Rufmord an Ruefer

Auch die WoZ im Woke-Wahnsinn. Liegt am Personal …

Renato Beck hat schon eine Karriere hinter sich – bei der krachend gescheiterten «TagesWoche». Inzwischen lässt er sich nicht mehr von einer Pharma-Erbin aushalten, sondern wütet bei der WoZ. Und senkt deren Niveau ungemein.

Beck ist ein Mundverbieter. «Wo die Scharlatane ein und aus gehen», so schimpft er über das Zürcher Volkshaus. Duftmarke: «Dort treten die Stars der Coronaleugner:innen auf, die Komiker Marco Rima und Andreas Thiel. Und Ende Mai sogar der Overlord der deutschsprachigen Verschwörungsszene: Daniele Ganser.»

Zum grossen Unverständnis von Beck wird denen nicht einfach der Saal verweigert, dürfen die tatsächlich vom Recht auf Rede und Meinungsfreiheit Gebrauch machen. Verschärfend kommt noch hinzu, dass sie nicht der gleichen Meinung wie Beck sind. Das geht natürlich gar nicht.

In seinem Denunziationsartikel zitiert Beck sogar einen völlig richtigen Satz : ««Die Geschichte lehrt uns: Die Ersten, die darunter leiden, wenn man andere Meinungen ausgrenzt, sind die Linken», sagt Kaspar Bütikofer, Präsident des Stiftungsrats des Volkshauses.» Nur hat Beck ihn nicht kapiert.

So nebenbei bekennt sich Beck auch zu einer gewissen Bildungsferne: «Wer mit lateinischen Phrasen hantiert, outet sich im Netz wie im übrigen Leben als Wichtigtuer:in.» Wer so die deutsche Sprache vergewaltigt, outet sich im Text als Dilettant.

Für viele Schlagzeilen sorgte Beck mit seinem neusten Streich: «SRF-Kommentator Sascha Ruefer liess eine Aussage aus einer Doku über das Schweizer Fussballnationalteam entfernen. Angeblich fehlte der Kontext. Dabei war der Satz klar rassistisch.»

Zunächst einmal verwendet Beck hier eine falsche consecutio. Zwar nicht temporum, aber das wäre sowieso zu lateinisch für ihn. Sondern das «dabei» ist völlig fehl am Platz. Die inhaltliche Behauptung natürlich auch. Aber um Beck zu zitieren: «Alles der Reihe nach

In einer umfangreichen Dokumentation des Schweizer Farbfernsehens wurde die Teilnahme der Schweizer Fussball-Nati an der WM in Katar nachgezeichnet. Dafür wurde auch der langjährige Kommentator Sascha Ruefer ausführlich interviewt. Gegen Schluss des Interviews wurden noch sogenannte Gegenschnitte aufgenommen, wobei die Kamera immer noch lief, nachdem auch das vorbei war. In seinem vorangehenden und umfangreichen Bemühen, die Persönlichkeit des Captains Granit Xhaka zu beschreiben – mit vielen lobenden, aber auch kritischen Worten  –, sagte Ruefer dann nicht nur off, sondern sozusagen offoff record: «Granit Xhaka ist alles, aber er ist kein Schweizer.»

So aus dem Zusammenhang gerissen hat dieser Satz sicherlich einen gewissen Haut-Gout. Was Ruefer damit wirklich sagen wollte, und was aus dem Kontext auch einwandfrei hervorgeht: für ihn ist Xhaka kein typischer Schweizer. Was als Bemerkung erlaubt sein muss, will man nicht im Woke-Wahnsinn alle solche Äusserungen denunzieren oder verbieten.

Ohne diesen Zusammenhang zu kennen, denn der isolierte Satz wurde Beck offensichtlich von einem Mitarbeiter der Dokumentation zugesteckt, zieht der WoZ-Schreiber vom Leder. Er erwähnt die Verurteilung Ruefers der Doppeladler-Geste des Fussballers in einem Spiel gegen Serbien; eine unappetitliche Provokation. Er erwähnt Ruefers Verurteilung des obszönen Griffs von Xhaka an sein Gemächt. Und will damit untermauern, dass Ruefer sich «obsessiv» an dem Fussballer mit Migrationshintergrund abarbeite.

Und dann eben noch dieser Satz. Zunächst reagierten sowohl Ruefer wie SRF suboptimal. Der Moderator sagte nichts, SRF sagte, dass der Satz aus dem Zusammenhang gerissen sei, man aber nicht die Rechte aufs ganze Filmmaterial habe und daher diesen Kontext nicht herstellen könne.

Nachdem die WoZ mit dieser Denunziation einen medialen Erfolg gelandet hatte, erlaubte SRF dann ausgewählten Journalisten, das gesamte über 60 Minuten lange Interview zu visionieren. Einhelliges Verdikt: so im Zusammenhang war der Satz vielleicht ungeschickt, aber keinesfalls rassistisch zu verstehen. Zudem wurde völlig klar, wieso Ruefer in einer ersten Fassung der Doku auf seiner Streichung bestand, weil er als einzige Aussage von über einer Stunde Interview übrig geblieben war.

Selbst im Mikrokontext kann der Satz nicht als rassistisch denunziert werden. Den beschreibt die NZZ so: «Ruefer fragte den Interviewer, warum Xhaka jeden aufrege. Und er gab die Antwort selber: weil Xhaka alles sei, nur nicht Schweizer. Der Interviewer lachte.»

Damit war der Adler der WoZ bruchgelandet. Kommt halt davon, wenn man sich abfüttern lässt, etwas völlig aus dem Zusammenhang Gerissenes aufpumpt und «Rassismus» kräht.

Hätte Beck etwas Anstand im Leib, hätte er sich schon längst bei Ruefer entschuldigt – so wie der korrekt das  Gespräch mit Xhaka sucht, um sich zu erklären. Aber Ruefer ist halt ein aufrechter Journalist, Beck ein Schmierenschreiber.

Peinlich und bedauerlich ist, dass nun auch die WoZ in den Kanon der Woke-Wahnsinnigen einstimmt, der Schneeflocken, die bei jeder zweiten Äusserung eine Verletzung von sich selbst oder von anderen Schneeflocken zu verspüren meinen. Peinlich ist, dass sich auch die WoZ nicht bemüssigt fühlt, diesen Fehlgriff richtigzustellen. Was unterhalb einer Entschuldigung das Allermindeste wäre …

PS: Wie jeder Angstbeisser und Kläffer war Beck zu feige, auf einen Fragenkatalog mit genügend Antwortfrist zu reagieren. Denn Dialog und Antworten, dass ist die Sache von Denunzianten nicht. Stattdessen erfüllte er alle Vorurteile, die man gegen Moralapostel wie ihn so hat: «Sie auch noch? Sind Sie jetzt im bürgerlichen Mainstream angekommen?» Mehr hatte er als Reaktion auf höflich-kritische Fragen nicht zu bieten …

Hubert Wetzel regelt die Welt

Und der Tagi bringt seinen Stuss ungefiltert.

