Wie man’s nicht probieren sollte

Bud. Budweiser. Inbegriff eines US-Biers. Mit fataler Werbung. Wie bei der SI.

Das ging schwer in die Dose. Der Riesenkonzern Anheuser-Busch vertreibt neben vielen anderen Marken auch Budweiser. Das Bud gehört zu den traditionellen Marken und wird gerne gesoffen. Auch in der Light-Version.

Nun wollte der Konzern möglichst woke sein – und versicherte sich der Werbedienste der/die/des Transgender-Influencers Dylan Mulvaney. Mit durchschlagendem Erfolg: der Umsatz des Biers sank innert Wochenfrist um 26 Prozent. Denn Bier ist nun doch weiterhin eher Männersache, und auch der moderne männliche Biertrinker ist nicht gerade davon angetan, sein Gesöff von einer Transgender-Person angepriesen zu bekommen.

Das kann man als typischen Ausdruck von Diskriminierung, Phobie, Ausgrenzung, Ablehnung und allem Furchtbaren sehen. Aber der Markt (männlich!) ist eben unerbittlich.

Das leitet glatt zur ähnlich verunglückten Werbekampagne der «Schweizer Illustrierte» über.

Hier sitzt eine Frau barfuss statt auf dem bequemen Sessel auf dem Boden und schaut begeistert auf eine Schwingerhose. Echter Slapstick.

Frank Bodin von Bodin Consulting, dem neusten Namen seiner gelegentlich abröchelnden Werbebuden, wütet weiter im Ringier-Verlag, nachdem er schon der «Blick»-Familie ein Klötzchen-Design mit Regenrohr im Logo verpasste.

Auch diese Variante ist interpretationsbedürftig. Da sitzt ein Mann in spartanischem Umfeld, und statt das Glas Wasser zu kippen (wohl der kulinarische Höhepunkt auf dem Bild, oder ist der Strauss auf dem Nebentisch essbar?), glotzt er in eine Kochmütze, auf der «Schweizer Illustrierte» steht. Hä?

Auch nicht leichter verständlich. Ein wuschelköpfiger Jugendlicher (Musiker?) schaut schräg über ein Mini-Piano den Betrachter an. Neben sich ein Holzstoss und ein Blechtisch. Soll das ein versteckter Hinweis auf das kärgliche Leben in der Musikwelt sein?

Das hier verschliesst sich nun definitiv jeglicher Erklärung. Eine Frau lehnt sich in unbequemer Stellung gegen die Kante einer Bank. Links sieht man noch angeschnitten einen typischen Abfalleimer, der aber für diese Kampagne leider nicht verwendet wurde. Was sie in der Hand hält, und was daran sie näher an die «Prominenten» heranführen soll, ein Geheimnis.

Es gibt aber noch mehr Rätsel.

Das hier ist das Foto des kompetenten Teams, das diese Werbekampagne verbrochen, bzw. umgesetzt hat. Nur: «Frank Bodin fehlt auf dem Bild», macht ein Hinweis deutlich. Da fragt man sich natürlich, ob der Verantwortliche für «Konzept und Idee» dann doch kalte Füsse bekam, sich mit Konterfei in der Nähe dieses Schwachsinns zu zeigen.

Denn merke; wer eine Schwingerhose, eine Kochmütze oder ein Mini-Piano in der Hand hält und gebannt draufstarrt, ist damit weder Spitzenköchen noch Musikstars noch Prominenten in irgend einer Form näher. Nicht mal nahe. Abgesehen davon, dass die SI scheint’s ein Printprodukt ist, in dem man lesen und blättern kann. Beides ist bei diesen abgebildeten Gerätschaften eher schwierig bis unmöglich.

Man muss sich wieder einmal fragen, wieso sich ansonsten zurechnungsfähige Menschen so einen Blödsinn aufschwatzen lassen und dann auch noch so betexten: «Auf den Sujets sieht man eine Leserin oder einen Leser beim Schmökern in der SI in einer Alltagssituation: zu Hause, unterwegs, in einem Restaurant, beim Zurechtmachen für den Ausgang. Das Magazin selbst wird im Bild als Symbol für die Lebenswelten der Persönlichkeiten dargestellt: So ist die SI mal eine Schwingerhose, – weil näher beim König –, mal eine Filmklappe – weil näher bei den Filmstars – oder eine Kochmütze – weil näher bei den Spitzenköchen.»

Wenn das diesseits von 0,8 Promille verfasst wurde, ist dem Autor nicht mehr zu helfen.

Dagegen ist so eine Werbung geradezu genial:

Kuschelecke SRF

So geht das heute: Kadermann weg.

Patrizia Laeri, gierig nach medialer Aufmerksamkeit um jeden Preis, kramte aus ihren Erinnerungen einen Vorfall hervor, der sich vor über 20 Jahren zugetragen haben soll. Als Praktikantin sei sie bei SRF von einem Vorgesetzten bedrängt worden, der sie in einen Nebenraum lockte und zu küssen versucht habe. Sie habe sich zuerst verbal, dann auch körperlich dagegen gewehrt.

Erst die jüngsten Enthüllungen solcher Übergriffe habe ihr die Kraft gegeben, über diesen längst vergangenen, aber nie verarbeiteten Vorfall zu sprechen. Mit dieser larmoyanten Geschichte schaffte sie es in die Spalten des «Blick» und auch seriöserer Zeitungen.

Verschreckt versprach SRF sofort eine eingehende Untersuchung des Vorfalls. Aber blöd gelaufen, trotz oder wegen der verflossenen Zeit konnte dem SRG-Mitarbeiter kein Fehlverhalten nachgewiesen werden – nicht zuletzt deswegen, weil sich der angebliche Vorfall nicht in Arbeitsräumen abgespielt haben soll – und Laeri sich in Widersprüche bei ihren Aussagen verwickelte.

