Obduktion der NZZaS

Papiermangel, schlecht, Hirnschmalzmangel, schlechter. Hintergrund ohne Hintergrund.

«Hintergrund» ist eine Ansage, von der NZZaS sowieso. Tiefe Denke, gute Schreibe, bereichernde Gedanken, Einsichten und Ansichten. Könnte man meinen, sollte man erwarten, wird aber in der aktuellen Ausgabe zum Witz. Wenn man die Definition von Freud heranzieht, dass ein Witz aus einer enttäuschten Erwartungshaltung entsteht.

Im «Hintergrund» vom 17. Oktober gibt es genug Witze für eine ganze Comedy-Show. Allerdings wohl nicht absichtlich zubereitet.

Witz 1: Markus Bernath sinniert aus der neutralen Schweiz heraus, wie denn die EU mit Polen und Ungarn umzugehen habe. Denn das wissen die vielen Eurokraten in Brüssel und Strassburg nicht, daher leiht ihnen Bernath ungefragt seinen Sachverstand. Der rät der EU, die beiden Staaten schlichtweg rauszuschmeissen.

Nur: wie? Den Ausschluss, Rausschmiss ist – «nicht vorgesehen», muss er einräumen. Aber, Bernath weiss Rat: gingen die beiden bösen Buben nicht freiwillig, «könnte die Kommission sie auch aus der EU mobben». Echt jetzt? Das rät die NZZ, tapfere Verteidigerin des Rechtsstaats?

Aber wie auch immer, Bernath weiss: «Die EU sitzt am längeren Hebel.» Na, dann geht’s doch, «was nicht heisst, dass sie die Auseinandersetzung nicht auch verlieren könnte». Ja was denn nun?

Die Polen und die Ungarn wollten gar keinen Austritt, weiss Ferndiagnostiker Bernath, also dann doch:

«Die Union kann das Kräftemessen mit den Rechtspopulisten in Warschau und Budapest deshalb gewinnen.»

Gewinnen, verlieren, kann man so oder so sehen.

Ach, und was ist eigentlich der Anlass für die guten Ratschläge? «Dass nationales polnisches Recht über dem Eu-Recht stehen soll, kann die Kommission nicht akzeptieren.» Damit liefert Intelligenzbestie Bernath gleich noch den besten Grund nach, wieso die bilateralen Verhandlungen am Schluss gescheitert sind. Denn wie Polen kann das auch die Schweiz nicht akzeptieren.

Witz 2: Laut Martina Läubli sei die Bestsellerautorin Sally Rooney «verstrickt im Widerspruch». Ja in welchem denn? In einem? In vielen, diagnostiziert Läubli. Zunächst: Rooney will zurzeit keine hebräische Übersetzung ihres dritten Werks, angeblich als Protest gegen die «Unterdrückung der Palästinser durch den Staat Israel». Kann man machen, wo ist da ein Widerspruch?

«Rooney lehnt die Übersetzung ihres Buches in Russland oder China nicht ab, wo die Menschenrechtsverletzungen aber ähnlich schlimm sind

Super, wird Israel freuen zu hören. Abgesehen davon ist das kein Widerspruch, sondern einfach eine Entscheidung einer Autorin. Aber nun müsse sich Rooney fragen lassen, donnert Läubli, «ob sie denn eine Antisemitin» sei. Mag sein, dass Flachdenker sie das fragen, aber wieso auch Läubli?

Damit nicht genug, die Autorin sei durch ihre Bestseller reich geworden, «gleichzeitig bezeichnet sie sich als Marxistin». Will Läubli damit wirklich sagen, dass zwischen dem Verwenden der marxistischen Ideologie und Reichtum ein antagonistischer Klassenwiderspruch bestehe? Nein, so ein primitives Unterstellen wollen wir einer NZZaS-Autorin nicht unterstellen. Oder doch?

Weitere «Widersprüche»: Die Autorin steure nun «auf Bürgerlichkeit zu». Ist ja furchtbar widersprüchlich, wie äusserst sich das denn? Hui, sie hat sich «ein Haus gekauft und ihren langjährigen Partner John Prasifka geheiratet». Das sind ja nun schreiende Widersprüche. Oder hört man hier Dummheit schreien?

Witz 3: Damit nicht genug, in der Medienspalte, zu der die einstmals angesehene Medienkritik der NZZ geschrumpft ist, ist wieder Felix E. Müller dran, der Garant für die alte Wahrheit, dass was nicht viel kostet, nicht viel wert ist.

Denn der schreibende Rentner will an zwei Beispielen aufzeigen, dass es in der Schweiz gar nicht so einfach sei, einen «Skandal» herbeizuschreiben. Hämisch mokiert er sich über die Bemühungen von Tamedia, unterstützt vom Schweizer Farbfernsehen, das mit den «Pandora Papers» zu probieren. Ging nicht, während die NZZ, Selbstlob stinkt nie, lediglich «die Hintergründe dieser internationalen Kampagne» ausgeleuchtet habe. Während die «Weltwoche» das Ganze sogar als «substanzlose Pseudo-Aufregung» bezeichnet habe. Wie ZACKBUM übrigens auch, aber diese Plattform mag Müller nicht.

Die WeWo hingegen habe versucht, die «amourösen Eskapaden nach Kräften» zu skandalisieren. Dann habe sich das Wochenmagazin darüber beschwert, dass die anderen Medien «angeblich von Bersets Verirrungen gewusst, aber nicht darüber geschrieben» hätten.

«Das ist allerdings falsch»,

trompetet Müller, «haben doch alle anderen Medien das Thema aufgegriffen». Doch die «Sache» halt nicht «als dramatisch» beurteilt. Was nun allerdings völlig falsch ist. Kein Medium – obwohl es in Bern die Spatzen von den Dächern pfiffen – hatte die «Sache» vor der WeWo aufgenommen. Und am Erscheinungstag dauerte es bis in den Abend, bis sich die übrigen Medien von ihrer Schockstarre erholt hatten und zögerlich, sofort Partei ergreifend, darüber berichteten.

Damit wird die Kolumne von Müller auch nicht zum Skandal. Aber er hat einen weiteren Sargnagel ins hoffentlich bald erfolgende Ende seiner Schreibkarriere geschlagen.

Vorher meldet er sich allerdings in der gleichen Ausgabe nochmals auf einer Doppelseite zu Wort. Das ist dann im Vergleich zu einer Kleinkolumne ein grosser, doppelter Sargnagel.

 

Fortsetzung folgt sogleich.

Ex-Press XLVII : Blubber-Blasen

Blüten aus dem Mediensumpf.

Diesmal widmen wir uns, Überraschung, herausragend blöden Meldungen und Aussagen. Nein, diesmal fangen wir nicht mit «watson», sondern mit dem «Blick» an.

Der hat es geschafft, den Alt-Milliardär Hansjörg Wyss zu einem Videochat zu bewegen. Früher wäre das unter Sozialdienst für ältere Mitbürger durchgegangen, heute heisst das «Phantom-Milliardär bricht sein Schweigen».

Was bricht das Phantom so? Nun, die üblichen Anekdoten aus dem Leben eines Milliardärs:

«Zugegeben: Wir sind auch etwas verwöhnt und haben die Möglichkeit, mit meinem Flieger gefahrlos beispielsweise nach Kalifornien zu fliegen.»

Das ist schön für ihn, was hält er denn so von der Schweizer Corona-Politik und der SVP? «Da fehlt es an Intelligenz.» Gut hingegen, dass Wyss aushelfen kann, zum Beispiel mit seiner intelligenten Meinung zur EU: «Der Bundesrat hätte niemals die Verhandlungen abbrechen sollen. Das kann ich nicht verstehen, so etwas macht man doch nicht.»