Wetzel muss mal wieder ganz streng werden: «Macron hat aussenpolitisch seinen Bankrott erklärt». Wetzel ist kein Freund differenzierter Analysen. Als USA-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» unkte er schon 2020: «So sterben Demokratien».

Wie das? Nun: Trump habe «offensichtlich» keine Ahnung, wie Wahlen in den USA funktionieren, behauptete er. Aber weil der «(zumindest rechtlich) volljährig» sei, ein Brüller, könne er bedauerlicherweise vor Gericht ziehen. Gut, dass wenigstens Wetzel wusste, wie dort Wahlen funktionieren. Und wir können aufatmen, bislang ist die US-Demokratie noch nicht gestorben.

Inzwischen sitzt er in Brüssel und kläfft von dort aus den französischen Präsidenten an. Der habe ein autorisiertes Interview gegeben: «Man muss daher annehmen, dass Macron wirklich der Ansicht ist, die «grösste Gefahr» für Europa sei, von Amerika in einen Konflikt mit China gezogen zu werden, der «nicht der unsere ist»

Interessante Idee, allerdings: «Er meint es also offenbar ernst. Allerdings fällt es schwer, den französischen Präsidenten auch ernst zu nehmen.» Abgesehen davon, dass es noch schwerer fällt, Wetzel ernst zu nehmen; wieso denn das?

Nun, wenn Wetzel auf dem Kriegspfad ist, hält ihn weder Ochs noch Esel auf: «Macron verwendete dafür das dümmste und staubigste Argument aus der gaullistischen Mottenkiste – dass die Europäer sich aus der vermeintlich ewigen amerikanischen Bevormundung lösen müssten. Mit seinem Interview hat der französische Präsident einen Keil in Europas Beziehung zu den USA getrieben und zugleich einen Graben quer durch Europa aufgerissen. So viel Schaden mit ein paar Sätzen anzurichten, muss man erst mal schaffen.»

Dann bekommt Wetzel aber irgendwie Angst vor seiner eigenen Courage: «Macrons Analyse ist dabei gar nicht falsch.» Ja was denn nun?

Wetzel versucht es mit einem eingesprungenen doppelten Rittberger: «Die feste Anbindung an Amerika ist eine Voraussetzung für Europas Stärke, kein Hindernis – Macron torpediert mit seinen Äusserungen sein eigenes Ziel.»

Beim Lesen leidet man mit, so wie wenn der Eisläufer statt auf den Kufen brutal auf dem Hintern landet. Wenn sich Europa fest an die USA bindet, das zeigt ja gerade der Ukraine-Konflikt, dann wird es zum Helfershelfer und zum Hauptbetroffenen der US-Machtpolitik degradiert – und von China nicht für voll genommen, wie die bewusst würdelose Behandlung der EU-Chefin von der Leyen beweist, die gleichzeitig mit Macron in China war und demonstrativ als Besucherin in der zweiten bis dritten Bedeutungsstufe behandelt wurde. Was sie sich im Übrigen klaglos gefallen liess.

Wetzel nimmt Anlauf zum letzten Sprung ins Nichts: «Emmanuel Macron galt vor seinem Besuch in Peking schon als innenpolitisch gescheiterter Präsident. Jetzt hat er auch aussenpolitisch seinen Bankrott erklärt

Sagen wir so: Wetzel galt schon vor diesem Kommentar als gescheiterter US-Kommentator. Jetzt hat er noch europäisch seinen Bankrott erklärt.

Sprachverbrechen

Nora Zukker rezensiert ein Buch. Hilfe.

«Ein Wurf von einem Buch», behauptet die Literaturchefin von Tamedia. Aber eigentlich sollte man aufhören, über diesen Wurf zu lesen, wenn man zu diesem Satz kommt: «Aber die Unterhose schlägt Alarm

Hä? Will man sich das vorstellen? Will man nicht. Oder wie die Autorin Sarah Elena Müller formuliert: «Man wird nie dazu gedrängt, etwas realisieren zu müssen.» Hä?

Es gehe anscheinend um Kindsmissbrauch. «Spät, zu spät, als ihn die Mutter der inzwischen jungen Frau fragt, was er mit ihrer Tochter über die letzten zehn Jahre gemacht habe, sagt Ege nur: «Je nachdem. Je nach Lust und Laune.» Aber: «Tempi passati.» Damit schliesst er jeden Gedanken», stolpert Zukker durch eine Art Inhaltsangabe.

Falls der Leser das einigermassen verstehen sollte, weiss Zukker sofort wieder Abhilfe: «Während eines Lehrauftrags in Berlin hatte ihm eine Studentin einen Sohn abgenötigt.» Abgenötigt? Hä? Und was macht denn nun dieser Sohn, wo es doch scheint’s um den Missbrauch eines Mädchens aus der Nachbarschaft geht?

Aber weiter im Geholper: «Was Ege tut, ist sein Lebenswerk. Auch wenn die Videos nie jemand anschaut, muss er seine Kunst mit Kinderkörpern vollenden.» Hä?

Der Leser hangelt sich verzweifelt zum nächsten Hä: «Wenn der Täter aber erbärmlich wirke, sei das eine implizite Form der Vergeltung, dass ihm dasselbe geschehe wie den Opfern: dem eigenen Erinnern nicht mehr zu trauen.» Eben, hä?

Dann endet Zukker mit einer echten Drohung: «Sarah Elena Müller leuchtet den toten Winkel aus. Dort, wo man vermeintlich nicht hinsehen kann. «Es wird ständig exzessiv ausgewichen», sagt die Autorin über alle Figuren im Roman. Diesem Debüt darf hingegen nicht ausgewichen werden. «Bild ohne Mädchen» gehört auf die Shortlist für den Schweizer Buchpreis 2023

Nun ja, das Schlimmste muss befürchtet werden, wenn man an den aktuellen Buchpreisträger denkt. Da will man vermeintlich gar nicht hinsehen. Wobei man sich gleichzeitig fragt, wie das funktionieren soll. Oder einfach: hä?

