Kevin Spacey: unschuldig

Dennoch hat der Schauspieler «alles verloren».

Der zweifache Oscar-Preisträger hatte in «House of Cards» die Rolle seines Lebens gefunden. Frank Underwood katapultierte die Darstellung eines skrupellosen, aber gefühlvollen und genialischen Politikers in eine neue Dimension, die alles hinter sich liess, was in diesem reichen Genre vorher existierte.

2017 endete das alles abrupt, als im Rahmen der aufkommenden #metoo-Bewegung Vorwürfe über sexuelle Übergriffe gegen den homosexuellen Spacey bekannt wurden. Netflix beendete sofort die Zusammenarbeit, Spacey wurde sogar aus einem bereits fertig abgedrehten Film herausgeschnitten. «Alles Geld der Welt» wurde von Ridley Scott mit Christopher Plummer an Stelle von Spacey nachgedreht, ein grosser schmutziger Fleck auf der Weste dieses ansonsten genialen Regisseurs.

Die ersten Vorwürfe lagen 30 Jahre zurück; schnell meldeten sich weitere angebliche Opfer. Nicht nur in den USA, auch in England wurden Vorwürfe erhoben, da Spacey einige Jahre künstlerischer Direktor des «Old Vic» Theaters in London gewesen war.

In den darauffolgenden Jahren bekam Spacey keine Gelegenheit mehr, sein überragendes schauspielerisches Talent unter Beweis zu stellen. Er wurde zum Posterboy der #metoo-Bewegung, neben dem verurteilten Sexualstraftäter Harvey Weinstein wurde er als zweites, noch nicht verurteiltes Monster durch den Dreck gezogen. Wie bei solchen Anschuldigungen bis heute üblich, wurde auf die Unschuldsvermutung gespuckt.

2020 reichte ein angebliches Opfer Strafanzeige ein, wegen eines Vorfalls, der sich 1986 ereignet haben sollte. Sie wurde mangels Beweisen abgeschmettert. Dann fordere es in einem Zivilprozess 40 Millionen Dollar Schmerzensgeld. Abgeschmettert. Sämtliche weitere Klagen oder Anschuldigungen in den USA waren substanzlos.

Daraufhin konzentrierte sich die Meute der Vorverurteiler auf den Prozess in England. Hier habe der Schauspieler sicherlich nicht den gleichen Einfluss wie in den USA, hier werde endlich die Gerechtigkeit siegen, ein weiteres übergriffiges Monster werde seine gerechte Strafe erhalten.

Freispruch auf ganzer Linie.

Aber die ungerechte Strafe hat Spacey schon längst bekommen. Sieben Jahre Schauspielerleben gestohlen. Vom Olymp des angesehenen Hollywood-Stars in die Hölle des Sexualtäters. Horrende Kosten, kaum Einnahmen. Alle Prozesse gewonnen, alles verloren.

All diese pathetischen Weiber und ihre schleimigen Helfershelfer in den Gazetten, die sich das Maul zerreissen, aber nie vergessen, scheinheilig «es gilt die Unschuldsvermutung» dazuzuschmieren, all die kommen wieder mal straflos davon.

Schon wieder einen Unschuldigen erledigt, durch den Schlamm gezogen, erniedrigt, vorverurteilt. Mal eine Einsicht, eine geknirscht Entschuldigung, eine Selbstreflexion, dass es im öffentlichen Diskurs doch nicht so weitergehen darf? Wo jeder Mann gekeult werden kann, wenn es irgend jemandem einfällt, von einer Kussattacke von vor unzähligen Jahren zu schwadronieren, mit der frau aber erst heute an die Öffentlichkeit gehen könne, weil so traumatisiert. Aber leider ist alles verjährt, und oh Schreck, die sorgfältige Untersuchung des Vorfalls erweist: nichts dran, nicht belegbar, alles Unsinn, alles eine miese Masche, um in die Schlagzeilen zu kommen.

Dagegen ist nach wie vor kein Kraut gewachsen. Aber immerhin mehren sich die Stimmen, die ein Ende von diesen Hetzjagden fordern. Und vor allem, dass willige Helfershelfer in den Medien endlich in die Schranken gewiesen, abgemahnt und dann entlassen werden.

Wir könnten hier gerne Namen nennen, aber die Prozesskasse ist leider gerade leer.

«Hauptstadt»? Bern.

Eben. Weitere Folge der Serie «Unsere Leichen leben noch».

Die Idee war naheliegend. Als Tamedia mal wieder eines seiner Versprechen brach und die Redaktionen von «Berner Zeitung» und «Der Bund» weitgehend zusammenlegte (die beiden Organe unterscheiden sich heute durch den Abopreis und dass in der BZ Hebeisen schreibt), sollte eine Alternative entstehen.

Schon ein Jahr später war es so weit. Am 7. März 2022 ging’s mit der «Hauptstadt» los. Der hohe Anspruch: mit zehn Nasen pro Tag einen Artikel rauspusten. Kleiner Dreisatz: wie viele Mitarbeiter bräuchte die «Hauptstadt», um auf den Output von ZACKBUM zu kommen?

Heute sind es auf jeden Fall 13 Mitarbeiter, Pardon, Mitarbeitende, die sich nach wie vor 5 Vollzeitstellen und ein Praktikum teilen. Sie ist nach wie vor werbefrei und «mehrheitlich leser*innenfinanziert». Das Online-Magazin ist im Netzwerk von we.publish. Dort trifft es sich mit «bajour», «Tsüri» und «Kultz». «Kultz» bettelt gerade um 300 neue Zahler, sonst sei dann mal Ende Gelände. «bajour» wird von einer reichen Mäzenin ausgehalten. Passt.

