Klagender Dominique Strebel

Ein Tausendsassa, der Mann.

«Chefredaktor Beobachter, Jurist, Journalist, Recherchetrainer und Medienethiker», so preist er sich selbst auf LinkedIn an. Dazu ist er noch Buchautor, «Co-Herausgeber der Medienrechtszeitschrift Medialex, Projektleiter der Whistleblowerplattform des Beobachters www.sichermelden.ch und Gründungspräsident und Beirat des Schweizer Recherchenetzwerkes www.investigativ.ch».

Wann schläft der Mann eigentlich? Denn nebenbei twittert er auch noch:

Wieso niemand klage? Das ist eine interessante Frage, die der Jurist, Journalist und Medienethiker hier aufwirft. Denn der SVP-Nationalrat Andreas Glarner hat die öffentliche Telefonnummer einer Schul-Sozialarbeiterin ins Netz gestellt. Indem er einen an alle Schüler und Eltern versandten Brief als Faksimile abbildete.

Das ist ungefähr so, wie wenn Glarner zu einem lustigen Abend mit seinen besten Sprüchen einladen würde – und beim Kontakt sich und seine Handy-Nummer angäbe. Würde das von einem Linken ins Netz gestellt werden, natürlich ohne Glarners Einverständnis, und das mit dem Aufruf versehen «Wer greift durch und wählt Glarner ab?», regte sich zumindest Strebel sicher nicht darüber auf.

So aber verweist er auf eine längliche Abhandlung in seinem Blatt. Aufgrund von Glarners Provokation habe es einen «Shitstorm mit Gewaltandrohungen und persönlichen Beleidigungen gegen die Frau» gegeben. Der Gemeinderat der Schulgemeinde keilte zurück: «Mit unqualifizierter Kritik und Entlassungsforderungen an gewählte Behördenmitglieder oder Angestellte zeigt sich SVP-Nationalrat Glarner als schlechter Demokrat – mehr als bedenklich für ein Mitglied des Nationalrats.»

Nun wird der ewig gleiche «Rechtsexperte» Martin Steiger zitiert, der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte bemüht, der es als «fraglich» ansieht, ob hier ein öffentliches Interesse bestanden habe. Schliesslich kommt noch die Geschäftsführerin von «Stop Hate Speech», einer Veranstaltung von «Alliance F», zu Wort. Also eine ausgewogene Auswahl.

Aber am Schluss muss Redaktorin Andrea Haefely einräumen, dass hier niemand klagen kann oder will – und beantwortet so indirekt die provokative Frage ihres Chefs. Wir hoffen für sie, dass das keinen Karriereknick absetzt.

Übrigens, ob das nun auch ein Fall für Chefredaktor Strebel und den «Beobachter» wird?

ZACKBUM hat ihn nicht um Erlaubnis gefragt. Ach, aber Glarner bietet hier ja den Kontakt an? Die Schulsozialarbeiterin auch; bei Fragen könne man sich gerne an sie wenden, schreibt sie in dem Brief; es folgt ihre Handynummer.

Diese Kontaktmöglichkeit bietet der Chefredaktor des «Beobachter» allerdings nicht. ZACKBUM ist sich nun unsicher, ob wir seine öffentlich einsehbare Mail-Adresse veröffentlichen dürfen; wir sehen davon ab. Gestatten uns aber die Meinung, dass der Mann ganz hübsch eitel ist. Denn im Impressum vom «Beobachter» verlinkt er auf ein Jubelporträt über sich selbst, das vor inzwischen fast zwei Jahren in der eingegangenen «Medienwoche» erschienen ist. Duftmarke: «Dominique Strebel spricht mit leuchtenden Augen über seine Zeit am MAZ, etwa über die von ihm initiierte Lancierung eines Lehrgangs für Datenjournalismus.»

Plus ein geglückter Ausflug in die Flughöhe der «GlücksPost»: «Mit meinem Kind wurde mir Sinn geschenkt», sagt er, «und das Empfinden von einem geglückten Leben. Ich erinnere mich noch gut an diesen befreienden Moment, nachdem ich mich im Leben oft vergeblich nach Sinn gesehnt hatte.»

Da geht die Journalistin verbal vor ihm auf die Knie: «Strebel drückt sich überlegt aus. Er spricht mit von tief innen kommender Überzeugung.» Seufz.

Wie man’s nicht probieren sollte, reloaded

Werbung kann blöd sein. Kritik daran aber auch.

Ohne sexistisch erscheinen zu wollen: das Bild zu diesem Beitrag ist nur was für starke Nerven. Aber das Thema hier sind verunglückte Werbekampagnen. Wir trauen uns allerdings nicht, die Frage zu stellen, ob Tamara Funiciello wirklich einen Flammenwerfer als BH trägt oder trug.

ZACKBUM hat gerade zwei weitere furzdumme Werbekampagnen vorgestellt:

Frau lehnt unbequem an Bankkante und glotzt auf eine Art Sack. Unvorstellbar misslungen.

Budweiser warb kurzzeitig in den USA mit einer Transvestitin für sein Light-Beer. Resultat: Umsatzeinbruch um ein Viertel.

Nun will auch Electrolux komisch werden:

Man kann sicher darüber streiten, ob diese Werbekampagne den Absatz von Kochherden steigern wird. Auch die Anordnung der Kochutensilien ist nicht wirklich realitätsnah. Aber item, kann man probieren.

