Massenhysterie

Können sich mehrere unabhängige «Zeuginnen» irren?

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Unschuldsvermutung, der verantwortungsvolle Umgang der seriösen Medien mit ihrer Macht, durch Vorverurteilung einen Menschen lebenslänglich zu stigmatisieren. Alles vorbei; selbst Boulevardmedien haben inzwischen einen professionelleren Umgang damit, weil sie dazu gezwungen wurden.

Aber ehemalige Qualitätsorgane wie «Spiegel», «Süddeutsche Zeitung» oder auch Tamedia werden immer hemmungslos- und haltloser in ihrer Denunziation- und Hetzberichterstattung. Das ist bedenklich.

Vor allem eine Absurd-Logik muss auf den Prüfstand gelegt werden. Selbst hingenommen, dass diese Medien mit anonymen Aussagen arbeiten und behaupten, die Urheberschaft sei ihnen bekannt, müsse aber aus welchen Gründen auch immer durch Anonymität geschützt werden. Es handle sich hier keinesfalls um Denunziationen von Heckenschützen, von Trittbrettfahrerinnen, von Nachahmerinnen, die wie eine deutsche «Influencerin» einen länglichen Videoblog posten, in dem sie ausschliesslich anonyme Aussagen aufeinandertürmt und eigenes Erleben aufpumpt, obwohl sie eingestehen muss, dass ihr selbst kein Leid angetan wurde.

Das ist primitives Haschen nach Aufmerksamkeit, sich seine 15 Minuten Ruhm abholen wollen. Unappetitlich, aber so ist der Mensch.

Viel gefährlicher, weil auf den ersten Blick überzeugend, ist die Masche der Massenmedien, dass eine einzige Anschuldigung vielleicht fragwürdig sein könnte. Sobald sie aber von weiteren Stimmen unterstützt wird, auch wenn die alle anonym bleiben, dann sei das eben ein Muster, ein System, der Beweis, dass auch die erste Stimme Reales berichte. Nach der Devise: alle zusammen können sich doch nicht täuschen, ausgeschlossen, niemals.

Unsinn.

Geschichtsvergessener Unsinn. ZACKBUM erinnert an die sogenannten «Wormser Prozesse». Ein herausragender, aber nicht ganz einmaliger Fall von Erinnerungsverfälschung, Konfabulation und Massenhysterie. Natürlich erinnert sich keiner der heute tätigen Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen an diesen Skandal, der sich 1994 in Deutschland entfaltete. Im angegebenen Link auf Wikipedia findet man die nötigen Informationen.

Kurz gefasst: Zwei Dutzend Personen wurden damals des Kindesmissbrauchs angeschuldigt und angeklagt, sie hätten einen Pornoring gebildet. Resultat: Freispruch auf ganzer Linie. Es war alles erfunden, konfabuliert, in einer wahnhaften Massenhysterie fanden sich immer mehr «Zeugen» und «Opfer».

Bittere Fussnote: einige der Kinder, die man zu ihrem «Schutz» aus ihren Familien genommen hatte, wurden bei der Fremdunterbringung in einem Heim tatsächlich sexuell missbraucht.

Auch damals schon spielte der «Spiegel» eine ganz üble Rolle. So berichtete er vor den Freisprüchen wegen erwiesener Unschuld: «Ein Großteil der medizinischen Befunde und die weitgehend übereinstimmenden Aussagen der Kinder lassen kaum Zweifel an vielen der Vorwürfe zu

Dabei waren die Widersprüchlichkeiten himmelschreiend: Kinder waren zu angeblichen Tatzeiten noch nicht geboren, in anderen Fällen sassen die Eltern zur angeblichen Tatzeit bereits in Untersuchungshaft. Auch konnte die Polizei bei nicht angekündigten Hausdurchsuchungen keine Beweise finden, die auf sexuellen Missbrauch oder Ähnliches schließen ließen., schreibt Wikipedia.

Der Richter sagte in seinem Schlusswort: «Den Wormser Massenmissbrauch hat es nie gegeben», und erklärte: «Bei allen Angeklagten, für die ein langer Leidensweg zu Ende geht, haben wir uns zu entschuldigen.»

Aber eine solche Entschuldigung gab es vonseiten derjenigen, die diese absurden Anschuldigungen erhoben hatten, nie. Und die Folgen? Nochmals Wikipedia:

Eine Angeklagte, die siebzigjährige Großmutter, starb im Gefängnis, andere verbrachten bis zu 21 Monate in Untersuchungshaft. Mehrere Ehen zerbrachen, die Existenz einiger Angeklagter und Familien wurde zum Teil auch durch die hohen Anwaltskosten völlig zerstört. Die Kinder wuchsen derweil größtenteils in Heimen auf und kehrten erst nach und nach zu ihren Eltern zurück. Ein Junge, der an Diabetes erkrankt war, starb wenige Tage nach seiner Entlassung aus dem Heim.

Hat sich der «Spiegel» im Nachhinein entschuldigt? Natürlich nicht. Ein Heimleiter, Hauptbelastungszeuge bei den Prozessen, wurde später selbst zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt – wegen schweren sexuellen Missbrauchs.

Diese Geschichte ist völlig unglaublich – aber wahr. Sind die Geschichten von Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen durch Till Lindemann wahr – oder nicht glaubhaft? Das ist einer gerichtlichen Abklärung vorbehalten. Was nichts daran ändert, dass die Vorverurteilung durch unverantwortliche Medien nicht mehr rückgängig zu machen ist.

Zwei Dinge sind dabei sicher: Entschuldigungen wird es nicht geben, sollten sich auch hier die Anschuldigungen als haltlos herausstellen. Und die Behauptung, durch die Menge der anonymen Denunziantinnen sei belegt, dass an den Anschuldigungen etwas dran sei, ist unsinnig.

Tobler, gecancelt

Die Verwilderung und Verluderung beim Tagi nimmt kein Ende.

Das musste sein: Andreas Tobler fordert, dass die beiden Konzerte von Rammstein in der Schweiz abgesagt werden. Gecancelt. Wider jede Logik und jeden Verstand behauptet er:

«Nein, eine Absage der Rammstein-Konzerte in Bern hätte nichts mit Cancel-Culture zu tun. Aber nun braucht es eine Pause, um die schwersten Vorwürfe noch vertieft abklären zu können.»

4558 Buchstaben übelste Schmiere ergiesst sich in die Spalten des ehemaligen Qualitätsorgans «Tages-Anzeiger». Somit auch in die «Berner Zeitung» und den «Bund». Das Blatt hat völlig die Orientierung verloren, man muss von einem gravierenden Kontrollverlust sprechen.