Nach vier Jahren soll keine «Anschubfinanzierung von Stiftungen und Privaten» mehr nötig sein. Falls doch, «bajour» fragen. «Kultz» eher weniger fragen.

Aber wichtiger als all das ist natürlich der Inhalt. Nun ist das gerade ein etwas blöder Moment dafür:

Verständlich, dass nach der übermenschlichen Anstrengung, pro Tag die Welt mit einem Artikel zu überraschen, mal drei Wochen Füssehochlegen angesagt ist. Hoffentlich ohne Flugscham.

Aber zuvor, mit welchen heissen News vermochte die «Hauptstadt» zu punkten? Nebenbei: Das Organ ist ja nicht ganz alleine auf dem Platz, es gibt das «Megafon» und «Journal B». Aber die haben natürlich nicht solche Hammerthemen:

Da hat einer in Wabern einen Verlag gekauft, der das Gratisblatt «Könizer Zeitung» herausgibt. Und will «hinter Bund und BZ zur Nummer drei werden». Diesen Anspruch hat die «Hauptstadt» realistischerweise nicht.

Womit punktet sie denn noch so?

Ba, Ba, Ballenberg. Immer wieder gut, wenn Not herrscht. Jetzt aber mal ernsthaft, wo ist denn der Content?

Nein, hier versteckt er sich auch nicht. Dann vielleicht «SP legt Finanzen offen»? Nun ja, die News haben andere herausgekitzelt, hier wird einfach nachgeschrieben. Oder dann das hier? «Abgewiesene Asylsuchende können im Kanton Bern bei Privaten wohnen. Eine Gesetzesänderung sollte ihre Situation verbessern. Doch Gäste und Gastfamilien erleben das Gegenteil.» Gut, das kann man gelten lassen.

Aber so als monatlicher Ausstoss, für 120 Franken Jahres- oder 240 Franken Gönnerabo? Oder gar das «Gönner-Abo Plus» für 600? Oder doch lieber «Ich kann mir das Abo nicht leisten, möchte aber gerne nach meinen Möglichkeiten für das Abo bezahlen»? Da kann man immerhin mit 1 Franken anfangen, das scheint eine realistische Einschätzung des Gegenwerts zu sein.

Man sei inzwischen bei knapp über 4000 Abos, vermeldete die «Hauptstadt» nach neun Monaten. Nach einem Jahr waren es dann noch 2650 «aktive Abos». Leider betrage die Erneuerungsrate nur 55 Prozent. Frohgemut wurde verkündet, dass man «weiter und nachhaltig wachsen wolle». Das nennt man wohl negatives Wachstum, das ist nie nachhaltig. Es wurde auch eingeräumt, dass man «leicht unter dem Businessplan» liege.

Das ist schönster Business-Bullshit. Eigentlich will man 6000 Abos nach vier Jahren. Nach einem Jahr hat man die Zahl fast halbiert. Läuft also super. Da kann man beruhigt mal in die Ferien gehen. Hat man nach dem Start schliesslich auch schon gemacht. «Nume nid gsprängt», sagt man zu Bern gerne. Auch auf dem Weg zum Friedhof.

 

Bezahlte Recherchen bei SIX

Die Schweizer Börse SIX lässt Unternehmen für Research-Abdeckung zahlen. Geld für Analyse, ein glasklarer Interessenskonflikt? Iwo, findet Finanzbranche.

Von Inside Paradeplatz*

Vorbemerkung: Dies ist ein weiteres Stück des Finanzblogs «Inside Paradeplatz», mit dem er die gesammelten Wirtschaftsjournalisten der Schweizer Medien abtrocknet. Als Ausdruck des Respekts übernimmt ZACKBUM ausnahmsweise diesen interessanten Text.

Schweizer Anleger-Darling sackt nach Herabstufung durch die UBS ab.“ So kommentierten Medien vor 7 Wochen den zweistelligen Kurssturz der BKW-Aktien, nachdem der verantwortliche UBS-Analyst die Aktie von „Kaufen“ auf „Verkaufen“ runtergestuft hatte.

Grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, dass eine Analystenumstufung eine substantielle Kursreaktion herbeiführen kann.

Auf den zweiten Blick verwundert aber einiges.

Im Anhang des Researchberichtes steht „Sponsored Research“.

Im Anhang vom Anhang, dort, wo die Schriftgrösse auffordert, nicht gelesen zu werden, reibt man sich nicht nur wegen der winzigen Buchstaben die Augen:

UBS has entered into a contract with SIX (…) whereby (…) UBS provide research (…). UBS will receive a flat fee of CHF 30’000 per annum for a period of two years (…).”

Auf deutsch: UBS erhält von der SIX CHF 60’000, damit sie zwei Jahre Research auf BKW schreibt.

Was man nicht erfährt ist, dass die SIX den Betrag der BKW in Rechnung stellt.

Mit anderen Worten: BKW bezahlt die UBS für Research.

Anhang mit Anhang (UBS)

Das System hat einen Namen: The Stage Program.

Das von der SIX ins Leben gerufene Programm hat zum Ziel, die Attraktivität der Schweizer Börse zu erhöhen.

Immer mehr Unternehmen und Investoren wenden sich von der Schweizer Börse SIX ab. Zu hoch die Kosten, zu tief die Liquidität.

Wo kein Handelsvolumen ist, da lohnt sich auch nicht, Research zu schreiben. Ein Teufelskreis.