Das war eine kalte Dusche, lahm kündigte Laeri an, die Untersuchung juristisch überprüfen zu lassen, da seien sicherlich gravierende Fehler passiert. Seither herrscht von ihrer Seite peinliches Schweigen.

Aber wie meist in solchen Fällen gab es Trittbrettfahrerinnen, die sich ebenfalls über diesen SRG-Mitarbeiter beschwerten. Wohlgemerkt nicht wegen sexuellen Übergriffen, sondern weil er «zu wenig wertschätzend» als Chef gewesen sei. Eine SRG-Schneeflocke habe sich verletzt gefühlt, weil ihr der Kadermann das Buch «Generation Beleidigt» zur Lektüre empfohlen hatte. Nomen est omen. Ausserdem sei sein Diskussionstil «dominant» gewesen.

All diese Vorwürfe stehen nicht nur ernsthaft im internen Untersuchungsbericht. Aus ihm geht auch hervor, dass sich alle Beschwerdeführerinnen direkt an die Chefredaktion wandten, ohne mit dem Angeschuldigten das Gespräch zu suchen. Also typisches Denunziantenverhalten.

In einem zurechnungsfähigen Unternehmen würde die Umsetzung einer «Charta der Zusammenarbeit in der SRG» bedeuten, dass diese Denunziantinnen abgemahnt worden wären, auch die Androhung der Kündigung wäre eine adäquate Reaktion gewesen.

Stattdessen hat die SRG das Arbeitsverhältnis mit dem Kadernmann «im gegenseitigen Einverständnis» aufgelöst. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Eine mediengeile Ex-TV-Frau, die gerade Geld für ihr ihr Start-up einsammelt, reitet auf der abebbenden «me too»-Welle und behauptet einen längst verjährten und Jahrzehnte zurückliegenden Kussversuch. Die Untersuchung ergibt: nichts dran. Aber auf diesen Zug springen andere auf und lästern ebenfalls ab.

Verletzung durch Buchempfehlung, dominanter Diskussionsstil – das reicht heutzutage, um einen kompetenten, wichtigen Mitarbeiter rauszukübeln. Während die Heckenschützen bleiben dürfen. Unsäglich.

Hasse mit Aufgabe

Viele fragen sich, was Kerstin Hasse eigentlich in der Chefredaktion zu suchen hat.

«Die Journalistin amtete zwei Jahre als Präsidentin der Medienfrauen Schweiz, wo sie sich für mehr Chancengleichheit in der Medienbranche einsetzte.» So preist Tamedia das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse an.

Zuvor war die «Chefredaktorin Digital» in verantwortungsvoller Stelle bei der «Annabelle» tätig. Zuvor beim «Bündner Tagblatt». Bislang meldete sich Hasse am liebsten um den 8. März herum zu Wort. Internationaler Tag der Frau, you know. Das letzte Mal behauptete sie: «Wir müssen über Geld reden». Mehr Lohntransparenz, folgt dem Beispiel von Laeri, die ihren Lohn offengelegt habe, trompetete Hasse: «Wer es ernst meint mit der Gleichberechtigung, muss das Schweigen über Geld brechen

Toller Ansatz, nur: über ihren eigenen Lohn schwieg sich Hasse aus, offenbar meint sie es doch nicht ernst mit der Gleichberechtigung. Sonst könnte man sich fragen, wieso sie so viel für süsses Nichtstun verdient. Denn von der «Chefredaktorin Digital», die mit vollmundigen Ankündigungen angetreten war, ist seither nichts zu hören oder zu sehen.

Aber nun hat sie eine Aufgabe gefunden. Sie fordert nicht mehr nur eine «komplette, ehrliche und offene Gleichstellung», was immer das sein mag. Sie fällt nicht nur durch Selfies im goldumkrusteten Spiegel des Luxushotels «Trois Rois» auf.

Nein, nun geht’s voran mit Digital:

Hasse darf den neuen Newsroom von Tamedia, Pardon «Tages-Anzeiger» zeigen. Im Bewegtbild. Mit Kameraschwenks. Mit spontan-peinlichen Interviews. Mit der eigenen Chefredaktorin! Auch ein Mann kommt vor. Dazu Einblicke in die Käfighaltung der Journalisten, wo der eigene Bildschirm nur durch wenige Zentimeter vom Bildschirm des Nachbarn links oder rechts getrennt ist. Wo es eine niedliche Telefonkabine gibt, falls jemand mal tatsächlich das Bedürfnis nach einem vertraulichen Gespräch haben sollte, was im Journalismus aber kaum der Fall ist.

Und dann, Schlussbrüller, gibt es noch eine lauschige Sitzecke, wo man Mühle spielen kann. Wozu aber auch, wenn man schon in dieser News-Mühle steckt, wo die vornehmste Aufgabe der Fachkoryphäen darin besteht, aus Artikeln der «Süddeutschen Zeitung» die ß rauszuoperieren.

ZACKBUM ist Kerstin Hasse wirklich dankbar. Wir konnten uns vorher unter der Tätigkeit eines Chefredaktors Digital (generisches Maskulin, you know) eigentlich nichts vorstellen. Diese Wissenslücke hat Hasse endlich gefüllt. Daher lehnen wir uns wie sie zurück und warten auf ihr nächstes Wort zum Frauenkampftag. Im März 2024.

 

Wunder gibt es immer wieder

Umsatz: 180’000. Bewertung: 16 Millionen. Wow.

