Tagi verdummt

Frauen an die Macht: furchtbar.

Natürlich riecht das streng nach Sexismus, aber wieso die Wirklichkeit schönschreiben: seit Raphaela Birrer die Macht übernommen hat und selbst Dumm-Kommentare verfasst, sind alle Dämme gebrochen. Neustes Beispiel: Angela Barandun. Die Dame «leitet seit 2023 die Zürich-Redaktion». Da sehnt man sich doch glatt nach Mario Stäuble zurück, was man nie gedacht hätte.

Denn nach längerem Nachdenken kommentiert Barandun den gewalttätigen Mob, der am Samstagnacht randalierend durch die Strassen zog und sinnlos Schäden anrichtete. Für die im Übrigen die Betroffenen selber aufzukommen haben.

Aber solche Details interessieren Barandun nicht, ihr geht um die grosse Frage: Wie soll man denen begegnen? Sie ist sich sicher, wie nicht: «Wir sollten diesen Kräften nicht den Gefallen tun, mit Repression zu reagieren, wie es zum Beispiel der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch fordert.» Wir täten ihnen damit einen Gefallen? Wie dumm ist das denn?

Weniger dumm als das Rezept von Barandun, wie man der sinnlosen Gewalt, die sie einleitend beklagt, begegnen sollte: «Stattdessen müssen wir eine klare Botschaft senden – und zwar wir alle. Wir wollen das nicht. Wir wollen keinen gewalttätigen Mob, der durch die Strassen unserer Stadt zieht.»

Wir alle sollen eine Botschaft senden? Wie das denn? Wenn ich mitsenden möchte, was soll ich tun? Auf die Send-Taste drücken? Mich auf die Langstrasse stellen und «ich sende» rufen? Die Umstehenden dazu animieren, mit mir zusammen zu senden? Jeder sein eigener Sender? Mit oder ohne Absender? Wie bescheuert ist das denn?

Aber Barandun teilt noch weiter aus; nach Jositsch kriegt auch die «grüne Stadträtin Karin Rykart» eine rein: wenn ihre Polizei und sie immer wieder sagten, «sie seien vom Gewaltpotenzial überrascht worden, sind sie entweder nicht ehrlich. Oder sie haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht.»

Nicht ehrlich? Also sie lügen? Sie sind vom Gewaltpotenzial in Wirklichkeit nicht überrascht worden? Und welche Hausaufgaben? Haben sie nicht klar genug gesendet?

Es gab Zeiten, da hätte irgend ein Verantwortlicher beim Tagi gesagt: so einen Brunz publizieren wir nicht, wir wollen uns doch nicht lächerlich machen. Aber heutzutage? Wer würde das wagen? Einer Frau gegenüber? Eben.

 

Der schrecklich mächtige Ermotti

Die CS sank dahin, die GV ging mit Gezeter über die Bühne. Wichtig ist anderes.

Wird der Schweizer Bundesrat noch lernen, was Contingent Convertible Bonds sind, abgekürzt CoCos? Wird VRP Lehmann dann mal wieder ohne Bodyguards rumlaufen? Traut sich Urs Rohner noch in die Öffentlichkeit (aber ja)? Werden die Klagen gegen das Rasieren von Aktionären und Investoren auf staatlichen Geheiss Erfolg haben?

Mit solchen und ähnlichen Fragen befassen sich die Schweizer Medien. Dabei senden und schreiben sie am Riesenelefanten im Raum vorbei. Niemand spricht in aller Klarheit aus: nun ist die UBS nicht mehr «too big to fail». Seit dem 19. März ist sie mehr als eine Monsterbank. Sie ist eine tödliche Bedrohung für die Schweiz.

Denn wenn dieser Riesendinosaurier umfällt, dann bröckelt das Matterhorn. Dann bricht die Schweiz zusammen. Dagegen wäre ein Bankrott der Credit Suisse zwar nicht Peanuts gewesen. Aber abwickelbar.

Die UBS/CS hat ein Bilanzvolumen von rund 1,6 Billionen Franken; das Doppelte des Schweizer BIP. Trotz 259 Milliarden Staatshilfe ist es überhaupt nicht gesagt, dass sie die Transplantation der CS verträgt und verdaut. Es wird nicht nur gegen staatliche Eingriffe geklagt. Die USA stehen bereits in den Startlöchern, angeblich in der Schweiz versteckte Russenmilliarden zu kriminalisieren.

Das wird teuer werden. Aber noch perverser: der gesamte Bankensektor der Schweiz trägt lediglich aufgerundet 5 Prozent zum BIP bei. Aber alleine die UBS bedeutet 100 Prozent Risiko, sollte sie straucheln.

Ihr Mastermind ist der Ire Colm Kelleher. Ihm ist die Schweiz ziemlich egal; er spricht die Sprache nicht, für ihn ist Swiss Banking höchstens ein Asset, mit dem man zusätzlich Geld verdienen kann. Wie knallhart er ist, haben die Bundeszwerge, die SNB und die FINMA bei den Verhandlungen schmerzlich erfahren.

Sozusagen vor dem roten Knopf sitzt allerdings Sergio Ermotti. Im besten (und unwahrscheinlichen) Fall produziert er keine Skandale und Flops. Dann können die Eidgenossen diesem Riesendinosaurier von unten zuschauen, wie er die Schweiz turmhoch überragt. Im schlechtesten Fall drückt Ermotti auf den roten Knopf, natürlich unabsichtlich.

Wenn’s dann die UBS in die Luft jagt, hinterlässt das einen Krater in der Schweizer Wirtschaftslandschaft, der alles zunichte macht, was seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde.

Ermotti ist schrecklich mächtig. Kelleher ist schrecklich mächtig. Ihr Bankdinosaurier ist so wichtig geworden, dass eigentlich jede Bundesratssitzung mit der bangen Frage beginnen müsste: Wie geht’s denn unserer UBS heute? Hoffentlich alles wohl?

Dieser Zustand war nicht alternativlos. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Ob die besser gewesen wären, werden wir nie erfahren. Aber es steht zu vermuten: alles wäre besser als ein schrecklich mächtiger Ermotti. Als ein schrecklich mächtiger Kelleher. Als ein schrecklich gigantischer UBS-Dinosaurier.

Denunziations-Maschinen

Soziale Medien werden zum Rache-Verstärker. Die Medien auch.

«Unter einer Denunziation versteht man das Erstatten einer (Straf-)Anzeige durch einen Denunzianten aus persönlichen, niedrigen Beweggründen, wie zum Beispiel das Erlangen eines persönlichen Vorteils. … Das Wort «denunzieren» hat noch eine weitere Wortbedeutung, nämlich „als negativ hinstellen, brandmarken, öffentlich verurteilen“.»