Erfolg durch proaktive Präsenz (SIX)

Doch statt mit tieferen Kosten die Attraktivität des Börsenplatzes zu steigern und damit für höhere Handelsvolumen zu sorgen, lässt die SIX die Marktteilnehmer für ihre Versäumnisse zahlen.

Von kotierten Unternehmen bezahltes Research soll Interesse bei Investoren wecken und die Handelsaktivität erhöhen.

Baader Helvea, UBS und ZKB lassen sich „kaufen“.

Dass Bezahl-Research nicht unbedingt objektiv ist, wissen wir seit der Immobilienkrise, als den Hypotheken-Strukis die höchsten Bonitätsnoten von Moody’s und Co verliehen wurden.

Einfach oder luxuriös (SIX)

Die SIX verspricht da Besserung.

Um die Unabhängigkeit des Research zu garantieren, gibt es keine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und den involvierten Parteien (…). Ausserdem gibt es ein SIX Research Komitee, das beratend zur Seite steht.

Im Anhang des Anhangs des Research-Berichtes lernen wir aber, dass die UBS in den letzten 12 Monaten für Investment Banking-Aktivitäten von der BKW bezahlt wurde.

Garantierte Unabhängigkeit (SIX)

Ausserdem erwartet die UBS innerhalb der nächsten drei Monate von der BKW weitere Kommissionen für solche Dienstleistungen zu erhalten.

Und: Die UBS ist im Besitz von mehr als 1% ausstehender BKW-Aktien.

Unabhängigkeit sieht anders aus. Good Governance auch.

Die Disclaimer des Stage-Teilnehmers ZKB auf Bezahl-Research werden vermutlich ähnlich „unabhängig“ sein.

Es dürfte also kein Zufall sein, dass das Bezahl-Research jeweils mit einer Kaufsempfehlung startet.

Nur dumm, wenn dann der entsprechende Verfasser des Research-Berichtes kalte Füsse kriegt.

Der Miesepeter heisst Bosco Ojeda, Head of European Small Caps bei der UBS. Der Managing Director, der fernab von BKW Bern in Madrid unter anderem spanische Zugunternehmen abdeckt, war lange optimistisch.

Seine Kaufempfehlung und stetige Kursziel-Erhöhungen verliehen der BKW-Aktie Flügel und katapultierten die Titel auf neue Höchststände.

Kasse stimmt (tipranks.com)

Das Management der BKW nutzte derweil die Gunst der Stunde, sich von Aktienpositionen zu trennen.

Doch als die Aktie zum teuersten Versorgerwert der Welt avancierte und gleichzeitig die Energiepreise fielen, konnte Ojeda nicht mehr länger ein höheres Kursziel rechtfertigen.

Statt nun aber ein neutrales Hold-Rating abzuliefern, wie beim Bezahl-Research auf Peach Property, setzte er eine Verkaufs-Empfehlung ab.

BKW-“Insider“: Nix wie weg (ser-ag.com)

Dies sorgte für rote Köpfe bei der BKW.

Eine Delegation machte sich sofort auf den Weg nach Zürich. Ermotti selbst soll den Fauxpas dem CEO der BKW, Robert Itschner, erklärt haben.

Schliesslich ist man parallel in Aquisitionen der BKW involviert und emittiert fleissig Bonds des Strom-Giganten. Das will man nicht aufs Spiel setzen.

Not amused (BKW)

Zu spät, der Schaden war angerichtet.

Der Kurs konnte sich mittlerweile wieder etwas fangen. Schliesslich ist BKW eine Top-Empfehlung der ZKB für die zweite Hälfte 2023 …

Die Finma, die über die Markt-Integrität wacht, schweigt.

*Mit freundlicher Genehmigung von «Inside Paradeplatz», wo der Artikel zuerst erschienen ist. 

Delilah, der Mördersong

Das war ja überfällig. So nicht, Tom Jones.

Der walisische Sänger mit dem unnachahmlichen Schmelz in der Stimme hat 1968 mit dem Song «Delilah» einen Welthit gelandet. Inzwischen ist er 83 Jahre alt – und tourt immer noch, genauso unzerstörbar wie Keith Richards, Mick Jagger oder Bruce Springsteen.

Zudem erlebte Jones einen zweiten Frühling, indem er mit Mousse T. und «Sexbomb» im Jahr 2000 einen modernen Hit landete, in dem er mit seinen Klischees als Frauenheld ironisch spielte. Alles eigentlich wunderbar und Gelegenheit für Alt und Jung, an seinen Konzerten wahlweise Feuerzeuge oder Handys zu schwenken.

Wenn da nicht der Text von «Delilah» wäre. Wie die «Weltwoche» völlig zu recht darauf hinweist, gibt es hier natürlich gewaltig Anlass, gewisse Textstellen durch ein Piep zu ersetzen – oder gleich den ganzen Song zu verbieten, wahlweise neu zu betexten.

Denn es handelt sich um die Geschichte eines Mannes, der nachts am Fenster seiner Geliebten vorbeistreunt und dabei beobachtet, wie sie ihn mit einem anderen Mann betrügt. Er weiss zwar, dass sie nicht gut für ihn ist, aber er ist ihr wie ein Sklave hörig.

Am nächsten Morgen, als der Liebhaber wegfährt, steht er vor ihrer Türe; sie öffnet und lacht ihn aus. Und nun kommt’s:

I felt the knife in my hand and she laughed no more
My, my, my, DelilahWhy, why, why, DelilahSo before they come to break down the doorForgive me Delilah, I just couldn’t take anymore

Für des Englischen nicht so Mächtige, die sich auch entrüsten wollen:

Ich fühlte das Messer in meiner Hand, und sie lachte nicht mehr
Mei, mei, meine Delilah
Warum, warum, warum, Delilah
Bevor sie kommen und die Türe aufbrechen
Verzeih mir Delilah, ich konnte es nicht mehr ertragen.

