Martin Walser †

Zwischen zwei Begegnungen.

Die erste Begegnung mit Martin Walser (24. März 1927 – 28. Juli 2023) fand wohl so Mitte der Siebziger Jahre an der Universität Zürich statt. Walser hatte einen Vortrag gehalten, und in den damaligen, politisch aufgeheizten Zeiten, wo jeder Schriftsteller Bekenntnisse ablegen sollte, sich kritisch zu diesem und jenem äussern müsste, wurde Walser gefragt, wieso er das nicht oder nur sehr selten tue.

«Wenn mir ein Zahn oben links wehtut, dann kann ich nicht über Zahnweh unten rechts schreiben», antwortete er, aus dem Gedächtnis zitiert. Damit setzte er sich natürlich zwischen alle Stühle damals. Das blieb auch sein Lieblingsaufenthaltsort, was ihn durchaus sympathisch machte.

Die letzte Begegnung fand vor zwei Jahren in seinem Haus statt, wo er nach wie vor wie ein Dichterfürst auf dem Stuhl thronte, unterwürfig umsorgt von seiner Frau. Er war immer noch unermüdlich produktiv, erzählte von seinem neusten Projekt, eine Art autobiographisch-erotische Rückblende, inklusive seinen Fantasien und Träumen. Seine Frau schaute leicht angefasst an die Decke.

Geistig da war er nicht mehr ganz, aber weiterhin munter und interessiert, was ihn ungebrochen sympathisch machte.

Da er es nicht mehr hört und mitbekommt, ist hier allerdings der Anlass für ein Geständnis. Seine Werke sind ziemlich spurlos an ZACKBUM vorbeigegangen. Wir gehörten auch nicht dem Fanclub Walsers an, der in der Schweiz von Matthias Ackeret angeführt wird. «Halbzeit», «Ein fliehendes Pferd», später dann seine Romane über das Thema Liebe, nun ja. Sein epischer Streit mit dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki; die beiden verband eine tiefe gegenseitige Antipathie.

Der gnadenlose Kritiker verriss den «Tod eines Kritikers» als «miserable Literatur», als «ein erbärmliches Buch». Dieses Gebalge machte natürlich beide noch bekannter. Die Vorwürfe waren ungerecht. Walser war ohne Zweifel ein Virtuose der deutschen Sprache, ein Schriftsteller, der diesen Namen verdient – im Gegensatz zu heutigen Wortbrockenspuckern wie Lukas Bärfuss oder Dominik Holzer, die vor Besoffenheit an der eigenen Betroffenheit kaum geradeaus laufen, geschweige denn schreiben können.

Allerdings, Walsers Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels war bemerkenswert. Er warnte 1998 davor, den Deutschen immer wieder ihre nationalsozialistische Vergangenheit vorzuhalten, das animiere nicht zum Eingedenken, sondern zum Wegschauen. Auschwitz verkomme so zur «Moralkeule». Dafür wurde er selbst fast gekeult. Aber aus heutiger Sicht, im Zusammenhang mit der Cancel-Kultur, die auch Adolf Muschg mit Auschwitz vergleicht, hatte diese Warnung etwas Hellsichtiges.

Denn jeder Blödkopf, bar jeder historischen Kenntnisse, keift schnell einmal «Nazi» oder «Faschist», wenn er eigentlich einfach «Arschloch» sagen will. Dieser Missbrauch, diese Verhöhnung der Opfer, das ist ein anhaltender, anschwellender Skandal.

Wenn ein durchaus bedeutender Schriftsteller stirbt, kommt die Stunde der Nachrufschreiber. Bei Tamedia hat das Martin Ebel erledigt, der ja einigermassen über das dazu nötige Rüstzeug verfügt. Im Gegensatz zur «Literaturchefin» Nora Zukker. Bei der NZZ darf Martin Krumbholz ran, ein durchaus valabler Nachrufer. Der «Blick» verwendet Daniel Arnet, der sich leider nicht enthalten kann, zunächst mal länglich über sich selbst zu schreiben. CH Media geht mit Bettina und Hansruedi Kugler ans Gerät, nicht ohne dass Patrik Müller auch noch kurz etwas schreiben darf. Richtige Sternstunden der Würdigung von Mensch und Werk sind allerdings nicht dabei.

Im Gegensatz zu den heutigen Modeschreibern hat Walser geschrieben, weil er schreiben musste. Weil das Beruf, Berufung, Trieb, Sucht, Liebe und Bestimmung war. Er hat die deutsche Sprache nicht missbraucht oder vergwaltigt, sondern sie geliebt und mit ihr um die bestmögliche Formulierung gerungen. Somit ist die deutsche Literatur wieder ein Stück ärmer geworden, denn es wächst nicht viel nach.

 

Menschenverachtend

Die Gutmenschen sind Bösmenschen.

«Kevin Spacey im freien Fall. Seit Jahren hat der Schauspieler junge Männer belästigt und genötigt.» Tamedia, November 2017.

«In London laufen polizeiliche Ermittlungen gegen Spacey, der sich einer Sprecherin zufolge in therapeutische Behandlung begeben hat.» Tamedia, Dezember 2017.

«Soeben hat Scotland Yard Ermittlungen gegen Kevin Spacey aufgenommen, der als künstlerischer Leiter des «Old Vic» einen anderen Mann sexuell angegriffen haben sollTamedia, November 2017.

«CNN hatte von acht aktuellen oder früheren Mitarbeitern am Set von «House of Cards» berichtet, die Spacey mit Blick auf sexuelle Annäherungen ein «räuberisches» Verhalten vorwerfen. Sie beschuldigten ihn unter anderem, ein giftiges Arbeitsklima erzeugt zu haben.» Tamedia, November 2017.