Die Definition des Begriffs aus Wikipedia ist einfach. Die Methode selbst ist abartig und widerwärtig. Dazu gibt es aus dem Jahre 1884 ein hübsches Gedicht, das das Wesen des Denunzianten auf den Punkt bringt:

«Verpestet ist ein ganzes Land,
Wo schleicht herum der Denunziant.
[…]
Der Menschheit Schandfleck wird genannt
Der niederträcht’ge Denunziant.»

Üblicherweise erfolgen Denunziationen anonym. Im Rahmen der «#metoo»-Bewegung hat sich aber ein neues Modell entwickelt. Der Denunziant steht mit seinem Namen hin, denunziert aber eine einzelne Person oder eine ganze Gruppe von nicht genannten Opfern. Herausragendes Beispiel ist dafür der «Protestbrief» von 78 erregten Tamedia-Mitarbeiterinnen, die über 60 angebliche Vorfälle als Beleg aufführten, dass im Konzern eine frauenfeindliche, diskriminierende, sexistische und demotivierende Stimmung herrsche.

Kleiner Schönheitsfehler: keine einzige dieser Denunziationen war verortbar. Es fehlten Umstände, Zusammenhänge, Zeitangaben. Daher konnte bis heute kein einziger Vorwurf verifiziert oder falsifiziert werden.

Eine Steigerung dazu stellt das dar, was gerade (und ausgerechnet) der linksradikalen deutschen Punkband «Feine Sahne Fischfilet» passiert. Sie muss sich damit auseinandersetzen, dass ein anonymer Blog anonyme und nicht einmal spezifizierte Vorwürfe angeblicher «sexualisierter Gewalt» mit angeblich 11 Opfern erhoben hat. Diese Denunziation tauchte im August 2022 im Internet auf und verfolgt die Band seither wie ein Gespenst.

Nicht nur für Patrizia Laeri sind solche Behauptungen sexueller Übergriffe ein wohlfeiles Transportmittel, um mal wieder in die Medien zu kommen. Solche Vorwürfe haben meistens drei Dinge gemein. Sie werden von einer Frau erhoben, sie liegen jenseits aller Verjährungsfristen in der Vergangenheit, sie wurden damals nicht aktenkundig gemacht, und sie richten sich zumindest öffentlich gegen unbekannt, gegen eine nicht genauer identifizierte Person. Damit wird jeglicher Klage oder Anzeige wegen Rufschädigung oder Ehrverletzung vorgebeugt.

Stellt sich in einer Untersuchung (die sich nach so vielen Jahren naturgemäss sehr schwierig gestaltet) heraus, dass sich der Vorwurf nicht erhärten lässt, zudem bei genauerer Betrachtung Widersprüche auftauchen, dann behauptet die Denunziantin, dass hier sicherlich schwerwiegende Fehler begangen wurden. Gerne deutet sie auch an, dass es sich um Männersolidarität handeln könnte.

Das Schweizer Farbfernsehen hatte es letzthin gleich mit zwei solcher Fälle zu tun. Einer betraf einen welschen TV-Starmoderator, der andere angeblich eine Führungskraft am Leutschenbach. Beide Denunziationen stellten sich als halt- und substanzlos heraus.

Die verschärfteste Version ist die öffentliche Hinrichtung mit Namensnennung in einem reichweitenstarken Titel. Das exerziert gerade eine gefeuerte Mitarbeiterin gegen ihren ehemaligen Chef und ihren Ex-Arbeitgeber durch. Beide hat sie öffentlich und mit Namensnennung denunziert, gegen den Arbeitgeber hat sie Klage eingereicht.

Besonders fatal ist hier noch, dass diese Denunziation im leserstarken «Spiegel» erschien, begleitet von einer fast zeitgleichen Veröffentlichung in der «Zeit» durch die offensichtlich mit der Denunziantin verbandelte Journalistin Salome Müller, die deren Behauptungen ungeprüft und im Indikativ übernahm. Zudem mit weiteren angeblichen anonymen «Zeugenaussagen» ausschmückte.

Hier zeigt eine genauere Überprüfung der konkret beschriebenen Vorwürfe, dass sie in ihrer grossen Mehrheit nicht haltbar sind, zum Teil aus der Lüge überführter Quelle stammen und von keinerlei namentlichen Zeugen bestätigt wurden.

Nicht einmal das mögliche und naheliegende Motiv der Urheberin – Rache, nachdem sie ihr Ziel nicht erreichte, den Posten des Angeschuldigten zu erobern und stattdessen gefeuert wurde – wurde vor Veröffentlichung zumindest überprüft.

Ob es sich um anonyme Anschuldigungen in den asozialen Medien oder um Behauptungen in den Mainstream-Medien handelt: immer entwickelt sich schnell ein ganzer Schwarm von Kolporteuren, die die Denunziation aufnehmen, ausschmücken, mit angeblichen (und natürlich auch anonymen) weiteren Zeugenaussagen unterfüttern.

In keinem dieser Fälle gelingt es jemals – unabhängig davon, ob die Vorwürfe erfunden und erlogen sind oder zumindest teilweise zutreffen –, den Geist wieder in die Flasche zu kriegen. Kann der Betroffene seine Anonymität wahren, hat er noch Schwein gehabt. In keinem einzigen Fall getraute sich ein so anonym Angerempelter, öffentlich hinzustehen und zu sagen: Ich soll der Täter gewesen sein, das ist aber erstunken und erlogen.

Obwohl oder gerade weil bei solchen Denunziationen die Beweisumkehr gilt. Nicht der Beschuldiger muss seine Behauptungen beweisen, der Beschuldigte muss seine Unschuld belegen können. Wie aber soll das ihm gelingen, da es sich meistens um Ereignisse handelt, die sich naturgemäss unter vier Augen, Ohren und zwei Körpern abspielten – sehr häufig vor vielen Jahren.

Nicht nur in der Schweiz gibt es erschreckende Beispiele für diese neue Denunziationskultur. Der deutsche Komiker Luke Mockridge wurde zu Unrecht der versuchten Vergewaltigung beschuldigt. Obwohl das Verfahren eingestellt wurde (eben typisch Männersolidarität), begleiten seine Tourneen seither Proteste, auch in der Schweiz, er soll gecancelt werden, von der Bühne verschwinden. Die Juso Zürich entblödeten sich nicht, gegen seinen Auftritt im Hallenstadion eine Petition zu starten.