Aus diesem Satz tropft die pure Heuchelei: «Selbstverständlich gilt für Till Lindemann die Unschuldsvermutung, solange kein Verfahren eingeleitet und er nicht rechtskräftig verurteilt ist.» Wenn das so wäre, dürfte der folgende Satz nicht publiziert werden: «Dennoch sollten die beiden Rammstein-Konzerte in der kommenden Woche in Bern nicht stattfinden

Der Mann gilt als unschuldig, aber dennoch soll ihm die Ausübung seines Berufs untersagt werden. Dennoch sollen Zehntausende von  Konzertbesuchern bevormundet werden. Dennoch soll der Konzertveranstalter in den Ruin getrieben werden. Was für eine Irrwitz-Logik, bar jeder Vernunft. Für Tobler gilt die Schundvermutung, definitiv.

Wie verbohrt muss man sein, um keinen schreienden Widerspruch zu sehen, wenn Tobler behauptet, es sei keine Cancel-Kultur, das Canceln eines Konzerts zu fordern?

Sensibler als eine Schneeflocke macht sich Tobler schwere Sorgen um die Konzertbesucher: «Kann diese Kunst – die gar keine Kunst mehr ist, wenn sie allenfalls reale Handlungen von Lindemann beschreibt – noch irritationsfrei konsumiert werden?» Kann dieser Text, der keine Kunst ist, gelesen werden, ohne dass einem der Kaffee hochkommt?

Was der Denunziant und Irrwisch Tobler übersieht: die Teilnahme am Konzert ist freiwillig. So wie das Visionieren eines Splatter- oder Zombie-Movies, bei dem das Blut nur so aus der Leinwand oder vom Bildschirm tropft. Wer damit Mühe hat, wer das widerlich findet: ist erlaubt, soll halt nicht hinschauen.

Wer meint aber Tobler, wer er sei, dass er Zehntausenden von erwachsenen Menschen den Besuch eines bewilligten Konzerts einer Band verbieten will, die gerade – wieso traut sich hier Tobler nicht, nach einem Verbot zu rufen? – in München das Olympiastadium füllt, wo insgesamt 250’000 Zuschauer erwartet werden.

Hat Tobler – Unschuldsvermutung – nicht mitbekommen, dass die Band alle Vorwürfe zurückweist und ihre Anwälte damit beauftragt hat, alle Anschuldigungen mit rechtlichen Massnahmen zu beantworten?

«Wir brauchen diese Pause auch für eine Debatte über Machtstrukturen im Rockstarbetrieb.» Für welches Wir spricht hier Tobler? Wer will das debattieren? Was masst sich dieser Genderpapst eigentlich an? Dieser Konzernjournalist, der in unappetitlicher Schmiere missliebige Konkurrenten wie den Chefredaktor der NZZaS niedermacht? Tobler wusste schon vor dessen Amtsantritt, dass Projer «dem Qualitätsanspruch der «NZZamSonntag» widerspricht». Immerhin widerspricht Tobler nicht demjenigen des Tagi, der hat nämlich keinen.

Es soll ja scheint’s beim «Magazin» schweren Machtmissbrauch gegeben haben. Behauptet zumindest eine ehemalige Redakteurin, die sogar mit ihrem Namen dazu steht. Hat man hier eigentlich von Tobler die Forderung nach einstweiliger Einstellung des «Magazin» gehört? Bis diese Vorwürfe seriös abgeklärt sind? Bis es eine Debatte über Machtstrukturen im Medienbetrieb gibt? Schliesslich arbeitet er für einen Konzern, der mit einem Protestbrief von 78 erregten Frauen berühmt und berüchtigt wurde. Ist dieser Mann vielleicht lächerlich.

Vor dem Kunstwerk Rammstein will Tobler das Publikum gegen dessen Willen schützen; trotz Unschuldsvermutung hat er schwerste Bedenken. Als ein deutscher Brachial-Provokateur für sein Schmierenstück am Zürcher Theater am Neumarkt Werbung machte, hatte Tobler hingegen viel Verständnis. «Tötet Roger Köppel! Köppel Roger tötet!», hatte Philipp Ruch getönt, der dann einen Saubannerzug in Richtung der Wohnung Klöppels anführte, der sich mitsamt seiner Familie in ein Hotel geflüchtet hatte.

Das war eine bodenlose Geschmacklosigkeit, nicht nur, weil Köppel zuvor das Ziel eines fundamentalistischen Wahnsinnigen geworden war, der ihn umbringen wollte, weil Köppel mutig islamkritische Karikaturen publiziert hatte.

Dieser «Aufruf zum Mord» könne als eine Reaktion auf Köppels Auftritt in der Talkshow «Menschen bei Maischberger» im deutschen Fernsehen «verstanden werden», wo er sich «in gewohnt pointierter Manier» geäussert habe, erklärte damals Tobler. Verstanden werden? Zudem stehe diese «Künstleraktion» in der Tradition von Christoph Schlingensief.

Hier wird die Freiheit der Kunst in Anspruch genommen. Satire darf alles, Künstler neigen halt zu Zuspitzungen, wollen Denkanstösse geben. Schliesslich handle es sich nur um einen «Theatermord», schrieb der «Tages-Anzeiger» im Vorspann zum Artikel. Da kann der Kunstkenner feinsinnig zwischen Mordaufrufen von religiösen Wahnsinnigen und künstlerisch wertvollen Mordaufrufen von anderen Amoks unterscheiden. Während wir alle entrüstet über Hass- und Hetzkommentare in den asozialen Netzwerken und im Internet allgemein sind, veröffentlichte dieses Blatt eine wohlwollende Rezension eines hetzerischen Mordaufrufs.

Niemals wäre es Tobler damals in den Sinn gekommen, die Aufführung des Stücks am Neumarkt verbieten zu wollen. «Tötet Köppel Roger!», da vermisste man das donnernde «Das darf nicht sein», das Tobler nun Rammstein entgegenschmettert.

Der Mann ist dermassen unappetitlich, dass ZACKBUM auch die Berichterstattung über ihn einstellt. Schon nach diesen Zeilen müssen wir uns die Hände waschen und den Mund ausspülen. Denn eine Beschäftigung mit diesem heuchlerischen Denunzianten verursacht Übelkeit.

Was für Heuchler

Journalisten werden zu Moralschleudern.