Und wenn man es macht, was passiert dann? «Wir werden wie Pakistan behandelt werden.» Die Schweiz, das Pakistan Europas, furchtbar. Aber nochmals zur dummen SVP: «Diese Partei ist eine grosse Gefahr für die Schweiz und hat nicht erkannt, dass wir in einer international vernetzten Welt leben. Der SVP ist es am wichtigsten, dass die Schweizer Fahnen in jedem Dörfchen wehen.»

Gut, lassen wir Wyss mit seinem Flieger problemlos wegfliegen. Hat der «Blick» noch mehr zu bieten? Aber sicher, da wäre ja noch der Niederländer Jan-Egbert Sturm. Denn «nur wenige kennen und verstehen die Weltwirtschaft so gut wie» der Leiter der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Ausserdem ist er «seit Februar 2021 Vizepräsident der Corona-Task-Force des Bundes».

Was für eine Erkenntnis dieser Koryphäe der Weltwirtschaft, kann man nicht oft genug wiederholen:

«Es kann schon noch einige Monate dauern, bis die Lieferengpässe beseitigt sind.»

Wer über den Weltwirtschaftsversteher schmunzelt, tut Sturm aber Unrecht. Denn das stimmt, und daher unterscheidet sich diese Aussage von all seinen Konjunkturprognosen für die Schweiz. Mit denen liegt er nämlich nicht mal im 50 zu 50 Schnitt. Sondern haut prinzipiell daneben. Daher trägt sein Institut in Fachkreisen auch den Übernamen DOF.

Doch, einer geht noch. Die «Blick»-Knutschkugel Alain Berset hat herausgefunden, dass wir in einer «unkonventionellen Krise» stecken. Wahnsinn, aber daher braucht es auch unkonventionelle Massnahmen wie das Spritzengeld von 50 Franken. Aber gut, wenn das den Kantonen nicht passt, dann kann man’s auch lassen. Deswegen hat der «Blick» seinen Liebling nicht weniger lieb.

Wir gehen nun an die Spitze – des Alphabets

Nein, liebe «watson»-Fans, wir gehen nun alphabetisch vor, und obwohl der Wanner-Clan hinten im Alphabet steht, die «Aargauer Zeitung» ist ganz vorne und ganz nah:

Wie steht es denn nun mit den Räben, und was hat ein Kohl-Bauer damit zu schaffen? Im Artikel selbst entfaltet sich hier eine sozusagen jede Krume umdrehende Reportage. Denn der Kohl-Bauer baut die Kohl-Art Räben an. Hätten wir nicht gewusst. Und wie eine Nachfrage beim Präsidenten des Bauernverbandes ergibt: «Der Räbenertrag ist sehr gut und vergleichbar mit dem letzten Jahr.» Also alles kein Problem:

«Wer noch Räben brauche, solle sich also bei ihm melden, fügt er an.»

Auch weitere knallharte Recherchen, so bei der Migros Aare, fördern keine Räben-Knappheit zu Tage. Wieso um Himmels willen gibt es dann in Niederlenz keinen «Räbeliechtliumzug»? Damit müsste doch dieser Artikel enden, um jede Menge Journalistenpreise abzuräumen. Aber: «Die Schule Niederlenz war aufgrund der Herbstferien nicht für Nachfragen erreichbar.»

Hatte so gut angefangen …

Hat denn CH Media noch weitere Höhepunkte zu bieten? Schlägt das dem Fass die Krone ins Gesicht, den Boden aus und überhaupt?

Geht so? Ach, aber schliesslich hat CH Media ja noch seine Geheimwaffe, die publizistische Leiter nach unten:

Nein, das hat nichts mit Jolanda Spiess-Hegglin zu tun. Nein, das ist auch soweit inhaltlich korrekt, was zwar bei Pascal Hollenstein erstaunt, aber vorkommen kann. Das Problem ist nur: die Story ist alt. Uralt. Steinzeitalt. Wurde überall schon gespielt. Gähn. Schnarch. Aber wenn man im Impressum gleich unterhalb von Gottvater Wanner steht, traut sich halt keiner, auf solche Details aufmerksam zu machen.

Hat Hollenstein das hier nach 40 Tagen erblickt?

Gut, ZACKBUM gibt zu, «watson» böte auch heute wieder jede Menge Spass und Tollerei. Aber manchmal muss man stark und streng sein, nein sagen können.

Wir greifen nun nicht tiefer, sondern höher

Deshalb nicht ein Griff ins Klo, sondern nach oben. Genau, da kann es nur the one and only geben:

«Doch es wäre fast», auch Eric Gujer leidet etwas unter dem Problem, dass fast ein Wunder nötig wäre, damit sich jemand traut, an seiner Titelgebung leichte Kritik anzubringen. Das gilt natürlich auch für Texte seiner Göttergattin, selbst wenn die gemeinsame Hotelaufenthalte beschreiben.

Einfach zum Mitschreiben: wenn etwas fast wäre, dann ist es nicht, wird es nicht, denn Wunder gibt es immer wieder, wie der Schlager weiss, aber fast sind sie eben nicht zu haben. Und wieso «doch» hier überleiten soll, ob es als Adverb, Konjunktion oder gar Partikel gebraucht wird, da fehlt Heuer dann schon schmerzlich.

Aber, wer gelegentlich zweifeln sollte, ob die NZZ nicht weiterhin das Sprachrohr des Grosskapitals, der Finanzhäuser, des Bürgertums, der Kapitalisten sei, hier wird er beruhigt:

Es menschelt aber auch immer wieder in der NZZ:

Wir wollen diesen Dreisprung aber versöhnlich ausklingen lassen. Alleine dieses Angebot, und das ist nur ein Ausschnitt, zwei weitere Dreistöcker folgen noch, dann Videos und weitere Empfehlungen, also alleine dieses Angebot eines Augenblicks enthält mehr Stoff als in CH Media, Tamedia und «Blick» in einer Woche erscheint. Und nein, wir machen uns keine grossen Hoffnungen, unter Gujers Regentschaft jemals wieder in der NZZ schreiben zu dürfen.

Reiner Hass

Deutsche und Österreicher: schwierig. Darunter leidet der Tamedia-Leser.

Es geht doch nichts über eine klare Meinung. Pardon, Kommentar heisst’s in der «Süddeutschen Zeitung», wenn’s die Qualitätsmedien von Tamedia übernehmen, wird’s zur «Analyse». Am Inhalt ändert sich dabei nichts (ausser natürlich, dass ß zu ss wird, wozu hat Tamedia auch noch eine Auslandredaktion).

Cathrin Kahlweit zieht hier vom Leder, dass es eine Unart hat. Der Verfolger alles Antisemitischen Maxim Biller hatte mal eine Kolumne, die «100 Zeilen Hass» hiess. Daran muss sich Kahlweit ein Beispiel genommen haben.

Der Kommentar aber auch …

Der Nachfolger von Kurz? «Schneller kann man sich in einer staatstragenden Rolle nicht disqualifizieren.» Die zukünftige Rolle von Kurz? Er wird «wie ein Sektenführer im Hinterzimmer die Devise für die Regierungspolitik» ausgeben «und seine Anhänger ausströmen, um sie devot zu verbreiten und auszuführen». Das System Kurz?

«Die «neue Bewegung» mit ihrem «neuen Stil» war auf Sand gebaut. Nun versinkt sie in demselben – weil sie, wie die meisten populistischen Bewegungen, um eine medial konstruierte Lichtgestalt herum gebaut war, die zum gefallenen Engel wurde.»