Der US-Schauspieler Kevin Spacey verlor seine ihm auf den Leib geschneiderte Hauptrolle in «House of Cards»; bislang kam es zu keiner Verurteilung gegen ihn. Der schmutzige Scheidungskrieg zwischen Amber Heard und Johnny Depp endete trotz massiver Anschuldigungen gegen ihn mit seinem Sieg. Beschädigt blieben beide zurück. Dem 85-jährigen Morgan Freeman wurde vorgeworfen, vor vielen Jahren anzügliche Bemerkungen auf Filmsets gemacht zu haben. Schliesslich wurde Bob Dylan beschuldigt, vor fast 60 Jahren sexuell übergriffig geworden zu sein. Diese Klage machte ihn zum Rekordhalter, noch vor Dustin Hoffman, gegen den lagen die Vorwürfe lediglich rund 50 Jahre zurück.

Was all diesen Fällen gemeinsam ist: sie verhöhnen die Opfer wirklicher Belästigungen, Übergriffe, Vergewaltigungen. Vor den öffentlichen Gerichtshöfen der Moral werden gnadenlos und schnell gesellschaftliche Todesurteile ausgesprochen, Karrieren vernichtet, Menschen jahrelang wenn nicht lebenslänglich stigmatisiert.

Dass das Internet, die sozialen Plattformen dafür ungeahnte Möglichkeiten bieten, ist widerlich, aber wohl kaum vermeidbar. Dass sich auch sogenannte Qualitätsmedien daran beteiligen, allen voran und bedauerlicherweise der deutsche «Spiegel», ist abscheulich und wäre durchaus vermeidbar.

Dafür müssten sie sich nur an ein paar grundlegende Regeln des Handwerks erinnern. Motivlage des Anklägers. Faktencheck. Umfeldrecherche. Zeugenbefragung. Aufdecken von Widersprüchen. Und bei wackeliger Ausgangslage: Verzicht auf Publikation.

Aber seit der Unsitte der «Leaks» und «Papers», also das Arbeiten mit Hehlerware aus anonymen Quellen mit völlig undurchsichtigen Motiven, sind die Massstäbe eindeutig verrutscht. Nicht zum Wohle der Bezahlmedien …

Kläglich ist auch die Reaktion involvierter Medien auf Anfragen. Tamedia (wir wollen es bei diesem Begriff belassen) räumt lediglich ein: «Wir können bestätigen, dass eine Klage bei uns hängig gemacht wurde. Weitere Details dazu können wir nicht bekannt geben.» Also was genau Anuschka Roshani einklagte und wie sich Tamedia dagegen zu wehren gedenkt: Staatsgeheimnis. Auch die «Zeit», deren Mitarbeiterin Müller eine mehr als zwielichtige Rolle in der Affäre spielt, geruht nicht mehr, auf Anfragen zu reagieren. Ein Verhalten, das von Journalisten sonst gerne lauthals beklagt wird.

Besonders widerwärtig ist dabei, dass es auch rechtlich kaum Möglichkeiten gibt, sich gegen solche Denunziationen zur Wehr zu setzen. Was soll ein Gericht zu geschickt formulierten, viele Jahre zurückliegenden Vorwürfen sagen, die die Denunziantin damit begründet, dass es sich laut ihr so abgespielt habe oder sie zumindest eine Äusserung so empfunden habe?

Geradezu brüllend komisch ist eine Nebenwirkung dieser neuen Denunziationskultur. Viele Chefs entdecken hier den Vorteil des Grossraumbüros. Und sollten dennoch Gespräche zu heiklen Themen (ungenügende Arbeitsleistung, Kritik an einem Fehler, gar Kündigung) in vertraulichem Rahmen stattfinden, wird inzwischen immer ein Zeuge dazugerufen. Am besten weiblich und verlässlich. Damit die Kritisierte erst gar nicht auf die Idee kommt, mit einer Denunziation zurückzuschlagen.

Ausserdem getraut sich kein Mann, der noch bei Sinnen ist, in einen Lift einzusteigen, in dem sich eine einzige Frau befindet. Auch das Führen eines Tagebuchs drängt sich auf, mit wichtigen Eckdaten. So kann man dann beispielsweise den Vorwurf, es sei bei einer Jahre zurückliegenden Weihnachtsfeier zu anzüglichen Bemerkungen (oder gar Handlungen) gekommen, problemlos als Lüge entlarven, weil die Feier gar nicht stattfand – oder man gar nicht anwesend war …

Ringier räumt auf – oder ab

«IntegrityPlus» nimmt sich die «Blick»-Gruppe vor. Who?

Wenn die ersten beiden Schritte Vorboten von Kommendem sind, dann gute Nacht. Denn der «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer wurde aufgrund diffuser Anschuldigungen 6 Monate in eine Auszeit ohne Wiederkehr geschickt.

Der langjährige Ringier-Mitarbeiter und Ex-«Blick»-Chefredaktor Werner de Schepper wurde gar öffentlich exekutiert und Knall auf Fall abserviert.

Nun soll die gesamte «Betriebskultur» untersucht werden, oder wie das die zuständige Ladina Heimgartner wolkig umschreibt: «Im Zuge eines ‹Culture Audits› werden wir mithilfe externer Experten durchleuchten, wie es um die Unternehmenskultur innerhalb der Blick-Gruppe im Detail steht, und Massnahmen einleiten, die eine gesunde und offene Betriebskultur weiter fördern und langfristig verankern.»

Das ist nun ihr übliches Manager-Blabla, aber was soll hier genau passieren? «IntegrityPlus» soll zunächst einmal Befragungen durchführen. Integrity who? Das ist ein Zusammenschluss des Beratungskings Movis AG, ein stilles Monster mit «über 20 Beratungsstandorten in der ganzen Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein». Die Riesenbude berät meistens eher geräuschlos.

Nun soll das Unternehmen zusammen mit den Anwälten Rudin Cantieni die neue Bude IntegrityPlus aus der Taufe gehoben haben. VRP Martin Bircher ist gleichzeitig CEO der Movis AG und läuft ansonsten völlig unterhalb aller Radarschirme. Das gilt auch für Geschäftsführerin Marina Conte. Lediglich Linus Cantieni und Johann-Christoph Rudin machten zuletzt Schlagzeilen, als sie die Vorwürfe der gefeuerten «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani untersuchten (und grösstenteils als nicht belegbar abtischten).