Feminine Finanzen ticken anders. Dafür hat ZACKBUM endlich den Beweis gefunden. Denn die sogenannte «Finanzplattform» ElleXX (nein, jeglicher Scherz über den Namen wäre nur Ausdruck üblen Machotums) will durch Crowdfunding bis zu 3 Millionen Franken einnehmen.

Dafür werden Aktien zu einem Stückpreis von 136 Franken verkauft, wobei hier «nimm zwei» gilt, eine Aktie alleine gibt es nicht. Hochgerechnet auf die gesamten 117’640 XX-Aktien ergibt sich daraus ein schwindelerregender Wert von 16 Millionen Franken.

Laut einem Gutachten seien die diesem Wert zugrundeliegenden Finanzzahlen «ambitioniert», die Bewertung liege «im oberen Bereich» und sei «ehrgeizig». Alles Finanz-Buzzwords für «uiui».

Allerdings, denn während es letztes Jahr einen doch eher schlappen Umsatz von 180’000 Franken gab, soll der bereits dieses Jahr auf eine Million hochschnellen. Plus mehr als 500 Prozent. Das ist aber noch nix, 2026 seien es dann bereits 26,3 Millionen. Das wären dann knapp 15’000 Prozent des letztjährigen Umsatzes. Weiter hochgerechnet würde ElleXX noch in diesem Jahrhundert die Milliardengrenze knacken.

Die aktuelle Bewertung entspricht dem 88-fachen des letzten gemeldeten Umsatzes. Ob der tatsächlich dieses Jahr auf eine Million steigt, kann nicht beurteilt werden; ElleXX hat keine Quartalszahlen vorgelegt.

Aber auch Frauen sollten rechnen können. Der dem Aktienpreis zugrunde gelegte Firmenwert ist fiktiv. ElleXX ist nur dann 16 Millionen wert, wenn eine Aktie auch wieder für 136 Franken verkauft werden kann. Was allerdings der Marktwert einer Aktie ist oder wäre, ist schwer zu beurteilen. Denn ElleXX ist nicht börsenkotiert, das heisst, es gibt keinen Handelsplatz für die Aktien.

Merke: «ElleXX – wir bereichern Frauen». Das stimmt; die Frage ist nur, welche und wie viele …

Praktisch, dass Patrizia Laeri gerade mal wieder mit Foto auf dem Boulevard auftaucht. Der von ihr der sexuellen Belästigung beschuldigte Kader-Mitarbeiter von SRF hat sein Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einverständnis aufgelöst. Kleiner Schönheitsfehler dabei: nicht wegen ihren Anschuldigungen, die liessen sich nicht zuletzt wegen widersprüchlichen Aussagen von Laeri nicht erhärten. Sie hatte angekündigt, dieses Untersuchungsergebnis rechtlich prüfen zu lassen, da seien sicher Fehler passiert. Seither ist Schweigen im Walde.

Wieso braucht denn das neuste Projekt der nicht gerade von Glück verfolgten Laeri (die wohl einzige Finanz-Chefredaktorin der Schweiz, die ihr Amt gar nicht antrat, weil die Firma vorher pleite gegangen war) frisches Geld? Ganz einfach, nachdem die Gründerinnen etwas Geld auf den Tisch legten und dann erste Investoren nachschossen, ist die Burn-Rate weiterhin hoch. Also das Projekt verbrennt viel mehr Geld als es einnimmt.

Das ist die Realität. Alles andere sind feuchte Träume.

Stoppt Kummer!

Der Platz in der «Weltwoche» ist zu wertvoll dafür.

Immer, wenn der Autor Tom Kummer heisst, muss überblättert werden. Inzwischen fehlt sogar jeglicher Warnhinweis über seinen Storys, dass niemand garantieren kann, welcher Teil real, welcher erfunden und welcher schlichtweg geschwindelt ist.

Die aktuelle Ausgabe ist leider ein Negativ-Beispiel einer Negativ-Auswahl. Lobend muss allerdings vorangestellt werden, dass die WeWo und ihr Chefredaktor Roger Köppel die einzigen ZACKBUM bekannten Institutionen sind, die auch in den eigenen Spalten hemmungslose Kritik am Blatt und am Chefredaktor zulassen. Man stelle sich das einmal bei Tamedia, CH Media oder der NZZ vor, vom «Blick» ganz zu schweigen.

Aber nach dem Kompliment zur Dresche. Diesmal fängt es schon bei der Cover-Story an. Sahra Wagenknecht möchte «Frieden, Freiheit, Wohlstand für alle». Das ist wunderbar, Freude und Eierkuchen hat sie vergessen. Womit wir bereits bis Seite 14 überklettert hätten, ohne dass zuvor etwas aufgehalten hätte. Dann kann man «Meine Vision für Deutschland» überblättern, denn so schön (und bekannt) die auch sein mag: Wagenknecht wird nie die Chance bekommen, sie zu realisieren.

Dann weitere Seiten Erwartbares, daher Langweiliges, inklusive der unverwüstliche Václav Klaus, immer wieder gerne von Köppel angehimmelt, der sich in seinem Editorial an einem ganz Grossen versucht, nebenbei. Aber einen Überflieger über Friedrich Hegel zu machen, das ist nicht jedem gegeben. Immerhin, auf Seite 29 mokiert sich Kurt W. Zimmermann über das Phänomen, dass früher streng anti-amerikanische Linksjournalisten mit Vorliebe für China inzwischen zu Ami-Bewunderern und China-Kritikern denaturiert sind. Oder schlichtweg schon wieder zeigen, dass sie weder links noch rechts, sondern einfach haltlos opportunistisch sind.

Informationen über Mauersegler, mit Verlaub, gehen dem Leser genauso an einem gewissen Körperteil vorbei wie die unleserlichen Kolumnen von Anabel Schunke und Tamara Wern, die anscheinend Wernli heisst, aber beim schnellen Umblättern kann ich den Namen nie ganz lesen.

