Rammelstein?

Was wahr ist, klar ist – oder nicht.

Die «Süddeutsche Zeitung» nimmt den inzwischen bekannten Sound auf: «Es geht um die Verführung weiblicher Fans durch die Nähe zu einer sehr prominenten Person, um möglichen Machtmissbrauch und mutmaßliche sexuelle Übergriffe.»

Wie immer ist es eine Gemengelage. Der Herausgeber des Gedichtbands von Till Lindemann, dem Sänger von «Rammstein», ist einer der Feuilletonchefs der SZ. Der herausgebende Verlag hat sich inzwischen mit Abscheu von seinem Autor abgewandt.

Auslöser scheint ein irischer Fan zu sein, der den Verdacht äusserte, bei einer Party vor der Show sei ihr mit einer Droge versetzter Alkohol gegeben worden. Diese Shelby besteht ausdrücklich darauf, dass sie nicht angefasst oder vergewaltigt worden sei. Allerdings habe der Sänger Sex mit ihr gewollt, was sie jedoch abgelehnt habe. Danach Filmriss, sie sei mit blauen Flecken, sonst aber unbeschädigt aufgewacht. Ein Drogentest am nächsten Morgen war negativ.

Die Band dementiert und schweigt ansonsten. Im Anschluss «rollte die Welle schon», wie die SZ schreibt. Sie und der NDR hätten mit «zahlreichen Frauen gesprochen». Und: «Sie erheben teils schwere Vorwürfe gegen Lindemann. Alle Namen sind der Redaktion bekannt, einige der Frauen versichern ihre Angaben an Eides statt. Alle mutmaßlich Betroffenen bleiben in diesem Text zu ihrem Schutz anonym, die verwendeten Namen sind nicht ihre echten.»

Die Erzählungen gehen so, dass es ein eigentliches Casting für die «Row Zero» gebe, den Bereich unmittelbar vor der Bühne, in den man nur per Einladung kommt. Dafür werden Frauen angefragt, denen auch ein anschließender Besuch Backstage zugesichert werde. Dort passiere nur das, was die Groupies auch wollten. Eine erzählt in der SZ:

«Ich will nicht sagen, dass das eine Vergewaltigung war, weil ich ja zugestimmt habe, aber ich war jetzt auch nicht offensichtlich glücklich darüber, was da passiert.»

Nach weiteren solchen Storys wechselt die SZ die Ebene: «Die Frage ist, ob alle Frauen, die bei Lindemann landen, dort noch mit so klarem Bewusstsein ankommen, um jederzeit selbst die Kontrolle zurückgewinnen oder sich später richtig erinnern zu können. Oder ob der ganze Vorgang nicht von vorneherein so asymmetrisch, so manipulativ angelegt ist, dass man von Freiwilligkeit nicht mehr sprechen kann und dass sich im Nachhinein leicht Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Frauen säen lassen

25’000 Anschläge ist die Story lang; es liegen bislang keinerlei Strafanzeigen vor; keine der im Text erscheinenden Frauen hat die Absicht geäussert, gegen Lindemann oder die Band rechtlich vorgehe zu wollen. Diese Spekulation soll nur dazu dienen, die Story zu rechtfertigen, zu mehr taugt sie nicht.

Ganze sechs Autoren hat die SZ für diesen Aufreger abgestellt. Sie ist sozusagen die Antwort aus München auf die Till-Schweiger-Story aus Hamburg.

Rammsteins USP, die Masche, wenn man so will, ist martialisches Pathos, unterlegt mit Provokationen jeder Art, grenzwertigen Texten und Musikvideos. Kann man mögen oder lassen.

Natürlich ist hier alles drin, was eine Story heiss macht. Deutschlands erfolgreichste Band, ihr grenzgängerischer Sänger, Groupies, Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe. Während der «Spiegel» im Fall Roshani zumindest mit Fotos eine Ähnlichkeit der Vorfälle mit dem Verhalten der verurteilten Straftäters Harvey Weinstein in den USA herstellen wollte, beschreibt die SZ die Rolle einer gewissen Alena Makeeva als eine Art Casting-Direktorin, die die Girls vor den Konzerten für die «Row Zero» kontaktiert, auswählt und ihnen Tips gibt, wie sie sich anzuziehen haben und was sie erwarten könnte. Also vielleicht so eine Art Ghislaine Maxwell, die dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein Mädchen zuführte.

Natürlich rauscht diese Story durch die Medien, alle wollen sich ein Scheibchen davon abschneiden, in der Schweiz am lautesten natürlich der «Blick»:

Natürlich wiederkäut auch Tamedia «Die Groupies von «Row Zero», der «Spiegel «Bad Guys und Groupies», nau.ch, usw. Nur: CH Media übt sich (bislang) in Zurückhaltung.

Nun hat auch noch die NZZ eingegriffen, und wenn man den Text der Gesellschaftsredaktorin Esthy Baumann-Rüdiger liest, meint man, die Beschreibung einer anderen Realität zu bekommen. Die Autorin hat «mit mehreren Frauen geredet, die bei Rammstein hinter die Bühne geblickt, mit Rammstein-Sänger Till Lindemann geredet, gefeiert und ihn angeblich geküsst haben».

Nur haben hier die Groupies ganz andere Geschichten zu erzählen: «Lindemann sei ein freundlicher, zurückhaltender Mensch, sagt Mona. Als er sich zum Gespräch auf einen Sessel begeben habe, sei er direkt von zwei Frauen auf den Lehnen umrankt worden. «Er hielt seine Hände auf den Knien, wie ein Schuljunge. Auf mich wirkte es, als sei ihm all die Aufmerksamkeit zu viel», erzählt Mona. Als er dann mit ihr gesprochen habe, sei es ihr vorgekommen, als geniesse er es, mit jemandem zu sprechen, der ihn nicht anhimmelt.»