Wieso nun ausgerechnet diese neue Entität (statt Movis solo oder Rudin/Cantieni, mit immerhin auch 14 Nasen) die «Blick»-Gruppe untersuchen soll, weiss wohl nur Heimgartner. Was denn nun genau untersucht werden soll, mit welchem Ansatz, mit welchem Personal – das wäre dann doch zu viel der Transparenz. Auch die Beantwortung der Frage, ob hier eine ordentliche Ausschreibung des Auftrags stattfand.

Auf wiederholte Nachfrage, ob für diesen sicherlich nicht billigen Auftrag wie es sich gehört Konkurrenzofferten eingeholt wurden, sagt Ringier lediglich: «Bei der IntegrityPlus AG handelt es sich um einen Zusammenschluss der Besten in diesem Bereich: der Movis AG und der Anwaltskanzlei RudinCantieni. Die Vergabe dieses Auftrages erfolgte Corporate Governance konform.»

Das ist die Transparenz, die man sich bei einer «gesunden und offenen Betriebskultur» wünscht.

Nach den erfolgten Hinrichtungen weiss jeder Mitarbeiter in der mehr oder minder glücklichen «Blick»-Familie zwei Dinge: Hier wird Material gesammelt, und alles, was du sagst, kann gegen dich verwendet werden. Und wer weiss, was die anderen über dich sagen

Und nicht vergessen: Integrität bedeutet Makellosigkeit, ihr Boulevard-Journis.

Unwürdige Veranstaltung

Der «Zürcher Journalistenpreis 2023» wird vergeben. Peinlich.

Da ZACKBUM niemals in Verlegenheit kommen wird, diesen Preis zurückzuweisen, kann keinesfalls Neid unterstellt werden, wenn wir uns über die diesjährige Veranstaltung lustig machen.

Lustig ist, dass mit Christof Gertsch und Mikael Krogerus zwei einschlägig bekannte «Magazin»-Journalisten auf der Shortlist stehen. Ob Gertsch wie bei der Preisverleihung vom «Schweizer Journalist» herumdrucksen wird, wenn man ihn nach der Affäre beim «Magazin» fragt? Und Krogerus das Thema wieder weiträumig umfahren wird? Oder wird man diesen Elefanten einfach kommentarlos im Raum stehen lassen?

Können zwei Journalisten überhaupt würdige Preisträger sein, die sich dermassen feige um eine Stellungnahme zu einem Skandal in ihrer Redaktion drücken? Denn entweder haben sie jahrelang zugeschaut, wie ihr Chef eine Mitarbeiterin übel behandelt hat. Oder aber, sie haben nicht das Rückgrat, deren Behauptungen öffentlich zu widersprechen. Beides Charaktereigenschaften, die eigentlich untauglich für einen Journalistenpreis machen.

Ebenso lustig ist, dass ein kompetenter Gastredner eingeladen wurde. Der soll zum Thema «Ohne Journalismus kein Geschäft» sprechen. Allerdings: vom Geschäft versteht er nach eigenem Eingeständnis nichts, deshalb ist er (als erster einer vollständigen Reihe) als Verwaltungsrat der «Republik» zurückgetreten. Entweder deswegen, oder er hat sich schlau gemacht, welche mögliche Haftungsfolgen durch die klitzekleinen Steuerprobleme des Organs auf ihn zukommen könnten. Und Journalismus, nun ja, wenn das beispielhaft sein soll, was 55 Nasen monatlich, wöchentlich, täglich so absondern? Was sollte man wohl von Constantin Seibt lernen, dem «Gründer und Reporter», in dessen Gründung die meisten Journalisten auf der faulen Haut liegen, viel zu viele Mitarbeiter zum unproduktiven Overhead gehören und exotische Stellen besetzen. Dessen Gründung gerade den gesamten VR verloren hat und seit Monaten von Chefredaktoren a.i. geführt wird. Dessen Gründung den Schwund an zahlenden Lesern mit einer Ausgabensteigerung in Millionenhöhe erwidert.

Aber eine gewisse Schamfreiheit und Indolenz gehörte schon immer zur Journaille.

Dumm und dümmer

Provokateur Rimoldi und die Folgen in den Medien.

Nicolas A. Rimoldi twitterte: «Florida erlaubt das verdeckte Tragen von Waffen ohne Lizenz. Bravo! Das Recht auf Selbstverteidigung ist ein Grundrecht. Wann zieht die Schweiz endlich nach?»

Da es kein Grundrecht auf das Erleichtern von Schulmassakern gibt, ist dieser Tweet an Dummheit schwer zu überbieten. Das öffentlich zu zelebrieren, ist allerdings ein Grundrecht. Die Nationalrätin der Grünen Meret Schneider unternahm einen gültigen Versuch und twitterte zurück: «Ach was, in Notwehr erstech ich den Rimoldi auch mit dem Sackmesser.»

Da gab sich Rimoldi plötzlich staatstragend: «Eine mutmassliche Morddrohung hat in einer Demokratie nichts zu suchen. … Die Terroristen vom Schwarzen Block wissen jetzt, was sie zu tun haben.» Und Rimoldi darf nicht einmal eine verdeckte Waffe tragen, allerdings ein Sackmesser. Aber er droht mit Anzeige. Schneider versuchte zuerst, das Ganze als (April)scherz abzutemperieren und verordnete sich dann selbst eine Auszeit auf Twitter.

Beide Tweets zeigen mal wieder, dass diese Plattform bestens geeignet ist, dass sich ansonsten zurechnungsfähige Menschen ins Elend twittern. Davon kann auch Mike «Arschloch» Müller ein Lied singen.

Interessant ist die leicht unterschiedliche Gewichtung in der Wiedergabe in den Mainstream-Medien. «Blick» bleibt weitgehend auf der nüchternen Beschreibungsebene: «Nicolas A. Rimoldi zeigt Meret Schneider wegen Tweet an». «20 Minuten» gibt daraufhin die «Blick»-Meldung beinahe eins zu eins wieder.

Dann widmet sich die Pendlerzeitung den absehbaren Reaktionen aus der Politik. Schneider wird von einer anderen Grünen verteidigt («ironischer Spruch in einem ironischen Zusammenhang»), von der FDP heisst’s, Schneider müsse sich entschuldigen, die Mitte sucht die Mitte: Es sei gut, dass Schneider den Tweet gelöscht habe.

Dann zieht «Blick» auf seine Art nach: «Grünen-Nationalrätin erhält Morddrohungen nach umstrittenem Rimoldi-Tweet». Mit dieser Aussage (ohne Überprüfung) wird sie zitiert, der «Blick» schliesst verteidigend: «In ihrem auf absehbare Zeit letzten Twitter-Post erhält Schneider auch viel Unterstützung. Es wird auf die Verantwortung von Medien verwiesen, wie über solche Drohungen zu berichten. Auch Rimoldi-Anhänger werden in die Pflicht genommen. «Auf seine Fanboys kann sich der Rimoldi verlassen», so ein User. «Was für eine Saubande.»»