Mal wieder im Ernst, lieber Tagi: es gäbe doch durchaus so viele interessante, gut geschrieben Bücher zu rezensieren. Auf eine Art und Weise, dass der Leser sowohl das Buch wie die Rezension versteht. Ist das wirklich zu viel verlangt?

Ach du dickes Ei

ZACKBUM wünscht seinen Lesern staufreie Ostern,
gute Erholung (werden wir brauchen)
und ist am 11. April in alter Frische wieder da.

 

Ach du blödes Ei

Sandro Benini setzt den Tagi-Niedergang fort. Wenn auch auf höherem Niveau.

Vielleicht liegt es an den Kommentaren von Raphaela Birrer, Angela Barandun, Philipp Loser oder Andreas Tobler, dass dem Tagi die Leser in Scharen davonlaufen.

Vielleicht liegt es auch an einer verbohrten Grundhaltung, die Sandro Benini auf einem intellektuell und sprachlich durchaus höheren Niveau zum Ausdruck bringt. In seinem Essay rührt er einiges zu einem unbekömmlichen Brei zusammen.

Er beginnt damit, dass sich die Grenzen zwischen linkem staatlichem Interventionismus und rechter staatlicher Zurückhaltung aufgelöst hätten. Als Beweis führt er diverse Wahlkampfversprechen an, obwohl er wissen müsste, dass hier alle Politiker von links bis rechts so ziemlich alles versprechen.

Allgemeines Geschwurbel widerlegt man am besten konkret. Angesichts der CS-Katastrophe fordert die SVP, dass alle «too big to fail»-Banken in der Schweiz zerschlagen werden sollten, damit genau keine Staatsintervention mehr nötig würde. Lustigerweise wurde diese Motion von den Grünen und zunächst auch von der SP unterstützt, die dann aber auf dem Absatz kehrt machte und sie versenkte. Ist alles ein wenig komplizierter, als Benini es sich zurecht schnitzt.

Aber dieser Fehlstart ist nur die Einleitung zum Hauptthema, der angebliche «Woke-Warnartikel». Unter diesem Oberbegriff subsumiert Benini dann alle Schlagworte von Cancel-Culture, politische Korrektheit, Meinungsdiktatur, Gesinnungspolizei, Tugendterror und vor allem entrüstet er sich darüber, dass von «selbst ernannten» Moralwächtern die Rede sei.

Dabei übersieht er geflissentlich, welche gefährlichen Ausmasse genau diese Haltung, beispielsweise an US-Universitäten, bereits angenommen hat. Die Beispiele sind Legion, wozu sie hier aufzählen. Bücher sollen umgeschrieben werden, Professoren müssen für Äusserungen wie «hallo, China man» um ihre Stelle fürchten, Auftritte an Universitäten müssen wegen Tugendterror abgesagt werden, Rastalockenträger und viele andere werden beschimpft, dass sie damit «kulturelle Aneignung» betreiben würden.

Es gäbe keine nennenswerte Cancel-Culture? Das sollte Benini mal dem Pink-Floyd-Gründer Roger Waters erzählen, dessen Auftritt in Frankfurt gerade gecancelt wurde. Neben anderen. Weil der Mann Meinungen hat, die dem, Achtung, Fake News, Mainstream nicht passen.

Von dem auch bei Tamedia seitenweise betriebenen Sprachwahnsinn, dem Gendersternchen, der inkludierenden Sprache, der Vergewaltigung der deutschen Orthographie und Syntax ganz zu schweigen. Vielleicht sollte sich Benini mal kundig machen, welchen Unsinn sein Kollege Andreas Tobler dazu schon publiziert hat – bei Tamedia. Auch Benini widerlegt sich selbst in seinem Pamphlet, weil er seine woken Reflexe nicht im Griff hat:

«Es stimmt, dass Wörter, die vor kurzem noch selbstverständlich waren (wie das N-Wort), heute tabu sind – zu recht.» Was meint er damit? Nigger, Neger, Nazi? Wieso kann er das Wort nicht ausschreiben? Ist es plötzlich toxisch geworden, vergiftet es den Leser?

Mit diesem Unsinn ist er nicht alleine. Konkretes Beispiel: in einer angeblich wissenschaftlichen Studie über die Verwendung des historisch unbelasteten Wortes «Mohr» schreiben die «Wissenschaftler» doch tatsächlich «M***», also sie verwenden den zentralen Begriff ihre Untersuchung gar nicht. Grotesk. Kein Wort der Sprache kann «tabu» sein.

Der Kampf um die Verwendung des Wortes Mohr als Hausbezeichnung wird in Beninis Tagi so dümmlich wie den geschichtsvergessenen Sprachreinigern zustimmend begleitet und kommentiert, nebenbei.

Was all diesen Sprachreinigern nicht auffällt: erstens ist die Sprache nicht die Wirklichkeit, sondern unser Mittel, sie zu beschreiben. Zweitens ist Sprachreinigung etwas zutiefst Diktatorisch-Faschistisches. Orwellsche Diktaturen wollen Begriffe verbieten, nationalsozialistische Sprachreiniger wollten das arische Deutsch von der Verschmutzung durch jüdisches Untermenschentum befreien.

Wer heute noch von «Tabu»-Wörtern spricht und das sogar begrüsst, steht knietief in diesem braunen Sumpf postfaschistischer Sprachreinigungsversuche. Sie gäbe es nicht? Sie gibt es innerhalb und ausserhalb von Tamedia. Vielleicht mal den Leitfaden, das Sprachreglement der ZHAW durchlesen. Vielleicht mal die diktatorischen Anwandlungen vieler Inhaber von völlig überflüssigen Gender-Lehrstühlen zur Kenntnis nehmen.

Wieso fällt einem bei diesen Zensurversuchen immer der Islam ein, der jede Abbildung Allahs und seines Propheten bei Todesstrafe verbietet? Genau wie deren angebliche Beleidigung durch kritische Worte. Vielleicht sollte Benini mal Salman Rushdie fragen ob Cancel-Culture existiert oder nicht. Ach, das sei dann bloss im fundamentalistischen Islam der Fall? Abgesehen davon, dass der seinen Anschlag im freisten Westen verübte: kennt Benini wirklich keine Dichterlesungen in Deutschland oder der Schweiz, die unter Polizeischutz stattfinden? Vielleicht sollte er auch mal mit Andreas Thiel sprechen.