Die Zeiten sind noch nicht so lange her, dass jede anständige Weihnachtsfeier einer Redaktion mit mehreren Ehebrüchen, Quickies auf der Toilette, offenen Knutschereien und gemeinsamen Heimfahrten  im Taxi von verheirateten Paaren (nur nicht miteinander) begleitet war.

Dazu wurde in unglaublichen Mengen Alkohol vertilgt, es schneite Koks, ältere Semester brachten gerne Viagra zum Einsatz. Der nächste Morgen war dann erfüllt von hektischem Zusammensuchen von Kleidern, genialischen Lügengeschichten und auch ein paar Geständnissen und grossen Schwüren, dass das aber ganz sicher das letzte Mal gewesen sei, und der Alkohol, man weiss es ja.

Einige Teilnehmer versuchten, sich verzweifelt zu erinnern, was eigentlich geschehen war, in den Zeiten, als der Filmriss stattfand. Mindestens einer konnte sich jeweils nicht mehr erinnern, wo er sein Auto stehengelassen hatte. Es gab hektischen SMS-Verkehr, zwecks Alibi-Sicherung oder zwecks Erforschung, ob sich jemand anders erinnern konnte, was man so ab zwei Uhr morgens getan hatte.

Praktikantinnen wurden von erfahrenen Redakteuren in die Geheimnisse des Artikelschreibens eingeweiht, und in die Geheimnisse, wie man auch anders Karriere machen kann. Mindestens eine Groupie-Journalistin belagerte den Chefredaktor, um ihn als Trophäe mitzunehmen. Männer wurden zu Schweinen, Frauen willig.

All das gab es. Die gleichen Teilnehmer, ein gewisses Alter vorausgesetzt, schreiben heute entrüstete Artikel über unglaubliche Zustände im Rock-Business. Sex, Drugs and Rock’n’Roll, echt? Findet das denn immer noch statt? Ist es keine Mär, dass kreischende, meistens weibliche Fans ihre Idole anhimmeln, Slips auf die Bühne werfen, ihre Brüste zeigen, Plakate hochhalten mit der Inschrift «ich will ein Kind von dir»?

Gibt es denn ehrlich After-Show-Partys, und dort wird nicht nur Eistee oder Ingwer-Smoothies getrunken, während man eine Patience legt? Dort müssen Rockstars tatsächlich rabiat werden, um ein Groupie flachzulegen? Dort gibt es tatsächlich Teilnehmer, die nicht gedacht hätten, zu welchen libidinösen Taten es da kommen könnte?

«Es gibt strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen das Umfeld einer der erfolgreichsten deutschen Bands», schreibt der «Spiegel» mit spitzen Fingern und zugehaltener Nase. Obwohl eine grosse Anzahl von Leser-Kommentatoren sich darüber echauffiert, was denn dieses Thema in einem seriösen Pressorgan zu suchen habe. Wieso es dermassen Raum einnimmt, ob es denn nicht vielleicht Wichtigeres zu berichten gäbe.

Scheint nicht der Fall zu sein, denn wann hätte die  «Süddeutsche Zeitung» das letzte Mal ganze sechs Mitarbeiter auf ein Thema angesetzt. Der «Spiegel» lässt sich nicht lumpen und versammelt ganze 13 Namen bei der Autorenzeile zu «Sex, Macht, Alkohol – was die jungen Frauen aus der «Row Zero» berichten».

Selbst als darum ging, Trump «wegzuschreiben», gab es keinen solchen Massenauflauf von Journalisten. Ukraine, Sudan, Heizschlamassel, Waffenlieferungen, Putin, alles in den Hintergrund gedrängt, sekundär. Vorherige Skandale? «Feine Sahne Fischfilet», andere Bands? Ach was, das Rudel verbellt Till Lindemann, alles andere ist nebensächlich.

Da wird von Machtgefälle gemunkelt, die Verantwortung eines Rockstars angemahnt, die strafrechtliche Verurteilung durch eine moralische Vorverurteilung ersetzt. Man (und frau) entrüstet sich, ist moralisch zutiefst angewidert, kann gar nicht aufhören, mit dem Zeigefinger zu wackeln. Tut so, also wäre gerade eben der Sex zu den Drogen im Rockbusiness gekommen.

Die Journalisten benehmen sich wie die Prostituierte, die beschlossen hat, von nun an die ehrbare Gattin zu spielen. Um jede Form des Verkaufs des Körpers entschieden zu verurteilen, während sie fröhlich mit der Kreditkarte des Gatten shoppen geht.

«Sex, Macht, Alkohol». Ist das neu, ist das interessant, ist das ein Skandal, ist das wahr? Die heuchelnde und hechelnde Meute hat bislang ein blödes Problem. Es gibt in Wirklichkeit keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe bislang. Sonst wäre Strafanzeige gestellt worden. Wieso tut das kein Groupie, das sich damit seine 15 Minuten Ruhm abholen könnte, wenn es mit Namen dazustünde?

Könnte das etwas damit zu tun haben, dass Rammstein alle diese Behauptungen als «unwahr» zurückweist? Dass die Anwälte der Band angekündigt haben, gegen alle, die man identifizieren kann, rechtlich vorzugehen? Inklusive Medien, die die Verdachtsberichterstattung mal wieder viel zu weit getrieben haben, die Unschuldsvermutung wieder mal mit Füssen traten, durch die Schuldvermutung, die Schuldunterstellung, die Schuldzuweisung ersetzten.

Aber schlimmer als alles andere sind die Journalisten, die Kreide gefressen haben, sich moralisch entrüsten, dass es eine Unart hat. Verurteilen, wofür sie selbst schon mehrfach hätten verurteilt werden können. Aber sie schützt, dass sie überwiegend keinen Promi-Status besitzen. Wenn ein bekannter deutscher TV-Moderator, angriffig und gnadenlos in seinen Interviews, mit Koks und ukrainischen Elendsnutten im Hotelzimmer erwischt wird, dann macht der mal ein wenig Pause. Um inzwischen wieder auf allen medialen Hochzeiten zu tanzen, als wäre da nichts gewesen.

Journalisten, das ist immer mehr ein verkommener, versiffter Haufen von Heuchlern.

Wumms: Nicola Forster

Tagi-Interview, realoaded.

Offenbar kann  jeder, der unbelästigt von wirklich kritischen Fragen etwas loswerden will, auf  Tamedia zählen. Das betrifft auch Nicola Forster. Das ist der Marko Kovic der politischen Bewegungen.