Dann steigt «watson» etwas wirr in die Debatte ein. Das Geschehene wird rekapituliert und um einen weiteren Angriff Rimoldis ergänzt, der fordere «die SP Dielsdorf und Juso-Präsident Nicola Siegrist auf, sich von einem Juso-Politiker zu distanzieren, der Schneiders Sackmesser-Aussage weiterzog. Er twitterte: «Also ein Schweizer Sackmesser in seinem Hintern (Rimoldis) sollte keine Ironie sein, sondern Realität.»» Für Leser, die Rimoldi nicht kennen sollten, erklärt «watson»: «Nicolas Rimoldi wurde als Coronamassnahmen-Skeptiker bekannt.» Für  was Meret Schneider bekannt ist, enthüllt das Listical-Magazin allerdings nicht.

nau.ch wiederum beschränkt sich auf eine Rekapitulation des Vorfalls. Dann steigt – Überraschung – auch noch die «Weltwoche» ein, und als vorläufig letzte Drehung meldet «20 Minuten»: «Die grüne Nationalrätin Meret Schneider wird nach einem Tweet mit Drohungen eingedeckt. Nun leitet sie diese der Polizei weiter und überlegt sich eine Reihe von Anzeigen.»

Und was sagen die anderen grossen Bezahlzeitungen, also «Tages-Anzeiger» samt Kopfblattsalat, CH Media oder die NZZ? Nichts. Keine Meldung, keine Erwähnung, einfach nichts.

Man ist versucht, die Frage zu stellen, ob das im umgekehrten Fall – Rimoldi provoziert Schneider mit einem grenzwertigen Spruch – auch so gewesen wäre …

 

Neues vom Wanner-Clan

Das Familienunternehmen bestellt das Haus.

Patriarch Peter Wanner zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück und behält als Verleger und VR-Präsident die Zügel in der Hand, sollte die fünfte Generation Unsicherheiten zeigen.

Als CEO amtiert ohne Scherz seit dem 1. April Michael Wanner. Bruder Florian ist Leiter der elektronischen Abteilung mit den TV- und Radiostationen, Schwester Anna leitet das Inland der Mantelredaktion und ist, obwohl auch noch im VR, theoretisch dem Oberchefredaktor Patrik Müller unterstellt.

In ihren Kommentaren zeichnete sich Anna Wanner bislang nicht wirklich durch Treffsicherheit aus. So behauptete sie vor den letzten Bundesratswahlen: «Vorentscheidung beim SP-Ticket: Eva Herzog ist die Richtige».

Wanner senior schwingt gerne den Zweihänder; so rief er schon mal dazu auf, sich von einem möglichen Atomkrieg nicht ins Bockshorn jagen zu lassen und über den Einsatz von NATO-Truppen in der Ukraine sowie die Durchsetzung einer Flugverbotszone ernsthaft nachzudenken. Schliesslich sei die NATO bislang einfach «feige» gewesen.

Auch für die Schweiz hatte er handfeste Ratschläge: «Selbstverständlich muss sie die Handelsdrehscheibe für Öl-und Gaslieferungen und die damit verbundenen Geldströme sofort stilllegen und die Vermögenswerte einfrieren, auch jene der russischen Oligarchen, denn sonst macht sie sich mitschuldig an der Finanzierung von Putins brutalem Krieg.»

Der Neubestellung des Hauses ging eine eher rumpelige Personalpolitik voraus. So trennte sich Wanner Knall auf Fall von seiner publizistischen Leiter nach unten Pascal Hollenstein. Der war durch abschätzige Bemerkungen über die Print-Leser («Milchkühe») aufgefallen, durch seine Rolle als Büttel für eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet – und eher weniger durch eine Vorbildfunktion.

Ziemlich gekracht hatte es dann beim erfolgreichen CEO Axel Wüstmann, der nach zehn Jahren das Unternehmen im November Knall auf Fall verlassen hatte. Zunächst war noch ein geordneter Übergang bis diesen April angekündigt gewesen, aber dann muss es intern zu einem schweren Zerwürfnis über die weitere Entwicklung des Konzerns gekommen sein.

Denn der Wanner-Clan fuhr in den letzten Jahren einen scharfen Reifen, was Übernahmen anbetrifft. So kaufte er ein Privat-Radio und eine Privat-TV-Station nach der anderen, darunter «Radio 24», «Tele Züri» und die 3+-Senderfamilie. Dazu noch ein Joint Venture mit den Lokalzeitungen der NZZ, in dem Wanners inzwischen auch die Mehrheit übernahmen.

Kein Wunder, dass Wanner Junior nun davon spricht, dass es nun darum gehe, «organisch zu wachsen», zudem «neue Umsatzströme zu generieren. Dies insbesondere im digitalen Bereich». Genau dort ist das Medienhaus aus dem Aargau schwach auf der Brust. Denn es hatte sich für eine Multichannel-Lösung entschieden. Also Ausbau von Print, Radio, TV, plus es Bitzeli digital, bei völligem Verzicht auf Handelsplattformen.

Nun ist die Frage, ob bei der Bündelung der News-Herstellung genügend Synergien erzielt werden können, um gleichzeitig einen ganzen Zoo von Kopfblättern und elektronischen Medien zu bespielen, ohne dass die Konsumenten in Scharen davonlaufen.

CEO Wanner soll angeblich «watson» in die schwarzen Zahlen geführt haben. Was beim Initianten dieses Projekts doch erstaunt, denn Hansi Voigt hat noch nie etwas im Internet angestellt, was schwarze Zahlen produzierte.

Eine höhere Lernkurve hat sicherlich Florian Wanner vor sich. In der Debatte um die Fortführung der UKW-Frequenzen blamierte er sich bis auf die Knochen und legte offen, dass er ausser der Eigenschaft Sohn nicht gerade einen gefüllten Rücksack mitbringt, um in die elektronisch-digitale Zukunft vorzustossen.

Patriarch Wanner meint, dass ein Unternehmen fest in Familienhand langfristiges Denken ermögliche, gleichzeitig wettert er gegen die Bonusunkultur in den Banken. Entweder ist das ein versteckter Seitenhieb gegen Wüstmann, oder aber, väterlicher Stolz lässt ihn mögliche Schwächen seiner Sprösslinge übersehen. Denn wer am Schluss recht behält, Wüstmann mit seinen strategischen Vorstellungen oder der Familienclan Wanner, das wird sich erst noch weisen.