Ein Artikel über das Universalgenie Ziryab, immerhin, bereichernd. Wir sind bereits auf Seite 49, wo uns Michael Bahnerth mit der x-mal aufgewärmten Story über John Wayne angähnt. Dann darf Tom Kummer sogar zweimal, seine Reportage muss überblättert werden, aber seine Selbstbeweihräucherung im Feuilleton ist unerträglich. Denn die Edition Text + Kritik widmet sich dem literarischen Journalismus, und da kommt bedauerlicherweise auch Kummer vor.

Der kriegt sich kaum mehr ein und verwendet seine halbe Rezension darauf, den Leser mit seinem eigenen Werdegang zu langweilen. Völlig unerträglich wird es, wenn er schreibt, zum «literarischen Journalismus» gehörten auch seine «inszenierten Interviews». Mit seinen Fake-Interviews kippte er immerhin die Chefredaktion des Magazins der Süddeutschen aus dem Sattel, anschliessend wurde er zum Wiederholungstäter und wurde sogar von Köppel rausgeschmissen. Der muss aber ein erhöhtes Resozialisierungsbedürfnis haben, denn Kummer darf inzwischen wieder – bis zum nächsten Rausschmiss.

In diese Liga gehört auch das inzwischen regelmässig irrlichternde Pseudonym Pascal Morché, nebenbei. Was Häfligers Klatsch-Doppelseite, wo regelmässig Grinsbacken mit alkoholfreien oder alkoholhaltigen Getränken in die Kamera glotzen, in der WeWo zu suchen hat, erschliesst sich nicht, ebenso wenig bei den Kolumnen von David Schär oder Diana Schiftan. Da ZACKBUM kein Fan von Kreuzworträtseln ist, wär’s das schon.

Zeit zum Aufräumen, Frühjahrsputz, Kampf gegen die Langweile, Schubumkehr, wider das Erwartbare, das müsste doch, neben guter Laune, die neue Devise der guten, alten «Weltwoche» sein.

 

Dröhnende Stille

Die Medienreaktion auf Schawinskis Buch: wird nicht peinlich geschwiegen, wird peinlich geschrieben.

Roger Schawinski hat fulminant die Skandalgeschichte um eine verschmähte Frau aufgeschrieben. Wer sein Buch «Anuschka und Finn» liest, bekommt eindrücklich vor Augen geführt, wie banal, ärmlich und unappetitlich die ganze Story ist. Eine privilegierte Journalistin sieht das Ende ihrer Arbeitszeit kommen und will noch den einzigen Karrieresprung machen, der ihr möglich erscheint.

Sie will Chefredaktorin des «Magazin» werden, weil sie das Gefühl hat, sie könne das besser als der Amtsinhaber. Also macht sie zwei Dinge. Sie beschwert sich intern über ihn und bewirbt sich auf seine Stelle. Der erste Mobbing-Versuch schlägt fehl, ihre Bewerbung wird abgeschmettert. Daraufhin lässt sie über die Bande spielen, benützt das Beziehungsnetz ihres Mannes, um nochmals ihre Vorwürfe in den Verwaltungsrat von Tx einzubringen.

Zweite Untersuchung, noch gründlicher, gleiches Resultat. An ihren Vorwürfen gegen Finn Canonica ist (fast) nichts dran. Aber nun stellt der Untersuchungsbericht zu Recht fest, dass angesichts der Massivität ihrer Falschanschuldigungen ein weiteres gedeihliches Zusammenarbeiten nicht mehr möglich sei.

Also wird zunächst, unglaublich, der Chefredaktor entsorgt. Aber nach einem kurzen Moment des Triumphs und der Hoffnung, nun doch den Chefsessel besteigen zu dürfen, kommt die kalte Dusche: auch Anuschka Roshani wird gefeuert.

Sie wartet noch die Kündigungsfrist mit Nachzahlung ab, um dann öffentlich im «Spiegel» Rache zu nehmen. Wie peinlich für das Organ, bei dieser klaren Motivlage auf den Bericht reinzufallen und ihn zu publizieren. Noch peinlicher: inzwischen wurden dem ehemaligen Nachrichtenmagazin die weitere Publikation von neun Textstellen im Racheartikel von Roshani untersagt (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig). Noch peinlicher: bei der Gerichtsverhandlung konnte der «Spiegel» kein einziges der behaupteten «Dokumente» vorlegen, die Roshanis Darstellung stützen sollen. Auch an Zeugenaussagen – ausser Roshani, ihr Mann und eine wegen Fehlverhaltens entlassene Redaktorin ist da nix – mangelt es.

Geht’s noch peinlicher? Oh ja, wenn wir die Medienresonanz auf Schawinskis Buch anschauen. Die Prognose war nicht schwerer als nach der Publikation des Untersuchungsberichts über Uni-Studentinnen. Schweigen oder Verriss.

Tiefes Schweigen bei NZZ und «Blick». Einfach nichts, dabei wird sonst jeder Seufzer im Mediengefüge kolportiert. Aber ein Buch über den wohl grössten aktuellen Medienskandal der Schweiz – nichts. Wie alle Medien Roshani auf den Leim krochen, wie auch in der NZZ und beim «Blick» und anderswo («alles noch viel schlimmer») Zeugenaussagen erfunden wurden, Canonica zum wahren Monster aufgeblasen wurde, jede Behauptung gegen ihn für bare Münze genommen wurde – ein Skandal im Skandal.

Aber Selbstkritik war noch nie die starke Seite der Medien.