Wäre da nicht die Sexismus-Polizei in Gestalt der selbsternannten Grossinquisitorin Aleksandra Hiltmann. Seit die bei Tamedia eingespart wurde, Pardon, dem unerbittlichen Qualitätsanspruch von Raphaela Birrer beim «Tages-Anzeiger» zum Opfer fiel, hat sie leider noch mehr Zeit, sich über Pipifax aufzuregen.

Also füllt sie eine längliche Kolumne bei persoenlich.com, in der sie sich ob dieses Inserats gar nicht mehr einkriegt. Der durchschnittliche Betrachter sieht auf dem Plakat ein Pärchen, Hiltmanns scharfes Auge sieht mehr, die würden «mit allgemeinem Blick gelesen als Heteropaar». Tja, der lesende Blick sieht mehr.

Aber das ist ja nur die Oberfläche, darunter brodelt es. Diese Werbung sei «sexistisch». Denn: «Die Langstrasse ist landläufig bekannt als Rotlicht-Viertel. Die Arbeits- und Lebensumstände der Sexarbeitenden, die dort Geld verdienen müssen, sind oft schlecht bis schrecklich.»

Aber damit nicht genug: «Zweitens impliziert der Slogan, dass man rausgeht und sich an Leuten «Appetit» – «Appetit» auf Sex oder Ähnliches – holt. Schliesslich werden Frauen «im öffentlichen Raum» belästigt.» Was Wunder, «vor allem von Männern». Auch damit: «Zu sexueller Belästigung zählen nicht nur ungewollte Berührungen, sondern auch eine gewisse Art von Blicken. Sie können belästigend, einschüchternd, angsteinflössend und unappetitlich sein.» Also, Männer, die Blicke züchtig nach unten halten, und auf keinen Fall unappetitlich glotzen.

Hiltmann vergisst auch den Aspekt nicht, dass sich der Spruch doch auch auf die Frau beziehen könnte. Das geht aber nicht: «Die Gesellschaft ist patriarchal geprägt. Die Frau ist nicht jene, die draussen aufreissen kann und dafür gefeiert wird, bevor sie zum «braven» Mann nachhause zurückkehrt.»

Damit ist Hiltmann aber noch nicht am Ende des Elends angelangt. Die Werbung transportiere «ein veraltetes Beziehungsmodell». Wie denn das? «Die Werbung suggeriert, dass eine monogame Beziehung «anständig» ist. Man darf sich auswärts zwar umschauen. Aber eigentlich normal ist dann doch die Zweisamkeit zuhause.»

Denn, so donnert Hiltmann, es gebe dann heute auch andere Beziehungsformen, im Fall. Das ist richtig, allerdings zeigte schon das Beispiel Bud, wie das schwer in die Dose gehen kann, wenn man in der Werbung Randgruppen ansprechen will.

Daher hat Hiltmann tatsächlich recht: «Lässt man Frauen zusammen mit der Familie auftreten, dann sind diese Familien oft weiss und heteronormativ

ZACKBUM schlägt vor: wenn Electrolux schwere Umsatzeinbussen anstrebt, dann müsste die Firma ihre Werbekampagne unbedingt von Hiltmann ausrichten lassen. Das wäre dann allerdings so wenig appetitanregend, dass die Konsumenten sogar McDonald’s vor dem Kochen am heimischen Herd bevorzugen würden.

Was hier mal wieder überdeutlich zu Tage tritt: Fanatiker, gefährliche Fanatiker erkennt man immer an ihrer tiefen Humorlosigkeit und dogmatischen Verbissenheit.

Schweigen über Schweinereien

#hateleaks? Gar nicht erst ignorieren. Obwohl der vierte Teil Abscheuliches aufzeigt.

Obwohl oder weil Jolanda Spiess-Hegglin unablässig die Öffentlichkeit sucht mit dem Argument, dass sie endlich einmal aus der Öffentlichkeit verschwinden wolle, ist das Verhältnis der Medien zu ihr kompliziert.

Nun hat die Tamedia-Journalistin und Buchautorin Michèle Binswanger die sogenannten «#hateleaks» angestossen. Eine Blog-Reihe, die aus ihr zugespielten Chats und internem Meinungsaustausch des Umfelds von JSH besteht. Ziel der Teilnehmer war offenbar, das «Scheissbuch» (die grüne Fraktionschefin Aline Trede) zu verhindern, bzw. die Autorin «zum Auswandern» zu bewegen, wie JSH unverblümt die Marschorder ausgibt. Dafür machte JSH mitsamt Gesinnungsgenossen gerne «die kleine Drecksarbeit».

Dabei waren auch Journalisten wie Pascal Hollenstein, Hansi Voigt oder Miriam Suter. Was hier alles an Hetze geplant wurde, widerspricht den hehren Zielen von «Netzcourage». Wenn JSH wie an der HSG als Spezialistin für «digitale Gewalt» auftritt, könnte sie eigentlich einfach aus dem Nähkästchen plaudern.

Nun haben aber die grossen Multiplikatoren ein Problem mit dem Thema. Ringier möchte sich überhaupt nicht äussern, schliesslich steht der Verlag in einem Rechtsstreit mit JSH, die eine Gewinnherausgabe der über sie im «Blick» erschienenen Artikel fordert.

Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» hat lange Zähne, weil Binswanger eine leitende Funktion einnimmt. Und für die NZZ ist das Ganze doch etwas zu boulevardesk, nachdem sie sich schon im Fall Roshani schwer die Finger verbrannt hat mit einer sehr einseitigen Berichterstattung, um dann anschliessend die übrigen Medien wegen zu einseitiger Berichterstattung in die Pfanne zu hauen.