Er hat die «Operation Libero» ins Leben gerufen, die gerade von Sanija Ameti beerdigt wird. Und die «Denkfabrik» Foraus, die gerade in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Schön, dass er als Präsident der altehrwürdigen «Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft» wieder ein Zubrot gefunden hat.

Dort schmiss er mal kurz den langjährigen Geschäftsleiter Lukas Niederberger raus, verkrachte sich heillos mit Teilen des Vorstands und hob «Pro Futuris» aus der Taufe. Immerhin hat Forster hier Zugang zu einer Kriegskasse von  rund 100 Millionen Franken.

Nun merkt der abgesägte Co-Chefredaktor von Tamedia kritisch an: «Der Netzwerker ist unter Druck geraten.» Aber gemach, wer Mario Stäuble ein Interview gibt, bzw. «Jetzt redet zum ersten Mal der Präsident, der scharf attackiert worden ist», weiss, dass er hier mit Samthandschuhen angefasst wird.

Daher darf er gleich am Anfang kompetent und inhaltlich überzeugend zu einer kritischen Frage Stellung  nehmen:

«Herr Forster, sind Sie ein Vereinsdiktator? – So ein Hafechääs
So geht’s dann weiter; pseudo-kritsche Frage, nicht hinterfragte Nonsens-Antwort. «Sie wollen Herrn Kallay nun aus dem Vorstand werfen. Nicht gerade demokratisch. – Es ist mir ein grosses Anliegen, alle Kräfte einzubinden. Aber dafür muss man sich in die Augen schauen können. Und in diesem Fall wurde unser Vertrauen Mal für Mal verspielt, wobei es nie um politische Fragen ging. Deswegen ist dieser Schritt unumgänglich. – Moment, Sie können Ihrem Widersacher nicht mehr in die Augen schauen? – Ich kann ihm sehr gut in die Augen schauen, aber… (bricht ab) Es ist eine schwierige Situation. Wir haben immer wieder versucht, ihn einzubinden, aber das hat nicht funktioniert.»

Hä?

Forster sistiert Neueintritte von Vereinsmitgliedern, kassiert immerhin 48’000 Franken für seine Tätigkeit (sein Vorgänger 12’000, die er gleich wieder spendete), die Organisation ist seit Amtsantritt Forster in hellem Aufruhr – alles gut, alles kein Problem, alles unter Kontrolle.

Es ist offensichtlich so: wer ins ideologische Raster von Tamedia passt, bekommt ein Gefälligkeitsinterview serviert, in dem er auf vermeintlich kritische Fragen ungehindert seine Propaganda-Show abziehen darf.

Das hat mit Journalismus ungefähr so viel zu tun wie eine Kuh mit Foxtrott. Nur verlangt die keinen Eintritt für ihre blamable Leistung.

 

Von Juden und Russen

Trigger-Begriffe triggern immer.

Aus diesem Grund vermeidet ZACKBUM weitgehend  Vergleiche mit angebräunten Zeiten. Alles Wohlfeile «das erinnert an Hitler-Deutschland» ist mit äusserster Vorsicht zu verwenden. Denn das Jahrhundertverbrechen des Holocaust darf niemals relativiert werden.

Das bedeutet aber nicht, dass Israel nicht kritisiert werden darf. Hier wird die Holocaust-Keule wohlfeil eingesetzt, um eine kritische Berichterstattung über israelische Verbrechen in den illegal besetzten Gebieten totzuschlagen.

ZACKBUM hat es gewagt, die Frage zu stellen, ob Russen die neuen Juden seien. Dem wird sofort entgegengehalten, dass bislang Russen im Westen sicherlich nicht in KZs gesperrt werden oder gar vergast.

Das ist richtig, aber das ist in diesem Vergleich auch nicht enthalten. Der Vergleich in Frageform bezieht sich darauf, dass vor der Vernichtung auch bei Juden zunächst die Enteignung stand. Oder wie das Raoul Hilberg in seinem unübertroffenen Werk «Die Vernichtung der europäischen Juden» formulierte: Die Vernichtungslogik der Nazis gegen die Juden war: Zuerst «Ihr dürft nicht so sein, wie ihr seid.» Dann: «Ihr dürft nicht unter uns sein.» Schliesslich: «Ihr dürft nicht sein.»

Der Diskurs der Ausgrenzung wurde schon von Adolf Muschg als «eine Form von Auschwitz» denunziert, was zu einem Aufschrei der Betroffenen führte, aber eine völlig richtige, zugespitzte Beobachtung ist.

In unserem Artikel «Sind Russen die neuen Juden?» haben wir in vollem Bewusstsein des Minenfelds, das man mit solchen Vergleichen betritt, logisch unbestreitbar argumentiert:

Die Zugehörigkeit zur vage definierten Gruppe «reicher Russe» reicht inzwischen, um generell, nicht im Einzelfall einen «Generalverdacht» zu unterstellen. Wer alleine durch diese Eigenschaft auf eine Sanktionsliste gerät (indem er zum Beispiel mit dem Namen identifizierbar auf einer Forbes-Liste der Reichen auftaucht), dessen Besitztümer werden beschlagnahmt. Präventiv.

In Umkehr der Unschuldsvermutung. Schuldig, bis der Betroffene das Gegenteil beweisen kann. Jede Versuche der Gegenwehr, beispielsweise völlig legale Holding- oder Truststrukturen, werden als weiterer Beweis der hinterfotzigen Gerissenheit ausgelegt. Politiker fordern, dass unter Verletzung aller rechtsstaatlicher Grundprinzipien im Namen des angeblich Guten kurzer Prozess mit russischen Vermögenswerten gemacht werden soll.

Sie sollen nicht nur beschlagnahmt und enteignet werden. Sie sollen sogar als angebliche Wiedergutmachung der korrupten, autokratischen ukrainischen Regierung zur Verfügung gestellt werden. Nach der Devise: Russe, reich, Räuber. Wer Russe ist, dazu reich und im Vertrauen auf den Rechtsstaat im Westen lebt, soll erleben, dass hierzulande die Eigentumsgarantie die gleiche Gültigkeit hat wie in Russland.

Als Gipfel der Unverschämtheit haben von den Sanktionen Betroffene in der Schweiz keine Möglichkeit, sich gegen Willkürmassnahmen zu wehren. Der Rechtsweg ist ihnen verwehrt, sie können kein Gericht anrufen, um sich gegen staatliche Enteignung und Beschlagnahmung zu wehren. Der Bundesrat hat die Gewaltenteilung ausgehebelt und spielt Legislative, Exekutive und Judikative in Personalunion.