«Kevin Spacey hat sich für einen sexuellen Übergriff auf einen 14-Jährigen entschuldigt – und zur Ablenkung sein Coming-out bekannt gegeben.» Tamedia, Oktober 2017.

Vorsicht vor Beschädigungen, Respekt vor der Unschuldsvermutung? Klarer Hinweis darauf, dass es sich um unbewiesene, teilweise Jahrzehnte zurückliegende Anschuldigungen handelt, deren Motivation nicht zuletzt Ruhm- und Geldgier ist?

Ach was. Nun Freispruch auf ganzer Linie in London. Sämtliche Anschuldigungen in den USA hatten sich schon zuvor in Luft aufgelöst. Nein, nicht in Luft. Spacey, einer der begabtesten Schauspieler unserer Zeit, der in «House of Cards» die Rolle seines Lebens gefunden hatte, wurde geächtet, von Hollywood ausgespuckt, aus fertigen Filmen geschnitten, in der Erfolgsserie gefeuert. Er hat sieben Jahre seines Lebens verloren – und all sein Geld, das für Anwälte draufging.

Hört man da bei Tamedia und bei allen anderen Blätter, die die damalige Hetze befeuerten und willig mitmachten, mit dem moralischen Zeigefinger wackelten, Behauptungen als Tatsachen darstellten, hört man da ein leises Wort des Bedauerns, der Entschuldigung gar?

Schlimmer noch, hat man gelernt? Wie der Fall Rammstein beweist: null und nichts wurde gelernt. Dem «Blick» wurde eine Verfügung um die Ohren gehauen, einen Schmierenartikel zu löschen. Selbst die NZZ vergriff sich und schrieb nassforsch vom Sänger als «Täter». Das wurde dann immerhin schnell korrigiert, aber der Fleck bleibt.

Inzwischen gehen Lindemanns Anwälte weiterhin konsequent gegen Kolporteure, Schmierer und Hetzer vor. Dem «Spiegel» – inzwischen einschlägig für solche Unterleibsstorys bekannt – wurden diverse Aussagen verboten. Einer Videobloggerin, die auch die Welle reiten wollte, um bekannter zu werden, wurden diverse kolportierte Aussagen untersagt.

Aber gibt es Anzeichen von Lernfähigkeit? Bei den grossen Medienkonzernen in der Schweiz null. Noch viel weniger bei «Republik», WoZ und Konsorten. Mit einer lobenswerten Ausnahme – wie meist. richtig, natürlich die NZZ.

Claudia Schwartz nimmt sich die Berichterstattung nach dem Freispruch Spaceys vor. Und urteilt so scharf wie richtig:

«Auch am Dienstag hielten manche Medien nicht inne. Freispruch vor Gericht? Das gilt jedenfalls für Prominente wie Kevin Spacey offenbar nicht mehr, ist die Meinung einmal gemacht. «Kein üblicher Verdächtiger» titelte das deutsche Magazin «Stern» wenige Stunden nach Prozessschluss, um dann, fett hervorgehoben, nochmals die Anschuldigungen in voyeuristischen Details aufzuwärmen. Dass Spacey bereits im vergangenen Oktober in einem ersten Zivilprozess von dem Vorwurf freigesprochen worden ist, den damals vierzehnjährigen Schauspieler Anthony Rapp sexuell belästigt zu haben: Wen interessiert’s?»

Schwartz geht noch weiter und sieht Anlass, «sich die Frage zu stellen, wie eine Gesellschaft zugerichtet ist, in der manche die Vorverurteilung höher gewichten als ein gerichtliches Urteil. «Ich verlor meinen Job, ich verlor meinen Ruf, ich verlor alles in nur wenigen Tagen. Noch bevor eine einzige Frage gestellt wurde», sagte Spacey zum Auftakt des Strafprozesses.»

Dann kommt sie zur einzig richtigen Schlussfolgerung: «Die Cancel Culture stösst nicht nur historische Figuren vom Sockel und verbannt Bücher, sondern sie geht – Kevin Spacey ist ein mahnendes Beispiel dafür – ans Lebendige und zerstört in moralischer Überheblichkeit Menschen, Karrieren, Existenzen. Deshalb sollte man auch das Urteil in derzeit diskutierten Fällen wie Til Schweiger oder Till Lindemann den Gerichten überlassen

So gut auch eine Stimme der Vernunft tut: sie geht unter im wilden Gekreisch und Gehetze auf den sozialen Plattformen, wo die Mainstream-Medien aus billigen Gründen mitschwimmen, wo jeder Kurzdenker und Kleinredaktor sich zum moralischen Grossinquisitor aufschwingen kann, vor Entrüstung beben, vorverurteilen – um dann feige zu schweigen.

Das ist verantwortungslos, erbärmlich und ein weiterer der vielen Sargnägel für diese Art von Medien, die keinerlei Mehrwert mehr enthalten. Ausser, Erregungsbewirtschaftung und wohlfeile Vorverurteilungen, das Errichten von Schandmalen, an denen sich das Publikum gütlich tun kann, sei ein Mehrwert.

 

Zentralplus als Innigschweiz

Fortsetzung der Sommer-Serie: «unsere Leichen leben noch».

Das Online-Organ «zentralplus» hatte seinen grossen Medienauftritt, als es die erstaunliche Annäherung von zwei Politikern an einer Landammannfeier in Zug an die Weltöffentlichkeit brachte. Die Folgen sind bekannt, darunter leiden wir noch heute.