Das Schweizer Staatsfernsehen, Pardon, der Zwangsgebührensender SRF hat auch Schlagseite in Richtung JSH (und Roshani), der fällt aus.

Also veröffentlicht ein Investigativ-Team eine Blogfolge nach der anderen – und es herrscht Schweigen. Abgesehen von der Mini-Plattform «inside-justiz» («Zickenkrieg»), persoenlich.comDokumente sollen Kampagne gegen Journalistin belegen») und dem Autor dieser Zeilen mit einem fleissig kommentierten Artikel in der «Weltwoche» («Verschwörung gegen eine Journalistin»).

Nun traut sich immerhin noch «20 Minuten» an die Sache ran, mit einem geeierten Titel: «Spiess-Hegglins Team: Chatgruppe gegen «Tagi»-Journalistin – prominente Politikerinnen lasen mit». So vorsichtig geht’s dann auch im Artikel weiter: «In einem Gruppenchat sollen Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin und ihre Mitstreiterinnen die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger beleidigt haben.»

Nicht wirklich, sie haben nachweisbar und eingestanden versucht, die Publikation von Binswangers Buch über die Zuger Landammannfeier mit allen schmutzigen Tricks zu verhindern. Dann wird ausführlich der Hintergrund des im Investigativ-Team mitarbeitenden Journalisten Stefan Millius beschrieben: «Er arbeitet daneben auch für das Radio «Kontrafunk» und den «Nebelspalter». Er will für die Corona-kritische Gruppierung «Aufrecht» in den Nationalrat.»

Als ob das bei seiner Tätigkeit hier eine Rolle spielen würde. Der «Politologe» der Wahl Mark Balsiger kann sich nur zu einem sanften «Geschmäckle» als Kritik aufraffen. Die mehr als fragwürdige Rolle des ehemaligen Leiters Publizistik von CH Media, Pascal Hollenstein,  wird gar nicht erwähnt. Auf Anfrage von «20 Minuten» blieben die Teilnehmerinnen Tamara Funiciello und Sibel Arslan genauso stumm wie JSH selbst.

«Eine weitere Teilnehmerin hat sich via Twitter öffentlich von der Gruppe distanziert», berichtet das Gratis-Blatt: ««Alles stimmt und hat so stattgefunden. Ich war ein Teil davon», schreibt sie. Und ergänzt: «Wenn einem die Vergangenheit über die Schulter schaut, wird es zuweilen peinlich.»

Das gilt allerdings auch für die aktuelle Berichterstattung über diesen Skandal. Insbesondere, seit Teil 4 der «#hateleaks» publiziert wurde. Diesmal wird aufgezeigt, wie die «Kampagne» (JSH) ins Rollen kam, mit «Verleumdung, Provokation, Verhöhnung». Immer angeleitet von der grossen Kämpferin gegen Hasskampagnen und Shitstorms JSH, sollten Zweifel an der Person Binswanger gesät werden, zum Beispiel auch mit Fake-Accounts; nicht zuletzt von der Rädelsführerin selbst unterhalten:

«Das ist mein letzter (!) fakeaccount, der ist noch nicht blockiert», vermeldet JSH. Besonders widerlich war auch der Versuch, Binswanger zu provozieren und ihr Aussagen zu entlocken, die man dann gegen sie verwenden könnte.

So berichtet JSH ihren «lieben Frauen» triumphierend: «MB hat wieder Zeugs getwittert, was ihr enorm schaden wird vor Gericht. Das ist super. Und sie überlegt wirklich zu wenig. … Statements entlocken können … Ihr seid super. Alles kommt gut.»

Ist das lustig: Binswanger als kleiner Don Quijote …

Fake-Accounts verwenden, um eine missliebige Person zu ihr schadenden Äusserungen zu provozieren, das gehört wohl zum Abscheulichsten, was man im Internet machen kann.

Das wäre ein klassischer Fall für «Netzcourage». Wenn nicht die Gründerin und Geschäftsführerin selbst diese Widerwärtigkeiten orchestrieren würde. Und ihr Vereinspräsident Hansi Voigt entblödete sich nicht, der Journalistin Binswanger genau diese Methode zu unterstellen. In seinem Fall aber als blosse Behauptung. So wie er jetzt behauptet, all diese dokumentierten Zitate könnten Fälschungen sein.

Was für ein Paar. Selten haben sich zwei dermassen desavouiert wie diese beiden  – nun ja, da leider immer noch Geld für eine Anwältin vorhanden ist, die zwar gegen alles klagt und meistens verliert, aber dabei für alle Beteiligten hohe Kosten verursacht, überlässt ZACKBUM es seinen Lesern, hier die geeigneten Qualifikationen einzusetzen. Denn uns fällt nichts ein, was nicht einwandfrei justiziabel wäre.

 

Wie blöd ist das denn?

Wie die Schweizer Wirtschaftspresse vor einem einfachen Problem versagte.

Mit einem Federstrich löste die Schweizer Bankenaufsicht Finma 17 Milliarden Franken in Luft auf. Es handelte sich um sogenannte AT1-Bonds. Das ist ein von den Regulatoren erfundenes Gebastel, das den Banken  half, ihre ewig zu dünne Eigenkapitaldecke aufzupolstern.