Das ist nun kaum verklausuliert ein Mord aus Eifersucht, und am Schluss wartet der Täter darauf, dass die Polizei die Türe aufbricht, hinter der er sich mit seiner toten Ungetreuen befindet. Ts, ts.

Das ist Gewalt gegen Frauen, Machismo, sexualisierte Gewalt, furchtbar. Da nützen dann selbst Safe Spaces und speziell für Sich-unwohl-Fühlende an Konzerten trainierte Helfer nichts mehr. Das ist schlimmer als eine «Row Zero» vor der Bühne. Als Aftershow-Partys.

Wie konnte Tom Jones nur 55 Jahre lang damit davonkommen, dieses Lied unzählige Male zu singen? Wieso gibt es noch keine Kampfsportgruppen, die sich auf allen sozialen Kanälen dafür einsetzen, dass er von der Bühne verbannt wird?

«Kein Konzert für Täter», «Mörder Jones», «Schützt unsere Kinder vor diesem Monster», «Einnahmen müssen für Frauenhäuser gespendet werden», «Eine Entschuldigung ist nötig, reicht aber nicht», «Jones = Weinstein?», «Wann distanziert sich das Plattenlabel?», «Veranstalter, sagt die Konzerte ab».

Das wollen wir alles lesen und sehen. Sonst verliert ZACKBUM den Glauben an die «#metoo»-Bewegung.

Unsere Leichen leben noch

Auch ZACKBUM spürt den Sommer.

Also fragten wir uns: gibt’s «bajour» eigentlich noch? Was das ist? Nun, für Zürcher und andere Nicht-Basler: das ist so eine Online-Veranstaltung, die von Hansi Voigt ins Leben gerufen wurde. Das sagt eigentlich schon alles.

Es hätte lediglich in den ersten drei Jahren mit den Millionen einer reichen Pharma-Erbin unterstützt werden sollen. Denn es ist sozusagen das Nachfolgeprojekt für die «TagesWoche», die auch mit den Millionen einer reichen Pharmaerbin … Bis das Blatt dann nach einer der grössten Bescheissereien um die Auflagenhöhe kläglich einging.

Nun wird «bajour» – quengeln kann Voigt – nach den ersten drei Jahren weitere Jahre mit den Millionen einer reichen Pharmaerbin … Putzige Begründung: verlängert wegen Erfolglosigkeit. Also nach dem Geldverrösten ist vor der Geldvernichtung, und das alles endet dann wohl dort, wo sich der Zürcher «Kosmos» heute schon befindet.

Früher, ja früher gab «bajour» noch gelegentlich Auskunft über die Entwicklung der Leserzahlen oder der «Member». Aber zu viel Transparenz ist auch nicht gut, Tempi passati.

Diese Zahlen sind wohl die aktuellsten:

Sie stammen allerdings – von 2021.

Grösste Mühe gibt sich «bajour», den paar Lesern jede Menge Möglichkeiten aufzuzeigen, ihr Geld loszuwerden:

Für welche Gegenleistung? Nun, die ist überschaubar, sehr überschaubar:

Das sind die letzten sechs Beiträge, visioniert am 24. Juli. Brandaktuell; bereits der 6. stammt vom 18. 7., aber immerhin 2023.

Ach, und dann gibt es noch das hier:

Das nennt sich das Barbie-Briefing, Pardon, das Basel-Briefing.

Aber man muss auch Nachsicht üben, während die Geldverschwendungsangebote munter spriessen und locken, ist hier eine ziemliche Schrumpfung festzustellen:

Während grossspurig «Herausgeber» und «Geschäftsleitung» ganze sieben Nasen umfassen, dabei Voigt gleich in einer Doppelfunktion, muss dieser Overhead genau gleich viele Journalisten leiten und lenken. Worunter zwei Trainees und eine Praktikantin verzeichnet sind. Also sozusagen erwachsene Redakteure gibt es genau vier.

Dieser Beitrag kann hingegen nur als gelungene Realsatire gewertet werden; er ist zudem so zeitlos, dass er seit April die Homepage ziert. April 2023, aber den Scherz hatten wir schon:

Sagen wir so: Liane oder Strick? Wenn es einen News-Dschungel gibt, dann ist «bajour» offenbar die Lichtung, die Leere, die Pause, der newsfreie Raum. Das ist ein interessantes Angebot. Aber wieso genau soll dafür bezahlt werden?

Bevor Voigt auch hier das passiert, was ihm schon bei «20 Minuten» und bei «watson» widerfuhr, sollte er sich vielleicht weniger um seine Präsidentschaft bei «Netzcourage» kümmern, sondern um diese Liane, bevor sie mangels Düngung eingeht.

Alle Wetter!

Tamedia erklärt die Lage – der Leser sorgt sich.

Der schwere Sturm über La Chaux-de-Fonds hat es in sich. Er forderte ein Todesopfer und verursachte happige Gebäudeschäden, dazu umgestürzte Bäumen und andere Verwüstungen.

Die Gelegenheit, endlich einmal die Überlegenheit einer Qualitätszeitung auszuspielen. Oder so. Die Autorenzeile unter dem ersten Artikel lautet «SDA/aru/mst». Das bedeutet, dass zwei Nasen die SDA-Tickermeldung veredelt haben. Augenzeugenberichte vor Ort, der Tamedia-Korrespondent im Jura? Welcher Korrespondent?

