afrane». Der rechtzeitige Rückzug sei «das falsche Signal», die Bevölkerung könne den Eindruck gewinnen, Frankreich gebe das Land auf. So kann man sich täuschen.

Dann eine Seite intelligente Abhandlung der Frage, ob der Westen in Afghanistan wirklich «gescheitert» ist, ob der Abzug nicht auch eine Chance biete, von der «wir können militärisch überall eingreifen und die Demokratie herbeischiessen»-Haltung abzurücken. Nebenbei ist der Essay illustriert mit dem wohl bedrückendsten Foto des Abzugs. Die US-Soldatin Nicole Gee hält ein afghanisches Kind in den Armen und betrachtet es mit so freundlicher Zuneigung, im Widerspruch zu ihrer Kriegsausrüstung. Wenige Tage später stirbt sie beim Terroranschlag am Kabuler Flughafen.

Zwei mal Nicole Gee: Wenn Humanes auf Brutales trifft.

Dann folgen zwei Seiten Artikel zu den Grünen und der CDU. Basierend auf langjährigen Kenntnissen, Wahlkampfbegleitung, fundierter Beschreibung; Analyse statt Meinung. Wenn man vor allem Schweizer Gazetten liest, hält man so etwas gar nicht mehr für möglich. «Historisch wird handlich, und die Klimakrise schrumpft zum technischen Projekt.» Präziser hat kaum jemand das Problem der grünen Kanzlerkandidaten auf den Punkt gebracht.

Und unter all den Verabschiedungen von Angela Merkel ragt «Die Methode Merkel» auch wie ein intellektueller Leuchtturm heraus.

Wer die Probleme Polens mit dem Rechtsstaat und einer unabhängigen oder parteitreuen Justiz verstehen will, muss die Reportage «Nahkampf um den Rechtsstaat» lesen. Weil es noch eine Reportage von vor Ort ist, und weil Kenntnis und Wissen dahinterstecken.

Überragend dann die Aufmacherstory des «Dossier» der «Zeit»

All das verblasst aber gegen den Inhalt des «Dossier». Ein ehemaliger US-Folterknecht von Guantánamo wird mit seinem damaligen Opfer zusammengebracht. Dahinter steckt eine jahrelange Reportage. Die Initialzündung war der Wunsch des ehemaligen Gefangenen Mohamedou Slahi, seinen damaligen Peiniger kennenzulernen – um ihm zu vergeben.

«Die Zeit» spürte diesen Mr. X auf – bis heute ein gebrochener Mann, der nicht verwinden kann, was er als gehorsamer Soldat im Dienst seiner Regierung tat. Er ist heute noch überzeugt, dass sein damaliger Gefangener ein manipulativer Terrorist ist, dem er dennoch Unrecht angetan hat.

Opfer (links) und Täter. Oder Sieger und Verlierer?

Die beiden Schicksale, die Suche nach der Wahrheit, nach Wahrheiten, das sind journalistische Sternstunden auf drei Seiten. Da verschmerzt man leicht, dass im anschliessenden «Schweiz»-Split zwei Klimaforscher interviewt werden.

Im Feuilleton wird die Eröffnung eines Museums in seiner Geburtsstadt Rimini zum Anlass genommen, des gigantischen italienischen Filmemachers Frederico Fellini zu gedenken. Wie das nur ein Autor tun kann, der dessen Werk auswendig kennt, von «Amacord» zu «La Strada» springen kann, natürlich «La Dolce Vita», dabei so vieles weglassen muss im filmischen Schaffen dieses Ausnahmegenies, das wie wohl kein anderer die italienische Seele und ihre Entwicklungen, Verwicklungen verstanden und auf die Leinwand gebracht hat.

Auch wenn man selbst Fellini-Fan ist, bietet der Artikel Neues und Interessantes. Dann noch ein Interview mit Slavoj Zizek. Das ist nun meistens ein Selbstläufer, aber man muss auch beharrlich intelligente Fragen stellen, um den eher mürrischen Geist zu Hochformen auflaufen zu lassen.