In der Eigenbeschreibung sieht sich die Plattform so: «zentralplus ist die News- und Community-Plattform für Luzern und Zug. Wir berichten ehrlich und offen über Themen, die unsere Leser bewegen – hintergründig, kreativ und direkt.»

Das hat dann laut Mediadaten folgende Auswirkungen:

Was genau unter «Nutzer/Monat» zu verstehen ist, denn da gibt es ganz verschiedene Definitionen, verrät die Plattform allerdings nicht. Eine andere Zahl dagegen ist verräterisch:

Das Organ finanziert sich durch Werbung und durch «Möglichmacher». Also durch freiwillige Abonnenten. Deren Zahl liegt bei überschaubaren 503. Es ist zwar schön, wenn man eigentlich jeden zahlenden Gast persönlich kennt, aber nach einer grossen Nachfrage sieht das wirklich nicht aus.

Apropos Landammannfeier, anschliessend verwandelte sich «zentralplus» in ein Megaphon zur Verteidigung der in diese Affäre verwickelten Politikerin. Auch sonst hatte das Organ mit angeblichen Skandalgeschichten nicht so eine glückliche Hand. Eine ortsansässige russische Firma spendete läppische 2’200 Franken an die Zuger Fasnacht. Riesenskandal, wenn man durch eine Lupe blickt.

Dann schauen wir doch mal aktuell, was «zentralplus» so zu bieten hat. «Weltweit» dies:

Niger, Büne Huber, Razzia in Österreich – sagen wir so: bunte Mischung.

Probieren wir es mit «Politik»:

Bereits der Artikel über das Luks ist von brennender Aktualität, nämlich vom 17. Juli. Aber gut, das Organ will ja vor allem regional verwurzelt sein:

Das läuft unter: kann man lesen, muss man nicht lesen. Ein Plus ist nicht wirklich erkennbar. Dazu gibt es noch jede Menge Blogs und weiteres Vermischtes wie «Gewitter», «Restaurant» oder «Wandern».

Hergestellt wird das alles unter den wachsamen Augen des CEO Christian Hug und des Redaktionsleiters Matthias Stadler. Unter ihnen dienen 10 Redakteure, verstärkt durch 3 Verlagsmitarbeiter. Das kostet im Jahr 1,5 Millionen Franken, von denen zwei Drittel in die Inhalte fliessen würden. Davon würde die Hälfte durch Werbung generiert, die andere durch Unterstützer oder «Möglichmacher».

Das ist etwas merkwürdig. Zahlen alle 503 den Minimalbetrag von Fr. 60 pro Jahr, wären das 30’180 Franken. Fehlt noch ein Stück zu 750’000. Würden alle den gehobenen Betrag von Fr. 180 zahlen, wären es auch nur 90’540. Und selbst bei «Du machst das Unmögliche möglich» und 360 Franken wären wir lediglich bei 181’080 Franken.

Entweder kann man davon ausgehen, dass die Innerschweizer ausgesprochen spendenfreudige Zeitgenossen sind und problemlos jährlich eine halbe Million abdrücken. Mindestens. Oder aber, da klafft ein Loch. Oder aber, auch dieses Organ hat einen Sponsor, der viel Geld geerbt hat und sein schlechtes Gewissen damit beruhigen will, dass er es in eine vermeintlich gute Sache verröstet.

«Das Newsportal ging im Januar 2013 online», vermeldet das Organ stolz. Das bedeutet, dass es in den ersten zehn Jahren seiner Existenz gerade mal rund 500 Leser gefunden hat, die bereit sind, sich die Lektüre etwas kosten zu lassen, obwohl es keine Bezahlschranke gibt.

Bei dieser steilen Wachstumskurve dürfte es nicht länger als bis zum Ende dieses Jahrhunderts dauern, dass «zentralplus» genügend Abo-Einnahmen generiert. Auf diesem Weg kann man nur viel Glück, Ausdauer und Geduld wünschen.

Campax keift und keult

Alles rechts von linksradikal ist Nazi.

Campax ist die Rabaukentruppe im Kampagnenunwesen. Adolf Muschg hat zu diesen Gesinnungsbrüdern schon das Nötige gesagt: «Die Canceling Culture, die wir heute haben (…) das ist im Grunde eine Form von Auschwitz.» Das war ein grober Keil auf einen groben Klotz.

Denn Campax, das ist: «Nazi-Fratzen hinter der Folklore-Fassade: Die Freiheitstrychler haben bei der “Friedensdemonstration“ letzten Samstag auf dem Bundesplatz ihr wahres Gesicht gezeigt.» Schwachsinn, geschichtsvergessenes Umdeuten des alten Eidgenossen-Rufs «Harus», der auch von Schweizer Fröntlern verwendet wurde.

Aber damit nicht genug: «Hier klicken und «Kein Postkonto für Faschisten» fordern». Denn die Postfinance stellt den «Freiheitstrychlern», wie jeder nicht verbotenen Organisation, wie auch Campax, ein Konto zur Verfügung. Legal, richtig, erlaubt. Damit outet sich Campax schon mal als antidemokratischer, rechtsstaatsfeindlicher Haufen, der mit den Kampfkeulen «Nazi-Fratzen» und «Faschisten» schnell zur Hand ist. Zum Hohn aller wirklichen Nazi-Opfer.