Aber glücklicherweise gibt es die sozialen Medien und Plattformen, wo jede Menge Videos und Fotos hochgeladen werden, die man zu einem «Tamedia Video» umtopfen kann. Dabei dachte ZACKBUM, das Teil heisse nun endgültig «Tages-Anzeiger». Aber das wäre ein anderes Thema.

Hier wird etwas Schadenbilanz gezogen, das obligate Mitgefühl des Bundespräsidenten erwähnt, und dann «eingeordnet». Allerdings: «Es ist noch unklar, wie dies meteorologisch einzuordnen ist.» Downburst oder Tornado oder beides oder keines von beidem?

Auf jeden Fall sei es ein «extremes Windereignis». Das hat was, bei Spitzengeschwindigkeiten von angeblich über 200 km/h. Immerhin wurde der «Journalist Laurent Duvanel, der selber in La Chaux-de-Fonds wohnt», aufgetrieben, besser als nix.

Aber dann lebt Tamedia noch richtig auf, es folgt der Beratungsteil. Ein «Gewitter- und Unwetterforscher» erklärt, dass man nicht nur das Wetterradar auf dem Handy betrachten solle, «sondern auch den Himmel aufmerksam beobachten». Dabei – merke auf – kann man die Gefährlichkeit sauber einschätzen. «Wenn eine Gewitterwolke dunkel und bedrohlich wirkt, dann birgt sie auch Gefahrenpotenzial.» Das muss einem ja mal gesagt werden. Bei grünlich sollte man auch aufpassen, das sei ein «Anzeichen für einen sehr intensiven Niederschlag oder sogar Hagel». Leider: «oft – aber nicht immer

Aber selbst solche Extremwetterberichterstattung hält Tamedia nicht davon ab, genderkorrekt die Sprache zu malträtieren: So hätten «Autofahrende» den Trümmern eines Lastwagendachs nicht ausweichen können. Es gab dann aber keine Verletzende.

Während es hier aber noch gesittet zugeht, tobt in der Kommentarspalte der Klimaretter unter den Lesern.

«Klimawandel/Klimakollaps … Sollten wir aufhören, uns über Klimaaktivist:innen lustig zu machen … sofortiger Stopp aller Ferienflüge, keine fossilen Flüge mehr bis Ende Jahr. Ein Aus für die Fleischwirtschaft … Ich bin wutentbrannt …»

Plus die ganze Leier, ob das noch Wetter oder schon Klima sei. Normal oder Vorbote des Untergangs. Einer kündigt sogar an, seinen geplanten Surf-Urlaub in Portugal zu canceln. Hoffentlich erwischt ihn dann niemand am Flughafen.

Das kommt halt davon, wenn man den Lesern keine Faktenbasis, keine Einordnung, keine Bandbreite von verschiedenen wissenschaftlichen Meinungen bietet. Das kann man mit Fug und Recht als Volksverdummung bezeichnen.

Wir können allerdings froh sein, dass Unwetter und Blitze nicht mehr als Erscheinungsformen eines zürnenden Gottes «gelesen» werden. Bislang.

Von Loch zu Loch

SoZ und NZZaS im Nahkampf.

Es ist ein gnadenloser Fight. Welche der beiden Sonntagszeitungen hat die schlechtere Sommerloch-Story? Der SoBli fällt unter unsere Auszeit, bis Christian Dorer zurückkommt. Pardon, nicht mehr zurückkommt. Wir würden sie nur dann unterbrechen, wenn Ringier erste Abozahlen von «B+» bekannt gibt. Also werden wir nicht unterbrechen.

Zurück zum Wettbewerb. Die «SonntagsZeitung» legt auf der Front vor:

Das ist eine Frage, die man sich bei der Lektüre der Schweizer Medien unablässig stellt. Aber leider findet sie hier keine Antwort.

Aber die NZZaS holt auf und ein:

Der «SUV der Linken», auch das ist ein Titel, der nur durch Hitzschlag, unmässigen Alkoholgenuss oder reine Verzweiflung erklärt werden kann.

Dann geht aber die NZZaS mit einem Schlag in Führung; ein solcher Titel, ein solches Thema kommt nur dann ins Blatt, wenn der Blattmacher zuvor dreimal fragte: und die einzige Alternative wäre eine weisse Seite, echt?

Die SoZ schwächelt – bis zum «Fokus». Dort weiss Bankenbüttel Peter V. Kunz ganz Erstaunliches zu vermelden:

 

Die Frage ist, ob die Tiere das auch stört. Sicher findet es das Schwein nicht schön, dass es zum Kotelett wird. Auf der anderen Seite: ohne diese Zweckbestimmung gäbe es gar nicht so viele Schweine. Schwieriges Terrain, aber damit holt die SoZ auf.

Die Rettung für die NZZaS ist der Anarchistentreff in Saint-Imier. Gelegenheit für etwas Freakshow:

Die SoZ schlägt mit einem Essay zurück.

Sozusagen wider die ständige Anforderung von Scham. Aber leider, leider, muss disqualifiziert werden. Ist von der «Süddeutschen Zeitung» übernommen, und solches Doping können wir hier nicht gelten lassen.

Währenddessen sammelt die NZZaS weiter fleissig Punkte:

Arthur Rutishauser plädiert in der SoZ für das Daheimbleiben, während Nicole Althaus unglaublich tiefe Erkenntnisse auf den Leser regnen lässt: «Jede Reise, so bescheiden sie auch sei, beginnt mit dem Packen des Koffers … Zum Kern des Reisens gehört der Moment des Aufbruchs». Jede Kolumne, so bescheiden sie auch sei, beginnt mit dem Auspacken von Flachheiten, zu ihrem Kern gehört der Moment, in dem der Leser auf- und wegbricht.