Vielleicht will Benini aber einfach auch nicht aus seiner Gesinnungsblase (Achtung, auch so ein verdorbenes Wort) in die frische Luft heraustreten. Bloss reine Idiotie hingegen ist die Verwendung von Formulierungen wie «Publizisten und Politikerinnen». Der Versuch der Vermeidung des generischen Maskulins führt zu einem grammatikalischen Blödsinn.

All diese Anstrengungen, Indianerspiele, Winnetou, angeblich «verletzende» Textstellen zu «reinigen», widerspiegeln einen voraufklärerischen Sprachwahn, führen direkt zurück ins Mittelalter der kirchlich vorgeschriebenen richtigen Auslegung des angeblich geoffenbarten Wortes. Absurd, dass am Anfang des zweiten Jahrtausends noch solche Rückfälle stattfinden und verteidigt werden.

Nachdem sich Benini mit vielen Beispielen, aber doch kleinem intellektuellem Besteck an diesen Kritiken der Wokeness abgearbeitet hat, kommt er zum Schluss ziemlich abrupt zu seinem eigentlich Anliegen:

«Was die offene demokratische Gesellschaft tatsächlich bedroht, sind nicht die Woken, sondern Rechtspopulisten in Regierungsgebäuden, wie Orban oder noch vor kurzem Trump und Bolsonaro. Indem ein Teil derjenigen, die am lautesten über den Woke-Wahn ablästern, solch autoritäre Figuren verteidigen oder verharmlosen, steuern sie eine realsatirische Fussnote zum Kapitel «Verlogenheit» bei

Lustig, dass Benini sich über Politiker erregt, die allesamt in demokratischen Abstimmungen in ihr Amt kamen. Ob man deren Wirken kritisiert oder verteidigt, hängt schlichtweg von der politischen Position des Autors ab. Was daran eine «Fussnote zum Kapitel «Verlogenheit»» sein soll?

Verlogen sind all die Moralwächter, deren Verhalten ganz einfach dargestellt werden kann. Wenn jemand ein Argument formuliert, ob bescheuert oder bedenkenswert, gehen sie niemals auf das Sachargument ein. Sondern behaupten immer, dass dahinter eine bestimmte, verächtliche Haltung stünde. Genau diese Verwechslung macht Benini auch.

Um die Ärmlichkeit seiner Argumentation zu camouflieren,  zitiert er zwar fleissig Werke und Autoren. In keinem einzigen Falle geht er aber über die Unterstellung gewisser Haltungen oder Ideologien oder Positionen hinaus und ins Konkrete. A sagt B, das ist falsch weil C. Das wäre ein Essay, das den Namen verdient.

Stattdessen schwurbelt Benini pseudogelehrt mit Beispielen aus den vergangenen Jahren, um seine Grundthese zu  belegen, dass die Kritik an Wokeness bescheuert sei, weil es sie gar nicht gäbe.

Dieser Ansatz krankt an zwei Fehlern: natürlich äussert sich Wokeness bis zur Absurdität. Natürlich gibt es vor allem innerhalb von Tamedia einen klaren Kanon von erlaubten und verbotenen Meinungen. Natürlich sind auch hier Sprachreiniger und Sprachdikatoren unterwegs, hier werden von selbst ernannten (!) Sprachwächtern gute Wörter von Pfui-Begriffen unterschieden. Wer Pfuibäh verwendet, ist zudem ein Populist, ein Rechtskonservativer, gerne auch ein Hetzer, auf jeden Fall verlogen.

Sollte Benini wirklich noch Zweifel daran haben, dass es bei Tamedia so zu und hergeht, sollte er sich doch, statt irgendwelche Werke zu zitieren, in die Berichtserstattung über die Pandemie und vor allem über Kritiker an staatlichen Massnahmen vertiefen. Da sollte er sich mal die antidemokratische Haltung seines Politchefs anschauen, der doch tatsächlich forderte, dass endlich zwangsgeimpft werden sollte – ohne jegliche gesetzliche Grundlage.

Das alles wären Themen und Beispiele, denen man durchaus ein Essay widmen könnte. Aber dafür bräuchte es natürlich eine Zivilcourage, die heutzutage kein angestellter Redaktor mehr aufbringt.

Daher gilt auch hier, angesichts eines biblischen Feiertags:

«Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht. Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!»

Oder noch einfacher: wer im Glashaus sitzt, sollte wirklich nicht mit Steinen werfen …

Ach du faules Ei

Die Schweiz als UBS: United Blödis of Switzerland.

Die Eidgenossenschaft, wie wir sie kennen, ist am 19. März untergegangen. Und als UBS wieder auferstanden. Als United Blödis of Switzerland. Keine Himmel-, aber eine Höllenfahrt.

Ein grosses Übel beseitigen, indem man es zum übergrossen macht? Eine Bank, die wankt, damit stabilisieren, dass sie in eine Bank transplantiert wird, die vor 14 Jahren wankte? 167 Jahre Tradition killen, um die Credit Suisse an eine Bank zu flanschen, die erst 1998 aus dem fatalen Zusammenschluss von SBG mit dem Bankverein entstand? Die falschen Manager bekamen das Sagen, und unter Führung eines grössenwahnsinnig gewordenen Marcel Ospel fuhr die neue UBS bereits 2008 und 2009 zweimal fast gegen die Wand.

Die kurze Geschichte der UBS ist also geprägt von (Fast-)Pleiten, Pech und Pannen. Zuerst hätte der neue Koloss «United Bank of Switzerland» heissen sollen. Weil auch damals mit heisser Nadel gestrickt wurde, fand man erst kurz vor Fusion heraus, dass dieser Name schon vergeben und geschützt war. Also blieb es beim Akronym UBS, das aber für nichts steht. Vom Basler Bankverein wurden die drei Schlüssel ins Logo übernommen.

Für das Geschäftsjahr 2008 vermeldete die Bank, bloss zehn Jahre nach ihrer Geburt, einen Reinverlust von knapp 20 Milliarden Franken, es waren über 80 Milliarden an Kundengeldern abgeflossen. Nur durch eine Finanzspritze der SNB und der Schweizer Regierung konnte verhindert werden, dass der frisch geschlüpfte Riese bereits ins Grab sank.

Dermassen in Geiselhaft geraten, bewilligten die Schweizer Behörden per Notrecht, dass die UBS am 18. Februar 2009 die ersten 300 Kundendaten an die USA auslieferte. Brutale Machtpolitik des grossen Imperiums; es hatte im Steuerstreit damit gedroht, sonst die UBS in den USA anzuklagen – das wäre vor jeder Gerichtsverhandlung das sofortige Todesurteil gewesen.