Kurz im internationalen Vergleich? «Man muss den 35-jährigen Berufspolitiker nicht überhöhen, indem man ihn mit politischen Zerstörern wie Donald Trump oder Jair Bolsonaro vergleicht. Der Populismus des irren US-Amerikaners hat zu einer tiefen Spaltung der Gesellschaft … Selbst der «kleine Diktator» (Copyright Jean-Claude Juncker)Viktor Orbán taugt letztlich nicht als Vergleich.»

Denn merke: «Die ÖVP-Geschichte ist viel armseliger.» Schlussakkord:

«Solange man sich durch schmierige Deals mit Boulevardblättern Meinung kaufen kann, wird Österreich eine käufliche Republik bleiben.»

Nun ist es wohlfeil, einem Zurückgetretenen noch nachzutreten. Als die gleiche Kahlweit den damaligen Aussenminister Sebastian Kurz 2017 für die SZ interviewte, pflegte sie noch einen anständigen Umgangston und war offensichtlich vom Jungstar durchaus angetan. Auch seinen Aufstieg zum Parteichef im gleichen Jahr begleitete Kahlweit mit freundlichen Kommentaren («Shootingstar»).

Gestern so, heute so, morgen anders

Aber wen interessiert denn schon mein dummes Geschwätz von vorgestern, mag sich Kahlweit gesagt haben. Allerdings sollte ein Kommentar, erst recht eine «Analyse», etwas enthalten, wofür der Leser auch bereit sein könnte, Geld abzudrücken: analytische Spurenelemente.

Denn Meinung ist ja gut und schön, das «System Kurz» kurz und klein zu hauen, kann sicher Spass machen. Nur: wieso Kahlweit zu diesen bahnbrechenden Erkenntnissen nicht schon kam, als sie mit allen anderen im Chor vom jungen Shootingstar schwärmte, bleibt ihr süsses Geheimnis.

Dass eine «Analyse» eine Untersuchung sein sollte, mit der unter Anwendung klarer Kriterien geordnet und ausgewertet wird, was soll’s. Offenbar ist inzwischen auch in der politischen Betrachtung ein Körperteil in den Fokus des Interesses getreten. Der eigene Bauchnabel.

Entscheidend ist die eigene Stimmungslage

Die eigene Befindlichkeit, das Ich, die persönliche Stimmungslage, meine Meinung, damit wird der Leser belästigt. Dass der sich vielleicht aufgrund einer Lektüre eine eigene Meinung bilden könnte und sollte: ach was, das ist so was von old school. Wo kämen wir da hin. Der Leser muss belehrt, erzogen und gelenkt werden. Sonst käme er gar noch auf eigene, daher falsche Gedanken.

Ausserdem wird so die Welt und alles schön übersichtlich, kategorisiert, kartografiert, fassbar. Trump («irrer US-Amerikaner»), Orban («kleiner Diktator»), Bolsonaro («politischer Zerstörer»), Österreich («käufliche Republik»).

Dazu noch ein Schuss New Speak von Orwell (in anderem Zusammenhang: Impfzwang ist freiwillig), und schon hat die sogenannte Qualitätspresse einen weiteren Sargnagel eingeschlagen.

Um genauso holzschnittartig zurückzugeben: bezüglich Käuflichkeit sollte sich gerade die «Süddeutsche» sehr zurückhalten, wie ein Blick in ihre Vergangenheit zeigt. Solche argumentationsfreien, überheblichen, besserwisserischen, abqualifizierenden Seelenrülpser einer Rechthaberin im Nachhinein braucht es weder als Kommentar, noch als Analyse. Und wirklich lustig ist diese Selbstzerstörung auch nicht.

Zu früh für Papiermangel

Glanz und Elend nah beieinander: Kevin Brühlmann sucht und leidet.

Wir haben ihn gelobt. Sein Recherche-Stück über den Kommunisten-Jäger Ernst Cincera war erstklassig. Das hätte Brühlmann doch einfach so stehenlassen können.

Aber nein, noch vor dem Papiermangel gab ihm Tamedia Platz für eine «persönliche Betrachtung». So kommt auf einer Zeitungsseite ziemlich viel Elend zusammen, bis hinunter zum Elendsinserat einer Organisation, die offensichtlich zu viel Geld zum Verbraten hat.

Oben grau, unten grässlich: da hofft man auf Papiermangel.

Wenn diese Nicht-Werbung den Text darüber bezahlt, kann man wirklich von einer schlimmstmöglichen Wendung im dürrenmattschen Sinne sprechen.

Denn die «Betrachtung», die besser in «mein liebes Tagebuch» versenkt worden wäre, behandelt den Besuch Brühlmanns des neueröffneten Erweiterungsbaus des Kunsthauses Zürich. Darüber haben nun schon so ziemlich alle geschrieben, nur eben Brühlmann noch nicht.

Mit den Versatzstücken eines Pseudo-Artikels

Szenischer Einstieg, muss man machen, das weiss er, also erfindet er eine «Frau in den Fünfzigern», die im Garten hinter dem Kunsthaus sitze und «einen gespritzten Weissen» trinke. Tat zwar niemand, aber macht ja nix, Kunst ist frei.

Die Besucher weniger, denn vom «Flachdach herunter filmen Kameras die Bürgerinnen, die dieses Gebäude grösstenteils finanziert haben», beobachtet Brühlmann mit Adlerauge. Was ihn noch mehr erschüttern dürfte: auch diese Kameras wurden von den Bürgerinnen (allerdings auch von den Bürgern) bezahlt, zudem sind sie Bestandteil einer nicht unnötigen Überwachung des öffentlichen Raumes und des Inhalts des Kunsthauses im Speziellen.

Natürlich sagt ein Mann in der Bührle-Sammlung:

«Da steht ja gar nichts über seine Waffengeschäfte mit den Nazis.»

Den ganzen Saal, der das thematisiert, haben sowohl der Betrachter wie der Mann, den er erfunden hat, wohl übersehen.

Dann will Brühlmann, und da kommt Kunst halt leider von können, salopp-ironisch werden; nachdem er Angelesenes zu Bührle nachgereicht hat, schliesst er

«und ja, ein bisschen Raubkunst verfolgter jüdischer Kunsthändler war dabei, aber nichts Störendes».

Keine Ahnung, aber viel Meinung haben, eine unerquickliche Mischung.

Geht’s noch schlimmer? Immer. Denn Brühlmann erwartet von sich selbst nun noch künstlerisch Wertvolles. Also macht er sich über «Earth Beat» her, genauer über ein Kunstwerk von Joseph Beuys, «sozialkritischer Aktionskünstler und Feind des Kapitals». Was man mit Googeln so alles herausfindet.

Auf jeden Fall hängt dessen Werk «an einer grauen Wand, wie alles an uferlosen grauen Wänden hängt. Und das uferlose Grau neutralisiert. Macht aus den Kunstwerken blosse Bilder ohne Geschichte. Darum ist Beuys hier tot. Und Bührle zum Leben erweckt.» Hä? Also wenn man Bührles Sammlung ohne Geschichte betrachtet, dann wäre die doch auch tot. Oder nicht? Oder wohl?

Betrachtungen eines unverstandenen Unverständigen

Ach, lassen wir das, sagt sich Brühlmann, es fehlt doch noch etwas. Genau, nach der Kapitalismus-Kritik die Rassismus-Kritik. Wie bestellt sagt da eine weitere Kunstfigur, «ich finde auch schlecht, dass man nicht mehr Negerli sagen darf. Zehn kleine … ja, was soll man jetzt sagen?» Da denkt es in Brühlmann, und das kann er dem Leser nicht vorenthalten: «Gedanke: Einfach die rassistische Scheisse lassen. Antwort: «Schwarze.» «Das haben sie doch auch nicht gern.»»