Die SoZ nimmt natürlich auch Saint-Imier sehr gerne auf.

Das ist immerhin eine Reportage, die Dominique Eigenmann basses Erstaunen abnötigen würde. Da sie hausgemacht ist, gibt es hier für die SoZ die volle Sommerloch-Punktzahl.

Aber die NZZaS verteidigt ihren Vorsprung:

Sie lässt nämlich den von unzähligen Bundesämtern beschäftigten sogenannten unabhängigen Meinungsforscher Michael Hermann gleich eine ganze Serie zu den bevorstehenden Wahlen schreiben. Spart unmässig eigene Brainpower.

Dann geben beide Blätter auf der Zielgeraden nochmal Guzzi:

Das ist sehr Sommerloch, da kann die NZZaS nicht ganz mithalten:

Ist ein gültiger Versuch, aber ein Mü zu gehaltvoll für eine richtige Sommerloch-Story.

Das würde bei der NZZaS wieder die volle Punktzahl ergeben, muss aber auch disqualifiziert werden, weil die Serie schon vor dem Sommerloch begann – und einfach nicht aufhören will.

Ergebnis: 5 zu 4 für die NZZaS. Es war ein harter Kampf gegen den Leser; aber am Schluss setzt sich Qualität halt schon durch, wenn die Mehrheit der Mitarbeiter in der Sommerfrische weilt. Hinzu kommt sicher auch: Der Chefredaktor der SoZ, Arthur Rustishauser, ist sich ziemlich sicher, dass er nach dieser Degradierung als Bauernopfer hier seine Pensionierung erwarten kann, wenn er will. Die vier (!) interimistischen Nasen bei der NZZaS hingegen wissen genau, dass keiner von ihnen das Rennen am Schluss machen wird. Dementsprechend motiviert sind sie.

 

Interview als Abfallhaufen

Tamedia gründelt und gründelt.

Unten, wo der journalistische Bodensatz ist, der Schlamm des Gesinnungsjournalismus, wo Interviews geführt werden, in denen sich zwei Gleichgesinnte in den Armen liegen – genau da ist Tamedia zu Hause.

Bei Tamedia ist ein «Essay» ein selbstverliebtes Gestammel. Ein «Kommentar» eine sprachlich holprige Realitätsfehldeutung. Eine «Reportage» das Gespräch mit drei Meinungsträgern vom Lehnsessel aus. Und ein «Interview» immer wieder die Begegnung zwischen einem Stichwortgeber und einem Schwafeli, der unkritisiert und ungehemmt all das sagen kann, was er schon immer mal sagen wollte.

Marc Brupbacher ist eigentlich «Co-Leiter des Ressorts Daten & Interaktiv». In dieser Eigenschaft wurde er schon während der Pandemie extrem verhaltensauffällig (der Bundesrat sei «völlig übergeschnappt», mit dem damaligen Gesundheitsminister sei er «fertig»). Bis heute mopst Brupbacher gelegentlich mit Schreckenszahlen zur x-ten Corona-Variante nach, was aber – ausser ihn – wirklich keinen mehr interessiert.

Nun – es ist Sommerpause, da darf jeder alles – outet er sich als Politkenner und interviewt einen Geschichtsprofessor, der bislang noch nie öffentlich auffiel:

Damir Skenderovic forsche «seit über 20 Jahren zum Thema Rechtspopulismus und Rechtsextremismus». Das ist erstaunlich, denn erst 2004 doktorierte er, erst seit 2011 ist er Professor für Allgemeine und Schweizerische Zeitgeschichte an der Uni Freiburg. Aber Datenspezialist Brupbacher muss es doch nicht immer mit Daten so genau nehmen.

Nun hat Brupbacher eine tablettengrosse These, die er im Gespräch, also im Stichwortgeben über 10’000 A breitwalzt. Wer den Vorspann gelesen hat, kann sich eigentlich das sogenannte Interview sparen: «In Deutschland legt die AfD deutlich zu. Geschichtsprofessor Damir Skenderovic sagt, wie ähnlich die Partei der SVP ist – und warum diese als Vorbild für Rechtspopulisten in Europa gilt.»

Schon mit seiner ersten Antwort disqualifiziert sich Skenderovic als ernstzunehmender Historiker. Brupbacher fragt ihn, wieso man in Deutschland angeblich über den «hohen Wähleranteil der rechtspopulistischen AfD in Umfragen schockiert» sei, in der Schweiz aber auf die «wählerstärkste SVP gelassener» reagiere.

Da müsste ein Historiker, der die Ehre der Geschichtswissenschaft hochhalten wollte, zunächst einmal problematisieren, was der Begriff «rechtspopulistisch» eigentlich bedeuten soll, dann müsste er gegen die hier schon implizierte Ähnlichkeit zwischen AfD und SVP protestieren. Aber da es sich um zwei Gleichgesinnte handelt, kuschelt sich der Professor in der Antwort gleich an:

«Das hat historische Gründe. Deutschland hat eine andere Erinnerungskultur. Man hat verinnerlicht, was der Nationalsozialismus und seine rassistische Politik angerichtet haben, und reagiert deshalb sehr empfindlich auf den Aufstieg der AfD

Während Brupbacher unwidersprochen AfD und SVP in den gleichen Topf wirft, insinuiert der Professor nun, dass die AfD ihre Wurzeln im Nationalsozialismus und dessen rassistischer Politik, sprich Judenvernichtung, habe. Aber damit nicht genug, Skenderovic fährt fort:

«In der Schweiz ist das Geschichtsbewusstsein zu diesen Themen weniger ausgeprägt, dabei gab es auch einen helvetischen Faschismus. Jungfreisinnige, Katholisch-Konservative und andere politische Milieus zeigten zudem damals Sympathien für autoritäre Regimes, und der Antisemitismus war vor 80 Jahren auch in der Schweiz verbreitet. Das wird gerne vergessen

Das ist nun auch von hübscher Perfidie. Also in der Schweiz wird die SVP nicht so postfaschistisch wie die AfD in Deutschland wahrgenommen, weil das Geschichtsbewusstsein weniger ausgeprägt sei.