Es handelt sich kurz gesagt um sogenannte Zwangswandelanleihen. Ein Zwitter zwischen Obligationen und Aktien. Vorteil: Obligationen sind nicht Bestandteil des Eigenkapitals, können sie aber zwangsweise unter bestimmten Voraussetzungen in Aktien umgewandelt werden, werden sie’s.

Nun braucht es für diese Umwandlung einen Anlass. Definiert ist, dass ein Absinken der Eigenkapitalquote einer Bank –  hier der Credit Suisse – unter einen bestimmten Prozentsatz diese Zwangsumwandlung auslösen würde. Das war bei der CS unbestritten nicht der Fall.

Einen Totalschaden erleiden die Anleger, wenn es zu einer staatlichen Rettungsaktion kommt. Und genau das ist hier der grosse Streitpunkt. War der verordnete Zwangsverkauf der CS an die UBS, samt dem Bereitstellen von insgesamt 259 Milliarden Liquidität, ein solcher Eingriff in die CS oder nicht.

Zunächst entging der gesammelten Schweizer Wirtschaftspresse die Brisanz des Entscheids der Finma, 17 Milliarden auf null abzuschreiben. Das wurde zwar auf der Webseite der CS publiziert, aber recherchieren war bekanntlich gestern. Erst als die angelsächsischen Medien, zuvorderst die «Financial Times», darauf aufmerksam machten, dass sich ein Riesengebrüll erhob, wachten die CH-Medien auf.

Um mehr oder minder kompetent, mehr oder minder gewunden zu erklären, dass das schon seine Ordnung habe, auch US-Grossinvestoren halt das Kleingedruckte genauer lesen sollten. Von Staatshaftung oder einem gravierenden Fehler der Finma könne keine Rede sein, hiess es unisono von «Blick» bis NZZ. Und Tamedia, Pardon, das Qualitätsblatt «Tages-Anzeiger», schreibt sowieso nur ab, was andere schreiben.

Es ist völlig klar, dass weder Kleinanleger noch die grossen US-Hedgefonds wie Blackrock insgesamt 17 Milliarden einfach ans Bein streichen und höchstens etwas Unfreundliches über Schweizer Gnome sagen. Natürlich wird geklagt, und zwar in den USA und in der Schweiz. Natürlich haben sich die Grossanleger der Dienste einer der grössten (und besten) Anwaltskanzleien der Welt versichert.

Einige Schweizer Organe halten dennoch weiterhin tapfer die Kriegsflagge oben und behaupten ungebrochen, dass das natürlich Juristenfutter sei, aber eigentlich aussichtslos. Etwas gedämpfter erschallt dieser Schlachtruf, seit ein nicht unwichtiges US-Gremium einen einstimmigen Entscheid gefällt hat.

Es handelt sich um das «Credit Derivatives Determination Committee» (CD). Hinter dem etwas umständlichen Namen verbirgt sich ein Komitee, das die grössten Derivatehändler versammelt und dessen Meinung zwar nicht rechtlich bindend, aber sehr gewichtig ist.

Denn kompliziert wird die Frage einer Haftung auch dadurch, dass es natürlich Ausfallversicherungen auf Investitionen in diese AT1 gab, die sogenannten Credit Default Swaps (CDS). Damit versichern sich Grossinvestoren gegen das Risiko eines Kreditausfalls. Nun wollen aber die Ausgeber dieser Policen nicht zahlen, weil sie sich auf den Standpunkt stellen, dass kein Versicherungsereignis stattgefunden hat.

Das kann man sich so vorstellen: wer sein Haus gegen Blitzschlag versichert hat, aber dann zündet es die Feuerwehr an, der bekommt auch keinen Schadensersatz aus dieser Versicherung, er muss auf die Feuerwehr Regress nehmen.

Nun hat dieses Derivatekomitee einstimmig entschieden, dass es sich beim staatlichen Eingriff in die CS um kein Kreditereignis gehandelt habe. Mit anderen Worten: Es läge kein Ereignis vor, dass diese Abschreibung nach den AGB korrekt ausgelöst habe. Und wenn das nicht der Fall ist, müssen die Kreditausfallversicherer auch nicht zahlen.

Das bedeutet, dass die Investoren als einzige Möglichkeit auf den Schweizer Staat losgehen müssen, wollen sie ihr Geld zurück. Die NZZ zählt «mehr als 230 Klagen» gegen diesen Finma-Entscheid. Vielleicht trauen sich Schweizer Gerichte nicht, eine staatliche Behörde zu verurteilen und damit eine Staatshaftung in Milliardenhöhe auszulösen. Aber US-Gerichte haben diesbezüglich sicherlich keine Skrupel.

Es war, das stand hier bei ZACKBUM von Anfang an in aller Klarheit, ein Geschenk der Finma, des Bundesrats, des Staats an die UBS. Die hat inzwischen so versteckt wie möglich (unter dem putzigen Namen «negativer Goodwill») einen Sondergewinn von 35 Milliarden Franken im Zusammenhang mit dem CS-Aufkauf ausgewiesen.

Das ist der zweite Skandal. Der überforderte Bundesrat ist auf die gerunzelte Stirn des UBS-Bosses Colm Kelleher reingefallen. Der so tat, als sei der Kauf der CS für das Trinkgeld von 3 Milliarden Franken ein Hochrisikogeschäft, das man nur aus staatstragender Verantwortung abschliesse.

Dabei ist klar, dass alleine durch den Unterschied zwischen Kaufpreis und Buchwert ein Milliardengewinn entstand. Plus noch 17 Milliarden Staatsgeschenk obendrauf. Die Dummheit der Regierenden wird höchsten noch durch die Inkompetenz der Wirtschaftsredaktionen übertroffen. Wie immer mit einer Ausnahme: «Inside Paradeplatz».