Oder: «Man führte oberflächliche Gruppen-Gespräche und genoss ein paar Drinks», erzählt Diana. Kurz vor Konzertbeginn sei Alena erneut auf sie zugekommen, erzählt Diana. Till wolle sie alleine treffen, während der Konzertpause. Warum der Sänger sie ausgewählt hat, weiss Diana nicht. … Während des Gesprächs soll es zu einem Kuss gekommen sein. «Dann bin ich für manche nun eben ein Groupie. Das ist mir egal.» Diana betont: «Der Kuss ging klar von mir aus. Till hätte nichts versucht.»

Auch die analytische Metaebene sieht in der NZZ ganz anders als in der SZ aus: «Doch in der «Row Zero» treffen zwei Welten aufeinander. Die alte, sexistisch geprägte Musikindustrie und junge, während #MeToo erwachsen gewordene Frauen. Groupies? Ja. Aber selbstbestimmt. So beschreiben es viele von ihnen zumindest selbst.»

All diese aufgepumpten Storys um Prominente (oder im Fall des Ex-«Magazin»-Chefredaktors weniger Prominente) haben einen ähnlichen Sound. Machtgefälle werden von triebstarken Männern ausgenützt, von ihnen abhängige Frauen können sich nicht wehren, gehen oft erst viele Jahre nach solchen Vorfällen an die Öffentlichkeit. Oder haben das Problem, dass Vorgänge unter vier Augen schwer objektivierter sind.

Aber durch die Darstellung – wie mehrfach im «Spiegel», wie nun auch in der «Süddeutschen» – wird der Eindruck insinuiert, dass hier die Männer die Täter, die Frauen die Opfer sind. Auch wenn die SZ für diese These tief lufthohen muss, weil sie nicht einmal Aussagen von strafrechtlich relevanten sexuellen Belästigungen oder gar Vergewaltigungen anführen kann.

Gerade bei Groupies ist es tatsächlich so, dass junge Mädchen, die auf das Angebot eingehen, ihre Idole Backstage bei einer Party erleben zu dürfen, nur schwerlich behaupten können, dass es sie völlig überrascht hätte, dort angemacht oder gar angefasst zu werden. Natürlich wird ein solcher Satz von Kampffeministinnen in der Luft zerrissen, das sei so, wie wenn man unterstelle, durch das Tragen eines kurzen Rocks habe eine Frau ihre Vergewaltigung provoziert. Ist es aber nicht.

Till Schweiger und der zwischenzeitlich vom «Spiegel» unter Feuer genommene Drei-Sterne-Koch können aufatmen. Sie haben Pause. Im Feuer steht zurzeit Rammstein. Aber die spielen selbst oft genug mit dem Feuer und sollten das aushalten.

 

 

 

 

Sudan? Falscher Ort

Und falsche Hautfarbe. Ausserdem zu weit weg.

Seit dem 15. April tobt im Sudan ein Krieg zwischen zwei verfeindeten Warlords, die um die ganze Macht im Land kämpfen. Die «Sudan Armed Forces» unter Abdel Fattah al-Burhan stehen den «Rapid Support Forces» unter Hemedethi gegenüber. Beide verfügen über jeweils rund 100’000 Kämpfer.

Konservativ geschätzt wurden bereits mehr als 2000 Menschen getötet, über 6000 verwundet. Eine Million Menschen sind auf der Flucht. Die wenigen Spitäler sind grösstenteils nicht mehr in Betrieb, Nahrungsmittel, Wasser, Medizin und Treibstoff sind extrem teuer geworden.

Natürlich kochen auch diverse ausländische Mächte dort ihr Süppchen, darunter ein libyscher Warlord, die Wagner Truppe, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate. China, der französische Konzern TotalEnergies oder der US-Multi Chevron Corporation kümmern sich um die Ausbeutung der Ölvorräte des Landes.

Also alles in allem ein Desaster mit Hunderttausenden von Vertriebenen, Verhungernden, Elenden. Nur: ab und an poppt eine Meldung in den Medien auf. Aber gibt es ernsthafte Anstrengungen, den Konflikt zu befrieden? Sollen die Warlords mit Sanktionen zur Räson gebracht werden? Wird Druck auf alle Länder ausgeübt, die die Kriegstreiber mit Waffen und Ausrüstung versorgen? Fordert wenigstens Fabian Molina die sofortige Aufnahme von ein paar tausend Flüchtlingen?

Ach wo. Warum ist das so? Auch wenn es alle Gutmenschen, die am liebsten in einer ukrainischen Flagge eingewickelt schlafen, entrüstet abstreiten würden: interessiert niemanden wirklich. Schwarzafrika. Elendsloch. Immer das Gleiche. Neger, Pardon, Schwarze, Pardon, PoC metzeln sich ab. Kein blauäugiger Weisser weit und breit. Keine Lichtgestalt vorhanden, im Kampf gegen den Bösewicht. Zu kompliziert. Zu weit weg. Man kann sich doch nicht um alles kümmern.

Clubbing …

Der «Club» des Schweizer Farbfernsehens ist das Gegenteil davon.

«Clubbing», so nennt man den Besuch von verschiedenen Musik- und Tanzveranstaltungen. Das sollte Spass machen. Die Sendung «Club» von SRF anzuschauen, das macht Bauchweh.

Der Name ist geschrumpft, der Inhalt auch. Die Idee war einmal, in einigermassen gepflegter Atmosphäre Themen von allgemeinem Interesse zu vertiefen und zu diskutieren. Kontrovers natürlich, aber auch zivilisiert. Als Gegenstück zur Krawallsendung «Arena». Ergänzt wurde das eine Weile noch durch den Altmeister der Talkshow Roger Schawinski, der schon immer wusste, dass solche Sendungen unterhaltsame Show sein müssen.

Nun ist die «Arena» kastriert verkompliziert, Schawinski durch den Weichspüler Gredig ersetzt, und der «Club» dümpelt unter der Leitung von Barbara Lüthi in den Untiefen des Ungefähren vor sich hin. Leider ist die Moderatorin, auch hier stinkt der Fisch vom Kopf, nicht absetzbar, dafür sorgen stahlharte, zarte Bande.