Nun stellt Brupbacher eine weitere rhetorische Frage: «Ist denn die SVP überhaupt mit der AfD vergleichbar

Die zunächst ausweichende Antwort: «In der Geschichtswissenschaft sprechen wir von den klassischen Parteifamilien. Es gibt konservative, liberale, kommunistische und sozialdemokratische Gruppen. Seit über 30 Jahren wird nun die Landschaft um die Rechtspopulisten erweitert, die je nach Land ihre Besonderheiten haben.»

Nun spricht allerdings kaum einer von den «klassischen Parteienfamilien». Dafür zieht der Professor im Anschluss eine Linie von Schwarzenbachs Überfremdungsinitiative von 1970 zur SVP von heute, was an Demagogie kaum zu überbieten ist.

Brupbacher arbeitet seine Stichwortliste weiter ab: «Die SVP oder auch die AfD werden manchmal als «Gefahr für die Demokratie» beschrieben. Ist das nicht übertrieben

Die Demokratien seien heutzutage gefestigter als in den 20er- oder 30er-Jahren, leitet der Professor seine nächste Perfidie ein: «Aber es stellt sich die Frage, was heisst Demokratie? Freie Wahlen und freie Meinungsäusserung, das institutionelle System der Demokratie sind wohl nicht bedroht. Aber was ist mit den Menschenrechten, mit dem Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft? Es geht bei der Demokratie nicht nur um das politische System, sondern auch um demokratische Grundwerte.»

Also AfD und SVP bedrohen nicht direkt die Demokratie, aber die Menschenrechte und die Schwächsten in der Gesellschaft. So belegfrei wie unverschämt.

Nächste Frage auf der Liste; wie stehe es denn mit der Zusammenarbeit mit solchen Parteien? «Es geht darum, sich von Rechtspopulisten klar abzugrenzen. Es geht um die Frage der Zusammenarbeit. Wenn man mit ihnen kooperiert und Allianzen und Koalitionen eingeht, legitimiert man ihre Anliegen.»

Allein in diesen Ausschnitten gäbe es Anlass für unzählige nötige Nachfragen, um nicht zuletzt auf Widersprüchlichkeiten und baren Unsinn in den Aussagen des Professors hinzuweisen. Darauf könnte er sich vielleicht erklären, der Leser bekäme vielleicht ein anregendes Streitgespräch serviert, das vielleicht keine bedeutende Erkenntnissteigerung beinhaltet, aber wenigstens unterhaltsam wäre.

So aber kriegt er die Bankrotterklärung eines Interviews hingeworfen, wo ein unbekannter Professor auf die dümmlichen Stichworte eines voreingenommenen Redaktors, der offenkundig mangelnde Kompetenz durch überreichlich Gesinnung kompensieren will, das Gewünschte antworten darf.

Und das soll dann eine «Forumszeitung» sein, die sich bewusst ist, dass sie durch das Duopol im Tageszeitungsmarkt dermassen meinungsmächtig ist, dass sie angeblich verschiedene Positionen zulassen will?

Es ist doch an Perfidie schwer zu überbieten, dass im aufkommenden Wahlkampf mit allen Mitteln versucht wird, die SVP in die Nähe der AfD zu rücken. Die zahlreichen und unübersehbaren Unterschiede werden plattgequatscht, durch unwidersprochen bleibende perfide Unterstellungen und Insinuieren werden beide Parteien auf ihre angeblich vorhandenen Wurzeln im Nationalsozialismus, im Faschismus, im Rassismus, in der Judenvernichtung gar zurückfantasiert.

Auch hier muss man sich wieder – vergeblich natürlich – fragen, wo denn die Qualitätskontrolle bei Tamedia bleibt. Wieso hat Brupbacher bei Abgabe dieses Interviews niemand gefragt, ob er nun «völlig übergeschnappt» sei? Ob er ernsthaft meine, dieses Gefälligkeitsgespräch genüge den primitivsten Ansprüchen an ein journalistisch geführtes Interview? Woher er sich die Kompetenz anmasse, als Datenjournalist politisch-historische Vergleiche zwischen einer deutschen und einer Schweizer Partei anzustellen? Wieso er sich einen Gesprächspartner ausgesucht habe, der einzig durch das Bedienen aller gewünschten Klischees auffällt und sich dabei keinen Deut darum schert, dass er damit seinen nicht vorhandenen Ruf ruiniert?

Das sind keine singulären Ereignisse mehr bei Tamedia. Das ist, wie man so schön sagt, ein strukturelles Problem geworden. Es sollte doch in einem meinungsbildenden Medienkonzern zumindest das Bestreben erkennbar sein, ein gewisses Niveau nicht zu unterschreiten. Aber wie sagte man früher so richtig: Tamedia, quo vadis?