Damit sorgte die UBS dafür, dass die Schweizer Regierung einknickte und die USA ihre Gesetzgebung rechtsimperialistisch auch in der Schweiz durchsetzen konnten. Das Bankgeheimnis war Geschichte, die Rechtssouveränität der Schweiz hatte einen schweren Schaden erlitten. Die verantwortlichen UBS-Manager übernahmen nicht die geringste Verantwortung und zwangen dien Bundesrat dazu, ihnen per Notrecht eine weisse Weste zu verpassen.

Wie der hochrangige Mitarbeiter Raoul Weil 2014 bewies, hätte ihnen – Zivilcourage und Verantwortungsbewusstsein vorausgesetzt – nichts passieren können. Er stand einen Prozess in den USA durch – und wurde auf ganzer Linie freigesprochen.

2011 entstand neuerlich ein Milliardenverlust durch den Handel eines einzigen Mitarbeiters, der als Sanierer angetretene Oswald Grübel trat zurück; ein einziger Banker mit Verantwortungsbewusstsein. Im Liborskandal, der Manipulation des Referenzzinssatzes Libor, sozusagen der heilige Gral des Banking, zahlte die UBS eine Busse von 1,4 Milliarden Franken; um eine weitere Bussenzahlung von 2,5 Milliarden Euro kam sie herum, weil sie sich gegenüber EU-Behörden als Kronzeuge zur Verfügung stellte. In Frankreich wurde sie 2019 zunächst zu Zahlungen von 4,5 Milliarden Euro verurteilt; später senkte ein Appellationsgericht die Summe auf 1,8 Milliarden.

Im Skandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB marschierten fast 2 Milliarden US-Dollar im grössten Geldwäschereifall aller Zeiten über UBS-Konten in Singapur. Das ist ein kurzer Auszug aus der langen Liste von zwielichtigen und direkt kriminellen Handlungen, in die die UBS in ihrer kurzen Geschichte bereits verwickelt war.

Diese topseriöse, grundanständige, auf eine lange Tradition des Fine Swiss Banking zurückblickende Bank wurde von den überforderten Behörden und einem völlig überforderten Bundesrat dazu auserkoren, von einer Monsterbank zum Übermonster zu werden. Vom Dinosaurier, der «too big to fail» war, zum Übersaurier, der «too big to stay» ist, zu gross, um aufrecht stehen zu können.

Die Credit Suisse funktionierte bis zur Finanzkrise eins im Jahre 2008 einigermassen gut. Sie überstand das damalige Schlamassel sogar ohne Staatshilfe, geriet aber anschliessend dank eines unfähigen und geldgierigen Managements immer mehr in Schieflage. Geleitet von einer Niete in Nadelstreifen und mit weisser Weste, an dem teflonartig alle Skandale und Probleme abglitten.

Nach immer hektischeren Führungswechseln fuhr schliesslich ein Duo wie Plisch und Plum die stolze CS an die Wand. Es hätte diverse Rettungsmöglichkeiten gegeben. Am sinnvollsten wohl eine kurzzeitige Übernahme durch die SNB, Sanierung und Auswechslung des Führungspersonals, anschliessend neuer Börsengang. Die unbegrenzte Liquidität der SNB hätte diese Übergangsphase problemlos ermöglicht.

Stattdessen entschied man sich zur schlechtesten aller möglichen Lösungen. Der wankende Dinosaurier wurde dem anderen draufgesattelt, der in seiner kurzen Geschichte bereits selbst schon am Abgrund gestanden hatte und in der Anzahl Skandale der CS keinesfalls nachsteht.

Um sich zu vergegenwärtigen, was für eine Bedrohung für die Schweiz, ihren Finanzplatz, ihren Wohlstand, ihr Ansehen in der Welt da entstanden ist: die grösste Bank der Welt – immer nach der Bilanzsumme gemessen – bewegt rund 31 Prozent des Bruttoinlandprodukts ihres Heimatlands China. Die grösste US-Bank JPMorgan Chase steht für 16 Prozent des amerikanischen BIP. Wenn diese Banken wanken, dann ist Feuer im Dach. Es kann aber gelöscht werden.

Die mit der CS vereinigte UBS, die noch durch einen langwierigen und schmerzvollen und nach Aussage des UBS-VR-Präsidenten überhaupt nicht risikolosen Verschmelzungsprozess gehen muss, bringt aber über 200 Prozent des Schweizer BIP auf die Waage.

1’600 Milliarden im Vergleich zu 800 Milliarden. Sollte dieser Überriese Verdauungsprobleme kriegen, ins Stolpern geraten, weitere Skandale produzieren, dann wackelt aber das Matterhorn und der Gotthard bröckelt. Bereits zum Start wurde er mit Risikogarantien und Liquiditätszusagen von sagenhaften 259 Milliarden Franken überschüttet. Dagegen waren die 66 Milliarden für die UBS-Rettung ein Klacks.

Wie das zugelassen werden kann, wieso dieser Unfug beschlossen wurde, weshalb sich nur leiser Protest meldet, warum alle Versuche, diesen Riesen in beherrschbare Einzelteile zu zerlegen, zerredet und von der SP sogar sabotiert werden: unverständlich, unfassbar.

Ehrlicherweise müsste sich die Schweizerische Eidgenossenschaft offiziell umbennenen. In das, was sie nun ausmacht, wovon sie auf Gedeih und Verderb abhängt. Die wichtigsten Entscheidungen werden nicht mehr von den sieben Bundeszwergen in Bern getätigt, sondern im Wesentlichen von einem Mann, der gelegentlich an der Bahnhofstrasse in Zürich residiert: Colm Kelleher.

Dem ist es im Übrigen völlig wurst, wo er amtet. Er spricht kein Wort Deutsch, ihn interessiert die Schweiz überhaupt nicht, Swissness ist für ihn einfach ein nettes Asset, das man profitabel verwenden kann. Solange es läuft.

Damit er das Land besser versteht, in dem seine Bank regiert, sollte es sich einen neuen Namen geben: UBS. United Blödis of Switzerland. Und damit er es versteht, sollte man Kelleher erklären: Blödis, that’s Swiss German for dumbass. Or in Irish amadán.

Die grosse Illusion

Keiner kann Banglish.

Der Niedergang der einstmals stolzen Credit Suisse ist ein Trauerspiel. Es ist nicht schicksalhaft, sondern menschengemacht. Jahrelange Unfähigkeit auf der Chefetage, ein Geschäftsmodell, bei dem über 30 Milliarden an Boni rausgefeuert wurden, um einen kumulierten Verlust von 3 Milliarden herzustellen. Brüllender Wahnsinn.