ZACKBUM fragte beim Mastermind hinter Campax, Andreas Freimüller, nach, ob das ein Ausrutscher eines durchgedrehten Mitarbeiters sei. Nach längerem Schweigen bequemte er sich zur Antwort: «Das ist ein Aufruf von Campax.» Ob er sich von diesem problematischen Inhalt distanziere? «Nein

Bei den Spendenaufrufen verzichtet Campax auf das anerkannte Gütesiegel von Zewo, das die korrekte Verwendung von milden Gaben garantiert. Dazu gab es dann eine originelle Erklärung: «Agiles Handeln (und damit zusammenhängend auch Fundraising) gehört zum Kern der Tätigkeit von Campax. Aus diesem Grund können wir unsere Aktivitäten nicht so steuern, dass es mit den Sammelfenstern der Zewo vereinbar wäre.»

Aber damit nicht genug. Wird ein Artikel im Rahmen der Meinungsfreiheit veröffentlicht, der Campax nicht passt, keift die Plattform in mangelhaftem Deutsch los: mit dem Artikel über eine seriöse Umfrage an ETH und Uni Zürich «wurde zwanghaft probiert irgendwelche antiquierten Rollenbilder zu zementieren».

Es handelte sich um die Berichterstattung über eine wissenschaftliche Untersuchung an ETH und Uni Zürich, deren Ergebnisse Campax nicht passten. Da stieg die Plattmacher-Plattform gleich ganz oben ein:

«Deshalb fordern wir die Familie Coninx und Pietro Supino, den Verwaltungsratspräsident der TX-Group dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, um den journalistischen Standard und die Qualitätssicherung der journalistischen Arbeit zu garantieren.»

Völlig belegfrei behauptete die Hetz-Plattform noch: «Dieser Fall ist nicht der erste von sexistischer, sensationsheischender Berichterstattung. Aber jetzt ist es genug

Langsam zieht der Wahlkampf an, da will auch Campax ihr schwarzes Scherflein dazu beitragen. Wenn eine Bewegung den Boden unter den Füssen verliert, dann wird sie kreischig, hysterisch und masslos. Das zeigt Campax, in deren Vorstand übrigens der Obergrüne Balthasar Glättli sitzt, inzwischen gnadenlos.

«FCK NZS», Strassenslang für «Fuck Nazis», auf das SVP-Schaf montiert, das die FDP und die SVP wegkickt. Als launiger Briefkastenkleber erhältlich. In voller Hässlichkeit:

Witzig ist daran, dass die Post selbstverständlich trotzdem legale Wahlwerbung in die Briefkästen verteilt, die diesen antidemokratischen Kreischkleber tragen.

Inzwischen gibt es eine neue Version mit nacktem Schaf. Das Sujet sei «missverständlich», eierte die Hetzorganisation auf Twitter, nachdem aus der FDP sogar Forderungen nach Strafanzeigen laut wurden.

Missverständlich? Nein, schon wieder in den Nachttopf gegriffen mit der Formulierung. Daran ist überhaupt nichts missverständlich. FDP und SVP werden als Nazi-Parteien denunziert. Aber auch ohne den klimavergiftenden Spruch «FCK NZS» ist der Sticker antidemokratisch. Er fordert dazu auf, sich vor den Wahlen nicht über die politischen Ziele der grössten und der ältesten Partei der Schweiz zu informieren.

Zu den demokratischen Spielregeln gehört aber, dass sich der mündige Bürger, der Wähler umfangreich informieren sollte, welche Ziele die legalen, zur Wahl antreten Parteien verfolgen, damit er sich entscheiden kann, welche er wählen möchte.

Aus diesem Prozess zwei Parteien ausschliessen zu wollen, das ist wahrhaft faschistisch. Denn Faschismus bedeutet in erster Linie Ausgrenzung, Denunzierung des Andersdenkenden. Faschismus bedeutet auch den Verzicht auf jedes Argument, auf Logik, auf Debatte, auf Diskussion. Faschismus bedeutet Schnauze halten, wegtreten, niedermachen, auf jegliche inhaltliche Auseinandersetzung verzichten.

Daher ist die Folgerung aus diesem neuerlichen Fehltritt von Campax klar:

Stoppt Campax! Verklagt Campax.

Alle demokratischen Kräfte sollten sich vereinen, um dieser politischen Terrororganisation den Garaus zu machen. Denn sie vergiftet das ohnehin schon aufgeheizte Klima der demokratischen Debatten.

Hat Campax daraus einen Funken Anstand gelernt? Keinesfalls; im neusten Newsletter heisst es stinkfrech: «Ganz schön was los, seit wir unseren Briefkastenkleber lanciert haben…» Und weiter: «In einem offenen Brief an Thierry Burkart, Präsident der FDP Schweiz, fordern wir ihn dazu auf, den Mut aufzubringen und die Listenverbindungen mit der SVP zu beenden. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass sich die FDP von einer Partei distanziert, die den Klimawandel leugnet, gegen Flüchtende hetzt, Menschen aufgrund ihres Glaubens diskriminiert und Schulen unter Druck setzt, Bildungstage zum Thema Gender abzusagen

ZACKBUM glaubt, dass es richtig ist, Campax endlich in die Schranken zu weisen.

 

Prima Klima

Labor gerettet, Transparenz im Eimer.

Es war wieder betteln à la «Republik». 250’000 Franken her, oder das Klimalabor muss schliessen, drei Nasen verlieren ihren Job. Das Problem war nur: welchen Job? Wäre das Klimalabor wirklich eines, hätte die Mannschaft ein Jahr damit vergeudet, Reagenzgläser von links nach rechts zu schieben, Mikroskope auf- und abzubauen, Pipetten ordentlich in Reihen zu legen und Petrischalen aufeinanderzustapeln. Denn produziert hat das Klimalabor – umweltfreundlich – eigentlich nix, nicht mal heisse Luft.