Noch schlimmer als das Schweigen der Belämmerten sind die Wortmeldungen. Sie sind überschaubar. Die «SonntagsZeitung» titelt:

Früher hätte man dem Autor oder dem Produzenten einen solchen Titel um die Ohren gehauen und gesagt, dass es vielleicht noch gut wäre, auf den Kern des Buchs einzugehen, nicht auf einen Nebenaspekt. Aber auch das ist noch nicht der Gipfel der Peinlichkeit.

Der besteht darin, dass eigentlich der Autor des Verrisses zusammen mit Michèle Binswanger ein Interview mit Schawinski eingeplant hatte. Nur: das durfte auf Weisung von ganz oben dann nicht erscheinen. So viel zur Unabhängigkeit der Redaktion. Der arme Arthur Rutishauser. Nicht nur degradiert zum SoZ-Chefredaktor; nicht mal hier darf er ungeniert schalten und walten.

Stattdessen verwendet Rico Bandle eine kurze Einleitung auf den Inhalt des Buchs, um dann den ganzen, langen Rest seines Artikels dem Nebenaspekt zu widmen, dass Schawinski beschreibt, wie er sich unglücklich im Verlag des Ehemanns von Roshani engagierte. Was eigentlich nur eine Fussnote im Recherchierstück ist.

Wenn man richtig bösartig sein wollte, und will man das nicht, kann man hinter dem Titel auch eine Spur Antisemitismus vermuten; geht es hier einem Juden wieder mal nur ums Geld?

Auch CH Media bekleckert sich nicht gerade mit Ruhm und Ehre. Hier ergreift Christian Mensch das Wort: «Lohnt sich die Lektüre?» Er beginnt mit einem Lob: «Roger Schawinski, der nächsten Monat seinen 78. Geburtstag feiert, hat es noch drauf.» Um es dann zu vergiften: «Bei so viel Reflex bleibt die Reflexion leicht auf der Strecke … voyeuristisch durchaus interessant … Möchte man Schawinski ehren, ist «Anuschka und Finn» das helvetische Gegenstück zu «Noch wach?», dem aktuellen Schlüsselroman von Benjamin von Stuckrad-Barre».

Das ist nun der Gipfel der Abgefeimtheit. Schawinskis Werk mit dem Schundroman eines eitlen PR-Genies in eigener Sache zu vergleichen, der selbstverliebt aus dem Nähkästchen plaudert und seine Zeit als Mietschreiber für Springer Revue passieren lässt, das ist unerträglich.

Dann wirft Mensch Schawinski doch tatsächlich vor, dass der im kleinen Schweizer Medienzirkus mit allen Protagonisten per du sei, schlimmer noch: «Zu einer ebenso kritischen Haltung gegenüber Canonica, der Tamedia sowie zu ihrem Verleger Supino kann sich Schawinski nicht durchringen. Verständlich, hat der Zürcher Medienkonzern doch 2001 für 80 Millionen Franken seine Radio- und TV-Sender gekauft.»

Beisshemmung wegen einer über 20 Jahre zurückliegenden Transaktion? Schwacher Angriff, ganz schwacher Angriff. Und noch ein letzter Tritt ans Schienbein: «Den Applaus dafür hat sich der Autor vorab gesichert. Auf dem Klappentext heisst es, das Buch sei ein «Thriller».»

Müsste man einen Klappentext für diese Beckmesserei schreiben, würde der lauten: neidvoller Konzernjournalismus, offenbar hat CH Media nicht verdaut, dass ihre eigene Schmierenberichterstattung über den Roshani-Skandal von Tamedia mit einer erfolgreichen Verfügung beantwortet wurde, dass CH Media sich öffentlich für Fehlberichterstattung über Tx-Boss Supino entschuldigen musste.

In der «Süddeutschen Zeitung» meldet sich deren Schweizer Korrespondentin Isabell Pfaff zu Wort. Sie zitiert zunächst das Landgericht Hamburg: «Laut dem Beschluss, der der SZ vorliegt, darf der Spiegel neun Passagen nicht länger verbreiten.»

Dann hebt auch Pfaff von der Realität ab: «Im Fall Magazin hat Schawinski schon früh Position bezogen.» Wie das? Er habe Auszüge aus dem internen Untersuchungsbericht veröffentlicht. Wie schon zuvor Tamedia selbst, und was soll daran ein Positionsbezug sein? Dann zitiert sie Schawinskis Schlussfolgerung, dass Roshani um jeden Preis die Stelle von Canonica wollte. Um fortzufahren:  «An dieser Stelle muss man festhalten, dass sich die Wahrheit über das, was sich zwischen Roshani und Canonica abgespielt hat, vermutlich durch keinen Untersuchungsbericht, kein Gerichtsverfahren und keinen Zeitungsartikel aufdecken lassen wird.» Aber zumindest lässt sich wohl doch Wahrheit darüber herstellen, was an Roshanis Behauptungen wahr und was unwahr ist; darum geht es nämlich im Buch.

Zurück zu ihm, bekommt Schawinski nun sein Fett ab: «Der Tonfall von Schawinskis Buch wiederum kippt an vielen Stellen ins Frauenfeindliche und in pauschale Medienschelte.» Ins Frauenfeindliche? Unglaublich, dass auch in der SZ das Narrativ durchgeht, dass jede Kritik an weiblichem Verhalten gleich frauenfeindlich sei.