Politik und Politiker haben versagt. Obwohl sich die Katastrophe seit einem halben Jahr abzeichnete, standen die Regierenden als Bobachter auf der Kommandobrücke und sahen zu, wie der Eisberg immer näher kam. Tatenlos. Dann brach wie meist Hektik aus, und fachlich völlig überforderte Bundesräte mussten Dingen zustimmen, von denen sie nichts verstanden, Wer’s nicht glaubt, sollte einmal die sieben Bundeszwerge fragen, was ein CoCo ist.

Zu diesem Versagen gehört auch, das nun mit grosser Geste ein Bonusverzicht dekretiert wird. Die Medien brechen in Lobgesänge aus, bis zu 60 Millionen werden den Pfeifen in der Bonusetage gekürzt. Die bittere Wahrheit ist: dagegen steht der Rechtsweg offen. Die bittere Wahrheit ist: noch im letzten Jahr, als der Tanker CS aus allen Löchern tropfte, wurden 2 Milliarden Boni ausgeschüttet. Also schlappe 3 Prozent davon, wenn überhaupt, werden nicht ausbezahlt. Lächerlich.

Das Politikversagen geht weiter. Nachdem die SP auf dem Absatz kehrt machte und einem sinnvollen Vorschlag zuerst zustimmte, der die Zerschlagung aller «tot big to fail»-Banken fordert – um ihn dann per Rückkommensantrag zu versenken, weil den Genossen einfiel, dass der ja von der SVP ist, wird das Parlament in seiner Sondersession nach der Devise verfahren: schön, haben wir drüber geredet. Passieren wird, wie nach 2008, schlichtweg nichts.

Zu den Versagern gehören auch die Mainstream-Medien. Was da an mangelndem finanztechnischen Sachverstand das Tageslicht erblickte – erschütternd. Wieso genau wurden der UBS 16 Milliarden Franken geschenkt, wie geht das, wieso kann die FINMA mit einem Federstrich diese Bonds ausradieren, warum rollt deswegen eine Klagewelle auf die Schweiz zu, was für Auswirkungen hat das auf die Reputation des Finanzplatzes? Gute Fragen, sagen die Massenmedien – und nehmen den Telefonjoker, weil sie die Antworten nicht kennen.

Wie ist es möglich, dass ein einzelner cleverer Banker den ganzen Bundesrat, die Politik, die Parlamentarier über den Tisch zieht? Wie kann es dem VR-Präsidenten der UBS gelingen, praktisch ungeschoren damit davonzukommen, die CS für ein Butterbrot zu übernehmen? Wie hat es Colm Kelleher geschafft, dazu noch Liquidität in der sagenhafte Höhe von 250 Milliarden nachgeworfen zu bekommen? Und dann werden noch 9 Milliarden Risikogarantie draufgelegt, als wäre die Verhandlungsdevise gewesen: Darf’s auch noch etwas mehr sein?

Was nützt die grossartige «too big to fail»-Gesetzgebung, die mit grossem Trara diskutiert und beschlossen wurde, wenn sie beim ersten Ernstfall nicht mal aus der Schublade gezogen wird, weil völlig untauglich? Wie ist es möglich, dass sich der Bundesrat schon wieder auf wackelige Notstandsartikel in der Bundesverfassung berufen kann, ohne dass ihm dafür auf die Finger geklopft wird? Ist es so, dass Regierung und Politik in der Schweiz vor den Grossbanken Mal auf Mal kapitulieren? Kann es richtig sein, das Umfallen eines zu grossen Bankdinosauriers zu verhindern, indem man ihn in einen noch grösseren implantiert, der damit zum Übersaurier wird?

Hat man auf diese naheliegenden, drängenden Fragen Antworten gelesen in den Mainstream-Medien? Wie viele sogenannte Wirtschaftsredakteure verstehen überhaupt noch Banglish? Können zum Beispiel verstehen, welche Trigger den 16-Milliarden-Abschreiber auslösen könnten – und ob einer davon auch eintrat?

Die UBS ist nun das Übermonster, der real gewordene Hulk des Banking. Die UBS ist nicht – nach Bilanzsumme – die grösste Bank der Welt. Aber die UBS hält einen einsamen Weltrekord. Die allergrösste Bank der Welt hat eine Bilanzsumme, die weniger als ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ihres Heimatlands China ausmacht. Die grösste US-Bank ist nur 16 Prozent des dortigen BIP schwer. Die UBS bringt sagenhafte 200 Prozent des Schweizer BIP auf die Waage.

Das ist nicht bedenklich. Das ist nicht besorgniserregend. Ds ist nicht beunruhigend. Das ist eine helle Katastrophe, ein angekündigtes Desaster, ein möglicher Untergang des Finanzplatzes Schweiz, des Schweizer Wohlstands, des Erfolgsmodells Schweiz. Aber weder Politiker, noch Medien weisen darauf auch nur in Ansätzen hin. Was für ein Totalversagen.

Erschütternd

Messfühler Kommentare: unfähiges Personal …

«Gemäss Leuten, die die Anleihenbedingungen gelesen haben, wird ein Ausfall der Bonds ausgelöst, wenn der Staat zur Rettung der Bank einspringen muss. Somit alles in Butter.»

Das ist einer von vielen Kommentaren unter einem Artikel auf «Inside Paradeplatz». Thema ist die skandalöse Abschreibung von Zwangswandelanleihen im Buchwert von 16 Milliarden Franken auf null. Getan hat das die Bankenaufsicht FINMA, die sich wiederum auf das vom Bundesrat angewendete Notrecht abstützte.

Das Ganze ist finanztechnisch nicht ganz einfach zu verstehen, angefangen damit, was solche Bonds eigentlich sind, und vor allem, unter welchen Umständen sie ihren Wert verlieren. Der Artikel selbst, das sagt ZACKBUM in aller Objektivität, ist hervorragend geschrieben und durchdacht.

Interessant sind allerdings auch die Kommentare. Denn es ist bekannt, dass sich auf IP vor allem Schweizer Banker tummeln, die geschützt durch Anonymität unverblümt ihre Meinung sagen. Neben den üblichen frustrierten Kläffern («Du bisch eifach ganz en dumme Plauderi Zeyer») gibt es allerdings eine erschreckende Anzahl von Kommentatoren, die schwere Kenntnislücken vorführen.