Einen seltenen Tiefpunkt erreichte der «Club» mit «Reizthema «Gender»». Er widmete sich unter anderem dem «Gendertag in Stäfa ZH», der abgesagt werden musste. Dafür gesorgt hatte der SVP-Provokateur Andreas Glarner, der das öffentliche Einladungsschreiben samt öffentlicher Telefonnummer der Sozialarbeiterin öffentlich ins Internet stellte.

Lüthi hatte eine Runde von «Betroffenen» versammelt, darunter eine Dragqueen, einen Vertreter des «Transgender Network», natürlich den Gemeindepräsidenten von Stäfa, eine «Leiterin des Fachbereichs Gender und Diversity» der HSG, eine «ehemalige Nationalrätin und Feministin», sowie eine Kantonsrätin der SVP, die an einer Initiative gegen die Verwendung des Gendersterns in amtlichen Schreiben beteiligt ist.

Zum schlechten Witz verkam die Sendung, weil der Anlass, der böse Bube Glarner, nicht anwesend war. Hatte der etwa feige gekniffen, denn es wäre doch selbstverständlich gewesen, ihn dabeizuhaben? Nein, Glarner stellte klar, dass er weder von der Redaktion des «Club» noch von der Moderatorin «eine Anfrage oder eine Einladung» erhalten habe.

So konnte man ungeniert über «Herrn G.» herziehen, denn sein Name gehört für die meisten Teilnehmer inzwischen auch auf die Liste der Pfuiwörter, gleich neben Mohrenkopf. Eine TV-Runde lästert über den Anlass des Gesprächs ab, ohne dass der dabei wäre, ohne dass die Moderatorin, was man im Kurs für Anfängerinnen lernt, nicht eingreift, dass der Gescholtene sich nicht wehren könne, mangels Präsenz?

Es ist allerdings noch ein weiteres Opfer zu beklagen. Der/die/das teilnehmende non-binäre Transperson beschuldigt im Nachgang die anderen Teilnehmer der «Gewalt schürenden Rhetorik», ausserdem sei er/sie/es «in seiner ganzen Existenz angegriffen worden», der/die das Arme. Ungeheuerlich, was sich SRF da wieder geleistet hat.

Dabei war es doch eine Kuschelrunde, wo im warmen Mief der luftdichten Gesinnungsblase geschwurbelt werden darf. Aber der Zuschauer zieht die Konsequenz, denn er ist im Besitz der Fernbedienung. 2018 ist Lüthi angetreten, 2020 hatte sie den «Club» auf 125’000 Zuschauer runtergefahren. 2021 waren es im Jahresschnitt noch knapp über 100’000. Letztes Jahr lichteten sich die Reihen auf 87’000.

Bald einmal kann man die Clubsessel auf einem Dorfplatz aufstellen, jeden Zuschauer persönlich begrüssen und die Dekors von «SRF bi de Lüt» verwenden. Am besten mit Gesangs- und Showeinlagen.

 

Aufruf zum Rechtsbruch?

Mit Vollgas in den Wilden Westen.

Oliver Zihlmann, einmal losgelassen, lässt nichts aus. Neben zwei Kampagnen-Artikeln, in denen drittklassige «Experten» dafür herhalten mussten, der Schweiz Saures zu geben, greift er nun zum Äussersten: dem Kommentar.

Unter der neuen Leitung wuchert eine Sittenverluderung ohnegleichen im «Tages-Anzeiger». Eigentlich wäre es die Aufgabe der Chefredaktion, reputationsschädigende Texte vor Publikation abzufangen. Denn wenn Zihlmann das Wort ergreift, spricht er nicht nur für sich, lädiert er nicht nur den Ruf des sogenannten Recherchedecks – er beschädigt auch die Restreputation der einstmals angesehenen Tageszeitung. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sein Gewäffel durch ein rundes Dutzend Kopfblätter multipliziert wird.

Schon der erste Satz stammt aus Absurdistan: «Warum kritisierten die Botschafter der G-7 und der EU den Bundesrat in einem harschen Brief für die nachlässige Umsetzung der Russland-Sanktionen?» Erstens gibt es dafür naheliegende Gründe, auf die Zihlmann aber trotz scharfen Nachdenkens nicht kommt. Zweitens unterstellt er hier, die Schweiz sei nachlässig. Wofür es – ausser haltlosen Behauptungen – keinerlei Beleg gibt.

Nicht mal in einem Kommentar, nicht mal im Tagi sollte erlaubt sein, ausnahmslos anonyme Zeugen für wilde Behauptungen aufzuführen: «In einem Universum leben jene, die in Russlands Angriffskrieg einen Zivilisationsbruch sehen, gegen den man ankämpfen muss, und zwar mit allem, was menschenmöglich ist. In den Gesprächen spürt man eine grosse Entschlossenheit. Sie wollen ermitteln, jeden Schlupfwinkel aufspüren, um die Umgehung der Sanktionen zu verhindern. Rechtliche und bürokratische Hürden gilt es zu beachten, aber wo immer möglich zu überwinden, um letztlich dieses grössere Ziel zu erreichen. Diese Haltung findet man bei vielen Diplomaten aus anderen westlichen Staaten.»

Rechtliche und bürokratische «Hürden» überwinden, für das «grössere Ziel». Das ist der Sprech von Antidemokraten, von Verächtern des Rechtsstaats. Kein Wunder, wollen diese «vielen Diplomaten» anonym bleiben, sie wissen um die Fragwürdigkeit solcher Aussagen. Zihlmann kennt diese Hemmung allerdings nicht.

Hier haben wir also die Guten, die Anhänger einer Wildwest-Justiz, wo das Recht nur eine Hürde ist, die man zu überwinden habe. Auf der anderen Seite die Schnarchsäcke aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco: «Dort heisst es, man sei keine Polizei, man gehe zwar Hinweisen nach, aber grundsätzlich sei doch davon auszugehen, dass sich alle im Land an die Gesetze hielten. Die Grundannahme ist also erst einmal, dass alles in Ordnung sei.»