Auch darüber, dass man sich bei Veränderungen an eigenen Texten nicht so anstellen soll, denn die sollten «eine solide Grundlage haben» die Eingriffe überlebt. Schlagfertige Frage am Schluss: «Gilt das auch für dieses Interview?» Schlagfertige Antwort:

«Ja, drucken Sie, was Sie wollen. Mir egal, ich will das auf keinen Fall vorher noch mal sehen!»

Es gäbe noch so vieles zu erwähnen

Dabei haben wir den Wirtschafts– und Wissensbund noch gar nicht erwähnt, auch nicht das Special «Entdecken», ein wunderbares Gefäss, dazu noch das «Magazin», neben dem seine schmalbrüstigen Schweizer Namensvetter eigentlich aus Anstand Selbstmord begehen sollten.

Kann man meckern? Aber immer. Die Lektüre hat den halben Arbeitstag kaputt gemacht. Denn statt Nötiges, aber Unwichtigeres zu tun, legte man sich einfach mit der «Zeit» in die Sonne und wurde von ihr erleuchtet, zumindest erhellt. Sicherlich bereichert.

Aber eben, welch schmerzliche Rückkehr in die Niederungen des eidgenössischen Schaffens. Man sollte sich die Lektüre solcher Blätter (auf Englisch gibt es auch noch ein paar) nur in homöopathischen Dosen gestatten. Sonst wird man Opfer einer typisch deutschen Krankheit, die all die nicht befällt, die eher selten von des Gedanken Blässe angekränkelt werden: Weltschmerz.

Hilfe, mein Papagei onaniert XIV

Unsere Sammlung; diesmal: gute Ansätze, die leider im Absurden enden.

Guter Ansatz und «watson»? Bei einer «Analyse» von Philipp Löpfe? Doch, Wunder gibt es immer wieder. Denn Löpfe zieht wie das Jüngste Gericht über das neue Abtreibungsgesetz im US-Bundesstaat Texas her.

Guter Ansatz, denn die USA sind neben vielem anderen das Heim für absurde und bescheuerte Gesetze. Die führen dazu, dass Alkoholika nur in braunen Tüten im Auto mitgeführt werden dürfen, küssen in der Öffentlichkeit verboten ist oder das Rauchen in den eigenen vier Wänden.

Oder aber, in Texas eine Abtreibung nach der sechsten Schwangerschaftswoche vorzunehmen. Schlimmer noch, alle daran Beteiligten bis hin zum Taxifahrer können mit drakonischen Bussen überzogen werden; jeder darf einen solchen Vorgang denunzieren und bekommt allenfalls sogar noch eine Belohnung dafür.

Dagegen tobt Löpfe, natürlich zu Recht. Schon wackeliger wird seine «Analyse» wenn er behauptet:

«Wer es sich leisten kann, kann jederzeit in ein Flugzeug steigen und die Abtreibung in einem liberalen Bundesstaat vornehmen lassen. Frauen, die drei Jobs ausführen müssen, um vier Kinder zu ernähren, haben diese Option nicht.»

Nun, es muss ja nicht ein Flugzeug sein; allerdings kostet ein Roundtrip mit Greyhound nach San Diego zum Beispiel doch 400 Dollar. Ein One-way-Ticket kostet hingegen mit einer Cheap Airline schlappe 49 $. Geht.

Guter Ansatz, dann aber verdribbelt

Abgesehen davon, dass dieses Gesetz höchstwahrscheinlich nicht Bestand haben wird, denn es verbietet faktisch auch Abtreibungen nach Vergewaltigung oder Inzest: in den USA gibt es noch genug Bundesstaaten, die sehr liberale Abtreibungsgesetze haben – wie Kalifornien. Trotz dieses Gesetzes sind die USA immer noch eine Demokratie.

«Warum Texas schlimmer als China ist»

blödelt Löpfe jedoch im Titel, und das versucht er auch im Text aufzufangen. Schade aber auch, guter Ansatz. Aber verstolpert, vergeigt, verkackt.

Apropos, dieser Bericht über eine Schweizer Skulptur in Moskau ist hingegen lustig:

Sieht für Kunstbanausen wie ein Haufen Kacke aus.