Das fängt auch hier mit Gekeife an «Den Coco Gag bringt er gefühlt zum 10. Mal und er ist noch genauso falsch wie bei der ersten Erwähnung», geht aber mit ernsthaften Behauptungen weiter: «Es sind Pflichtwandelanleihen und die würden unter den gegebenen Umständen sowieso in Aktienkapital gewandelt und hätten im Fall CS (ohne Intervention) praktisch auf Null abgeschrieben werden müssen.» 

Ein anderer Banker behauptet: «Es wäre hilfreich, wenn der Autor wenigstens kurz einen Blick in den Prospekt der AT1 geworfen hätte, dann wüsste er nämlich, welchen Unsinn er hier zusammengeschrieben hat.»

Oder: «Wer diese Papiere erworben hat wusste oder hätte wissen sollen, dass es sich um scharfgestellte Handgranaten handelte, wieso sonst dieser Zins. Im Prospekt stehen seitenweise Trigger-Events.»

Und so weiter. Erschütternd ist: kein Einziger dieser Tiefflieger hat offensichtlich den Prospekt gelesen, geschweige denn verstanden. Sonst wüssten nämlich alle: höchstwahrscheinlich war keine der dort genannten Bedingungen erfüllt, um die Anleihen auf null abschreiben zu können. Zumindest gäbe es keine internationale Klagewelle, wenn alles so eindeutig wäre. Allerdings ist der Prospekt im üblichen internationalen Banglish abgefasst, bei dem die meisten Schweizer Bänker schon mal abschnallen.

Sie kapieren höchstens noch, dass das Kriterium des Unterschreitens einer gewissen Schwelle des Eigenkapitals nicht erfüllt wurde. Die übrigen wohl auch nicht, wenn man hier kurz einen Auszug zitieren darf:

«A “Viability Event” will occur if prior to a Statutory Loss Absorption Date (if any) either:
(a) the Regulator has notified CSG that it has determined that a write-down of the Notes, together with the conversion or write-down/off of holders’ claims in respect of any and all other Going Concern Capital
Instruments, Tier 1 Instruments and Tier 2 Instruments that, pursuant to their terms or by operation of law, are capable of being converted into equity or written down/off at that time is, because customary measures to improve CSG’s capital adequacy are at the time inadequate or unfeasible, an essential requirement to prevent CSG from becoming insolvent, bankrupt or unable to pay a material part of its debts as they fall due, or from ceasing to carry on its business; or …»

Alles klar, alles verstanden? Der Laienleser muss das nicht verstehen, ein Schweizer Bänker müsste es kapieren.

Es wird so viel über die Unfähigkeit in den Chefetagen der Banken geschimpft. Dagegen werden immer die hart arbeitenden einfachen Mitarbeiter im Maschinenraum gestellt, die aufrecht, kompetent und tapfer ihren Dienst verrichten.

Was sich hier aber zeigt (man kann diese Kommentare durchaus als repräsentativ bezeichnen): ein bedeutender Prozentsatz dieser kleinen Bänker hat eine starke Meinung, aber nicht einmal eine schwache Ahnung, worüber er schreibt. Auch das ist ein Grund dafür, dass der Finanzplatz Schweiz in einem so desolaten Zustand ist.

Man stelle sich nur vor, dass Schweizer Käse oder Schokolade auch von solchen Pfeifen hergestellt würde. Dann wäre es schnell mit deren Image und Reputation vorbei.

 

Milchmädchenrechnung

Ist die UBS zu gross? Selbst Milchmädchen kennen die Antwort.

Welches sind die grössten Banken der Welt, nach Bilanzsumme? Kann jedes Milchmädchen nachschauen. Auf den ersten vier Plätzen liegen chinesische Banken. Die allergrösste ist die Industrial & Commercial Bank of China mit 5’537 Milliarden US-Doller per Ende 2021.

Die erste Amibank kommt auf Platz fünf; JPMorgan Chase bringt 3’744 Milliarden auf die Waage. Dann geht’s die Leiter runter mit japanischen, englischen, französischen, spanischen und kanadischen Banken. Schliesslich kommt mal die frühere UBS mit 1’117 Milliarden. Neu zusammen mit CS sind es dann rund 1’600.

Also ferner liefen in diesem Vergleich. Nun setzen wir aber die Banken mal ins Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt ihrer jeweiligen Heimatländer.

Bei China beträgt das 17,73 Billionen USD. Also ist die Bilanz der grössten chinesischen Bank rund 31 Prozent des BIP schwer. Bei den USA sind es 23,32 Billionen. Das bedeutet, dass JPMorgan Chase lediglich 16 Prozent des BIP entspricht.

Das BIP der Schweiz war im Jahr 2021 rund 800 Milliarden USD. Hier braucht man nicht einmal einen Prozentrechner, um das ins Verhältnis zur neuen Bilanzsumme von UBS/CS zu setzen. Sie beträgt 200 Prozent des Schweizer BIP.

Schon als die Schweizerische Nationalbank mit ihrer fragwürdigen Stützungspolitik des Frankens auf eine Bilanzsumme kam, die das Schweizer BIP überragte, gab es allgemeines Kopfschütteln und gerunzelte Stirnen. Passiert ist weiter nichts. Aber bei der SNB ist das auch nicht wirklich tragisch; sie kann auch Riesenverluste locker wegstecken, schliesslich ist sie die Herrin des Schweizer Frankens, des Leitzinses und der Geldmenge.

Nun schleppt der Riesendinosaurier UBS neuerdings eine doppelt so grosse Bilanz wie das gesamte BIP seiner Landes herum. Das ist nun nicht normal, sondern absoluter Weltrekord – mit Abstand. Keine andere Bank auf der Welt hat eine Bilanzsumme, die mehr als ein Drittel des BIP des Heimatlandes ausmacht.

Wer dazu «na und?» sagt, hat nun wirklich von Finanzen noch weniger Ahnung als ein Milchmädchen. Wer wie die SP gegen die Zerschlagung aller «too big to fail»-Banken in der Schweiz ist, weil der Vorschlag von der SVP kommt, wer im UBS/CS-Übermonster nicht eine tödliche Bedrohung der gesamten Schweizer Volkswirtschaft, des Lebensstandards und des Wohlstands der Schweiz sieht – dem ist nicht zu helfen.

Der sollte wenigstens flüssig die Strophe des Schweizerpalms singen: «Betet, freie Schweizer, betet.» Hilft zwar nix, kann aber ablenken.

Zahlen lügen nicht

Zwei Strategien scheitern, zwei funktionieren.