Es darf gelacht werden

Raphaela Birrer und die «Qualität».

Normalerweise wartet man 100 Tage ab, um eine erste Bilanz des Wirkens zu ziehen. Bei Birrer reichten zehn Wochen, damit sie von persoenlich.com interviewt wurde. Wobei man sagen muss, dass sich Christian Beck am neuen Tagi-Stil ein Beispiel nahm. Was wollten Sie schon immer mal sagen, unbelästigt von kritischen Fragen?

Zuerst der Pflichtteil. Birrer sei zum ersten Mal am SwissMediaForum gewesen, wie war’s? «Es wird bei solchen Treffen stets klar, dass die grossen Schweizer Medienhäuser mit sehr ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind

Unglaublich, da könnte man meinen, die hätten alle völlig unterschiedliche Herausforderungen. Und wie geht’s denn intern so? Da bekommt Birrer Gelegenheit, sicherlich ungewollt gegen ihren Vorgänger zu keilen: «Spürbar dürfte auch die offene, transparente Kommunikation sein, mit der wir die Redaktion über all diese Schritte informieren.» Was ja heisst: vorher war das anders …

Nun aber in medias res, wie der Lateiner sagt, wichtigste Entscheidungen bislang? «Es gibt überall viel zu tun, wir können nicht alles gleichzeitig lösen.» Wie wahr, aber geht’s auch konkret? «Ich habe mich entschieden, zuerst in das redaktionelle Klima und in strukturelle Massnahmen zu investieren. Ich möchte, dass die Mitarbeitenden jeden Tag gerne und motiviert auf die Redaktion kommen

Das unterscheidet Birrer sicher auch von ihrem Vorgänger; der wollte bekanntlich, dass die Mitarbeitenden (oder vielleicht auf Deutsch die Mitarbeiter) ungern und demotiviert kamen. Etwas bedeckt hält sich Birrer, allerdings, was die neue CEO aus Deutschland betrifft: «ich kenne sie noch nicht. Ich freue mich, sie bald kennenzulernen, und auf die künftige Zusammenarbeit mit ihr

Und dann noch die ganz harten Fragen; Sexismus- und Mobbingvorwürfe beim «Magazin», «wie war das für Sie?» – «Die Tage im Februar waren für viele in unserem Haus ein anspruchsvoller Moment.» Das ist mal eine echt coole Antwort. Sozusagen eine tiefgefrorene Null-Antwort.

Diese Marotte pflegt Birrer auch bei der Frage, ob es in Bern oder Basel goutiert wird, dass die Mantelredaktion nicht mehr Tamedia heisst, sondern «Tages-Anzeiger»: «Wir bieten nach wie vor dasselbe Angebot für alle – der einzige Unterschied ist unser neuer alter Name. Insofern fallen die Reaktionen positiv aus.»

Klar, die Basler lieben die Zürcher, und die Berner kriegen sich vor Freude gar nicht ein.

Aber einen echten Knaller hat Birrer noch bis fast zum Schluss aufgespart:

«Wer mich kennt, weiss, dass der Qualitätsanspruch für mich die zentrale Richtschnur ist.»

Wunderbar, und wie soll das gehen, bei Kosteneinsparungen von 70 Millionen bis Ende 2023? Also mehr Qualität bei weniger Quantität? «Es ist kein Geheimnis, dass die finanzielle Bilanz für Tamedia zuletzt negativ ausgefallen ist. … Deshalb ist es nicht überraschend, dass Tamedia auch die Kostenseite im Blick behält.»

Nein, überraschend ist diese Antwort nicht, eher gähnlangweilig. Und was hat sich Birrer denn für ihre verbleibende Amtszeit vorgenommen? Da sind wir nun platt: «Ich möchte mehr Leserinnen und Leser erreichen, um unsere Marke zu stärken und zusätzliches Publikum an die Paywall zu bringen

Ob ihr das allerdings mit all diesen Schwachmaten und Leichtmatrosen gelingt, die seit ihrem Amtsantritt unablässig das Wort ergreifen dürfen und sich um woken Pipifax kümmern, der den Leser null interessiert?

Aber vielleicht will Birrer das zusätzliche Publikum eben nur «an die Paywall bringen», also gar nicht zum zahlenden Eintritt bewegen. Vielleicht will sie auch, dass das zusätzliche Publikum hier zuschaut, wie vergrätzte ehemalige Zahler die Paywall von der anderen Seite her durchbrechen …

 

 

SRF als Hämeschleuder

Informationsauftrag? Ausgewogen? Ach was.

Beim Thema Anuschka Roshani brennen gewissen Journalisten alle Sicherungen durch. Zum Beispiel der Kultur-Redaktorin Katharina Brierley bei SRF.

Wenn sie ehrlich wäre, würde sie einfach schreiben: Ich finde das Buch scheisse, mir passt der ganze Inhalt nicht.

Nun geht das (bislang) selbst bei der Kultur von SRF nicht, obwohl man dort auch Roshani in eine Büchersendung einlädt und freundlich darauf verzichtet, sie mit Fragen zu einem aktuellen Skandal zu belästigen, in den die gefeuerte «Magazin»-Redaktorin auf Rachetrip verwickelt ist.