Im ersten PS des wie üblich ellenlangen NL dann die frohe Botschaft: «Die Finanzierung des Klimalabors ist für ein weiteres Jahr gesichert. Wir werden das erste journalistische Produkt daraus im Spät­herbst lancieren.» Das ist selbst für «Republik»-Verhältnisse brüllend komisch. Ein paar hunderttausend Franken später wird im Herbst das erste Projekt lanciert. Wahnsinn.

Nun mag man sich fragen, wer denn so bescheuert ist, Geld in ein Labor zu stecken, das höchstens an sich selbst herumlaboriert. Dass innert kurzer Zeit die Melkkühe von «Republik»-Fans so viel Kohle aufwerfen, ist ja unwahrscheinlich. Daher: der Dank gelte «diversen Stiftungen und Privatpersonen», behauptet die «Republik».

Das Organ will ja furchtbar transparent und offen sein. Sagt es zumindest. Aber auf die Anfrage des «Klein Report», welche diversen Stiftungen hier ihr Geld verlochen, kommt eine schmallippige Antwort: «Zu den Unterstützer*innen werden wir zu gegebener Zeit informieren.»

Das ist die dummdreiste Standardantwort, wenn nicht geantwortet wird. Sie würde von der «Republik» in der Luft zerrissen werden – stammte sie nicht von ihr selbst.

Aber das ist noch nicht alles vom Klimalabor. Damit sich Spender und Leser die Zeit vertreiben können, gibt es vom digitalen Magazin ein Print-Sonderheft «Klima». So als kleiner Beitrag zur Abholzung von Wäldern im Norden. Wer nun aber meint, hier seien neue Storys versammelt, irrt. Fast alles ist kalter Kaffee, klimafreundliches Rezyklieren von längst veröffentlichten Artikeln.

Brüllend komisch ist ein Ende April bereits digital erschienenes Interview mit drei Klimaklebern. Darunter der inzwischen berüchtigte Sprecher Max Voegtli. Der hier Klimarettendes absondert, um anschliessend in den Flieger nach Paris und dort in den Flieger nach Mexiko zu steigen. Ferien mit der Freundin. Inzwischen trägt er den Übernamen «Depp des Jahres». Selten so gelacht.

Ernster wird es, wenn sich der NL in Orwells Double Speak versucht. Zunächst ist ja über die Wahlen von vier Pensionären in den Vorstand der Genossenschaft zu berichten. Gratulation, sie kamen mit nordkoreanischen rund 99 Prozent Ja zu ihrem Amt. Was die «Republik» wohl zu einem solchen Wahlergebnis sagen würde – wäre es nicht ihr eigenes?

Ach, und dann wurde noch schnell eine «ausserordentliche Generalversammlung» abgehalten und die gleichen vier Rentner in den VR der «Republik» gewählt. Das gibt’s nicht mal in Nordkorea.

Dann wird’s richtig zynisch: «Zu unserem grossen Bedauern ist aber auch Zeit für Abschied.» Zunächst von der Präsidentin des VR und auch von einem gewissen Alfonso von Wunschheim, bei dem nicht mal das «von» echt zu sein scheint.

Dann wird übergeleitet zu «in der Crew»; es folgen von Krokodilstränen begleitet fünf Namen. Abgerundet mit einer Schleimspur: «Es ist traurig, dass das Wort «danken» nicht länger, farbiger, umfassender, umwerfender ist – dann würde es Euch gerechter werden. Wir danken und vermissen Euch!»

Statt «Zeit für Abschied» wäre die ehrliche und transparente Wahrheit: die «Republik» hat diese fünf gefeuert – plus weitere drei, wenn man dem Magazin noch ein Wort glauben darf, die hier nicht erwähnt werden.

Das untätige Klimalabor ist dank erbettelter 250’000 Franken «gerettet». Im Herbst wird es dann vielleicht mal irgend etwas laborieren. Woher die Kohle kommt? Pfeif auf Transparenz, zu «gegebenem Zeitpunkt» sagen wir mal was dazu. Vielleicht. Eine Rentnerband der Einfachheit halber in Genossenschaftsvorstand und VR der AG gewählt. Mit nordkoreanischem Ergebnis. 5 Gefeuerten nette Worte nachgeschleimt.

Das soll der aufrechte, transparente, unabhängige, die Demokratie rettende Stil sein? Da bleibt nur eine Frage: wieso merken die nicht, wie unvorstellbar lächerlich sie sich mit solchem Geschwafel machen?

Hitzestau

Heiss, heisser, am heissesten.

Das Problem einer Kampagne ist immer: irgendwann gehen die Superlative aus. Und der Bezug zur Realität völlig verloren.

Die Hitzekampagne ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Seit Tagen wechseln wärmere Stunden mit wirklich kalten ab. Man muss nicht in den Hochalpen wohnen, um erfreut festzustellen, dass das Badezimmer am Morgen angenehm warm ist. Weil die Heizung eingeschaltet wurde.

Aber von solchen Nebensächlichkeiten soll man sich bekanntlich keine schöne Kampagne kaputtmachen lassen, sagt sich Tamedia (als Beispiel, der «Blick» ist schlimmer, CH Media weniger schlimm, aber auch):

«Seit Beginn der Aufzeichnungen», das ist gut, aber nicht gut genug. «Seit Jahrtausenden» ist schon besser. Aber der «jemals gemessene Juli» ist am besten. Oder man kann es auch so formulieren:

«Über die Wetteraufzeichnungen hinaus deuteten Befunde an Baumringen und in Eiskernen darauf hin, dass die aktuellen Temperaturen «in unserer Geschichte in den vergangenen tausend Jahren beispiellos» seien, fügte Buontempo hinzu. Dies gelte «wahrscheinlich» sogar für die vergangenen 100’000 Jahre.»