SoZ: Zusammengekehrtes

Sonntag ist inzwischen Restentag mit Lachbeilagen.

Man hätte gedacht, dass sich Arthur Rutishauser nun energisch dem Titel widmen kann, von wo er seinen Aufstieg zum Oberchefredaktor begann. Denn dort ist er nun wieder angelangt. Aber:

Wir machen mal wieder den «was gibt’s fürs Geld»-Test. Rein physisch: 64 Seiten Papier, plus Beilage «encore!» für Fr. 6.40.  Das sind genau 10 Rappen pro Seite. Wie viele Seiten sind das auch wert?

Auf der Frontseite gibt es immerhin einen Beitrag, der bass erstaunt: «Mann leidet nach Covid-Impfung an Multipler Sklerose». Das im Hoforgan der zweitunterwürfigsten Hofberichterstattung über die kompetente Pandemie-Politik der Regierung, im Blatt, wo Corona-Leugner übel beschimpft wurden, Impfgegner als potenzielle Massenmörder verunglimpft, die man trotz fehlender gesetzlicher Grundlage zwangsimpfen sollte. Nebenwirkungen? Pipifax, dummes Zeug, Geschwurbel von Verschwörungstheoretikern, Aluhutträgern, Verpeilten, die am liebsten rechten Rattenfängern auf den Leim krochen. Und nun das.

Dafür gibt’s mal 10 Rappen, zweifellos.

Für den Rest? Gefährdete Stellen durch Bankenfusion? Gähn. Human Resources mag niemand wirklich? Schnarch. Wobei: «Migrationsforscher warnt vor Benachteiligung von Schweizern». Hoppla, solch potenzielles Schüren von Rassismus wäre vor ein paar Wochen auch nicht gerne gesehen worden. Nochmals 10 Rappen obendrauf.

Inklusive Paid Post geht’s munter weiter; FDP-Bankenfilz, zunehmende Jugendgewalt, nett. Ein erster Absacker dann auf Seite neun: «Reichsbürger sind auch in der Schweiz aktiv». Das ist wieder Abteilung aufgewärmte Socken, erschwerend kommt hinzu, dass der angebliche «Experte für Verschwörungstheorien» Marko Kovic auftritt. Er beobachte «die Szene der Staatsverweigerer «mit grosser Sorge»», lässt er sich zitieren.  Das Problem: trotz aller Schwurbel-Künste des Autors Cyrill Pinto lässt sich keinerlei «Szene» in der Schweiz herbeischreiben, bloss ein paar Verwirrte vermochte er aufzutreiben.

Gegen Schluss und trotz tatkräftiger Hilfe von Kovic, der ja keine Hemmungen kennt, sich lächerlich zu machen, muss Pinto dann einen Polizeisprecher zitieren: «Ob die Gruppe (der «Staatsverweigerer», Red.) grösser wurde, ist schwierig einzuschätzen.» Blöd aber auch, noch blöder: «Doch fedpol relativiert auch: Bisher habe man keine Kenntnis davon, dass aufgrund der Reichsbürgerideologie Gewaltstraftaten von Staatsverweigerern verübt wurden

Dabei begann der Artikel so schön drohend mit den länger zurückliegenden Verhaftungen in Deutschland. Starker Einstieg: «Die Spezialkommandos der Polizei schlugen in zwei Wellen zu.» Hoffentlich hatten sie genügend Rollatoren dabei … Aber nach diesem starken Einstieg dann der sackschwache Ausstieg, bei dem Rutishauser früher gesagt hätte: und wo ist hier die Story? Gespült.

Das gibt mindestens 20 Rappen Abzug.

Der «Fokus» bleibt ein Schatten seiner selbst. Die Polizeiverbandspräsidentin darf auf zwei Seiten um zwei Riesenfotos herum sagen: «Frauen werden nirgends geschont». Schon wieder 20 Rappen Abzug.

Dann eine Doppelseite über die Erinnerungen eines Überlebenden des KZ Bergen-Belsen, das vor 78 Jahren befreit worden war. 40 Rappen.

Dann die Doppelseite «Standpunkte». Sagen wir so: für «die andere Sicht» von Peter Schneider gibt es 10 Rappen, der Rest … Allerdings muss man wieder 10 Rappen für Jacqueline Badrans «Korrigendum» abziehen.  Wieso ihr Arthur noch nicht erklärt hat, was «Credit Default Swaps» sind, dass es die heute noch gibt und es sich um ein – richtig verwendet – durchaus sinnvolles Finanzinstrument handelt, peinlich.

Sport lassen wir mangels Fachkompetenz aus und geben wohlwollend volle Punktzahl; 80 Rappen.

Wirtschaft: Beatrice Bösiger will wissen, was nicht einmal die UBS weiss, von der CS ganz zu schweigen: «Was im Giftschrank der CS steckt». Da hat sie nämlich trotz Panzertüren die Nase reingesteckt und weiss: «Im schlimmsten Fall stehen bis zu 146 Milliarden Franken auf dem Spiel». Darunter zählt sie mal 9,3 Milliarden Level 3 Assets. Das mag noch angehen, denn hier gilt – mangels Markt – die Bewertung «feuchter Finger in der Luft». Das ist nun aber keine Zahl, mit der sich ein Aufmacherartikel begründen lässt. Also nimmt sie schlichtweg die 146 Milliarden, mit denen das Investmentbanking in der Bilanz der CS steht.

Nun ist es denkbar, dass das auf 0 zusammenschnurrt. Nur liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht viel höher als die, dass ein Meteoreinschlag alles Leben auf der Erde vernichtet. 20 Rappen Abzug, mindestens.

Allerdings sieht man hier Arthur Rustishauser wieder in Schreiblaune. Vorne das Editorial, in der Wirtschaft «30’000 Stellen in Gefahr» und «Wie die Finma der Credit Suisse den Todesstoss gab». Plus noch ein Interview mit Christoph Blocher. Der Mann produziert alleine mehr Ausstoss als alle 55 Nasen der «Republik» zusammen.

«Leben & Kultur»? Schön für Ewa Hess, mal wieder nach Hongkong reisen zu dürfen. Schön, dass Sandra Wagner über ihre Grösse (1.88 Meter) nachdenken darf. Schön, dass man auch im Jura genüsslich speisen darf. Schön, dass Jacqueline Krause-Blouin erklären darf, wieso für sie «Kind und Karriere» nicht funktioniert habe und sie deshalb die Chefredaktion der «Annabelle» abgab. Geben wir fürs TV-Programm Extrapunkte.