Damit ist der Rassismus-Kritiker aber schachmatt gesetzt, noch die Sammlung Merzbacher geguckt, im Internet darüber schlau gemacht: «stammt aus jüdischer Familie in Deutschland, Flucht 1939 in die Schweiz (Eltern im KZ ermordet), verweigerte Einbürgerung, dann Pelzhandel-Millionär und Kunstsammler. Blick nach oben, zur Bührle-Sammlung. Uff. Wo ist der Ausgang?»

Pennälerscherze nannte man solche pubertären Anwandlungen früher.

Man merkt, nicht der Neigung, sondern der Pflicht gehorchend muss Brühlmann nun zum Ende kommen, maximale Anzahl Buchstaben verbraucht. Aber verflixt, Schlusspointe, das muss genauso sein wie der szenische Einstieg. Alle finden den gut beschilderten Ausgang problemlos, nur Brühlmann nicht:

«Eine Sicherheitsfrau zeigt auf ein grün-weisses Schild. Notausgang.»

Den hätte der Autor allerdings schon ganz am Anfang nehmen sollen. Dann wäre seine Reputation als cleverer Rechercheur intakt geblieben. Oder wie heisst es so schön: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Denn Kunst ist nicht für jedermann.

«100 Liter Milch produziert»

ZACKBUM ist hart im Nehmen. Aber das war fast zu viel.

Das, was früher einmal «Das Magazin» war, heute aber nur noch so heisst, führt den Leser in nichts weniger als in das «Herz der Finsternis». So heisst ein Roman von Joseph Conrad, genial übertragen und verfilmt von Francis Ford Coppola mit «Apocalypse now».

Da spricht Kurtz, niedergesäbelt, als Summe des Lebens, seines Erlebens die Worte «the horror, the horror». Niemals war Marlon Brando eindringlicher als in dieser Rolle. Nun fragt sich sicherlich männiglich und auch fraulich, wer war Conrad, was ist «Das Herz der Finsternis», und wer sind denn die anderen Figuren und Namen?

ZACKBUM fühlt mit.

Aber das wollen wir Paula Scheidt, Finn Schlichenmeier und Franziska* Schutzbach nicht vorwerfen. Scheidt ist Redaktorin beim «Magazin», Schlichenmeier Autor bei der «Zürcher Studierendenzeitung» (was besonders schmerzt, weil wir uns noch an den «ZS», den «Zürcher Student» erinnern, als deutsche Syntax und richtiger Sprachgebrauch noch etwas bedeuteten). Schutzbach hingegen ist «eine der wichtigsten feministischen Stimmen der Schweiz».

Doppeldeutiges im Lead, aber was soll’s.

Der breiten Öffentlichkeit wurde diese feministische Kreische durch Aussagen wie diese bekannt: «Keine Anzeigen mehr in der Weltwoche, Taxiunternehmen und Fluggesellschaften sollten keine Rechtsnationalen mehr transportieren, Veranstaltungsorte und Hotels keine SVP-Parteizusammenkünfte mehr in ihren Räumlichkeiten zulassen. Mikrofone können auch einfach ausgeschaltet werden. Fernsehsender müssen keine rechten Talkgäste einladen. Zeitungen nicht mehr über sie berichten.» Ausserdem outete sie sich als Antidemokratin,

indem sie Redeverbot oder Boykott für «rechtsnationale Politiker» forderte, selbst wenn «diese gewählt wurden».

Auf die Frage von «watson», ob sie als Taxifahrerin Roger Köppel am Strassenrand stehenlassen würde, antwortete sie: «Ja, ich denke schon

Eine ellenlange Würdigung der Antidemokratin

Anschliessend ruderte sie zurück, das habe sie nur satirisch gemeint. Zudem treibt sie sich im Umfeld der hassbereiten Kämpferin gegen Hass und Hetze im Internet, Jolanda Spiess-Hegglin, herum. Also eine, sagen wir mal etwas kompromittierte Stimme des Feminismus. Das hindert «Das Magazin» aber nicht daran, ihr neustes Buch mit einem ellenlangen Interview zu würdigen.

Der Titel lautet «Die Erschöpfung der Frauen. Wider die weibliche Verfügbarkeit». An die männliche Erschöpfung beim Lesen eines solch wirren Gesprächs denkt Frau aber nicht. Die (uralte) These in einem Satz: Durch Doppelbelastung sind Frauen erschöpft. Sowohl im Beruf wie im Privaten. Wie äussert sich das? Nun, Frau muss an den Geburtstag des Arbeitskollegen denken oder «im Büro die Blumen giessen».

Echt jetzt? «Genau», sagt Schutzbach, «es existiert also eine gewisse Gefahr auszubrennen, die klar mit historisch gewachsenen Geschlechterrollen zusammenhängt.» Dann gibt Schutzbach tiefe Einblicke in die privaten Aufgaben von Frauen: «Ein kranker Grossvater muss auch nachts zur Toilette begleitet werden, ein Kleinkind wird nie geplant krank, sondern immer unvorhergesehen.»

Frau als Opfer oder als Kunstwerk?

Wie wahr, und da sich der Mann in solchen Fällen einfach umdreht und weiterschnarcht, den kranken Opa ins Bett urinieren lässt, kümmert sich halt die Frau. Aber auch die Interviewerin verblüfft mit speziellen Ursachen von Erschöpfung:

«Manchmal erwähne ich, dass ich nach der Geburt meiner Zwillinge innerhalb von vier Monaten weit über hundert Liter Milch mit meinen Brüsten produziert habe. Alle reagieren überrascht.»

Wo liegt die Wurzel der Erschöpfung? Bei Adam Smith, ungelogen

Aber genug der Erschöpfung, wo liegen eigentlich die Wurzeln des Übels? Überraschung, bei Adam Smith. Echt wahr. Der war nebenbei der Begründer der modernen Wirtschaftslehre und schrieb mit «Der Wohlstand der Nationen» ein bahnbrechendes und bis heute nachwirkendes Werk. Aber aus feministischer Sicht ist etwas ganz anderes an seinem Leben bemerkenswert:

«Der Wegbereiter des heutigen Wirtschaftsliberalismus hat sein Leben lang bei seiner Mutter gewohnt. Sie hat alle Mahlzeiten gekocht, seine Wäsche gewaschen, das Arbeitszimmer geputzt. Er hätte merken müssen, dass seine Produktivität erst durch eine Frau möglich wird, die hunderte von Stunden gratis arbeitet. Aber nichts davon ist in seine Theorien eingeflossen.»

Kochte, wusch und putzte nicht: Adam Smith

Nun, genauer gesagt lebte Smith (1723 bis 1790) als Erwachsener von 1767 bis 1776 im Haus seiner Mutter. Da die Familie nicht unvermögend war, ist eher weniger anzunehmen, dass sich seine Mutter – und nicht Bedienstete – um Küche, Wäsche und Putzen kümmerten. Aber wieso soll man sich von der Realität feministisches Geschwurbel kaputtmachen lassen.

Aber gut, deswegen schrieb wohl Smith diese Werk und nicht seine Mutter, sie war einfach erschöpft. Wie kann man dem abhelfen? «Wir sollten Familienarbeit als Projektmanagement betrachten.» Aha, sonst noch Ratschläge? Aber immer: «Zwanzig Stunden Erwerbsarbeit pro Woche muss reichen.»