So kritisch sie sich mit ihm auseinandersetzt, so unkritisch gibt Pfaff dann ihren Primeur weiter; es ist ihr gelungen, Roshani am Telefon ein paar Worte zu entlocken: «„Ich habe Canonica in meinem Text nie mit Weinstein gleichgesetzt“, sagt sie». Was natürlich nicht stimmt, in der Einleitung ihrer «Spiegel»-Schmähschrift tut sie genau das. Genauso unkritisch lässt Pfaff die unverschämte Darstellung von Roshani stehen, ihr Versuch, Canonica aus dem Chefsessel zu kippen, «ihre Initiativbewerbung 2020 auf die Position der Chefin beim Magazin» sei «eine Art „Vorwärtsstrategie“ gewesen». Dass diese «Vorwärtsstrategie» von massivem Mobbing seitens Roshani begleitet wurde, kein Wort drüber.

Dann darf Roshani noch sagen: «Mit Schawinski habe sie nicht über den Fall sprechen wollen, weil sie sich von ihm in mehreren Radiosendungen nach Erscheinen des Spiegel-Artikels vorverurteilt fühlte». Sie wählt für ihre Aussagen lieber Pfaff, weil sie zu Recht von der keine kritischen Nachfragen befürchten muss.

Zusammenfassung: Die Medienreaktion auf Schawinskis Buch ist genauso ausgefallen, wie hier prognostiziert wurde. Entweder eisiges Schweigen – oder aber mehr oder minder bösartige Verrisse.

Wobei das dröhnende Schweigen zum eigenen Fehlverhalten, die völlige Unfähigkeit zur Selbstkritik, ja zur Selbstreflexion, an Peinlichkeit kaum zu überbieten ist.

Eigentlich wäre eine Fortsetzung angezeigt. Denn das, was Roshani und «Spiegel» – mitsamt der «Zeit» –vorgelegt haben, wird von der Berichterstattung in den übrigen Medien an Unfähigkeit und mangelnder Professionalität in den Schatten gestellt.

Eine Frau sieht rot

Das grosse Aufräumen in der glücklichen «Blick»-Familie.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. «Blick» und «SonntagsBlick» sind die einzigen beiden Schwesterorgane in der Schweizer Medienlandschaft, die beide 10 Prozent ihrer Leser verloren haben. Das ist weder den Markumständen, noch der Pandemie, noch dem unerforschlichen Ratschlag der Götter geschuldet.

Sondern das Ergebnis einer zum Scheitern verurteilten Strategie einer überforderten Quotenfrau. Ladina Heimgartner meinte, mit dem Wort «Resilienz» plus einigen kampffeministischen Versatzstücken durchzukommen. Dem «Blick» wurde ein völlig verunglücktes Redesign verpasst (neu mit Regenrohr im Logo, das aus Klötzchen zusammengesetzt ist). Schlimmer noch war, dass das Boulevard-Medium kastriert wurde. «Blut, Busen, Büsis», von diesem alten Erfolgsrezept überlebten knapp die Büsis.

Inzwischen berichtet sogar der Tagi boulevardesker als der «Blick», der seinerseits seine Leser mit Gutmenschen-Attitüde, nachgewiesener Staatsnähe und willfährigem Nachplappern der offiziellen Corona-Politik quält.

Da liegt also strukturell einiges im Argen; es bräuchte dringend eine Neujustierung der Strategie, um den dramatische Leser- und Bedeutungsschwund zu stoppen. Im Verlag des Mitbesitzers Springer zeigt das die «Bild»-Zeitung exemplarisch, man müsste nur das Know-how dort abholen und auf Schweizer Gepflogenheiten anpassen. Aber das würde ja strategisches Denken und andere Fähigkeiten voraussetzen, über die Heimgartner nicht verfügt.

Aber sie weiss, wie man versuchen kann, vom eigenen Versagen abzulenken. Also köpfte sie aus heiterem Himmel den Oberchefredaktor Christian Dorer – aus nichtigem Anlass. Denn dessen Vorliebe für eine gewisse Schicht Mitarbeiter war schon seit seinen Zeiten bei CH Media bekannt – und gab niemals Anlass zu Beschwerden, denn er achtete bei seinen Annäherungen immer sorgfältig darauf, seine Machtposition als Vorgesetzter nicht auszunützen.

Er konnte noch nicht einmal als Sündenbock hinhalten, denn er sorgte für eine reibungslose und skandalfreie Umsetzung einer falschen Strategie. Das tat auch Gieri Cavelty in unverbrüchlicher Loyalität zu den linksgrünen Vorlieben im Hause. Er führte den SoBli mit einer Rumpfmannschaft und schwindenden Ressourcen skandalfrei und erlaubte dem Recherchegenie Fabian Eberhard, einen Flop nach dem anderen zu landen, bei dem die Gesinnung stimmte, wenn auch sonst nicht viel. Da Heimgartner anhaltend unfähig ist, neue Strategien zu entwickeln, geht das Köpfen halt weiter.

Nun darf Reza Rafi ans Gerät. Der hingegen ist einschlägig bekannt als Meinungsbüttel, der wunschgemäss Denunziatorisches abliefert, Duftmarke: «Nationalräte der SVP überbieten sich gegenseitig mit Trychler-Huldigungen. Der grösste Fan ist und bleibt indes Finanzminister Ueli Maurer.»

Von ihm kann man mit Fug und Recht eine grosse Flexibilität erwarten, was seine Meinung betrifft. Allerdings ist auch Rafi noch nie in seiner Funktion als Stellvertreter durch einen gestalterischen Muskel aufgefallen. Er ist einfach der nächste Verwalter des Elends. Bis es einen weiteren Kopf braucht, der fallen muss, damit weiter oben nichts fällt.

Wumms: Cyrill Pinto

Neutralität, kompetent erklärt.

«Cyrill Pinto ist ausgebildeter Buchhändler und hat einen Master in Kulturpublizistik der Zürcher Hochschule der Künste.»