Ein Lachschlager ist wie meist die Auto-Strecke. Diesmal der «Ferrari Purosangue». Im Nahvergleich mit dem «Bentley Bentayga», dem «Rolls-Royce Cullinan» und dem «EQS SUV von Mercedes». Also genau die Auswahl, die sich der SoZ-Leser überlegt, wenn er sich einen SUV kaufen will. Blöd nur: der Ferrari zum Beispiel kostet zwar nur schlappe 409’000 Franken, aber: «für die nächsten zwei Jahre ist schon jetzt kein Purosangue mehr zu bekommen». Da muss man halt ruhig Blut bewahren.

Für diesen Lachschlager gibt es unverdiente 10 Rappen. Ebenfalls für die Fortsetzung der Serie «sauteure Luxushotels in sozialistischen Staaten». Diesmal Vietnam, Luxushotels der Anantara-Gruppe, die, Zufälle gibt’s, die «Reise unterstützte». Deren «26 Villen rangieren im oberen Preissegment», vermeldet der Autor verschämt. Auf Deutsch: Die «Anantara Beachfront Poolvilla» gibt’s bereits zum Sonderpreis mit Frühstück für bloss 964 Franken pro Zimmer und Nacht. Statt normal 1417 Franken, ein Schnäppchen.

Auch hier geben wir Lachzulage. Vielleicht will die SoZ ihren Lesern Lebenshilfe geben: wieso nicht in einer Beachfront Poolvilla in Vietnam darauf warten, bis der «Ferrari Purosangue» wieder erhältlich ist?

Kassensturz: Wenn man Inserate, Paid Posts und weiteren Schnickschnack abzieht, gelingt es der SoZ nicht vollständig und immer, für 10 Rappen pro Seite entsprechenden Gegenwert zu bieten. Aber: man merkt doch im Blatt, dass Rutishauser entschieden mehr Zeit als früher aufwenden kann. Das gibt Hoffnung.

Gewaltverherrlichung? Kein Problem

Feine Sahne Fischfilet. «Knüppel in die Fresse!»: kein Problem. Anonyme Anschuldigungen: grosses Problem.

Die ostdeutsche Punkband mit dem schrägen Namen «Feine Sahne Fischfilet» ist seit vielen Jahren bei einer echt solidarisch-linken Konzertveranstaltung nicht wegzudenken. Ständig auf Tour, Vorgruppe der «Toten Hosen», im Juli zum Beispiel am OpenAir St. Gallen zu hören. Schlapper Ticketpreis fürs Open-air: 195 bis 475 Franken. Aber in der Schweiz hat man’s ja.

Vor einem Jahr konnte man ein anbiederndes Interview mit dem Sänger der Band im «Tages-Anzeiger» lesen.  Das war natürlich aus der «Süddeutschen Zeitung» übernommen, was es allerdings nicht besser machte. Es ging um die Gewichtsprobleme von «Monchi», wie der Fettklos liebevoll genannt wird. Duftmarke:

«Unter meine Titten habe ich mir so kleine Jägermeisterflaschen geklemmt und so getan, als käme der aus meinen Brustwarzen. Die Leute haben das gefeiert, und ich fand das lustig

Über seine Gesangeskünste macht sich Monchi keine Illusionen: «Wenn die anderen auf der Bühne den Ton perfekt treffen wollen, grunze ich rum

Statt über seine Gewichtsprobleme hätte man allerdings besser über seine Probleme mit Gewalt gesprochen. Denn er grunzt unter anderem solche Texte:

Die Bullenhelme, die sollen fliegen
Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein!

Denn mit der Staatsgewalt hat es Monchi nicht so:

Helme warten auf Kommando
Knüppel schlagen Köpfe ein
Wasser peitscht sie durch die Straßen
Niemand muss Bulle sein!

Dafür hat er aber auch gleich ein paar Ratschläge zur Hand:

Die nächste Bullenwache ist nur einen Steinwurf entfernt
Komm und schlagt zurück!

Das fanden die deutschen Bullen, Pardon, Polizisten, nicht so lustig, der Verfassungsschutz ebenfalls nicht. Aber so etwas gilt natürlich unter linken Feuilletonisten als künstlerische Metaphorik, die man dann nicht so eng sehen sollte.

Kein Grund, die Krawallband mit grunzendem Sänger nicht bei jedem Happening auftreten zu lassen. Aber nun das:

«Feine Sahne Fischfilet streitet sexualisierte Gewalt ab».

In einem Interview mit dem «Spiegel» nimmt die Band um Grunzsänger Jan Gorkow Stellung: «Es gibt und gab keine Fälle sexualisierter Gewalt, die von uns ausgingen.» Darüber hinaus: «Schon länger arbeiten die Musiker mit einer Expertin für Diskriminierung und Awareness zusammen, bei der sich mutmaßlich Betroffene melden könnten

Quelle der Anschuldigungen ist ein anonymer Blog, der sich auf anonyme Denunziationen bezieht: «Fünf Betroffene sexualisierter Gewalt haben uns dazu veranlasst, Jan Gorkow als Täter zu outen. Sechs weitere Personen haben sich seither bei uns gemeldet – Das sind elf Menschen!», behauptet der anonyme Hetzer in diesem Blog. Seit diesem Eintrag im August 2022 herrscht dort Funkstille.

Wer dahintersteckt, ist nicht eruierbar; als Urheber gibt sich niemand zu erkennen:

«Wir sind eine Gruppe von Supporter*innen und arbeiten eng mit Betroffenen von Jan Gorkow zusammen. Wir wissen daher von seinen sexuellen Übergriffen und es haben sich seit der Veröffentlichung bereits noch weitere Betroffene bei uns gemeldet

In normalen Zeiten wäre das einfach eine unappetitliche Randnotiz der Möglichkeiten im Internet, anonym gegen jeden und jede einen Shitstorm loszutreten und feige üble Anschuldigungen zu erheben, ohne sich juristischen Konsequenzen stellen zu müssen.

Das Vorgehen ist inzwischen bekannt. Meistens sind es anonyme Denunzianten, manchmal outen sie sich mit Namen, identifizieren aber den angeblichen «Täter» nicht. Zudem liegen die behaupteten Taten eine unbekannte Zeitspanne, meistens Jahre, zurück. Sind also verjährt, und vor einer Klage wegen Ehrverletzung und Rufschädigung schützt, dass die Ankläger keine Namen nennen.