100’000 Jahre, das ist doch mal eine Strecke. Auch der UN-Generalsekretär ruft sich mal wieder in Erinnerung: «António Guterres erklärte in New York: «Die Ära der globalen Erwärmung hat geendet, die Ära des globalen Brodelns hat begonnen.» Er rief die internationale Gemeinschaft zu schnellem und radikalem Gegensteuern auf.»

Nun will sich ZACKBUM keinesfalls aufs Glatteis (oh, falsches Bild) der Debatte begeben, ob es den Klimawandel gibt, wenn ja, ob er menschengemacht und schädlich sei – oder nicht. Aber unsere Aufgabe ist die Medienkritik. Bei solchen Langfristangaben schwingt immer eine gute Portion Lächerlichkeit mit. Aber das ist halt Sauregurkenzeit im Journalismus, da greift der Redaktor gerne nach jedem SDA-Strohhalm und fackelt ihn dann gebührend ab.

Noch einen Tick absurder wird’s beim Wetterbericht. Also nicht bei jedem, sondern bei dem von SRF. Da hat Kurt W. Zimmermann in seiner WeWo-Kolumne einen hübschen Skandal offengelegt. Nein, dafür musste er nichts aufpumpen oder behaupten oder erfinden. Sondern schlichtweg die Temperaturprognosen von SRF-Meteo mit den Prognosen von Mitbewerbern vergleichen. Und da wird’s dann affenheiss:

Was das ist? Eben ein Skandal. Die erste Kolumne zeigt die tatsächliche Temperatur an diesen Orten am Dienstag dieser Woche. Die zweite die Prognose von SRF, die dritte von Kachelmannwetter und die vierte von der Benchmark «The Weather Channel». Fällt da etwas auf? Nein, na, dann probieren wir es hier nochmal, Zimmi sei Dank:

Ausser vielleicht, Sie sind SRF-Meteorologe, räumen Sie nun sicher ein: hm. Was für ein Zufall auch. SRF Meteo liegt immer, ausnahmslos, um bis zu 7 Grad über den tatsächlich gemessenen Werten. 7 Grad!

Nun könnte man noch einwenden, dass das halt sauschwierig sei, die Temperatur vorherzusagen. Das kann aber auch nicht stimmen, weil es Kachelmann und dem Weather Channel regelmässig gelingt, ziemlich genau die wirklichen Temperaturen zu treffen.

Natürlich weist der von Zimmermann dazu befragte Chef des vielköpfigen Wetterteams von SRF den «politischen Verdacht» als «absurd» zurück. Das sei alles vollautomatisch, man könne die Algorithmen gar nicht beeinflussen, behauptet Thomas Bucheli.

Der böse Verdacht von Zimmi ist natürlich, dass es sich hier um eine rot-grün motivierte Manipulation handle. Entweder verwenden Kachelmann und der Wetterkanal einfach viel bessere Berechnungsmethoden als der im Geld schwimmende Zwangsgebührensender. Oder aber, SRF verwendet Methoden, die nicht korrekt sind.

Merkwürdig ist dabei tatsächlich, dass das keinem der vielen SRF-Meteorologen auffällt. Diese gewaltigen Temperaturunterschiede, das ist doch etwa so, wie wenn Meteo regelmässig Starkregen mit Hagelschlag ankündigen würde. Und dann tröpfelt es etwas vom Himmel. Was andere Wetterdienste völlig korrekt vorhersagten.

Das lässt eigentlich nur drei Möglichkeiten offen. Entweder sind die Staats-Meteorologen schlichtweg unfähig und verwenden untaugliche Methoden. Das wäre hässlich. Oder aber, sie schrauben absichtlich und konsequent die prognostizierten Temperaturen nach oben. Das wäre noch hässlicher. Oder aber, sie wissen darum, dass sie ständig danebenliegen, die Konkurrenz hingegen nicht, es ist ihnen aber einfach egal. Das wäre am hässlichsten, was auch eine Steigerung bis zum Superlativ ist.

Abziehender Nebel

Ein Chefredaktor ist noch kein Unternehmer.

ZACKBUM hat eine hohe Meinung von Markus Somm als Chefredaktor. Als er bei der «Basler Zeitung» am Gerät war, konnte René Zeyer dort Artikel veröffentlichen, die im heutigen Weichspülerjournalismus undenkbar wären. Frontalangriffe auf die Credit Suisse, eine Serie über die Räuberhöhle Liechtenstein, und so weiter.

Da sah man rote Köpfe, es trudelten die üblichen Drohschreiben der üblichen Anwaltskanzleien ein – Somm kümmert das nicht; er vertraute darauf, dass der Autor wusste, was geht und wo die Grenzen liegen. Zu recht. Kaum war Somm weg, war es fertig mit der BaZ.

Dass der von Somm bewunderte Christoph Blocher die BaZ verkaufte und sich stattdessen ein Gratiszeitungs-Imperium im Printbereich zulegte – niemand ist vor Fehlentscheidungen gefeit.

Dann gelang es Somm, mit einer kühnen Idee immerhin rund 80 Investoren dazu zu bringen, je 100’000 Franken lockerzumachen. er selbst investierte natürlich auch. Aber selbst bei oberflächlicher Betrachtung von aussen kamen schwere Zweifel, ob das eine gute Idee sei.