Es gilt die Unschuldsvermutung, im Zweifel für den Angeklagten, es braucht einen Anfangsverdacht, es gibt keinen Generalverdacht, es gibt keine angebräunte Stigmatisierung «Russe – Geld – suspekt», unglaublich, meint Zihlmann. «Wenn man mit Vertretern des ersten Universums über das Seco redet, dann spürt man sehr viel Ärger über die defensive Haltung der Schweiz

Das Einhalten von rechtsstaatlichen Regeln, das Bestehen darauf, dass in der Schweiz Schweizer Verfahren und Gesetze gelten; statt sich da dummdreiste Anrempeleien aus dem Ausland zu verbitten, behauptet Zihlmann: «Es geht um das mörderische Regime von Putin und seiner Entourage. «Wir können leider nichts machen» ist die falsche Haltung dazu

Falsch, Zihlmann. Wir werfen deswegen unseren Rechtsstaat mitsamt seinen fundamentalen Prinzipien über Bord, das ist die kreuzfalsche Haltung dazu. Dass eine solche Wildwest-Meinung ungefiltert, ohne korrigiert zu werden einem Millionenpublikum serviert werden darf, ist eine mehr als bedenkliche Sittenverluderung im Hause Tx. Wenn es um seinen eigenen Ruf geht, bemüht Big Boss Pietro Supino schnell einmal die Gerichte. Geht es um den Ruf seines Hauses, bleibt er untätig.

Postfaschistisch

Sprachreinigung oder korrektes Sprechen ist elitär-postfaschistisch und angebräunt.

Ein Blick in die Geschichte hilft häufig, die Gegenwart besser zu verstehen. Schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der Hitler-Faschisten in Deutschland, wurde das «Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda» geschaffen. Hier wirkte das böse Propaganda-Genie Joseph Goebbelswollt ihr den totalen Krieg?»).

Möglicherweise wurde hier auch der Begriff «Sprachregelung» erfunden. Berüchtigt bis heute sind Begriffe wie «Endlösung der Judenfrage» für den Holocaust, «Kinderlandverschickung» für die Evakuierung aus bombardierten Städten. Wer in den 1970er-Jahren von der BRD statt von Deutschland sprach, von West-Berlin statt von Berlin, von der Baader-Meinhof-Gruppe statt der Baader-Meinhof-Bande, konnte sich leicht ein Berufsverbot einfangen, also mit dem «Radikalenerlass» in Konflikt geraten. Die Tradition solcher Beschönigungen wird natürlich in der Politik bis heute betrieben; so hiessen Ausgangssperren in der Coronazeit in Deutschland offiziell «Ausgangsbeschränkung».

«Wider den undeutschen Geist» war der Kampfruf. Den verkörperte für die Nazis der Jude. Entlarvend hiess es in einem Flugblatt der «Deutschen Studentenschaft»: «Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutlich denkt, ¡st ein Verräter

Das führt dann zu dieser Schlussfolgerung: «Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens, im deutschen Geiste.»

Wem es bei diesen Sätzen kalt den Rücken hinunterläuft, der hat ein gutes Sprachgefühl. Natürlich würden es heute nur noch verblendete rechtsradikale Kreise wagen, solchen Unfug über Juden zu schreiben.

Aber die gleiche Mentalität, die gleiche Ideologie metastasiert sich weiterhin durch Universitäten und hat leider auch ihre Anhänger in den Medien. Die jüngste Philippika von Tamedia gegen «Blackfacing» oder das Verkleiden als Indianer an der Fasnacht ist das letzte von unzähligen Beispielen, wie Sprachreiniger gewisse Begriffe so stigmatisieren wollen, dass sie «nicht mehr verwendet werden» sollten, wie «20 Minuten» in einem wiedererwachten völkischen Geist sich nicht entblödet zu schreiben.

Einen einsamen Höhepunkt setzten Andreas Tobler (noch am Gerät) und Aleksandra Hiltmann (inzwischen entsorgt) in der «SonntagsZeitung»:

Selten erschien unter dem Rubrum «Kultur» etwas dermassen kulturloses. Das hätte problemlos, unter Verwendung anderer Kampfbegriffe, zwischen 1933 und 1945 in Deutschland erscheinen können. Es erschien aber am 28. März 2021; bis heute hat sich Tamedia dafür weder entschuldigt, noch davon distanziert, um mit der gleichen inquisitorischen Strenge vorzugehen wie die beiden Autoren.

Sie handelten auf ganzen drei Seiten das Thema «richtig gendern» ab. Mit Handlungsanleitungen und allen weiteren Dummheiten:

ZACKBUM war damals davon überzeugt, dass nun diese Genderwelle ihren Scheitelpunkt erreicht hätte und dieser Blödsinn wieder verschwände. So kann man sich täuschen. Der Schoss ist bis heute fruchtbar, aus dem das kroch: «Diversität ist zu einer Frage der gesellschaftlichen Verantwortung geworden, ähnlich wie Nachhaltigkeit oder Umwelt.»

Aber nicht nur Journalisten zeigen bis heute, dass sie Grundprinzipien der Sprache und der Kommunikation nicht verstanden haben. Dass sie sich mit Inbrunst um Pipifax-Themen kümmern und immer wieder erstaunt bis angeekelt zur Kenntnis nehmen müssen, dass die der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung (und ihrer Leser) schwer am Hintern vorbeigehen. Da sehen sie nicht etwa ein, dass sie eine Dienstleistung gegen Bezahlung erbringen sollten, sondern schwingen sich zu Lehrmeistern auf. Und geben Irrlichtern (nur ein Beispiel unter ach so vielen im wuchernden Genderlehrstuhl-Wahnsinn) wie dem Zürcher AL-Gemeinderat David García Nuñez das Wort: «Als Arzt hat er eine wissenschaftliche Studie geleitet, die zeigt, dass auch bei Transmenschen, die den Geschlechtsangleichungsprozess hinter sich haben, die falsche Ansprache traumatisierend wirkt und Depressionen hervorruft

In diesem Dreiseiter wurden auch einige Schweizer Literaten gefragt, wie sie es denn mit dem Genderstern hielten. Korrekterweise wurde der Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss nicht gefragt, der kann bekanntlich kein richtiges Deutsch. Unvergesslich aber die Antwort von Peter von Matt, dem wohl intelligentesten und elegantesten Essayisten der Schweiz. Der drückte seine Verachtung für diese Frage mit einem kurzen Wort als Antwort aus: «Nein

Nun werden aber bis heute Diskussionsrunden wie der «Club» im Schweizer Farbfernsehen, Meinungsumfragen (mit erschütternden Ergebnissen für die Anhänger einer sauberen und diskriminierungsfreien Sprache) durchgeführt, an diversen Universitäten in der Schweiz korrektes Gendern als Benotungskriterium verlangt.