Schlimmer noch, versucht sich ein Betroffener gegen diese ohne Überprüfung übernommenen Sanktionen der EU oder der USA zu wehren, kann er nur an den Bundesrat gelangen. Der die Anfragen und Anträge nicht beantwortet und in den Papierkorb schmeisst.

Die Hysterie gegen alles Russische umfasst – eine weitere Analogie – nicht nur Oligarchen, sondern alles Russische. Kultur, Kunst, Musik, Literatur, Malerei. Alles.

Ist es nun statthaft, diese Verwilderung des Rechtsstaats, die Aufhebung der Gewaltenteilung, die Umkehr der Unschuldsvermutung, die Schuldvermutung qua Teilhaberschaft an einer stigmatisierten Gruppe, mit dem Vorgehen des Dritten Reichs in den Anfängen der Judenverfolgung zu vergleichen?

Als die Gesetze zur Enteignung von Juden erlassen wurden, als ihre Entrechtung begann, war die Wannsee-Konferenz noch in weiter Zukunft. Sind fand erst 1942 statt. Erst hier wurde aus «ihr dürft echt so sein, wie ihr seid», aus « ihr dürft nicht unter uns sein» das endgültige «ihr dürft nicht sein».

Wer den begründeten Vergleich der Behandlung von reichen Russen heute mit der Behandlung von reichen Juden damals zieht, tut nichts Unstatthaftes. Er relativiert nicht den Holocaust, weil niemand auf die Idee käme, als nächste Handlung gegen reiche Russen deren Einlieferung in Arbeits- oder gar Todeslager zu prognostizieren.

Aber die Art der Enteignung, der Entrechtung, der Aufhebung rechtsstaatlicher Prinzipien, der Ersatz der individuellen Unschuldsvermutung durch eine kollektive Schuldvermutung, eben der «Generalverdacht», das riecht nicht nur angebräunt und angebrannt, das ist bräunlich, widerlich und faschistoid.

Lieber Leser

Machen wir Dich zum Betroffenen.

Natürlich, wer will’s bestreiten, bedient die Berichterstattung über Rammstein alle niederen Instinkte. Sänger, Macho, Provokateur, sieht irgendwie auf der Bühne so aus, als könnte man ihm alles zutrauen, inklusive Kinderschändung.

Hat doch offensichtlich mit germanischer Effizienz das Groupie-Wesen durchorganisiert. Statt – wie das alle Bands machen – per Zufall Groupies in die Garderobe und zu den After-Partys zu lotsen, werden sie vorselektioniert, inklusive Hinweise zur Kleiderordnung. Dafür war offenbar eine Casting-Managerin zuständig. Bislang hat noch niemand behauptet, er – vielmehr sie – sei gegen ihren Willen in die «Row Zero» gezwungen oder anschliessend mit Gewalt an Partys geschleppt worden.

Aber tut nichts, wer solche Texte singt, sich so schminkt, so den Tabubruch, die Provokation zelebriert wie Till Lindemann, der muss ein Schweineigel sein. Dass sich Groupies hier auf seine Kosten ihre 15 Minuten Ruhm abholen wollen, unterstützt von von «#metoo»-besoffenen Medien – ausgeschlossen.

Persönliche Betroffenheit kann heilsam wirken. Nehmen wir an, der Leser (sorry, nur Männer diesmal) war in einem Club. Das Übliche. Es wurde spät, es gab Alkohol, auch das eine oder andere Strässchen wurde geschnupft, um den Durchhaltewillen zu steigern. Nebenwirkung: am nächsten Morgen musste sich der Partygänger eingestehen, dass es da schon ein paar Filmrisse gab.

Aber macht ja nix. Denkt der Leser, bis er darauf aufmerksam gemacht wird, dass in den Asozialen Medien ein Shitstorm gegen ihn tobt. Eine Clubgängerin behauptet offenbar, er sei zu- und aufdringlich geworden, habe sie auf die Toilette verfolgt, ihr hier- und dorthin gegriffen. Als Beleg filmt sie ein paar blaue Flecken auf ihrem Körper ab.

Sie wolle weiter nichts behaupten, nur: auf der Toilette habe sie einen Filmriss gehabt, sei mit dem Slip an den Knöcheln auf der Kloschüssel wieder aufgewacht. Aber ein Drogentext und ein Abstrich habe kein Resultat gezeigt. Nichtsdestotrotz wolle sie alle Girls vor dem Leser warnen, der sei ein Sexmonster.

Aus dieser einzelnen Meldung, wie’s halt so Brauch ist, entsteht eine Welle. Andere Betroffene melden sich, berichten von ähnlichen Erlebnissen. Der Leser ist fassungslos, er sei in Clubs gewesen, die er noch nie besuchte, zu Zeiten, an denen er brav im Bett lag. Er habe Frauen angemacht, die er noch nie im Leben gesehen hat.

Auf der anderen Seite sagt sich der Leser: also ehrlich, ich hatte in dieser Nacht auch einen Filmriss, das stimmt schon. Aber alles andere stimmt nicht.

Frage: was macht der Leser? Ja, bitte? Abgesehen davon, dass seine Lebensgefährtin mit Abbruch der Beziehung droht, sein Arbeitgeber mit Beendigung der Anstellung? Sein Freundes- und Bekanntenkreis sich schlagartig ausdünnt, viele, die er zwecks Alibi anrufen will, nicht mal das Telefon abnehmen. Abgesehen davon, dass eine Eltern und seine Geschwister ihn mit dem Blick anschauen: also das hätten wir niemals von dir gedacht.

Was macht er? Klagen? Wogegen genau? Niemand bezichtigt ihn einer Straftat, alle berufen sich darauf, dass ihre Schilderungen dem persönlichen, subjektiven Erleben entsprächen. Wenn er nun richtig Pech hat (oder ein wenig prominent ist), bekommen die Medien von diesem neuerlichen #metoo-Skandal Wind. Und giessen kübelweise Unrat über ihn, zitieren weitere Opfer, die natürlich nur im Schutz der Anonymität aussagen. Und vergessen nie, «es gilt die Unschuldsvermutung» in den Text zu streuen.

Was macht der Leser? Da ist guter Rat teuer. Auswandern, den Namen ändern, ein neues Leben anfangen. Wenn er kann …

Tut nichts, der Sänger wird verbrannt

Bislang hat Till Lindemann den Shitstorm überlebt …

Früher war es eine Methode der englischen Boulevardmedien, zwecks Auflagen-Steigerung schlichtweg alles zu unternehmen. Paparazzi lauerten Prominenten mit den leistungsstärksten Teleobjektiven auf. Hörten deren Gespräche ab. Bestachen das Personal für Insider-Informationen. Machten aus einer vagen Vermutung einen konkreten Verdacht, juristisch abgedämpft durch ein Fragezeichen.