Nun hat Roger Schawinski das gemacht, was die meisten Journalisten seit der Hinrichtungsschrift von Roshani im «Spiegel» uterliessen; er hat nachgehakt, gefragt, untersucht, mit allen Beteiligten gesprochen, die mit ihm sprechen wollten. Er hat glasklar nachgewiesen, dass es sich bei fast allen Behauptungen von Roshani in ihrem Pamphlet um Unterstellungen, Gerüchte, unbelegte Anwürfe – oder schlichtweg Erfindungen handelt. Was übrigens schon ein sorgfältiger Untersuchungsbericht belegte, dessen Inhalt aber Roshani nicht bekannt war.

Das ist Brierley ganz übel aufgestossen, also versucht sie sich an einer Hinrichtung des Buchs. Dabei vergaloppiert sie sich gründlich:

«Hat Schawinski herausgefunden, was wirklich passiert ist? Nein. Schawinski legt in seinem Buch zwar eindeutig eine Version der Ereignisse nahe: Dass Anuschka Roshani gelogen habe. Schawinski behauptet, sie habe Finn Canonicas Job als Chefredaktor gewollt und sich den Machtmissbrauch nur ausgedacht. Beweisen lässt sich diese Behauptung nicht.»

Peinlich: inzwischen gibt sogar Roshani selbst zu, dass sie sich um die Stelle des Chefredaktors bewarb, als die noch von Finn Canonica besetzt war. Das sei eine «Vorwärtsstrategie» gewesen, redet sie ihr Mobbing schön.

Aber für Brierley gilt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf:

«Warum überzeugt Schawinskis Argumentation nicht? Weil Schawinski journalistisch unsauber arbeitet: Zum einen bleibt unklar, woher er bestimmte Informationen hat. Zum anderen übernimmt er Aussagen von Finn Canonica, ohne sie zu hinterfragen.»

Wenn man jemandem unsauberes Arbeiten vorwirft, sollte man statt einer pauschalen Behauptung vielleicht schon ein einziges Beispiel anführen können, sonst ist das sehr dreckig gearbeitet.

Während Schawinski angeblich grosse Anteilnahme am Schicksal Canonicas spüren lasse, sei das bei der Anklägerin ganz anders: «Die Passagen über Anuschka Roshani dagegen klingen gehässig und polemisch – und sind teilweise spekulativ.»

Dann kommt Brierley zum Verdikt: «Der Fall zeigt einmal mehr, wie schwierig es ist, bei Machtmissbrauch oder sexueller Gewalt zu beweisen, was wirklich passiert ist. Umso wichtiger ist, dass Journalist:innen, die darüber berichten, ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen.»

Eigentlich lustig, dass sie sich selbst nicht an ihren guten Ratschlag hält …

Wumms: Hansi Voigt

Amnesie? Alzheimer? Muss man sich Sorgen machen?

Die Hintergründe einer Hetzkampagne gegen die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger wurden aufgedeckt. In einem Chat brüteten Jolanda Spiess-Hegglin und Gesinnungsgenossinnen darüber, wie man die Buchpublikation über die Zuger Landammannfeier verhindern könne. Und die Autorin «zum Auswandern» zwingen.

Eine Schmierenkampagne von der grossen Kämpferin gegen Schmiere, Hetze und Terror im Internet. Die Dame ist charakterlich wirklich nicht für diese Aufgabe geeignet.

Immer an Bord ist seit Langem Hansi Voigt; inzwischen sogar Präsident des Vereins «Netzcourage» (nachdem alle seine Vorgängerinnen das Weite suchten).

In den Veröffentlichungen unter dem hübschen Namen «#hateleaks» werden auch Beiträge von Voigt zitiert. Der hat schon in der Vergangenheit vollmundig ausgeteilt und beispielsweise Gegner der Subventionsmilliarde für Verlegerclans als «Freunde des Faschismus» beschimpft. Um das dann kleinlaut zurückzunehmen, als ihm Gegenwind um die Ohren pfiff.

Nun keilt er wieder aus:

Dokumentierte Zitate von ihm, aber das seien «Free-Style-Lügen», plus: «Ernste Frage: ist das alles frei erfunden

Muss man sich nun sorgen um Voigt machen? Gedächtnisverlust? Erinnert sich nicht mehr an Sachen, die er schriftlich hinterlassen hat? Ist so jemand als Chef des Subventionsgrabs «Bajour» tragbar? Oder möchte er auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren?

ZACKBUM hat ihm besorgt die Gelegenheit zur Stellungnahmen gegeben. Wir wagen die Prognose: er wird verstockt bleiben und nicht reagieren. Denn im Austeilen ist er gross, im Einstecken oder Hinstehen ganz, ganz klein.

Ist der «Spiegel» die neue «Bunte»?

Als die «Bunte» People-Magazin wurde, war das noch originell.

Ein merkwürdiger Name muss nicht bedeuten, dass das Blatt erfolglos sei. Die «Bunte Illustrierte» (aus Zeiten, als bunt Gedrucktes noch wow war) ist nach wie vor eines der erfolgreichsten Magazine Deutschlands. Trotz Auflagenrückgang um über 50 Prozent seit 1998 verkauft die «Bunte» immer noch über 320’000 Exemplare.

Ihre Stärke ist Klatsch und Tratsch, aber auf durchaus höherem Niveau. Mit «Bunte» und «Focus», an dessen Erfolg zunächst niemand glaubte, ist dem Burda-Verlag ein erfolgreiches Duo gelungen, das jahrelang vom Ehepaar Markwort/Riekel geführt wurde.