Als Männerhasserin outete sich damals die einschlägig bekannte Tamara Funiciello. Sie schrieb sich in einen wahren Rausch hinein:

«Genug Männer, die uns Gewalt antun oder angetan haben, dass wir mit unserem Schlüssel zwischen den Fingern nach Hause laufen, flache Schuhe zum Rennen dabeihaben, keine Musik hören, wenn wir alleine sind, damit wir die Gefahr hören, wenn sie kommt. … Wir sind in unserer Freiheit eingeschränkt, weil wir Angst haben müssen vor Übergriffen, Gewalt, Belästigung, Drohung. Es ist ein bisschen wie Corona – nicht jeder Mensch, den du triffst, ist eine reelle Gefahr – dennoch schützen wir uns, weil es eine sein könnte.»

Zu solchen Absurditäten, die nichts mit der Schweizer Realität zu tun haben, versteigen sich völlig verpeilte Feministinnen, die mit jedem Wort der Sache der Frau schaden. All diese Sprachreiniger verwechseln eine gesäuberte Sprache mit einer verbesserten Realität. Nicht das Wort Mohrenkopf ist diskriminierend, seine Ächtung macht die Welt um keinen Biss rassismusfreier.

Modernisieren wir doch kurz den damaligen Aufruf der «Deutschen Studentenschaft».

«Wider den unkorrekten Geist. Der Macho kann nur männlich denken. Schreibt er genderkorrektes Deutsch, dann lügt er. Der Mensch, der deutsch schreibt, aber nicht genderkorrekt denkt, ist ein Verräter. Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens, im genderkorrekten, inkludierenden Geiste.»

Das könnten ach so viele dieser moderneren, postfaschistischen Sprachreiniger ohne zu zögern unterschreiben. Sie sind so geschichtsvergessen, dass ihnen nicht einmal das Angebräunte in ihren Gedankengängen auffällt.

 

Wumms: Katja Früh

Sie ist Kolumnistin beim «Magazin». Das sagt eigentlich schon alles.

Katja Früh gehört zu den Menschen, die sich selbst ausserordentlich wichtig nehmen, eine ausgesprochen hohe Meinung von der Gültigkeit ihrer Ansichten haben – und dann feige kneifen, wenn sie mal Zivilcourage beweisen müssten und sich zu einem üblen Streit äussern, der sich auf ihrer eigenen Redaktion abspielt.

Dermassen qualifiziert macht Früh das Mögliche unmöglich und gibt höchstwahrscheinlich lustig gemeinte Ratschläge; «rät zur Therapie: Meine Tipps für Herrn Glarner». An diesem Buhmann und Posterboy der Linken haben sich schon so ziemlich alle abgearbeitet, aber spät kommt nun auch noch Früh.

Sie versucht sich als Hobbypsychologin und gibt die uralte Mär zum Besten, dass eine «starke Abwehrhaltung gegen was auch immer» mit dieser Person selbst zu tun habe. Ratschlag: «Sie zum Beispiel fürchten sich vor Dragqueens. Da wäre vielleicht eine Konfrontationstherapie angebracht, was bedeuten würde, dass Sie selbst einmal in schillernde Frauenkleider schlüpfen sollten.»

Haben wir gelacht, und damit wäre der Scherz eigentlich ausgelutscht. Aber leider ist da noch Platz in der Kolumne, und Früh muss sparsam mit Ideen umgehen, also tritt sie den Quark noch breit und küchenlateinert weiter in der inneren Welt von Glarner herum: «Könnte es sein, dass Sie, ohne es selber zu wissen, auch lieber so ein freies und buntes Leben leben würden? Oder haben Sie Angst, dass die Welt zusammenbrechen würde, wenn jede:r einfach sein darf, wie er oder sie will? Durften Sie das mal? Als Kind vielleicht

Hier fällt ihr dann doch auf, dass in diesem Scherz kein Tropfen Gehalt mehr steckt. Also kurze Übertragung:  «Nun zum Gendern: Das scheint Ihnen auch ziemliche Angst zu machen.»

Dann liefert sie allerdings gleich den Beweis, wieso man dem Gendern zumindest misstrauisch gegenüberstehen sollte: «Es ist doch nichts anderes als der Versuch, auch in der Sprache Geschlechtergerechtigkeit herzustellen.» Was für ein hanebüchener Unsinn.

Unterwegs im Nonsens-Land legt Früh gleich noch einen drauf:

«Es passt Ihnen wohl ganz gut, die Frauen ein bisschen im Hintergrund zu wissen, niemand nimmt Ihnen Ihre Privilegien weg, und niemand stört die «natürliche» Ordnung. Haben Sie vor Frauen gleich viel Angst wie vor Homosexuellen? Dann würde ich Ihnen ernsthaft eine Therapie ans Herz legen.»

ZACKBUM würde Früh hingegen einen Anfängerkurs in Logik und Konsistenz ans Herz legen. Oder ihr empfehlen, bei grösster Not «was schreibe ich denn nur wieder in meiner Kolumne?» lieber einmal zu verzichten.

Denn, sehr geehrte Kolumnistin, wenn man ihre Methode anwenden wollte, dann müsste doch auch Blackfacing erlaubt sein. Um sich mal in die Rolle eines Negers, Pardon, Schwarzen, ts, ts, einer Person of Colour zu versetzen. Dann ist auch der Sombrero erlaubt, die Rastalocke, das wären dann alles keine kulturellen Aneignungen, sondern Therapien. Selbstverständlich gehörte auch der Indianeraufzug dazu, selbst eine Perücke und ein Rock, um sich mal als Frau zu fühlen.