Wir gestehen alles

Nun müssen wir ein Geständnis machen. Eigentlich, Berichterstatterpflicht kann herausfordernd sein, wollten wir bis zum bitteren Ende durchstehen. Als dann noch Rollenbilder, Catcalling, Penisneid und all das Panoptikum der feministischen Uralt-Topoi kamen, verzichteten wir auch aufs Querlesen und beschlossen, dass unsere Erschöpfung nur durch den sofortigen Abbruch der Lektüre kuriert werden kann.

Gnadenlos erschöpfend: Franziska* Schutzbach.

Vielleicht wiederholen wir uns, aber: eine Redaktion, die nicht nur eine Titelgeschichte über Schamlippen zulässt, sondern auch einen solchen Sprachmüll seitenweise über den Leser ausgiesst, hat jede Kontrolle über den Inhalt ihres Organs verloren. Sie hat ihre eigentliche Aufgabe, die Leserbespassung oder zumindest -unterhaltung, völlig aus den Augen verloren. Und durch Leserquälen ersetzt. In einem Ausmass, um das sich eigentlich der Gerichtshof für Menschenrechte kümmern müsste.

*Red. Nach Leserhinweis korrigiert. ZACKBUM fordert seinen Redaktor auf, sich zur Strafe einen Monat lang Arthur Zeyer zu nennen.

«Im Sinne Kants»

Wie in Tamedia über die Neueröffnung des Zürcher Kunsthauses geschnödet wird.

Kunst kommt bekanntlich von Können. Und von Kennen. Aber das braucht ein Kunstkritiker von Tamedia doch nicht. Es verblüfft allerdings, dass der altgediente BaZ-Kulturredaktor Christoph Heim ansatzlos über die Hauptausstellung des Erweiterungsbaus herfällt: «Das Kunsthaus Zürich verkauft sich».

Wie denn das? Da wird die Sinnsuche schwierig.

«Mit der Sammlung Bührle wird das Museum zum Schaufenster privater Sammler. Das ist ein Rückschritt in feudalistische Zeiten.»

Und das junge Publikum habe nichts davon.

Pfui; das interessiert ein junges Publikum doch nicht.

Der Waffenhändler und Kunstsammler Emil Bührle ist seit Langem aufs engste mit dem Kunsthaus verbandelt. Schon 1958 finanzierte er den damaligen Ausbau, nun hängt eine Auswahl seiner gigantischen Kunstsammlung als Leihgabe im Erweiterungsbau. Wie auch die Sammlungen von Werner Merzbacher und anderen.

Das stört Heim weniger. Auch dass ein eigentlicher Dokumentationsraum die Biographie und die Geschäfte Bührles nachzeichnet, seine Waffenexporte und das Entstehen seiner Sammlung, das vermag Heim nicht milde stimmen.

«Interesseloses Wohlgefallen» (im Sinne Kants)

Das Kunsthaus sei nun ein «Schaufenster privater Sammlungen wie die Museen des 18. Jahrhunderts». Na und? Stört Heim weniger, dass die private Fondation Beyeler in Riehen zurzeit eine grossartige Goya-Ausstellung beherbergt, natürlich grösstenteils mit privaten Leihgaben bestückt, die dadurch öffentlich zugänglich werden?

Ein «interesseloses Wohlgefallen (im Sinne Kants)» sei bei diesen Bührle-Bildern nicht möglich, schwurbelt Heim. Ohne hier auf die «Kritik der Urteilskraft» des spätfeudalistischen Denkers Immanuel Kant von 1790 einzugehen: das hört sich irgendwie tief und gut an, hat aber mit dem Ausstellen von Gemälden schlichtweg nichts zu tun.

Kant (gest. 1804): kann sich nicht mehr wehren.

Denn Heim hätte seinen Ansatz auch ehrlicher und einfacher formulieren können: Er findet es ziemlich scheisse, dass die Sammlung von Bührle hier öffentlich ausgestellt wird. Was beinhaltet, dass es ihm lieber wäre, wenn sie nicht angeschaut werden würde, obwohl das der Erhebung und Erbauung (auch Kant) dient.

Der Kritiker lässt keinen Stein auf dem anderen

Heim gefällt einfach nichts an dieser Neueröffnung. «Meritokratischer Erinnerungsort», «gemahnt an eine Shoppingmall», «Privatsache des Zürichbergs», also eigentlich alles furchtbar.

Wenn das alles falsch ist, wie sollte, könnte es denn richtig, besser werden? Na, einfach Heim fragen: «Für die Zukunft wäre es aber wichtig, wenn das Museum mit seinen Ausstellungen zu einem zentralen Forum demokratischer und ästhetischer Auseinandersetzungen würde, das auch die jüngere Generation interessiert.»

Die Kunst-Shoppingmall von aussen.

Dunkel raunt der Kritiker, inhaltsschwer und unverständlich

Ohä, da sagt der Leser vorsichtig: interessanter Ansatz. Was man halt so sagt, wenn man nur Bahnhof versteht. Aber Heim definiert auch gnadenlos, was ein modernes Kunsthaus (im Gegensatz zu einem postfeudalistischen) sein soll:

«Dabei ist das moderne Museum schon längst kein selbstgenügsames Bilderlager mehr, sondern, um das mit Begriffen der Kommunikationswissenschaft zu sagen, ein Sender, der mit Kunst ein überaus diverses, in verschiedene Gruppen zerfallendes Publikum erreichen muss.»

Oder um das in den Begriffen der Erkenntnistheorie im Zeitalter des Postdekonstruktivismus, im Luhmannschen Sinne und mit einem Sprutz Baudrillard zu sagen, nicht ohne auf den zu Unrecht vergessenen Louis Althusser zu rekurrieren: auch im Kunsthaus muss der herrschaftsfreie Diskurs (Jürgen Habermas) eingefordert werden! Das meinte auch schon Michel Foucault, aber der war homosexuell.

Eigentlich müsste jeder Besucher beweisen, dass er die «Ästhetik des Widerstands» von Peter Weiss gelesen hat, bevor er eintreten darf.

Oder auf Deutsch: welch ein geschmäcklerisches Kritikastern, aufgeblasen, aber ohne Sinn und Verstand. Völlig am Interesse und Geschmack des Publikums vorbei, dem in immer trüberen und immer kunstferneren Zeiten immerhin ein grosses Stück Teilhabe an sonst unerreichbaren Kunstwerken offeriert wird.

Das ist auch bitter nötig, angesichts des jämmerlichen Zustands, in dem sich das Feuilleton von Tamedia befindet. Wer eine Nora Zukker zur Literaturchefin ernennt (und erträgt), hat eigentlich jedes Recht auf Kunstkritik verwirkt.

 

Tiefflieger Loser

Niemand ist vor ihm sicher. Konkurrenten, Bundesräte, die Justiz. Wo bleibt das Qualitätsmanagement?

Tamedia ist furchtbar stolz darauf, dass angeblich die Qualität der Produkte streng und objektiv und unabhängig kontrolliert werde.

Dass diese «Qualitätssicherungsmassnahmen» vom ehemaligen Tagi-Chefredaktor Res Strehle verantwortet werden, dem wohl schlimmsten Wendehals der Schweizer Publizistik, was soll’s.

Dass der letzte Rapport zufällig dann erschien, als 78 Tamedia-Frauen sich wie wild über unerträgliche Zustände auf den Redaktionen beschwerten – und davon kein Sterbenswörtchen im Bericht stand, was soll’s.

Dass die Corona-Kreische Marc Brupbacher ungeniert Bundesräte und überhaupt alle, die ihm nicht passen, anrempeln kann («völlig übergeschnappt»), was soll’s.