Eine echte Konkurrenz für «Stern» und «Spiegel», die beiden Bertelsmann-Blätter. Der «Stern» verkauft noch 314’000 Exemplare, ein Minus von 71,4 Prozent seit 1998. Der «Spiegel» hält sich vergleichsweise gut mit etwas über 700’000 verkauften Exemplaren, ein Rückgang von lediglich 33,5 Prozent seit 1998.

Während aber «Bunte» und «Focus» von den ganz grossen Skandalen verschont blieben, machte sich der «Stern» mit den «Hitler-Tagebüchern» im Jahr 1983 unsterblich lächerlich. Hinter dem Rücken der Redaktion war die Chefetage auf eher billige Fälschungen eines Konrad Kujau reingefallen. So hatte der bei einem Tagebuch gerade kein A in Frakturschrift zur Hand und ersetzte es kurzerhand durch ein F.

Wer den Schaden hat, brauchte für den Spott nicht zu sorgen, zum Beispiel für die Frage, ob das nicht die Tagebücher von Fritzli Hitler seien.

Der «Spiegel» hat sich bis heute nicht vom Fall Relotius erholt. Der mit Preisen überschüttete Star-Schreiber, dem ein Scoop nach dem anderen gelungen sein sollte, der Reportagen möglich machte, an denen andere scheiterten, musste schliesslich einräumen, dass er das Meiste erfunden, gefälscht, geflunkert, geschönt hatte. Weil er aber das Narrativ der Redaktion bediente, die sich immer mehr darauf verlegte, Thesen-Journalismus zu betreiben, die sogar im Grössenwahn ernsthaft ankündigte, Donald Trump »wegschreiben» zu wollen, kam er lange Zeit damit durch.

Edelfeder Ullrich Fichtner musste seine ganze Schreibkraft aufwenden, um diesen Skandal schönzuschreiben, der ihn die schon auf sicher geglaubte Stelle des Chefredaktors kostete. Wie an einem Mantra klammerte sich der «Spiegel» an der Aussage seines Gründers Rudolf Augstein fest, «schreiben, was ist».

Dabei ist das sowieso nicht möglich, weil Beschreiben immer eine der möglichen Perspektiven auf die Wirklichkeit eröffnet. Beim «Spiegel» wurde das immer mehr zu «schreiben, was sein soll», oder gar «herbeischreiben, wie es sein sollte». Die Wahl Trumps war für den «Spiegel» schlichtweg «Das Ende der Welt», nur notdürftig abfedert mit der Unterzeile «wie wir sie kennen». Der «Spiegel» kannte sich dann selbst nicht mehr, und seither eiert er in einer Art herum, die beelendet.

Noch schlimmer ist aber, dass sich der «Spiegel» in die Gefilde des Boulevards, des Promi-Schnickschnacks begibt. Noch vor wenigen Jahren wäre eine solche Serie undenkbar gewesen. Der «Spiegel» denunzierte den deutschen Comedian Luke Mockridge als mutmasslichen Vergewaltiger. Die Story basierte lediglich auf den Aussagen dessen geschiedener Frau. Der Komiker überlebte diesen Rufmord nur knapp, der «Spiegel» wurde gerichtlich gezwungen, grosse Teile seiner Behauptungen zurückzunehmen.

Es folgte eine «Enthüllung» über den «Bild»-Chef Julian Reichelt. Dem schloss sich eine Breitseite gegen Mathias Döpfner an, den Chef des Springer-Verlags. Der auf billigen Medienhype angelegte «Enthüllungsroman» des PR-Genies Benjamin Stuckrad-Barre war dem «Spiegel» eine Titelstory wert.

Dann gab das Nachrichtenmagazin seiner Ex-Mitarbeiterin Anushka Roshani ungeprüft die Möglichkeit, einen Rufmord zu begehen, ihren ehemaligen «Magazin»-Chef als üblen Mobber und sexistischen Quälgeist zu beschimpfen, sich über mangelhaften Schutz des Tamedia-Verlags zu beschweren. Die Rache einer Frau, die es selbst mit Mobbing und Denunziationen nicht geschafft hatte, ihren Chef vom Sessel zu lupfen, den sie selbst gerne erklettert hätte. Stattdessen wurde sie gefeuert, der «Spiegel» war nicht in der Lage, dieses offenkundige Motiv für eine Abrechnung zu durchschauen.

Diverse Prozesse laufen. Aktuell ist der deutsche Schauspieler Til Schweiger dran; wie immer gespeist aus anonymen Quellen wird ihm ein gröberes Alkoholproblem vorgeworfen. Und bereits wird ein Drei-Sterne-Koch auf die Rampe geschoben, der sich in seiner Küche ungebührlich benommen haben soll.

Das alles bedient das Narrativ von toxischer Männlichkeit, von Frauendiskriminierung im Nachhall der «#me too»-Bewegung, deren erste Exponentin später selbst sexueller Übergriffe beschuldigt wurde.

Nicht nur ältere «Spiegel»-Mitarbeiter sind sich einig: das wäre in früheren Zeiten, unter dem letzten beeindruckenden Chefredaktor Stefan Aust nicht möglich gewesen. Inzwischen gilt:

Wenn Würstchen an die Macht kommen, wird der Senf rationiert.