Angefangen beim Namen «Nebelspalter», dazu die kreuzfalsche Wahl eines vermeintlichen Gurus, der ältere Herren ohne grosse Ahnung vom Internet flachquatschte. Ein teures proprietäres CMS bastelte, anstatt Open Source zu verwenden, als Geschäftsführer und Inserateverantwortlicher krachend versagte. Eine Paywall-Fixierung in Absurdistan. Nichts gratis, keine Versucherli, Content kostet, wir haben nix zu verschenken, war die Devise. Völlig beratungsresistent war Somm dann auch noch. Ein Crack auf diesen Gebieten mit Leistungsausweis schied im Krach und hat noch Rechnungen offen.

Dazu die üblichen Start-up-Dummheiten. Zu schnell und zu gross aufgeblasene Payroll, unübersichtliche Strukturen, teure Büros, verkniffenes Schweigen gegen aussen über die Zahlen. ZACKBUM veröffentlichte als Erster, dass es jämmerliche 4000 Abonnenten waren, die über die Monate zusammenkamen. Schlimmer noch: ausser Philipp Gut schaffte niemand einen Primeur, einen Knaller, eine Geschichte, die von den Medien aufgenommen werden musste.

ZACKBUM hat mehrfach und ausführlich und besorgt kritisiert. Denn eine dritte kompetente Stimme aus dem konservativ-liberalen Lager täte der Schweiz gut. Aber eine runde Million Startkapital ist schneller verröstet, als es sich der Möchtegern-Unternehmer so vorstellt.

Inzwischen sollen es rund 4500 Abonnenten sein. Nicht nichts, aber weit entfernt von einer tragfähigen Basis. Zweieinhalb Jahre nach dem Start ist die Zwischenbilanz bitter. Rund 800’000 Franken Aboeinnahmen, läppische Inserate, ein wenig schlapper «Sponsored Content», von den vielen, sehr vielen Werbemöglichkeiten macht nach wie vor kaum einer Gebrauch. Kein Wunder, es geht nicht nur um den TKP, sondern vor allem um den Traffic, und der ist weiter so dünn, dass keine Zahlen veröffentlicht werden.

Hinzu kommt: you never get a second chance to make a first impression. Man kann das alles zuquatschen, Fehler machen gehöre dazu, man lerne, man werde besser. Die Wahrheit ist: viel zu spät wurde das Ruder herumgerissen. Der unfähige IT-Mensch, Geschäftsführer und Werbeverantwortliche gefeuert. Nachdem Unsummen verballert wurden. Die Work Force wurde radikal und brutal geschrumpft. Sichtbar sind eigentlich nur Markus Somm, Dominik Feusi, dazu ein wenig Axel Reichmuth oder Daniel Wahl.

Das Impressum zählt immer noch 12 Redaktoren, dazu neun «ständige Mitarbeiter». Als Reputationsmanagement leistet man sich tatsächlich noch eine «Assistentin der Chefredaktion». Das ist ungefähr so lächerlich wie die «Stabsstelle Chefredaktion» der «Republik».

Eigentlich wäre ja die Brainpower vorhanden. Konrad Hummler ist der Präsident des Verwaltungsrats, dazu Sandro Rüegger. Ob der auch nicht mehr so neue «Geschäftsführer und Verkauf» Christian Keller bislang was gewuppt hat, lässt sich von aussen schwer beurteilen. Er legte die Axt an die auswuchernde Payroll, wobei es dem Vernehmen nach zu eher unschönen Abgängen kam. Aber sonst?

Somm sagte unlängst: «Die 80 Investoren wollen ein Medium, das aufrüttelt.» Aber stattdessen wird einfach durchgeschüttelt. Kosten gespart, strikte Paywall gespült, schon wieder ein neuer Webauftritt, dazu schon wieder eine Werbekampagne. Dazu so originelle Sachen wie Werbevorspann vor dem Artikel – oder zahlen. Also alles das neu durchdeklinieren, was andere schon längst probieren.

Aber das alles ist ja Kosmetik. Sogar die «Republik» schaffte es gelegentlich, mit aufgeblasenen Skandalen die Reichweite zu erhöhen. Dass die dann zusammenfielen wie Soufflees, das ist halt der Unfähigkeit der dortigen Schreibkräfte zuzuschreiben.

Andere Geschäftsleitung, alles Geld schon wieder in den Ofen schieben, das für das erste Redesign ausgegeben wurde, als man einsah, dass der Seitenauftritt und das teure CMS schlicht und einfach Schrott waren. Nun zum dritten Mal neu.

Auch das wird in die Hose gehen, und dann werden die Investoren wohl ernsthaft darüber nachdenken, ob sie schlechtem Geld weiter gutes hinterherwerfen wollen. Nach zweieinhalb Jahren kann man schlecht wiederholen, dass man halt noch am Üben sei.

Was es bräuchte, sind keine Ankündigungen oder selbstkritischen Worte. Sondern die Einsicht, dass Somm als Unternehmer und als Chefredaktor versagt hat. Er schreibt zwar mengenmässig wie ein Weltmeister und bereichert mit seiner Fistelstimme jede Talkrunde, die nicht die Türen vor ihm verrammelt.

Aber was es wirklich bräuchte, wäre Content. Content wie Primeur, wie Skandal, wie «kann man nicht übersehen». Content wie «darüber spricht man in der Öffentlichkeit». Content wie: «an dieser Analyse kommt man nicht vorbei». Aber wer sich schreiberisch und verbal so verausgabt wie Somm, der hat dann keine Zeit mehr, sich um das Wichtigste zu kümmern, was ein Chefredaktor tun sollte: Themen setzen, für Resonanz sorgen, harte Recherchen ansetzen, für Trouble sorgen (lassen). Und auch wichtig: die Abläufe im Griff behalten. Da muss zeitweise ein tolles Chaos geherrscht haben.