Es ist inzwischen überall bei Tamedia, also beim «Tages-Anzeiger», also im Tx Konzern möglich, ungebremst, unbelästigt von jedweden Qualitätsansprüchen die zahlende Kundschaft mit Blödsinn zu quälen. In der leider vergeblichen Hoffnung, dass die meisten Masochisten sind.

Schmerzhaft peinlich

Oliver Zihlmann unterbietet alles, diese Schande für seinen Beruf.

«Jetzt äussert sich der frühere Topbeamte der USA Juan Zarate erstmals zu den Erwartungen an die Schweiz.» Der «Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia» (heisst das nicht «Tages-Anzeiger»?) hat einen Coup gelandet. Er hat Zarate ein Exklusiv-Interview entlockt. Bravo. Denn: «Er gehört zu den wichtigsten Experten, wenn es um die Umsetzung der Russlandsanktionen geht.»

Nur: exklusiv hat man das, was kein anderer will. Denn «Zarate war stellvertretender nationaler Sicherheitsberater der USA», prahlt Zihlmann. Was er nicht sagt: diese bedeutende Position hatte Zarate ein Jährchen lang inne. Von 2004 bis 2005. Unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush. Das ist der, der Massenvernichtungswaffen im Irak erfand. Und die «Achse des Bösen».

Zarate hingegen, dieser «wichtige Experte», ist seit 2014 für das «Institut für die religiösen Werke» (IOR) tätig, die hochkorrupte und dubiose Vatikanbank, auch bekannt als «ein Offshore-Paradies mitten in Europa». Dazu ist er bei zwei der zahlreichen Think Tanks in den USA an Bord. Diese qualifizierte Fachkraft darf sich nun zur Schweiz äussern. Zihlmann interviewt ihn – natürlich in der neuen Tagi-Tradition – dermassen unterwürfig und liebedienerisch, dass es einem beim Lesen übel wird. Teilweise stellt er nicht einmal mehr Fragen, sondern gibt lediglich Stichworte: «Die G-7 erwartet einen Sondereffort von der Schweiz wie nach 9/11.»

Zarate hingegen darf unwidersprochen Ungeheuerliches sagen. Eigentlich müsste man Zihlmann die Lizenz zum Journalistsein wegnehmen, so peinlich ist das: «Neutralität hilft nur noch Moskau», behauptet der Vatikan-Mann zum Beispiel. Vielleicht hätte man ihn fragen können, wieso dann seine IOR-Bank die Sanktionen nicht mitträgt, oder was er von der scharfen Kritik des Papstes hält, der imperiale Interessen als Kriegsursache sieht und klar urteilt: «Man führt Krieg, verkauft die alten Waffen und probiert neue aus

Aber das hätte ja etwas Recherche, etwas Vorbereitung bedeutet, und dafür ist der «Co-Leiter» irgendwie nicht qualifiziert. Auch ohne solche Bemühungen: Der Satz, dass Neutralität nur Moskau helfe, ist von einer solch impertinenten Dummheit, dass jeder anständige Journalist eingehakt hätte. Der Satz ist so bescheuert, wie wenn man während des Zweiten Weltkriegs behauptet hätte, die Schweizer Neutralität helfe nur Berlin oder Hitler-Deutschland.

Zarate darf das ganze Interview hindurch unwidersprochen eine fragwürdige Aussage auf die nächste stapeln: Länder wie die Schweiz müssten verstehen, «dass es sich im Fall Russland zwar effektiv um normale Sanktionen handelt wie zum Beispiel gegen Nordkorea. Politisch und strategisch sind sie aber viel relevanter».

Ein reiner Nonsens-Satz, abgesehen davon, dass diese relevanteren Sanktionen gegen Russland lediglich von einer Handvoll Staaten mitgetragen werden; wenn man die EU als ein Gebilde betrachtet, sind es gerade mal 10 von 199.

Denn Gipfelpunkt der Unverfrorenheit erreicht Zarate, der «weltweit führende Sanktionsexperte» –wahrscheinlich mit Gottes Segen – hier: «Es wird klar erwartet, dass jedes Land aktiv die Netzwerke der Russen bei sich aufdeckt und diese Informationen unaufgefordert mit den anderen teilt. Einfach nur zu reagieren, also auf Sanktionen anderer Staaten zu warten und diese rein technisch umzusetzen, ist zu passiv. Wird ein für die Russen wichtiger Finanzplatz wie die Schweiz hier als Bremser wahrgenommen, kann das sehr schnell zum Problem werden

Netzwerke der Russen aufdecken? Solch Unsinn mag vielleicht im Vatikan praktiziert werden, in einem Rechtsstaat wie der Schweiz ist das dann doch etwas komplizierter. Immerhin räumt Zarate ein: «Natürlich, es muss rechtlich korrekt ablaufen. Die Fakten müssen stimmen. Die Schweiz oder jedes andere Land kann nach einer Prüfung zum Schluss kommen, dass diese Villa oder jene Firma nicht blockiert werden muss. Das wird niemand kritisieren.»

Dann kann er es wieder nicht lassen, sein mehr als fragwürdiges Verständnis der Grundprinzipien eines Rechtsstaats raushängen zu lassen: «Aber entscheidend ist, dass man alle diese Vermögen aktiv sucht und prüft.» Mit anderen Worten: Es gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung, das Prinzip eines Anfangsverdachts. Sondern:

«all diese Vermögen stecken seit letztem Jahr unter einem Generalverdacht

Das ist ein Satz, der deswegen ganz übel riecht, weil man hier statt Russen nur eine andere Bezeichnung einsetzen müsste, und schon wäre man wieder mitten in den dunklen Zeiten des Hitler-Faschismus. Damit keine Missverständnisse aufkommen, wes Geistes Kind Zarate ist, doppelt er nach:

«Die Vermögensnetzwerke der Russen sind jetzt von sich aus suspekt. Sollte sich nach Ermittlungen herausstellen, dass alles in Ordnung ist, dann ist das gut. Aber man muss sie zwingend prüfen. Dieser Übergang zu einem generellen Korruptionsverdacht ist ein entscheidender globaler Wandel

Die Frage, die Zihlmann (neben vielen anderen) hier nicht stellte: Sie fordern also, dass die Schweiz ihre Neutralität noch mehr aufgibt, nicht nur alle EU- und USA-Sanktionen gehorsam übernimmt, sondern dass sie fundamentale Prinzipien ihres Rechtssystems über Bord wirft und einen Generalverdacht gegen Russen ausspricht, die dann beweisen müssen, dass mit ihren Vermögenswerten alles in Ordnung ist, eine glatte Umkehr der Unschuldsvermutung?