Ähnlich Sitten haben inzwischen im deutschen Journalismus Einzug gehalten. Nicht etwa bei «Bild» und «Bunte», sondern bei «Spiegel» und «Süddeutsche Zeitung». Durch die unselige Kooperation aus Spargründen mit Tamedia schwappt diese Jauche aus beiden Organen auch in die Schweiz.

Immerhin hat sich Tamedia aufgerafft, gegen seinen Kooperationspartner «Spiegel» Klage einzureichen. Allerdings nur deswegen, weil sich Big Boss Pietro Supino in die Nähe des verurteilten Straftäters Harvey Weinstein gerückt fühlt. Dass der «Spiegel» einer frustrierten Ex-Mitarbeiterin, deren Mobbing nicht den gewünschten Erfolg hatte, seine Spalten öffnete, um Unschlitt über ihren ehemaligen Chef zu giessen, das kratzte Tamedia weniger.

Nachdem der «Spiegel» sich seit seiner Hetze gegen Luke Mockridge sozusagen eine Pole Position erobert hatte, die er mit Schmierereien gegen einen erfolgreichen Schauspieler und einen Drei-Sterne-Koch ausbaute, wollte nun auch die «SZ» nachziehen. Als sei’s ein Stück von Tom Kummer feuerte das Blatt aus München eine Breitseite gegen den Sänger der Band Rammstein ab.

Das Gebräu besteht immer aus den gleichen Zutaten. Anonyme Anschuldigungen, Behauptungen, aufgejazzt und verbal aufgepumpt zu Ungeheuerlichkeiten. Sogar die NZZ verstieg sich – unglaublich – zum Titel «Aus dem Künstler ist ein Täter geworden». Erst, als der Verstand wieder einsetzte, wurde er korrigiert, ohne das transparent zu machen. Das entspräche den «üblichen redaktionellen Prozessen», machte sich das Weltblatt gegenüber ZACKBUM lächerlich.

Dabei bestehen die Anschuldigungen gegen den exzentrischen Sänger bislang aus vagen Behauptungen der Ausübung von Dominanz zur Erlangung von sexuellen Handlungen. Wohlgemerkt von Groupies. Nicht einmal eine Klage wurde eingereicht, nicht einmal eine Vergewaltigung wurde bislang behauptet.

Aber wenn die Meute losgaloppiert, ist kein Halten mehr. Dass die Band sich von den Anschuldigungen betroffen zeigte, wurde als halbes Schuldeingeständnis missinterpretiert. Dass sie darauf besteht, dass die Unschuldsvermutung gelte, wurde hohnlächelnd rapportiert.

Nun hat Till Lindemann durch seine Anwälte verlauten lassen, dass diese Vorwürfe «ausnahmslos unwahr» seien – und juristische Konsequenzen hätten. Die Anwälte sagen:

«Wir werden wegen sämtlichen Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten.»

Hoffentlich umfasst das auch alle Medien, die diese Anschuldigungen kolportierten.

Die abgesehen davon diese juristische Offensive bislang mit Schweigen quittierten. Und sich für unangreifbar halten. Denn man hat ja nur, von den Verlagsjuristen abgeschmeckt, im Konjunktiv Behauptungen aufgestellt, sich dabei auf angeblich vorhandene Zeugenaussagen abgestützt, nur seiner Berichterstatterpflicht nachgelebt.

Ist es eigentlich irgend einem Mitglied der Journaille bewusst, welch unglaubliche Lächerlichkeit in dieser Meldung steckt? «Auf dem Konzertgelände gibt es «Awareness-Bereiche» und «Safe Spaces» für Besucherinnen und Besucher, die sich möglicherweise unwohl fühlen.» Da fehlen die Worte …

Aber keinesfalls könne man etwa dafür, wenn der Ruf Lindemanns, so wie der von Luckridge, Canonica, Schweiger und anderen, rettungslos ruiniert ist. Für immer wird an ihm kleben: ist das nicht der, der Groupies mit Drogen oder Alkohol willfährig gemacht hat?

Wenn sich herausstellen sollte: nein, das ist der nicht, das hat er nicht gemacht, das waren unbelegte Anschuldigungen von willigen Groupies, die sich auf seine Kosten ihre 15 Minuten Ruhm verschaffen wollten, dann wird das nicht mal erinnert werden.

«Tut nichts, der Jude wird verbrannt», heisst es in «Nathan der Weise» von Lessing. Aber wer kennt schon noch Lessing, wer kennt noch Nathan der Weise. Keiner dieser journalistischen Frettchen.

Die Nicht-Antwort

Die Medienstelle der NZZ hat geruht zu antworten.

Das hätte sie vielleicht besser nicht getan. Denn natürlich steigt die Erwartungshaltung, wenn sie mehr als zwei Tage braucht, um auf ein paar konkrete Fragen zu antworten.

Die da lauteten:

Der Titel über dem Artikel von Ueli Bernays lautete ursprünglich:
«Till Lindemann und Rammstein: Aus dem Künstler ist ein Täter geworden».
Der wurde nachträglich geändert in:
«Till Lindemann und Rammstein: Was ist Tat, was ist Fiktion?».
Dazu habe ich folgende Fragen:
1. Wie ist es möglich, dass der erste Titel mit einer ungeheuerlichen Unterstellung durch alle Kontrollinstanzen der NZZ rutschte?
2. Unbelegte Vorverurteilung, Missachtung der Unschuldsvermutung, Übernahme von Behauptungen anderer Medien ohne die geringste Eigenrecherche; ist das das Niveau, dass die NZZ einhalten möchte?
3. Normalerweise werden solche nachträglichen Eingriffe (deren gab es auch im Lauftext) transparent kenntlich gemacht, weil der spätere Leser die Veränderung nicht bemerkt. Wieso macht das die NZZ nicht?
4. Hat dieser Vorfall für den verursachenden Redaktor arbeitsrechtliche Konsequenzen? Schliesslich ist er Wiederholungstäter (Stichwort Roger Waters).
5. Im Text von Ueli Bernays heisst es:
«Ob es sich dabei um einvernehmlichen Sex gehandelt hat, ist kaum zu eruieren. Jedenfalls gab es kaum ein klares Ja.»
Das ist nun ein wörtliches Zitat aus dem entsprechenden Artikel der «Süddeutschen Zeitung», das aber nicht als Zitat gekennzeichnet ist. Handelt es sich hier nicht auch um einen journalistischen Faux-pas, der öffentlich korrigiert werden müsste?
Trommelwirbel, Tusch und Fanfare, die Antwort des Weltblatts:
«Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Berichterstattung und Ihre Anfrage, die wir gerne beantworten.
Das Vorgehen entspricht selbstverständlich den üblichen redaktionellen Prozessen
Schön, dass wir nun wissen:
– einen nicht mal Angeschuldigten unter krasser Missachtung der Unschuldsvermutung als «Täter» zu bezeichnen
– diesen ungeheuerlichen Titel nachträglich zu ändern, ohne das dem Leser gegenüber transparent zu machen
– wortwörtlich aus einer anderen Zeitung zitieren, ohne das als Zitat kenntlich zu machen, was man gemeinhin Plagiat nennt,
das alles entspricht inzwischen bei der NZZ «den üblichen redaktionellen Prozessen». Da kann man nur hoffen, dass sie durch unübliche ersetzt werden. Zum Beispiel durch Prozesse, die die primitivsten journalistischen Regeln berücksichtigen.
Aber ZACKBUM wird nicht mehr nachfragen, solche Nicht-Antworten entsprechen nicht unseren Vorstellungen von redaktionellen Prozessen.

Republik in Zahlen

Das senkt unsere Einschaltquote, muss aber sein.

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Denn es gibt eine Berichterstatterpflicht. Nachdem die «Republik» ihre übliche Bettelei gestartet und 8 Mitarbeiter entlassen hat, will ZACKBUM die Performance testen. Was bietet denn die Restredaktion ihren Lesern? Von denen verlangt sie immer noch 240 Franken im Jahr (oder «Ich bin für Grosszügigkeit: CHF 360», bzw. «Tollkühne CHF 480»). Wir nehmen wieder die aktuelle Woche, also die Gegenleistung für Fr. 4.60 bis 9.20.

Insgesamt publizierte die «Republik» 23 Stücke. Davon sind 9 NL oder «Briefings», zwei Kolumnen (Binswanger!). Bleiben also 12 journalistische Werke. Davon ist allerdings die Hälfte von Fremdautoren hergestellt; die Eigenleistung besteht aus schlappen 6 Werken. 3 Artikel befassen sich mit Gerichtsfällen, die simpelste Schiene im Journalismus.

Die meisten Werke sind unerträglich oder zumindest überlang. Spitzenreiter ist diesmal der «Mobilfunkreport» mit 32’116 A, dabei handelt es sich um «Teil 2», der nicht aus eigenen Kräften entstand. Gefolgt von einem Fremdautor, der 26’500 A auf eine Reportage über einen geflüchteten Kurden in Schweden verbrät. Immerhin 20’510 A ist der «Republik» der «wohl wichtigste Gedichtband des Jahres» wert. Von einem No-Name-Autor, aber aus der Ukraine.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass sich eine «Republik»-Autorin wieder an der ETH abarbeitet, dort werde eine Professorin «isoliert». Man ist nachtragend, denn der grosse ETH-Mobbing-Skandal reihte sich in die lange Liste der Flops ein, mit denen das Online-Magazin Aufmerksamkeit erzeugen wollte.

Mit Ausnahme von zwei Folgen «Meine Testamente» einer Fremdautorin sind alle Stücke gähnend lang – und langweilig.

Kolumnist Binswanger, so nervig-nebensächlich auch der Inhalt seiner Kolumne sein mag, gehört geradezu zu den Stachanowisten der Redaktion; jede Woche ein Stück, davon sind seine Kollegen meilenweit entfernt.

Immer noch 53 Nasen zählt das Impressum unter «Rothaus-Redaktion», inkl. «Stabsstelle Chefredaktion». Dazu kommen 23 regelmässige Mitarbeiter, drei «Gestalter», fünf Mitglieder der Administration, zwei Geschäftsleiterinnen und zwei Verwaltungsräte, darunter immer noch Alfonso (von) Wunschheim.

Stolze 85 Personen kümmern sich um diesen mageren Output, wenn man nicht die Buchstabenschwemme, sondern den Inhalt und die Eigenleistung misst.

Da darf der Hinweis nicht fehlen, dass ZACKBUM den gleichen wöchentlichen Output hinlegt, Allerdings ohne NL oder Briefings, ohne Kolumnen und (fast) immer als Eigenleistung. Sicher, auch ZACKBUM hat einen Herausgeber, einen Verleger, einen Administrator, eine Buchhaltung, einen Webmaster, einen Bildredaktor, einen Textjournalisten, einen Produzenten, einen Chefredaktor, einen Community- und Leserbriefmanager, allerdings leider keinen Korrektor. Das sind auch 10 Positionen. Ausreichend für eine Person im Nebenamt …

Sind die Russen die neuen Juden?

Achtung: ein gewagter, aber begründbarer Vergleich in Frageform.

Schlupflöcher schliessen, Sanktionen verschärfen, Vermögen beschlagnahmen. Russe, reich, zwei ausreichende Gründe, den Rechtsstaat in die Tonne zu treten. Zumindest fordern das einige.

Der «Tages-Anzeiger»-Konzern hat vor der Parlamentsabstimmung über die mögliche Waffenlieferung an die Ukraine via Drittstaaten eine Kampagne gefahren, um den Befürwortern Schub zu geben. Vergeblich, die «Lex Ukraine» scheiterte im Nationalrat endgültig und ist vom Tisch.

Der Druck aus dem Ausland auf die Schweiz steigt, dass sie sich energischer an den Sanktionen gegen Russland beteiligen solle, jegliche Vermögenswerte russischer Firmen oder Personen im Zugriffsgebiet der Schweiz sollten am besten beschlagnahmt werden. So behauptet ein kleines US-Licht im «Tages-Anzeiger»: «Neutralität hilft nur noch Moskau». Die Schweiz solle alle russischen Vermögen suchen und «aktiv prüfen». Sie stünden «seit letztem Jahr unter einem Generalverdacht».

Es ist den USA – oder der EU – unbenommen, in ihren Herrschaftsgebieten ein paar rechtsstaatliche Grundsätze über Bord zu werfen. Damit beschädigen sie zwar die Fundamente des zivilisierten Zusammenlebens, aber da wollen wir uns nicht einmischen.