Gnädig gegen sich selbst, hart gegen die Wahrheit.

Aber dann haben wir noch Philipp Loser. Die Allzweckwaffe des Hauses. Höchstens noch egalisiert von Andreas Tobler, dem Versteher von Mordaufrufen. Allerdings nur, wenn sie sich gegen Roger Köppel richten. Toblers neuer Schwerpunkt ist Frauenverstehen.  Beide sind immer gerne bereit, Konzernjournalismus zu betreiben. Tobler kläfft gegen Jonas Projer, wenn der Chefredaktor der NZZaS wird («widerspricht auch dem Qualitätsanspruch der «NZZ am Sonntag» – und der linksliberalen Positionierung des Blattes».)

Wohlgemerkt lange, bevor Projer sein Amt antrat. Da will auch Loser nicht hintanstehen. Der drosch schon so unfair und ungehemmt auf den Konkurrenten Hanspeter Lebrument ein («Über dem «Alten vom Berg» sollen «Geier kreisen», aus dem «Palast Lebrument» sei ein «MausoLöum» geworden»), dass das selbst die tiefliegende Latte der «unter jeder Sau»-Qualität bei Tamedia riss. Der Artikel wurde aus dem Archiv gespült, Loser musste zum «Alten vom Berg» kriechen und sich entschuldigen.

Wieso allerdings all den vielen Qualitätskontrolleuren vor Publikation nicht auffiel, was für ein Schmierenstück das war – und dass der Angerempelte nicht mal Gelegenheit erhalten hatte, Stellung zu nehmen –, nun Qualitätskontrolle ist nicht so einfach.

Nun ist die Schweizer Klassenjustiz fällig

Bei anderen schon, denn nun nimmt sich Loser die Justiz vor. «Gnädig gegen rechts, hart gegen links», behauptet er in seiner Kolumne, als wäre in der Schweiz die alte Klassenjustiz wiederauferstanden. Dass das in der Weimarer Republik kritisiert wurde, zum Beispiel von Carl von Ossjetzky, Kurt Tucholsky und Ernst Ottwalt, dazu würde Loser wohl sagen: Was ist denn die Weimarer Republik? Und wer waren denn die?

Er lamentiert über die Verfolgung von Sibel Arslan. Denn sie vereine «drei Feindbilder rechter Politik. Sie ist eine junge, unabhängige Frau. Sie hat einen Migrationshintergrund. Sie ist links».

Jung, unabhängig, links mit Migrationshintergrund.

Das mag so sein, aber was hat das mit «seltsamen Ermittlungen gegen eine Nationalrätin» zu tun? Alles das Gleiche, behauptet Loser. Das zeige sich «in den Kommentarspalten der Online-Medien», ebenso bei «unangebrachten Sprüchen von rechten Ratskollegen» und eben, in einer Untersuchung der Basler Staatsanwaltschaft. Denn die erdreistete sich, dem Parlament den Antrag auf Aufhebung der Immunität als Nationalrätin zu stellen. Ein nötiger Schritt, um allenfalls Einvernahmen durchführen zu können.

Denn es bestand der Anfangsverdacht, dass sie an einer unbewilligten Demonstration teilgenommen habe, behauptet Loser. Allerdings nicht als «Freiheitstrychlerin». Wenn bei solchen Demonstrationen nur schon «Ueli, Ueli» gerufen wird, bekommt Bundesrat Ueli Maurer gleich eine rein, dieser Zeusler, Zündler und Gefährder des Friedens im Lande.

Der Antrag gegen Arslan wurde abgelehnt, also könnte die Karawane weiterziehen. Zurück bleibt aber Beller Loser. Hart gegen links, blind gegen rechts, als Beleg kann Loser die Meinung eines Christian von Wartburg anführen: «Es darf keinen Moment auch nur den Anschein machen, dass eine so mächtige Behörde wie die Staatsanwaltschaft nicht streng nach Strafprozessordnung vorgeht.»

Ein Jurist und SP-Grossrat auf Stammtischniveau

Von Wartburg ist Grossrat für die Basler SP und «Präsident der parlamentarischen Oberaufsicht» in Basel. Nun ist er auch Jurist und sollte daher wissen, dass Anschuldigungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden mit grosser Vorsicht und noch grösseren Belegen vorgebracht werden sollten.

Sonst herrscht Stammtischniveau. Die einen regen sich über angeblich zu hartes Vorgehen gegen Arslan auf. Die anderen beklagen, dass den illegalen Besetzern des Bundeshausplatzes nichts passierte, dass sogar Blockierer vor einem Eingang der CS dank edler Motive Freisprüche geschenkt werden.

Für Loser «bleibt allerdings ein banges Gefühl zurück nach einem Fall wie jenem in Basel». Er stellt sich und seinen Lesern die bange Frage: «Durchaus möglich, dass auch andere Strafverfolgungsbehörden der Schweiz politisierte Entscheidungen treffen. Ob es dort auch jemand bemerkt?»

Ob Loser etwas bemerkt? Arslan wurde nicht wegen Teilnahme an einer Demonstration strafrechtlich verfolgt, sondern wegen des Verdachts der Behinderung einer Amtshandlung. Ist etwas anderes. Loser führt kein einziges Beispiel für Kuscheljustiz gegen Rechte an. Kann er auch schlecht, denn bei Demonstrationen der Massnahmenkritiker kommt es regelmässig zu Verhaftungen und Anzeigen.

Was tut Loser also da? Er senkt das gesenkte Niveau von Tamedia noch weiter ab. Ohne dass eine Qualitätskontrolle eingreifen würde. Aber wer nach seinem Blattschuss aus dem Hinterhalt gegen einen missliebigen Konkurrenten offensichtlich weiter unkontrolliert eine Kolumne bestreiten darf, ist der lebende Beweis dafür, dass es gar nichts zu kontrollieren gibt. Mangels Qualität.

«Gnädig gegen rechts»? Leere Behauptung ohne ein einziges Beispiel. «Hart gegen links»? Soll denn die Staatsanwaltschaft nicht mehr einem Anfangsverdacht nachgehen, auch gegen eine Nationalrätin? Dummes Gequatsche ohne Sachverstand. Wird sicherlich im nächsten Qualitätsbericht als herausragendes Beispiel für eine Meinungskolumne gelobt werden.

Tamedia: Probebohrung

Werden wir ganz objektiv. Auf dem Newsnet sind am 30. 9. haargenau 62 Artikel erschienen. Wertschöpfung?

Neben der Selbstbefriedigung des Autors, dem Verbreiten der richtigen Meinung oder dem Verteilen von guten Ratschlägen, an denen die Welt genesen soll, ist die Hauptaufgabe einer Newsplattform, Mehrwert zu schaffen.

In der neuen Rubrik Probebohrung untersuchen wir den Output eines Tages. Da wir leider keinerlei Hilfswillige, Kindersoldaten oder Sozialhilfemepfänger beschäftigen, wählen wir aus diesen Stücken per Zufallsprinzip 10 aus. Wobei wir uns bemühen, Ausland, Politik, Wirtschaft, Sport und Feuilletonistisches zu berücksichtigen.

Jedes Werk kann maximal drei Punkte erzielen. Für Authentizität (das konnte man sonst nirgends lesen), für Erkenntnisgewinn (das wusste man vorher so nicht) und schliesslich für die informative Bedeutung (die Mitteilung ist es wert, publiziert und gelesen zu werden).