Nicht nur deswegen, sondern weil dieses Interview Bestandteil einer ganzen Kampagne ist, die das Recherchedesk des «Tages-Anzeiger» losgetreten hat, ist Zihlmann eine Schande seines Berufs. Damit ist er allerdings auf seiner Redaktion in guter, schlechter Gesellschaft.

Mehr als ein Geschmäckle hat die Tatsache, dass diese Kampagne rechtzeitig zur Debatte über die «Lex Ukraine» im Nationalrat losgetreten wurde. Aber auch hier muss Tamedia eine Niederlage einstecken: die Ausnahmeregelung für die Weitergabe von Schweizer Waffen via Drittstaaten an die Ukraine wurde im Nationalrat bachab geschickt.

 

Der Gast muss draussen bleiben

Nix für Schleckermäuler. Die kulinarische Leser-Verarschung des «Blick».

Solche Rankings sind immer garantiertes Lesefutter mit hohen Klickzahlen:

Lassen wir mal die Bewertungskriterien beiseite und widmen wir uns dem dargebotenen Menü. Die 20 besten Restaurants will der «Blick» liefern, die «Top 20». Es sind allerdings eher die Flop 2.

Da hätten wir mal die «Mühle Fläsch» im Graubünden. 4,9 von maximal 5 Punkten, fast perfekt. Fast. Denn wer erlebnishungrig einen Blick auf die Speisekarte werfen will, sieht das:

Schade aber auch, das Restaurant ist geschlossen. Für immer. Aber das kann der knallharte Rechercheur in seiner Verrichtungsbox im Newsroom doch nicht ahnen. Auch der «Florhof» in Zürich hat 4,9 Punkte bekommen, dann halt dorthin.

Aber schon wieder bleibt der Gast mit hungrigem Magen draussen vor der geschlossenen Tür. Hotel und Restaurant sind erst seit Juli 2022 geschlossen, so schnell spricht sich das dann nicht an die Dufourstrasse in Zürich durch. Ein Blick auf die Webseite hätte genügt. Aber eben, wozu auch.

Allerdings erhebt sich die Frage, wann denn diese Restaurants getestet wurden. Vor ein paar Jahren?

ZACKBUM hat nun nicht alle übrigen 18 Top-Angebote durchgekaut, aber: hinfahren auf eigene Gefahr. Dem «Blick» vertrauen auch. Verbrochen hat diesen Bericht übrigens Martin Schmid, «Redaktor Wirtschaft». Gastwirtschaft kann damit allerdings nicht gemeint sein …

 

Nur die allerdümmsten Kälber …

Neben Genderfragen beschäftigt Tamedia Unterwürfigkeit sehr.

«Hinter der Trommel her
Trotten die Kälber                                 
Das Fell für die Trommel                          
Liefern sie selber.»

Das ist von Bertolt Brecht. Es ist denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass Oliver Zihlmann oder Christian Brönnimann, die beiden Heros vom «Recherchedesk» von Tamedia, es kennen. Normalerweise beschäftigen sie sich mit dem Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen, die sie als «Leaks» oder «Papers» schönreden.

Nun haben sie ein anderes Thema auf die Hörner genommen:

Die USA hätten bereits «16 Schweizer Personen und 14 Schweizer Firmen auf ihre Sanktionsliste gesetzt». Sauber recherchiert, nur wären hier die Fragen: aufgrund welcher Kriterien, welcher Indizien, mit welcher Begründung? Haben sich die Betroffenen tatsächlich eines Verstosses gegen die Sanktionsbestimmungen schuldig gemacht? Wer hat das wo entschieden? Werden hier US-Gesetze oder Schweizer Bestimmungen angewendet? Handelt es sich wieder um einen rechtsimperialistischen Übergriff der USA?

Das alles wären interessante Fragen für Recherchierjournalisten. Daher fühlen sich Zihlmann und Brönnimann davon nicht angesprochen.

Nun haben sich die beiden Asse den Brief nochmals vorgenommen, den die Botschafter der G-7-Staaten an den Bundesrat richteten. Tapfer unterschrieben von allen:

Der US-Botschafter hatte die Schweiz bereits mit dem Loch in der Mitte eines Donuts verglichen, was ihre Teilnahme an den Sanktionen betrifft. Das wären eigentlich zwei Gründe gewesen, ihn zur persona non grata zu erklären. Erstens der Vergleich als solcher, zweitens die Verwendung des Donuts, ein grauenhaftes US-Süssgebäck.

In diesem Brief vom April wird die Schweiz nun nochmals aufgefordert, «verdächtige Finanzstrukturen aktiv zu untersuchen». Mehr noch: «Das Schreiben ignoriert die üblichen diplomatischen Gepflogenheiten und kritisiert die Schweiz massiv für ihr zögerliches Sanktionsregime.»

Um hier die Kirche im Dorf und das Loch im Donut zu lassen: Die Schweiz übernimmt sklavisch und ohne Prüfung alle neuen Sanktionslisten der EU und der USA. Wie klug das für einen neutralen Staat ist, sei dahingestellt. Die rechtsstaatlichen Implikationen sind hingegen gravierend und beunruhigend. Denn ein von solchen Sanktionen Betroffener hat keine Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg dagegen zu wehren.

Das ist ein Skandal, nicht mehr und nicht weniger. Er kann sich lediglich an den Bundesrat wenden, der damit die Aufgaben der Exekutive, Legislative und Judikative auf sich vereint. Ein Skandal. Allerdings beantwortet der Bundesrat solche Anschreiben schlichtweg nicht, sondern schmeisst sie in den Papierkorb. Ein weiterer Skandal.