Statt beeindruckender Enthüllungen wie früher, Stichwort Neue Heimat, Stichwort Parteispenden, folgt nun eine billige Fertigmacher-Story ad personam nach der anderen. Aus Schweizer Sicht ist der Fall Roshani besonders peinlich. Denn spätestens seit dem akkurat recherchierten Buch von Roger Schawinski ist klar, was auch ZACKBUM als eines der ganz wenigen Organe schon von Anfang an kritisierte: Canonica ist hier nicht der Täter, sondern das Opfer, und die Medien machten sich allesamt zu willigen Helfershelfern einer Frau auf dem Rachetrip. Sie übernahmen ungeprüft ihre Behauptungen, schmückten sie sogar mit weiteren, erfundenen anonymen Aussagen aus, schwiegen dann verkniffen, als sich immer mehr offenkundige Widersprüchlichkeiten und gar grobe Erfindungen herausstellten.

Besonders peinlich dabei das Verhalten der «Magazin»-Redaktion, eine Versammlung von Gutmenschen, darunter der Lebensgefährte der Kampffeministin Franziska Schutzbach, die jahrelang mit höchster Sensibilität Missbrauch und alles, was gegen Gutmenschentum verstiess, aufs schärfste verurteilten. Aber in eigener Sache Zeugnis abzulegen, Zivilcourage zu beweisen, dazu Stellung zu nehmen, dass sie von Roshani als Zeugen für angeblich öffentliche Ausfälligkeiten von Canonica aufgeführt wurden – da verordneten sie sich feiges Schweigen, tiefer als die Omertà der Mafia.

Aber all das wird unterboten vom Niedergang des «Spiegel», der nicht einmal mehr schreibt, was sein soll. Sondern sogar, was gar nicht ist.

 

SwissMediaForum: Gedöns

Wenn Medien über sich sprechen, wird’s peinlich.

Wer sich selbst so anpreist und auch fotografisch Mut zur Hässlichkeit bekundet, gibt klar zu erkennen: hier stellen sich für einmal Medien in den Mittelpunkt. Was kein schöner Anblick ist.

Dabei werden in Luzern auch heisse Themen angefasst:

Das hier ist zum Beispiel die Diskussionsrunde zum affenheissen Thema, ob die Medienbranche ein strukturelles Sexismusproblem habe. Mit grosser Mühe wurden drei Diskussionspartner zusammengekratzt, die sich eigentlich nur durch ihren Mut qualifizierten, hier überhaupt aufzutreten; es habe viele Absagen gehagelt, stöhnten die Organisatoren.

Überhaupt ist das Forum dieses Jahr gut für schräge Auftritte. Bundesrätin Karin Keller-Sutter wollte originell sein (und sollte ihren Redenschreiber feuern). Die Medien seien die «Wachhunde der Demokratie» sagte sie launig, weil derjenige, der ihr diesen Quatsch aufschrieb, offensichtlich gegoogelt hat, was denn «watchdog» auf Deutsch heisst.

Aber damit nicht genug, wenn schon eine Metapher, dann muss sie gleich zu Tode gepeitscht werden. Es gäbe also «den Kläffer, den Wadenbeisser und den Kettenhund». Gegen den Wadenbeisser habe sich der Bundesrat Beinschoner zugelegt. Endlich einmal konnten sich die versammelten Medienschaffenden nicht über sich selbst, sondern fremdschämen.

Aber dann kam noch der Tiefpunkt im Höhepunkt, die sogenannte Elefantenrunde am Schluss der Veranstaltung. Anwesend waren Felix Graf (CEO NZZ), Michael Wanner (Neu-CEO CH Media), Nathalie Wappler (SRF) und Pietro Supino (Tx Group – oder wie das Teil zurzeit gerade heisst).

Dann wurde es wirklich richtig peinlich. Wie’s halt so ist, wenn man zuschauen muss, wie sich erwachsene Menschen auf offener Bühne abknutschen. Supino machte ein Kompliment an die Moderatorin, bei Wappler täuschte er einen Wangenkuss für ihre Arbeit bei der SRG an. Wappler schmachtete Graf an, mit dem sie «inspirierende Gespräche» geführt habe. Graf umarmte Wanner für seinen frischen Ansatz, und Wanner schliesslich versuchte, eine Zehe von Supino zu lutschen, den er für seine strategische Weitsicht lobte. Worin sich die zum Beispiel im Skandalfall Roshani/Canonica geäussert hatte, was wohl der degradierte Chefredaktor, Bauernopfer Rutishauser davon hält, ist hingegen nicht überliefert.

Eine Medienbranche, die bis zum Hals in Problemen steckt, ein Tx-Konzern, der seine Mediensparte zu Tode hungert. Ein CH-Media-Konzern, der von einem Familienclan beherrscht wird, wo der richtige Nachname wichtiger ist als Kompetenz. Ein Ringier-Verlag, der erst gar nicht an dieser sogenannten Elefantenrunde teilnimmt, was aber niemandem auffällt. Oder vermissten wir das Stichwort Resilienz? Und schliesslich die NZZ, die den CEO entsandte, weil der eigentliche Big Boss für solchen Pipifax keine Zeit hat. Dann gäbe es noch das Haus Lebrument, und Christoph Blocher soll scheint’s auch so ein kleines Zeitungsimperium haben.

Vielleicht hätte auch Roger Schawinski, der sich intensiv mit dem Skandal Roshani/Canonica auseinandergesetzt hat, Interessantes zum Thema Medien beizutragen gehabt. Aber eigentlich war es so: wer sich ernsthaft mit Medien befasst, wie auch ZACKBUM, hatte Besseres zu tun, als sich diese gegenseitigen Beweihräucherungen und das Werfen mit Wattekugeln anzuschauen.