Wir wollen aber nochmals darauf hinweisen, dass die deutschen Rüstungsmittelexportgesetze genau wie die schweizerischen glasklar die Ausfuhr von Waffen in Kriegs- oder Krisengebiete untersagen. Natürlich auch via Drittländer, sonst hätten diese Restriktionen ja ein Loch, grösser als ein Scheunentor. Nun hält sich Deutschland nicht an seine eigenen Gesetze.

Auch das ist deren Problem, obwohl Deutschlands historisch gesehen recht kurze Geschichte als Rechtsstaat die Regierenden davon abhalten sollte, einen solchen Murks zu veranstalten. Aber immerhin hat der Schweizer Bundespräsident Alain Berset bei einem Besuch in Berlin gegenüber dem deutschen Bundeskanzler Scholz klargestellt, dass sich die Schweiz an ihre Gesetze halte. Eigentlich eine überflüssig-selbstverständliche Bemerkung. Aber nicht mehr in den heutigen Zeiten.

Auch beim Treffen von 45 Regierungs- und Staatschefs in der Moldau hat Berset dem teilnehmenden Selenskyj zu erklären versucht, was die Schweizer Neutralität ist, was in ihr erlaubt ist und was nicht. Ob das der autokratische Präsident eines zutiefst korrupten Staates verstanden hat?

Aber das ist dessen Problem. Die Schweiz hat ihre eigenen. Vor allem zwei. Nicht nur aus dem Ausland, konkret von den G-7-Staaten, wird der Druck auf die Schweiz erhöht, sich über klare Vorschriften und Gesetze hinwegzusetzen. Nach der Devise: der gute Zweck, die Bestrafung Russlands für seine Ukraine-Invasion, heilige auch schlechte Mittel. Das wird leider auch in der Schweiz von einigen Medienschaffenden befürwortet. Sowohl, was Waffenlieferungen betrifft, wie auch, was eine illegale Ausweitung der Sanktionen betrifft.

Dabei ist die unkritische und ungeprüfte Übernahme von USA- und EU-Sanktionen schon für sich rechtsstaatlich mehr als fragwürdig. Unser zweites Problem: Der Bundesrat beschliesst das in eigener Regie. Das Parlament hat kein Mitspracherecht, die Betroffenen können nicht den Rechtsweg beschreiten. Ihnen wird also ein fundamentales Recht des Rechtsstaats genommen. Jeder, der vor allem von einer staatlichen Zwangsmassnahme betroffen ist, kann sich vor Gericht dagegen wehren. Hier aber nicht.

Der Bundesrat masst sich die Kompetenzen der Legislative und der Judikative an. Wer sich mangels Alternativen als Betroffener von Sanktionen an ihn wendet, bekommt schlichtweg keine Antwort. Das ist schrecklich, eines Rechtsstaats unwürdig.

Aber das ist erst der Anfang dieses Irrwegs. Die Stimmen werden immer lauter, die fordern, dass alle jüdischen, Pardon, russischen Vermögen unter einen Generalverdacht gestellt werden. Nach der einfachen Devise: Russe, reich, Räuber.

Es gibt fundamentale Prinzipien eines funktionierenden Rechtssystems. Dazu gehört die Unschuldsvermutung. Niemand muss seine Unschuld beweisen, jedem muss seine Schuld über jeden vernünftigen Zweifel hinaus nachgewiesen werden. Im Zweifel für den Angeklagten; sollte es an seiner Schuld doch noch Zweifel geben, ist zu seinen Gunsten zu entscheiden, nicht gegen ihn. Dann braucht es einen Anfangsverdacht, und der darf nicht aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe bestehen. Solche Zustände hatten wir zuletzt in den dunklen, braunen Zeiten, als in Deutschland und darüber hinaus jeder Jude unter dem Generalverdacht stand, seine Besitztümer unrecht erworben zu haben – weshalb man sie ihm skrupellos und ohne die Möglichkeit zur Gegenwehr wegnehmen konnte.

Jüdische Vermögen standen damals auch unter einem «Generalverdacht». Besonders kritisiert wurde, dass Juden versuchten, ihre Besitztümer in Sicherheit zu bringen. Typisch, verschlagen, hinterlistig. Schon damals mit entsprechenden Konstrukten wie Trusts, Holdings und Auslagerungen. Was völlig legal war. So wie solche Konstruktionen heute völlig legal sind, auch wenn sie von Russen verwendet werden. Ausser, man kann im Einzelfall beweisen, dass es zu illegalen Taten kam. «Reicher Russe, das reicht», das kann ja nicht im Ernst das Prinzip eines Rechtsstaats sein. Auch nicht: «der wurde mal im gleichen Raum wie Putin gesichtet, das reicht doch.»

Wer so argumentiert, beschädigt den Rechtsstaat. Er wird zum Antidemokraten, wenn er darüber hinaus die Schweizer Neutralität für obsolet erklärt, Ausnahmen machen möchte. «Neutralität hilft Moskau», dieser Satz ist so dümmlich, wie wenn zu Zeiten des Dritten Reichs gesagt worden wäre: «Neutralität hilft Berlin, hilft Hitler». Natürlich hat die Schweizer Neutralität nicht dabei geholfen, Hitler zu besiegen. Aber sie hat immerhin das unbeschädigte Überleben der Schweiz ermöglicht, was bei allen unschönen Dingen damals keine kleine Leistung war.

Schon jetzt wird die Neutralität der Schweiz von Russland nicht mehr anerkannt, weil die Eidgenossen die Sanktionen übernehmen, obwohl sie nicht vom UN-Sicherheitsrat beschlossen wurden. Dass das nie passieren wird, ist keine Schweizer Schlaumeierei, sondern ein Konstruktionsfehler dieses UNO-Gremiums mit den Vetorechten der Supermächte.

Wer angesichts angeblich besonderer, spezieller, einmaliger Umstände eine Ausnahme vom Prinzip fordert, beschädigt dieses Prinzip schwer. Ohne dass damit der Ukraine gross geholfen oder Russland grosser Schaden zugefügt worden wäre.

Der Hinweis hilft sicherlich, dass das ganze Gedöns über Sanktionen und Waffenlieferungen von haargenau 10 Staaten der Welt aufgeführt wird, wenn wir die EU als eine Union betrachten. Über 160 Staaten, darunter Schwergewichte wie China, Indien oder Brasilien, haben sich dieser Politik nicht angeschlossen. Warum genau sollte es die Schweiz tun, unter Aufgabe ihrer Neutralität und ihrer rechtsstaatlichen Prinzipien?

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Stefan Millius