Nicht nur das befähigt den Tamedia-Mann, uns eine Lektion in Sachen Neutralität zu erteilen: «Die Schweiz muss ihre Neutralität überdenken», dekretiert Pinto in seinem Kommentar. Wer genau? Schwer zu sagen, von einer denkenden Schweiz ist leider nichts bekannt.

Pinto weiss aber: «Immer wieder wurde das Kriegsmaterialgesetz dafür nachgeschärft und wieder gelockert. Inzwischen ist es auf 20 Seiten angewachsen, die dazugehörende Verordnung ist nochmals 28 Seiten lang.»

Das ist doch für ein Gesetz recht übersichtlich. Aber darum geht es Pinto nicht. Sondern hierum: «Auch wenn es unbequem ist, muss die Schweiz bei einem Krieg, wie dem in der Ukraine, eine klare Haltung einnehmen

Wie wäre es mit der klaren Haltung, dass die Schweiz als neutraler Staat ihre guten Dienste anbietet, obwohl sie mit der Befolgung der EU-Sanktionen bereits eine genügend unklare Haltung einnimmt? Und sich ansonsten an den Wortlaut der 48 Seiten Gesetz plus Verordnungen hält, wie es in einem Rechtsstaat Brauch ist?

Nun wird Pinto etwas wolkig und schwammig, denn  – wie einzelne Tamedia-Kollegen – einen klaren Rechtsbruch möchte er dann doch nicht vorschlagen: «Und am Ende kommt man nicht daran vorbei, eine Position zu beziehen, die auch mit dem internationalen Völkerrecht kompatibel ist. Nur so wird die Schweiz als Partner in der internationalen Staatengemeinschaft ernst genommen.»

Was genau sollte also die Schweiz machen, um endlich mal ernst genommen zu werden? Da ist guter Rat teuer, zu teuer für Pinto. Was genau ist an der aktuellen Position der Schweiz nicht mit dem «internationalen Völkerrecht» kompatibel? Statt diese Postion auch nur ansatzweise zu beschreiben, behauptet er (hoppla, muss er sich offenbar gedacht haben, Platz für Kommentar fast zu Ende): «Doch lieber versteckt sich die Schweiz – allen voran der Bundesrat – hinter einem verstaubten Verständnis von Neutralität. Das ist bequemer und einfacher, als klar Position zu beziehen.»

Vorhang geschlossen, alle Fragen offen. Hinter welchem Verständnis verstecke sich die Schweiz (und der Bundesrat)? Was wäre daran verstaubt, wenn man wüsste, was es ist? Was soll daran bequem sein? Wie würde denn eine «klare Position» aussehen? Zwei Sätze, fünf offene Fragen.

Auch ein Kommentar sollte einigermassen verständlich, folgerichtig und logisch formuliert sein. Wenn sich der Autor stattdessen hinter Gedöns und Geschwurbel versteckt, ohne dass es dem Leser möglich ist, seinen Aussagen oder Forderungen zu folgen, dann handelt es sich einwandfrei um ein Stück aus dem Tamedia-Imperium, in dem die Sonne der Kultur tief steht, Intelligenz und Sprachbeherrschung keine Voraussetzungen für eine Publikation sind – und jeder der noch nicht eingesparten Redaktoren ungehindert, unkontrolliert und unter Unterbietung jeglicher Grundansprüche an Niveau oder Inhalt loslabern darf.

Wumms: Philipp Loser

Die gute Nachricht: hiermit geben wir ihn auf.

Der Mann hat einen gesteigerten Nerv-Faktor. Das liegt wohl daran, dass er nicht nur dumm, sondern auch impertinent ist. Eine nicht zu seltenen Mischung. Er gibt nicht nur per du einem ehemaligen Bundesrat den Ratschlag, der solle doch wandern gehen.

Er ist nicht nur eine Mietmeinung, er ist nicht nur an Gutmenschentum schwer zu überbieten. Ausser, es bräuchte wie beim Roshani-Skandal etwas Zivilcourage, da schweigt er für einmal stille. Zudem ist er auch noch seltsam ideenleer. Deshalb nennt der die Kolumne, mit der wir uns von ihm verabschieden: «Die Schweiz ist das Loch im Donut». Das hat der genauso impertinente US-Botschafter in der Schweiz gesagt, damit füllt Loser seine eigene Leerstelle.

Loser darf immer weiter schreiben, eines der vielen Schwächezeichen der neuen Chefredaktorin. In seiner Kolumne fantasiert Loser einen vielfachen Druck auf die Schweiz zusammen. Sie solle ihren Rechtsstaat in die Tonne treten und bei einer Task Force mitmachen, die «überall auf der Welt russische Gelder beschlagnahmt». Sie solle mehr «für die Ukraine» tun, zum Beispiel mehr Waffen liefern oder Leopard-Panzer an Deutschland verkaufen, also ihr Waffenexportgesetz in die Tonne treten. Die USA gäben ihr zu verstehen, «dass man sich entscheiden müsse: USA oder China. West oder Ost».

Eine solche Forderung hat aber nur Loser bemerkt. Zudem tue die Schweiz das, was sie immer tue: «nichts». Und «droht jetzt hart zu scheitern», unkt Loser. Denn: «Es gibt keine kohärente Strategie, wie eine künftige Chinapolitik aussehen könnte. Es gibt keine Idee zur Rolle der Schweiz in Europa. Es gibt keine Vorstellung zur Weiterentwicklung unserer Neutralität. Es gibt nicht einmal einen anständigen Betrag für die humanitäre Hilfe in der Ukraine.»