Darüber hätte dieses Duo von angeblichen Recherchierjournalisten auch schreiben können. Tat es aber nicht. Denn es betreibt keinen Recherchier-, sondern einen Thesenjournalismus. Und die These ist: die Schweiz beteilige sich zu wenig an den internationalen Sanktionen gegen Russland. Aber immerhin mehr als die überwältigende Mehrheit aller Staaten. Denn lediglich 36 Länder haben Sanktionen gegen Russland beschlossen. Zählt man die EU als eine Staatenunion, sind es noch ganze 10, von 199 Staaten auf der Welt.

Aber auch das interessiert die beiden einen feuchten Furz. Stattdessen kommen sie zum Höhepunkt, zum wirklichen Knaller ihrer «Recherche»: «Liechtenstein zeigt, wie man es besser macht.» Liechtenstein? Das Raubritter-Fürstentum in der Mitte Europas, in dem wenige Treuhänder unablässig für Riesenskandale sorgen, die fürstliche Justiz weder willig noch fähig ist, diesen Sumpf auszutrocknen? Wo Stiftungen dekantiert, ausgenommen und bestohlen werden, die Besitzer am ausgestreckten Arm der Justiz gehalten werden, bis sie nach Jahren aufgeben?

Selten so gelacht. Aber nun marschieren die beiden in die Zielgerade: «Im Laufe des Jahres 2022 wuchs in den diplomatischen Vertretungen der G-7 und der EU in Bern die Frustration. Meint die Schweiz es ernst mit den Sanktionen? Oder macht sie nur mit, damit sie nicht weiter unter Druck gerät

Der «Londoner Sanktionsexperte Tom Keatinge» bekommt dann das Schlusswort: Nach dem Problem mit dem Bankgeheimnis sei es nun so: «Wenn jetzt in den Hauptstädten der G-7 ein Verdacht aufkommt, dass die Schweiz den Russen hilft, und sei es nur durch Untätigkeit, dann sind viele bereit, das sofort zu glauben. Das ist politisch brandgefährlich.»

Vielleicht sollte man die beiden tapferen Eidgenossen darauf aufmerksam machen, dass die Schweizer Politik eigentlich in Bern gemacht wird. In den «Hauptstädten der G-7» Stirnrunzeln oder schallendes Gelächter ausbrechen würde, wenn die Schweiz sich dort mit irgendwelchen «Verdächten» melden würde.

Den Russen helfen? Durch Untätigkeit? Das Einzige, was in der Schweiz zählen sollte, ist das Befolgen der Regeln des Schweizer Rechtsstaats. Die Anwendung von Notrecht – oder gar das Einknicken vor Drohungen aus dem Ausland – war noch nie eine gute Idee.

Wenn die G-7 oder die wenigen anderen Staaten, die diese Sanktionen anwenden, sich einen feuchten Kehricht für ihre eigenen Gesetze interessieren, für Rechtsstaatlichkeit, für die fundamentale Eigentumsgarantie, um die Möglichkeit jedes gerade von staatlichen Massnahmen Betroffenen, sich dagegen rechtlich wehren zu können, dann ist das deren Problem. Sie werden die Auswirkungen davon zu tragen haben.

Aber es ist sicherlich nicht ratsam, dass sich die Schweiz auf diesen schlüpfrigen Boden begibt. Dass hier ungeniert und ohne Rücksicht auf diplomatische Gepflogenheiten gedroht wird, ist eine Unverschämtheit. Dass willige Schreiberlinge dem applaudieren, ist eine Dummheit.

ElleXX hat Geld zum Verbrennen

Crowdinvesting: 1,43 Millionen einkassiert.

ElleXX nennt sich neuerdings «Fintech» und betont die weibliche Seite des Investierens. Dabei sind die Prognosen für die Zukunft, gelinde gesagt, ambitiös. Der letzte ausgewiesene Jahresumsatz lag bei 180’000 Franken. Zahlen für 2023 werden nur «interessierten Investor:innen vor Ort gegen die Unterzeichnung eines NDA» vorgelegt; also einer Stillschweigensvereinbarung.

Ziemlich lautstark hat ElleXX aber verkündet, dass trotz dieses mickrigen Umsatzes der Firmenwert bei 16 Millionen Franken liege, der Jahresumsatz bis 2026 auf 26,3 Millionen steigen solle; eine Explosion von plus 15’000 Prozent im Vergleich zu 2022. Schon 2023 sei es prognostiziert eine Million.

Angepeilt war ein Maximalziel von 3 Millionen Franken frisches Geld, minimal eine Mio. Hereingekommen sind nun 1,43 Millionen Franken, schön in der Mitte. Trompetenstösse: «Europarekord im Crowdinvesting», noch nie sei von Gründerinnen in Europa eine solche Summe erreicht worden.

Meilenstein, Innovationskraft, Engagement, historisches Ereignis, bedeutender Schritt, keine Geschlechtergrenzen, Blabla.

Nun sind Zahlen weder weiblich noch männlich, sondern geben einfach Fakten wieder. Das angebliche Kussattacken-Opfer Patrizia Laeri hat ihren Lohn bei ElleXX offengelegt. 8000 Franken netto seien das. Ist sie also Angestellte der AG, wären das mit Arbeitgeberbeiträgen rund 10’000 Franken. Nehmen wir an mal 12, da man in einem Start-up vielleicht auf den 13. verzichtet.

Nun turnen auf den Werbefotos 11 Frauen um die Buchstaben XX herum. Wir hoffen mal, dass man auch unter Frauen den Einheitslohn kennt. Das wären dann also im Monat 110’000 Franken. Lassen wir Peanuts wie Infrastruktur, Büro, Webseite, etc. grosszügig weg. Damit wären wir pro Jahr bei einer Payroll von 1,32 Millionen. Damit blieben dann noch von den eingenommenen 1,43 Millionen rund 100’000 Franken für die angekündigten Investitionen in «Produkte und Technologie».

Ausser natürlich, Umsatz (und Gewinn) gehen durch die Decke. ZACKBUM ist gespannt, wann wir die ersten Zahlen für 2023 erfahren dürfen.