Es gibt einen grossartigen Roman von Franz Jung: «Der Weg nach unten». Dieser Titel fällt ZACKBUM immer wieder spontan ein, wenn wir an Tamedia denken. Was für ein Mann, was für ein Leben, was für ein Werk. Sein erstes Buch in seiner expressionistischen Phase trug den Titel «Das Trottelbuch». Passt auch. Nun müsste man allerdings nicht nur Nora Zukker so viel erklären, dass wir es lassen.

Wumms: Eric Gujer

Der Miltärstratege ordnet die Kampflinien in der Ukraine.

So muss das sein, wenn der Oberkommandierende der NZZ das Wort ergreift:

Der grosse Samstagkommentar is back. Russen, Ukrainer, Nato, Biden, Macron, Scholz, Selenskyj, Putin, aufgemerkt. Hier sagt euch einer, wie’s ist. Wie’s sein sollte. Wie’s wird. Denn die Ukraine kämpfe «den schwierigsten aller Kriege: den Koalitionskrieg».

Deren Lage wird hier nüchtern dargestellt: «Ihre Waffen stammen genauso aus westlichen Quellen wie der Grossteil ihres Staatshaushalts. Finanziell ist die Ukraine nur noch dem Namen nach ein souveräner Staat

Leicht ironisch wird dann auf Russland geschwenkt: «Geradezu liebevoll beschäftigen sich westliche Beobachter mit den russischen Schwächen. Diese sind offenkundig, militärisch wie politisch. Doch spricht alles dafür, dass das Regime den Krieg lange fortführen kann.»

Die grosse Sommeroffensive? Bringe «kaum Ergebnisse». Streumunition? «Wer auf Wunderwaffen hofft, wird regelmässig enttäuscht. Das gilt auch für die Lieferung amerikanischer Kampfflugzeuge.» Damit rumkurvt Gujer elegant die Frage, ob deren Einsatz eigentlich nur auf russischer Seite ein Kriegsverbrechen sei.

Dann wird Gujer ziemlich schneidend: «Stärke und Schwäche der Ukraine zugleich sind deren Verbündete. Ohne sie vermag Kiew nicht zu überleben, zugleich kann sich die Ukraine ihrer nie sicher sein. Der Irak, Afghanistan und Libyen sind Mahnmale enttäuschter Hoffnungen und gebrochener Versprechungen. Der Westen sieht sich als verlässlicher Partner und ist doch das Gegenteil.»

Dann das grande Finale: «Die Nato und die Ukraine haben unterschiedliche Interessen. Die Ukraine will als Staat überleben und den Besetzern alles geraubte Land entreissen. Die Nato versucht, Russland umfassend zu schwächen, ohne direkt in den Krieg hineingezogen zu werden.»

Daraus folgt: «Irgendwann, wenn sich beide Seiten verausgabt haben, wird auf den Schlachtfeldern Ruhe einkehren. Und dann gibt es Friedensverhandlungen.» Da gibt es für Gujer eine Bedingung: «Ein Friedensvertrag ist nur sein Papier wert, wenn er der Ukraine einen späteren Beitritt zur Nato offenhält.»

Man kann damit einverstanden sein oder nicht. Aber man muss konstatieren, dass sich die intellektuelle Flughöhe sowohl angenehm wie bedrückend vom dummen Gewäffel der meisten übrigen Schweizer Sandkastengeneräle unterscheidet. Mit ihren Siegesfantasien, ihren Wunschschlössern, ihrer mangelnden Sachkenntnis. Aber am schlimmsten ist: durch solche Kommentare wird ihre bescheidene intellektuelle Ausstattung überdeutlich, ihre geistige Armut, ihre Unfähigkeit, strategische Gedanken zu fassen und in verständliche Worte zu kleiden.

 

Wumms: Sanija Ameti

Und schon wieder verabschiedet sich ZACKBUM von einer Tieffliegerin.

Wir haben uns fürsorglich, belustigt, befremdet oder abgestossen mit der Bachelorette der Politik befasst. Sie hat eine lange Karriere von kräftigen Sprüngen in Fettnäpfchen hinter sich, die immer wieder für einen Lacher oder Aufreger gut waren.

Aber nun ist sie einmal zu viel gesprungen, jedenfalls für ZACKBUM. Sie durfte an einem Podium zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Europäischen Parlament sprechen. Das hätte die grünliberale Politikerin besser seinlassen.

In ihrem ewigen Bemühen, gähnlangweiligen Aussagen etwas Pep zu verleihen, rastete sie hier verbal völlig aus. Im Originalton:

«Immer das Gleiche gebetsmühlenartig bei jeder Abstimmung, dann macht das etwas in den Köpfen. Dann wachsen die Kinder in diesem Diskurs, in diesem Narrativ auf. Und ich muss, vielleicht ist das etwas zu krass formuliert, aber das Prinzip ist das selbe wie wenn Putin seit zehn Jahren irgendwelchen Stuss erzählt. Es ist das Ergebnis von jahrzehntelanger Propaganda.»

Ameti geruht hier, die Kritik der SVP an der EU oder dem EuGH mit der Propaganda Putins zu vergleichen. Alle Kontrahenten der «Operation Libero», alle politischen Gegner der Grünliberalen können nur hoffen und beten, dass diese verbale Amokläuferin dort noch möglichst lange ihr Unwesen treibt.

Mit einem solch geschmacklos-schrägen Vergleich, den sie selbst noch als «vielleicht zu krass» einleitet, hat sie sich aber restlos disqualifiziert. «Zbogom» sagt man scheint’s auf Bosnisch, auf Wiedersehen. Auf Nimmerwiedersehen.