Zu all diesen Themen gibt es zahlreiche und umfangreiche Überlegungen und Debatten. Die aber alle spurlos an Loser vorbeigerauscht sind. Das kommt halt davon, wenn man sich zuerst eine These bastelt und dann die Wirklichkeit darauf hinschreiben, hinbiegen will. Das geht nie gut. Das ist die letzte Steigerung von «schreiben, was ist» über «schreiben, wie es sein sollte» zu «schreiben, wie es nicht sein sollte».

Das ist nicht einfach dumm. Das ist nicht bloss uninspiriert. Das ist nicht mal mehr impertinent. Das ist auch nicht ärgerlich. Das ist einfach das Loch im Loch des Loches des Donuts. Da fehlen die Worte, also lassen wir’s hinkünftig.

Auch Anwälte wollen werben

Christophe Germann passt sich dem Tamedia-Niveau an.

«Legal thinking out of the box», so preisen sich «Germann Avocats» aus Genf an. Das Team besteht aus Dr. Christophe Germann und Dr. Flavia Germann, höchstwahrscheinlich verwandt oder verschwägert.

Nun dürfen Anwälte bis heute keine Werbung für sich machen. Aber Tamedia bietet gerne nicht nur eigenen Mitarbeitern Gelegenheit, Unsinn zu verzapfen: «Die Schweiz hat den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ratifiziert. Die kürzlich fusionierten Banken UBS und CS tragen massiv zur Verletzung dieses internationalen Abkommens bei

Oha, ist das eine Tatsache oder einfach eine Behauptung? Zweiteres: «Credit Suisse und UBS sind gemäss dem neusten Bericht von PAX und der Friedensnobelpreisträgerin International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (Ican) «Risky Returns: Nuclear Weapon Producer and Their Financiers» die einzigen Schweizer Geldinstitute, die noch beträchtliche Finanzdienstleistungen für das Kernwaffenwettrüsten liefern. Diese NGOs schätzen die Investitionen beider Banken in Unternehmen, die nukleare Massenvernichtungsbomben produzieren, auf über 5 Milliarden Dollar.»

Was NGOs so alles behaupten, wenn der Tag lang ist. Dann stellt Germann weitere absurde Behauptungen auf, bei denen er aber selbst einen solchen «Beleg» schuldig bleibt: «Der Scherbenhaufen CS kostet die Schweizer Öffentlichkeit voraussichtlich den Betrag von 109 Milliarden Franken, was ein Viertel der Kosten eines Wiederaufbaus der Ukraine ausmacht, welche die Weltbank zurzeit auf 411 Milliarden Dollar schätzt.»

Kann Germann behaupten, mit dem dritten Auge der Zukunftssicht ausgestattet zu sein? Es sind insgesamt 259 Milliarden, die im Feuer stehen. Ob davon überhaupt etwas von der «Schweizer Öffentlichkeit», also vom Steuerzahler, berappt werden muss, steht in den Sternen. Dass der Wiederaufbau der Ukraine entschieden mehr als 411 Milliarden Dollar kosten wird, das ist hingegen ein Fakt.

Nach diesem Ausflug in die Ukraine kehrt Germann mit mehr schlechten Nachrichten in die Schweiz zurück: «Dieses Geld wird voraussichtlich verpulvert, nachdem die Nationalbank im letzten Jahr einen Verlust von 134 Milliarden Franken hat verbuchen müssen. Eine volkswirtschaftliche Apokalypse ist zu befürchten: Beim nächsten Börsen-Windstoss wird das Kartenhaus zusammenfallen. Allzu grosse Bank, um unterzugehen, allzu kleiner Staat, um zu überleben.» Was die Staatsgarantien für die Bankenfusion mit den Verlusten der SNB zu tun haben, das erklärt Germann genauso wenig wie seine düstere Ansage einer Apokalypse, dem drohenden Untergang der Schweiz gar.

Nun steigert sich Germann am Schluss seines «Gastkommentars» selber zum apokalyptischen Reiter: «Im Vergleich zu diesem relativ harmlosen Szenario riskiert die Ukraine hingegen einen Weltuntergang im leibhaftigen Sinne, der heute nicht bloss volkswirtschaftlich durch selbst verursachte Misswirtschaft jederzeit erfolgen kann. Es geht ums schiere Überleben dieser Nation. Die Schweizer Neutralität ist im Lichte dieser Realität neu zu definieren – wer Zeuge wird von Vergewaltigung und Meuchelmord am helllichten Tag und auf offener Strasse, kann nicht einfach gegenüber Opfer und Täter «neutral» wegschauen. Dasselbe gilt für schlimmste Verletzungen des Völkerstrafrechts: Unser Land muss sich krasse Doppelmoral vorwerfen lassen, wenn es die Lieferung von konventionellen Waffen zur Verteidigung der Ukraine gegen das kriminelle Putin-Regime verweigert und gleichzeitig amoralischen Ultralaxismus bei der Finanzierung von nuklearen Massenvernichtungsmitteln betreibt.»

Eine «volkswirtschaftliche Apokalypse» samt Untergang der Schweiz wird also zu einem «relativ harmlosen Szenario». Nun geht es plötzlich gar nicht mehr darum, sondern um die Schweizer Neutralität und die mit ihren Gesetzen übereinstimmende Weigerung, in ein Kriegsgebiet Waffen zu liefern. Gerade für eine Anwalt ist das schon speziell, wenn der die Schweizer Regierung dazu auffordert, gegen Schweizer Gesetze zu verstossen.

Gegen das Mitteilungsbedürfnis einer Genfer Anwaltskanzlei ist nichts einzuwenden; Werbung in eigener Sache ist erlaubt, wenn’s Tamedia zulässt. Nur sei eine kleine Frage gestattet: Würden Sie einen Anwalt mandatieren, der mit wilden Behauptungen um sich wirft und offen zum Rechtsbruch auffordert?