So einfach sind die neusten Zahlen der Studie «Mach Basic» der Wemf. Abgesehen davon, dass die Bude immer mal wieder die Kriterien ändert, was beispielsweise die aktuellen Zahlen der «Schweiz am Wochenende» nicht mit denen des Vorjahrs vergleichen lässt: klare Ergebnisse der neusten Reichweitemessung.

«20 Minuten» in der Deutschschweiz: minus 10 Prozent, «Tages-Anzeiger» sogar minus 13 Prozent, «SonntagsZeitung» minus 1 Prozent.

Parallel dazu: «Blick» minus 10 Prozent, «SonntagsBlick» minus 10 Prozent. «Beobachter» minus 10 Prozent, «Schweizer Illustrierte» minus 10 Prozent, sogar die «Glückspost» minus 10 Prozent.

Also Tamedia und Ringier verlieren happig Leser im zweistelligen Bereich. Bevor da von allgemeinen Umständen, schwierigen Zeiten und unbeständigem Wetter gefaselt wird, im besten CS-Stil:

«NZZ» plus 6 Prozent, «Schweiz am Wochenende» mit 992’000 Lesern die meistgelesen Zeitung der Deutschschweiz. Dazu hält sich die NZZaS einigermassen, die SoZ auch, während der SoBli abschmiert.

Wir sprechen hier ausschliesslich vom Print, da die Wemf die Zahlen für «total audience», also Print und Online, nur gegen Bezahlung rausrückt.

Aber im Printbereich kann man eindeutig sagen, dass sich CH Media einigermassen hält und die NZZ deutlich zulegt. Während bei Tamedia «20 Minuten» und vor allem der «Tages-Anzeiger» schwächeln, hält sich immerhin die SoZ auf Vorjahresniveau.

Durchs Band schmiert hingegen die «Blick»-Familie ab. Nun haben solche Entwicklungen immer Verantwortliche, und die sind nicht unbedingt auf der Ebene Chefredaktion zu suchen, sondern bei der Geschäftsleitung. Das wäre bei Ringier also Ladina Heimgartner, die offensichtlich mit Blitzstrahlen und einem zur Denunziation einladenden «Cultural Audit» davon ablenken will, dass ihre Strategie, dem «Blick» alle Zähne zu ziehen und ihn weiblicher, dafür viel weniger boulevardesk zu machen, krachend gescheitert ist.

Bei Tamedia musste der zuständige Geschäftsführer Marco Boselli bereits die Konsequenzen verspüren. Er wurde kurz spitz entsorgt. Sein Nachfolger a.i. hat allerdings durchaus Ähnlichkeiten mit Heimgartner: ein Schwulstschwätzer ohne Leistungsausweis.

Die Frage ist nun, ob diese desaströsen Zahlen in zwei Verlagen, im Gegensatz zu stabilen oder sogar positiven Zahlen in zwei anderen Verlagen, irgendwelche Konsequenzen haben werden. Leserschwund in zweistelliger Zahl, das ist normalerweise ein Alarmzeichen, auf das reagiert werden muss. Die Auswechslung von Geschäftsleitung und Chefredaktion drängt sich dabei normalerweise auf.

Nun hat Heimgartner, wenn auch aus anderem Grund, den Oberchefredaktor der «Blick»-Familie in eine Auszeit ohne Wiederkehr geschickt. Auch der Oberchefredaktor bei Tamedia musste ins Glied zurücktreten, sozusagen. Während die Nachfolge beim «Blick» noch völlig unklar ist, lässt die Regelung beim «Tages-Anzeiger» Übles ahnen.

Währenddessen zeigen Patrik Müller und Eric Gujer, beide auch in der Geschäftsleitung, dass die gute alte Idee, dem Leser für sein Geld auch einen Gegenwert zu bieten, durchaus Sinn macht. CH Media (und die NZZ) sind das Thema Pandemie viel weniger kreischig und unverhohlen regierungsgläubig angegangen, haben viel weniger gegen angebliche Corona-Leugner ausgeteilt.

Natürlich spielt die NZZ inzwischen in einer eigenen Liga, was die Breite des Angebots, die Qualität des Angebotenen und die klare Positionierung betrifft. Aber genau da liegt die Achillesferse sowohl von Ringier wie von Tamedia. Die Hauptpublikationen lassen jedes Profil vermissen. Es ist Wischiwaschi, Weichgespültes, allzu häufig sind es Bauchnabelbetrachtungen der Redakteure.

Bei Tamedia nimmt der Anteil von Artikeln aus der «Süddeutschen Zeitung» in München überhand, bei Ringier fehlt es zunehmend an journalistischen Eigenleistungen im Boulevard. Dass ein längst pensionierter Vic Dammann immer noch die einzigen Krimalstorys mit Hand und Fuss beim «Blick» schreibt, dass Tamedia überhaupt keinen profilierten Schreiber mehr hat, das ist ein klares Indiz der Misere.

Wie schon Zimmermann in seiner «Weltwoche»-Kolumne empfahl, der Tagi sollte sich einfach mal klar positionieren. Als das, was aus ihm geworden ist. Ein Blatt für ein wokes, urbanes, eher linkes Publikum der Besserverdienenden, denen das Schicksal von Prekariatsmitgliedern eher egal ist. Die ihre Kinder in Privatschulen schicken und somit nichts von den Auswirkungen der Masseneinwanderung im staatlichen Schulsystem mitkriegen. Die hedonistisch in Genuss schwelgen, in der Stadt mit dem E-Scooter herumglühen, aber in den Ferien gerne mal auf den Malediven entspannen.

Der «Blick» hingegen müsste dringend zum althergebrachten Konzept «Blut, Busen, Büsis» zurückkehren. Denn das gehört zum Boulevard wie die Kampagne, die anzüglichen Berichte über Sexskandale, über die vielen Fehltritte der B- und C-Prominenz.

Debatten über Gendersterne, inkludierende Sprache, Sprachreinigung, Geschimpfe über Mohrenköpfe, das alles interessiert das Publikum weder beim Tagi noch beim «Blick».

Also Abhilfe wäre denkbar. Aber die wäre auch bei der CS möglich gewesen. Nur sind lediglich durch ihr intrigantes Geschick an höhere Positionen geratene Personen meistens sehr clever im Verteidigen des erkletterten Pöstchens. Aber Impulse, Strategien, Ideen, das alles sind nicht so ihre starken Seiten. Zudem sind sie aus Unsicherheit meistens beratungsresistent und schmeissen lieber einen Haufen Geld für externe Beratung hinaus.