Aber im Fall «Feine Sahne Fischfilet» bekommt die Sache noch einen speziellen Dreh. Gewaltverherrlichende Texte waren für keinen Veranstalter ein Grund, deren Auftritt abzusagen oder zumindest zu problematisieren. Seit aber diese anonyme Anschuldigung herumgeistert, die schon längst gerichtlich als üble Verleumdung qualifiziert wurde, passiert es der Band immer mal wieder, dass bereits vereinbarte Auftritte abgesagt werden.

Also identifizierbare Aufrufe zur Gewalt – kein Problem. Anonyme Denunziation wegen angeblicher, nicht einmal genauer beschriebener «sexualisierter Gewalt» – Riesenproblem.

Selten kann man die Absurdität der aktuellen Woke-Debatte besser auf den Punkt bringen.

Lieber Michael Ringier

Offener Brief: Greifen Sie endlich mal durch.

So hätten Sie sich den Altersruhestand nicht vorgestellt. Sie sind gerade 74 geworden (nachträgliche Gratulation). Mit Ihrer Kunstsammlung und Autoliebhaberschaft haben Sie eigentlich einen ausgefüllten Alltag, zudem möchte man auch mal kürzertreten.

Und nun das.

Ihr designierter Nachfolger, der einzige Mitaktionär, der nicht zur Familie gehört, schwächelt. Es ist ihm einerseits gelungen, das Haus Ringier von einer Zeitungsdruckerei zu einem digitalen Konzern umzubauen, der ganze Wertschöpfungsketten bespielt, international als Unterhaltungskonzern aufgestellt ist und sich unter die Fittiche des Springer-Verlags begeben hat. Ach ja, plus einen Schuss Mobiliar.

Das ist die Erfolgsstory. Menschlich gesehen glänzt Marc Walder nicht gerade. Sein unseliger Hang zu Wichtigen und Mächtigen hat ihn viel zu lange an der Seite von Pierin Vincenz gehalten, dem noch Lobhudelei-Interviews gewährt wurden, als der Skandal längst offenkundig war. Aber gut, dann galt das Grundprinzip des Boulevard: wer hinaufgeschrieben wird, wird dann auch heruntergemacht.

Peinlicher war Walders Panik während der Pandemie; mit seiner Männerfreundschaft zu Alain Berset, mit dem er sich ach so gerne in der Öffentlichkeit zeigte, sprang er in ein weiteres Fettnäpfchen, ohne Not. Dass der arme Christian Dorer behaupten musste, dass er selbst und der «Blick» völlig unabhängig und unbeeinflussbar seien, war an Peinlichkeit kaum zu überbieten.

Auch Walders Auftritte als Videostar leisteten einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu, dass die zusätzliche Subventionsmilliarde den Bach runterging. Dafür haben Sie ihn immerhin sanft, aber öffentlich gerüffelt.

Das sind natürlich, gemessen an der Wertschöpfung, der Umbauleistung und der Teilhaberschaft am Verlag, Peanuts.

Etwas problematischer wird es schon beim Führungspersonal. Wer eine Ladina Heimgartner zu Positionen aufsteigen lässt, für die sie eine extrabreite Visitenkarte braucht, macht etwas falsch. Wer sie in Diskussionsrunden erlebt, wird sich schmerzlich bewusst, dass sie als Karrierebooster über ganz wenige Schlagwörter verfügt. «Resilienz» war ganz am Anfang der King, dann entdeckte sie noch den Feminismus, die «Equal Voice» als neues Leitmotiv. Dass sie ein völlig verunglücktes Redesign des «Blick» zu verantworten hat, das einzige Boulevard-Medium mit Regenrohr im Logo, eine kostspielige Verarsche eines überschätzten und teuren PR-Fuzzis, der ständig die Namen seiner Firma wechseln muss, wenn er mal wieder Schiffbruch erlitt, peinlich. Peinlicher, dass mit der angeblichen Verweiblichung dem «Blick» alle Zähne gezogen wurden.

Wer Boulevard ohne «Blut, Büsi, Busen» machen will, hat Boulevard nicht verstanden.

Dass Heimgartner als knallharte Machtstrategin auf den richtigen Moment wartete, um den unbestritten erfolgreichen Oberchefredaktor Christian Dorer abzusägen, das war zwar ein intrigantes Meisterstück. Was das allerdings für ein Signal aussendet, dass ein bislang unbescholtener, in keinerlei juristische Auseinandersetzungen verwickelter Chefredaktor, dem auch in der Redaktion niemand etwas vorzuwerfen hat (ausser einer wie immer anonymen Redaktorin, die sich angeblich vernachlässigt oder nicht genügend gewürdigt fühlte), einfach so weggehauen werden kann, ist bedenklich.

Dass Dorers Verhalten und seine Vorlieben schon lange bekannt waren, ohne dass das zu geringsten Beschwerden geführt hätte, belegt, dass es sich um einen gezielten Blattschuss einer Karrieristin handelte.

Das gilt übrigens auch für Werner de Schepper, bei dem unbelegte Andeutungen angeblicher Übergriffe genügten – von denen es mindestens zwei Versionen gibt –, dass er nicht nur entlassen, sondern geradezu öffentlich hingerichtet wurde. Das war nun überhaupt nicht die feine Art; und wenn Heimgartner dabei eine Rolle gespielt haben sollte, oder gar die Noch-Gattin von Walder, dann war das eine sehr unfeine Art.

Natürlich ist es verständlich, dass Sie nur ungern von Ihrer Nachfolgeplanung abweichen wollen. Walder soll Sie als VR-Präsident beerben, Heimgartner soll als weiblicher CEO ein Zeichen als Quotenfrau setzen.

Vielleicht sollten Sie Folgendes bedenken. Erinnern Sie sich noch an Meili Wolf oder Martin Kall? An Heinrich Oswald oder Oscar Frei? Sehen Sie da nicht vielleicht eine gewisse Fallhöhe, einen Niveau-Unterschied? Inzwischen dürften Sie doch auch den ewigen und meistens fatalen Einflüsterungen des Hausgespensts Frank A. Meyer überdrüssig geworden sein.

Laissez faire, laissez aller, das ist eine schöne, altersweise Einstellung. Aber wenn Sie Ihren Ruhestand dann wirklich geniessen wollen und ein bestelltes Haus hinterlassen, müssten Sie jetzt durchgreifen. Und zwar auf der Chefetage. Walder braucht dringend ein Coaching, Heimgartner ein Abklingbecken, in das sie möglichst geräuschlos entsorgt werden kann. Nehmen Sie sich an Tamedia und Priska Amstutz ein Beispiel. «Studie über New Market Opportunities in Africa and Asia», das hört sich doch gut an – und wäre wie gemacht für Heimgartner.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer war in verschiedenen Funktionen für Ringier tätig.