Daraus ergibt sich ein maximaler Punktestand von 30. Ein Ergebnis von bis zu 15 Punkten bedeutet: durchgefallen. 15 bis 25: durchaus mit Gewinn zu lesen. Über 25: fucking world class, wie Chris von Rohr sagen würde.

Frisch ans erste Werk

  1. Gewalt gegen Ausländerinnen: «Es wäre besser gewesen, wenn er mich richtig verprügelt hätte». Das könnte interessant sein; zwei Fallbeispiele von Gewalt in der Ehe mit Ausländerinnen oder unter Ausländern in der Schweiz. Und die Probleme, die durch die an die Ehe gekoppelte Aufenthaltsberechtigung entstehen. Aber zäh ziehen sich «Republik»-verdächtige 26’000 A dahin, dennoch bleiben die Beispiele unvollständig und blass. Ein Punkt für Authentizität, einen halben für Erkenntnisgewinn. Score: 1,5.
  2. Streit bei den US-Demokraten: Sie hält Bidens Schicksal in den Händen. Eine Schmonzette vom SZ-Korrespondenten Hubert Wetzel über eine dissidente demokratische Senatorin. Leider null Punkte. Score: 1,5
  3. Lieferengpässe in Vietnam: On-Aktien stehen unter Druck. Der Artikel stammt aus der F&W, also kommt er auch nur auf null Punkte. Score: 1,5
  4. Rücktrittsgerüchte um Bundesrat: Die Nachfolger von Ueli Maurer stehen schon bereit – es sind fast alles Männer. Zwei Autoren rühren in der Gerüchteküche und präsentieren angebliche Nachfolgekandidaten. Halber Authentizitätspunkt, ein Erkenntnisgewinn, halbe Bedeutung, weil spekulativ. Score: 3,5
  5. Zürcher Kampf gegen Ölheizungen: «Das Energiegesetz führt zu keiner einzigen Leerkündigung». Sagt der grüne Baudirektor, dem der Autor nicht widersprechen will. Aber immerhin einiges an Informationen zusammengetragen. Daher 1 plus 1 plus 1. Score: 6,5
  6. Erklärungen vom Tornadoexperten: Wie es zum Tornado in Kiel kam. Das es sich hier um eine Zangengeburt handelt, merkt man schon dem holprigen Titel des Fremdbeitrags an. Also 0 Authentizität, ein halber für Gewinn und 0 für publikationswürdig, weil dieses Problem in Kiel durchaus interessiert, in Zürich weniger. Score: 7
  7. Aufschwung mit Tücken: Hat Sportklettern ein Sexismus-Problem? Wir kommen zur Sportberichterstattung. Exotische Sportart; eine deutsche SZ-Journalistin berichtet über einen Knatsch in Österreich. Das gibt leider null Punkte. Score: 7
  8. Britneys Vater als Vormund abgesetzt: Endlich frei. Ein Beitrag zum People-Journalismus des SZ-Mitarbeiters Jürgen Schmieder über den erfolgreichen Befreiungskampf von Britney Spears. Leider nix Authentisches, halber Erkenntnisgewinn und sagen wir grosszügig, dass das Thema interessiert, auch noch ein Punkt. Score: 8,5
  9. Kolumne Katja Früh: «Fuck, du bist alt geworden». Die virulente Kolumnitis muss auch berücksichtigt werden. Leider trifft es hier Katja Früh. Es geht irgendwie um Alltag, irgendwo um Langeweile, dann ein Tochter-Mutter-Ding, und schliesslich sehr viel Katja Früh betrachtet ihren Bauchnabel. Aber immerhin authentisch, daher insgesamt ein Punkt. Score: 9,5
  10. Tipps für die Wohnungssuche: So finden Sie selbst in Zürich eine neue Bleibe. Ausserhalb von Zürich kein weltbewegendes Thema, hier aber schon. Also authentisch, dank Tipps bereichernd, und publikationswürdig auf jeden Fall. Score: 12,5.

Leider ergibt diese völlig subjektive Auswahl mit immerhin nachvollziehbaren Kriterien einen Gesamtpunktestand, der nur das Verdikt zulässt: durchgefallen. Lag’s an der Auswahl? An der Subjektivität der Beurteilung? An den verwendeten Kriterien? Kann man alles anführen, wenn man sich das Ergebnis schönreden will.

Aber ZACKBUM bleibt dabei: Wenn das eine einigermassen repräsentative Auswahl des Online-Schaffens vom 30. September war, dann bekommt der Konsument nichts Adäquates dafür geboten, dass er seine Zeit – und Geld bei all den Artikeln hinter der Bezahlschranke – investiert.

Das würde sich mit einer zusätzlichen Subventionsmilliarde auch nicht ändern, im Fall.

«Blick» aufs Halszäpfchen

Aber von unten. Ringier setzt die Lobeshymne auf die Credit Suisse schamlos fort.

Vielleicht lag’s an der Fotografie, mit der der SoBli das Doppelinterview mit dem VRP Antonio Horta-Osório und dem CEO Thomas Gottstein von der CS begleitete.

Er war’s! Nein, der war’s! Nein, selber nein, nein du. Das Bildzitat des Grauens.

Darauf sehen die beiden, wir formulieren in Rücksicht auf das Legal Department der Bank vorsichtig, wie zwei ertappte Sünder, wie zwei Männer aus, denen es peinlich an der Seite des anderen ist. Dabei sollte doch die Message sein: Differenzen zwischen den beiden? Niemals, alles in Butter, alles gut. Alles happy, so wie die CS selbst.

Besonderen Wert wurde bei der als Interview verkleideten PR auf das Menschliche gelegt. Der Burn-out des VRP, das Golfhandicap des CEO, sind sie nicht sympathisch mit ihren kleinen Schwächen und Hobbys?

Nächster Akt: vierhändige Massage des VR-Präsidenten

Aber nach dem PR-Artikel ist vor dem PR-Artikel. Das Autoren-Dreamteam Guido Schätti und Nicola Imfeld macht weiter. Diesmal massiert es vierhändig den VR-Präsidenten. Einen menschlichen Übermenschen.

«Ein Chrampfer, der bis zum Letzten geht», «von filigraner Statur und vollendeter Eleganz», «im Gespräch strotzt der neue VR-Präsident vor Energie», «die Bank braucht eine solide Defensive und einen verlässlichen zweiten Aufschlag».

Irgendwie ist man froh, dass in der Schweiz gerade die Ehe für alle angenommen wurde.

Ein Leitmotiv ist ein Leitmotiv ist ein Leidmotiv

Der Mann ist nicht nur all das, er hat auch Visionen: «Die Bank sei weltweit eine der ganz wenigen, die im aktuellen Umfeld hervorragende Wachstumschancen hätten», zitieren ihn die Autoren hingerissen. «Dass seine Vorgänger dasselbe verkündeten, ohne zu liefern, lässt ​ihn kalt», natürlich, die waren ja auch nicht wie Horta-Osório.

Wie ist er denn nun? Dazu haben die «Blick»-Anhimmler das Leitmotiv des Tennismatchs gewählt. Ass, Doppelfehler, Aufschlag, wunderbar, das passt doch zu einem Tennisspieler wie Horta-Osório. Golf ist für Gottstein, aber hier geht’s um den Filzball. Und seine Drescher. Natürlich muss der VRP Roger Federer toll finden, den Werbeträger der CS. Aber, so vermuten die Autoren feinsinnig, eigentlich möge der VRP eher Rafael Nadal.

Der Chrampfer, der bis zum Letzten geht.