Das Zentralorgan der unaufgeregten Nachrichten vermeldet angebliche Verkaufsschwierigkeiten an der Goldküste. Es geht um die Villa des Ex-CS-CEO Tidjane Thiam. Nach seinem unfreiwilligen Abgang schrieb er seine Villa in Herrliberg zum Verkauf aus, kä Luscht mehr auf die Schweiz.

Bis hierher bewegen wir uns noch auf gesichertem Boden. Ein Luxus-Immobilienhändler führte die Villa auf seiner Webseite und pries sie dort im handelsüblichen Jargon an. Nun aber, wie den knallharten Rechercheuren von «Blick» nicht entging, ist es weg, das Inserat:

Ohä. Dabei ist Thiam «laut Notariat» immer noch Besitzer der Liegenschaft. Was ist da los? Guter Ansatz, aber dann geht’s mitten ins Gebüsch. Denn weiter sind die Rechercheure nicht gekommen. Überraschenderweise will der Immobilienmakler nichts sagen, Thiam stand auch nicht zur Verfügung, als wäre hier eigentlich Ende Gelände.

Schon zwei Telefonate gemacht, das muss eine Story werden.

Ausser, man beginnt zu spekulieren. Will Thiam doch wieder in die Schweiz zurück? Hat er keinen Käufer gefunden? Ist der verlangte Preis zu hoch? Oder könnte es gar Rassismus sein, will keiner einen Schwarzen als Vorbesitzer?

Man weiss nichts Genaues und verläuft sich in Absurdistan. Dabei wäre die naheliegendste Spekulation leider die unspektakulärste: Es wurde ein Käufer gefunden, aber die Handänderung dauert halt noch ein Weilchen. Da gilt aber die alte Boulevard-Regel:

Recherchier oder spekulier deine Story niemals zu Tode.

Apropos, auch das hier ist so eine Nullmeldung:

Gesundheitszustand, Grund für die lange Abwesenheit, wird er wieder zurückkehren? Genaues weiss man nicht, aber daraus kann man doch einen Artikel basteln.

Gut, direkt kann CH Media nichts dafür. Aber das Wanner-Imperium hat geradezu grobfahrlässig eine Gastkommentatorin publiziert. Es handelt sich um Susanne Wille. Wie sagte SRF-Direktorin Nathalie Wappler bei derem Antritt als neue Kulturchefin:

«Susanne Wille verbindet journalistische Kompetenz und Kulturaffinität.»

Das war nun nicht wirklich ein guter Ansatz, da beides bezweifelt werden muss. Mit ihrem Gastkommentar gibt Wille diesen Zweifeln neue Nahrung.

Wille fordert mehr Satirikerinnen. Also mehr Bildschirmpräsenz für weibliche Satiriker. Öhm. Dafür könnte sie doch eigentlich als Kulturchefin sorgen? Also bezüglich Logik müssen wir Wille schon mal ein «ungenügend» geben. Kommen wir zum Einstieg in den Kommentar, wie jeder Journalist weiss, ist das die halbe Miete, will man gelesen werden. Will Wille?

«Eigentlich müsste ich diesen Text mit einem bissigen Spruch oder einem knackigen Witz beginnen. Nur überlass ich das jenen, die das besser können. Insbesondere den Frauen, denn in diesem Text geht es um Satire von Frauen.»

Nennt mich Macho, aber auch hier muss man sagen: «setzen, ungenügend.» Dann mäandert sich Wille durchs Thema. Es gebe schon Satirikerinnen in der Schweiz. Auch gute. Aber dann doch nicht. Oder schon, oder so. Ach, überhaupt:

«Es braucht beides. Gute Satiriker und gute Satirikerinnen. Aber es braucht für beide gleich viel Platz auf der Bühne, in TV- und Radiosendungen und im Netz.»

Ja um Willes willen, wenn Wille schon die Quoten-Satirikerin einführen will, was ja Anlass zu Satire wäre, dann soll sie das doch einfach tun. Damit wäre allen gedient, vor allem den Lesern von CH Media.