Das sei eben auch ein Chrampfer, aber damit der Ähnlichkeiten nicht genug: «Es gibt zwei Dinge, die den CS-Präsidenten António Horta-​Osório (57) mit dem Tennisspieler Rafael Nadal (35) verbinden. Beide sind falsche Linkshänder. » Nadal sei das antrainiert worden, Horta-Onório habe eine Verletzung dazu gezwungen. Wahnsinn, und das zweite Ding?

«Der neue CS-Präsident ist ein grosser Bewunderer Nadals.» Öhm, also Nadal ist ein grosser Bewunderer von sich selbst?

Interessant, interessant.

Ein Glücksfall für die CS, aber auch für den «Blick»?

Schätti und Imhof sind da klar orientiert; sie bewundern nicht sich selbst, denn für eine solche Schmiere wäre das auch oberpeinlich. Neben allen Versuchen, das Halszäpfchen von Horta-Osório von unten zu liebkosen, ziehen sie das Tennis-Leitmotiv mit unüberbietbarer Aufdringlichkeit durch: Der VRP sei eben «ein harter Arbeiter – wie sein Seelenverwandter Nadal –geblieben». Trotz Burnout, als er angetreten sei, die englische Bank Lloyds «vor dem Kollaps zu retten». Operation gelungen, aber Operateur anschliessend so ausgebrannt, dass er sich «in einer Klinik auskurieren» musste.

Nun wird alles gut: «Für die Credit Suisse könnte er ein Glücksfall sein.» Wunderbar, das kann die Bank auch dringend brauchen. Vermutlich beim Durchlesen fiel den beiden Autoren dann doch auf, dass sie vielleicht zu viel Schmiere aufgelegt hatten. Längeres Brainstorming, wir brauchen noch einen leicht kritischen Schluss, war offensichtlich die Vorgabe. Aber am besten im Tennis-Leitmotiv, sagte dann einer von beiden.

Et voilà: «Einen weiteren Doppelfehler wie bei Archegos und Greensill können sich weder Horta-​Osório noch Gottstein leisten. Die Aktionäre haben genug geblutet. Sie warten auf ein Ass.»

Man gestattet sich aber schon die Frage: Ob das wirklich gut kommt, wenn sich ein VRP derart peinlich im Qualitätsorgan der gehobenen Finanzberichterstattung «Blick» anhimmeln lässt?

Zündeln, zeuseln: Jacqueline Büchi

Blattübergreifende Kampagne: gebt BR Ueli Maurer Saures.

Normalerweise gibt es nicht viel Verbindendes zwischen der «Blick»-Gruppe und Tamedia. Bei der Kopfblatt-Sammlung unter der Ägide des «Tages-Anzeigers», der mit seiner Rumpfredaktion in Zürich den gesamten Inhalt der Blätter von Basel bis Bern bespielt, ergiesst sich eine dünne Einheitssauce in die Spalten allerorten.

Vieles davon ist nicht mal selber zusammengerührt, sondern wird tel quel von der «Süddeutschen Zeitung» in München übernommen. Einfach minus ß und so. Das sollte man aber zu schätzen wissen, denn es ist meistens verdaulicher als Selbstgebrautes.

Gerade hat sich die «Blick»-Gruppe auf Bundesrat Ueli Maurer eingeschossen. Auf «totalitäre Tendenzen» bei den Massnahme-Kritikern im Allgemeinen, so in der Tradition von Hitler und Stalin, schrieb ein völliger ausgerasteter Chefredaktor Gieri Cavelty.

Und liess es sich nicht nehmen, Ueli Maurer mit erfundenen Zitaten in die Pfanne zu hauen. Da kann nun der Tagi nicht abseits stehen, denn er verfügt über die Allzweckwaffe Jacqueline Büchi.

Nach Dialogverweigerung nun der Frontalangriff

Sie fiel schon in der Vergangenheit unangenehm auf, indem sie Dialogverweigerung mit Kritikern der offiziellen Corona-Politik forderte. Streng brach sie den Stab über der «Arena», die es doch sehr zu ihrem Missfallen gewagt hatte, ein einziges Mal auch abweichenden Meinungen Platz zu geben: «Doch was, wenn Aussagen verbreitet werden, die menschenverachtende Züge annehmen?»

Ja was wohl. Bereuen, Selbstkritik üben, nie mehr tun, meinte Büchi. Als hätte das nicht genügt, ihre antidemokratische Meinung, ihre Absage an Pluralismus unter Beweis zu stellen, darf sie nun in einer ebenfalls ausrastenden Tamedia nachtreten.

«Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich»,

warnt sie am Dienstag. Dabei wurde schon ausführlich gegen das angebliche Zündeln gefäustelt und polemisiert und getobt. Aber halt noch nicht von Büchi, und wer würde sich bei Tamedia schon trauen, einer Frau den Mund zu verbieten? Wer würde sich schon trauen, zu Büchi zu sagen: das ist eine antidemokratische Meinung, die zudem nichts Neues, dafür jede Menge Falsches enthält. Also bringen wir das nicht.

Das traut sich niemand, also muss der Leser leiden. Eigentlich sollten Tagi-Abonnenten einen Club der Masochisten gründen. Denn wer dafür bezahlt, sich quälen zu lassen, ist Masochist.

Büchi quält die Wahrheit und den Leser

Büchi arbeitet mit dem ganzen Instrumentarium einer begabten Quälerin. Maurer habe «das Kollegialitätsprinzip nicht nur geritzt, sondern es verletzt», «populistische Rhetorik wie aus dem Lehrbuch», «raunend berichtete er …»,

«in trumpesker Manier flirtete er zudem mit Verschwörungstheorien».

Kurzum: «was Maurer macht, ist brandgefährlich. Er sabotiert die Arbeit seiner eigenen Regierung.» Ist das alles? Aber nein, was dem Demagogen Daniel Ryser von der «Republik» recht ist, kann Büchi doch nicht zu billig sein:

«Was passiert, wenn der Kampf gegen die Corona-Massnahmen den verbalen Rahmen verlässt, liess sich in Deutschland beobachten: Dort erschoss ein 49-Jähriger einen Verkäufer, mutmasslich wegen der Maskenpflicht.»

Lesen wir hier richtig? Büchi setzt die Amoktat eines Irren in Deutschland mit den Auswirkungen einer Rede eines Schweizer Bundesrats in Beziehung? Nicht nur das, sie fordert mit der Strenge einer Domina Konsequenzen:

«Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.»

Bevor in der Schweiz dann mal der Bürgerkrieg ausbricht, angeführt von den «Friedenstrychlern» und Ueli Maurer: Gibt es denn auch bei Tamedia kein Schamgefühl mehr? Kein Gespür, wo die Grenzen des für ein Qualitätsmedium Erlaubten liegen?

Qualitätsmanagement, Schranken des Erlaubten?

Wo bleibt das vielgerühmte Qualitätsmanagement, wo sind die Kontrollinstanzen, die Filter, die solches verantwortungsloses, despektierliches und inhaltlich zudem falsches Schreiben kontrollieren, korrigieren, verhindern?

Ist es nun wirklich überall erlaubt, Aussagen zu verfälschen, demagogisch umzudrehen, um daraus eine Meinungssuppe zu kochen, die der Leser auslöffeln muss, auch wenn es ihm dabei hochkommt?

Offenbar ist das allgemeine Bemühen der grossen Medienclans der Schweiz und ihrer ausführenden Organe: tieferlegen. Niveau runternehmen. Den Bereich einer ernstzunehmenden Debatte verlassen. Alle Meinungen zulassen, so dumm, falsch und unqualifiziert demagogisch sie auch sein mögen. Hauptsache, sie passen ins Weltbild.

Folgen einer Bundesratsrede?