Mit einem Wort: Bestandteil des politischen Diskurses werden, an dem man schlecht vorbeikommt. Das muss halt kantig und provokativ, aber gut sein. Denn freiwillig würde Tamedia niemals, CH Media nur bedingt und die NZZ nur im Ernstfall etwas aufnehmen, was der «Nebelspalter» enthüllt hat.

Ach, und nur so als Anregung. Elon Musk traut sich, Logo und Namen von Twitter zu ändern. Kann in die Hose gehen, muss aber nicht. Hier wäre es ein klares Signal, dass man es wirklich nochmal wissen will, wenn man sich vom Namen «Nebelspalter» trennte. Man kann aus einem gehobenem, etwas angestaubten Witzblatt kein scharfes Politmagazin machen – unter dem gleichen Namen.

Das ist bereits ein Grundlagenirrtum. Und wenn ein Geschäft, eine Firma auf so was aufbaut, dann ist sie – bedauerlich, aber unvermeidlich – zum Untergang verurteilt.

 

 

Kopieren statt recherchieren

Auch «watson» leidet unter dem Sommerloch.

Der Grossanalyst und Weltstratege Philipp Löpfe präsentiert dem staunenden Leser einen Fund:

Schon der Titel des Kopierstücks ist, nun ja, angelehnt. Denn das Buch, das Löpfe hier nacherzählt, heisst «Der Sozialist vom Paradeplatz».

Nun muss ein Journalist ja nicht unbedingt originell sein. Es reicht manchmal auch, dass er aufmerksam andere Zeitungen liest.

Oder ist es gar so, dass sich Löpfe von ZACKBUM inspirieren lässt?

Man könnte hier vielleicht von Gebrauchsleihe sprechen. Wir wollen hingegen durchaus ein Lob aussprechen. Wenn Löpfe einem Gastbeitrag des Buchautors Urs Hafner in der NZZ nachschreibt, tut er etwas nicht: er «analysiert» nicht selbst das Weltgeschehen, die Geschichte, die Wirtschaft oder was auch immer nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Das ist eine Wohltat, für die man nicht genug danken kann.

Durchaus mehr Brainfood enthält normalerweise die «Weltwoche». Nein, das muss ZACKBUM nicht sagen, weil Redaktor René Zeyer gelegentlich auch dort publiziert. Aber hier fragen wir uns auch, wer das Huhn und wer das Ei ist:

Das ist sozusagen das Ei, und brav gackert die WeWo:

Man ist sich bekanntlich uneins, ob Neid (Wilhelm Busch oder Arthur Schopenhauer) oder Nachahmung (Oscar Wilde) die aufrichtigste Form der Anerkennung sei.

 

Kevin Spacey: unschuldig

Dennoch hat der Schauspieler «alles verloren».

Der zweifache Oscar-Preisträger hatte in «House of Cards» die Rolle seines Lebens gefunden. Frank Underwood katapultierte die Darstellung eines skrupellosen, aber gefühlvollen und genialischen Politikers in eine neue Dimension, die alles hinter sich liess, was in diesem reichen Genre vorher existierte.

2017 endete das alles abrupt, als im Rahmen der aufkommenden #metoo-Bewegung Vorwürfe über sexuelle Übergriffe gegen den homosexuellen Spacey bekannt wurden. Netflix beendete sofort die Zusammenarbeit, Spacey wurde sogar aus einem bereits fertig abgedrehten Film herausgeschnitten. «Alles Geld der Welt» wurde von Ridley Scott mit Christopher Plummer an Stelle von Spacey nachgedreht, ein grosser schmutziger Fleck auf der Weste dieses ansonsten genialen Regisseurs.

Die ersten Vorwürfe lagen 30 Jahre zurück; schnell meldeten sich weitere angebliche Opfer. Nicht nur in den USA, auch in England wurden Vorwürfe erhoben, da Spacey einige Jahre künstlerischer Direktor des «Old Vic» Theaters in London gewesen war.

In den darauffolgenden Jahren bekam Spacey keine Gelegenheit mehr, sein überragendes schauspielerisches Talent unter Beweis zu stellen. Er wurde zum Posterboy der #metoo-Bewegung, neben dem verurteilten Sexualstraftäter Harvey Weinstein wurde er als zweites, noch nicht verurteiltes Monster durch den Dreck gezogen. Wie bei solchen Anschuldigungen bis heute üblich, wurde auf die Unschuldsvermutung gespuckt.

2020 reichte ein angebliches Opfer Strafanzeige ein, wegen eines Vorfalls, der sich 1986 ereignet haben sollte. Sie wurde mangels Beweisen abgeschmettert. Dann fordere es in einem Zivilprozess 40 Millionen Dollar Schmerzensgeld. Abgeschmettert. Sämtliche weitere Klagen oder Anschuldigungen in den USA waren substanzlos.

Daraufhin konzentrierte sich die Meute der Vorverurteiler auf den Prozess in England. Hier habe der Schauspieler sicherlich nicht den gleichen Einfluss wie in den USA, hier werde endlich die Gerechtigkeit siegen, ein weiteres übergriffiges Monster werde seine gerechte Strafe erhalten.

Freispruch auf ganzer Linie.

Aber die ungerechte Strafe hat Spacey schon längst bekommen. Sieben Jahre Schauspielerleben gestohlen. Vom Olymp des angesehenen Hollywood-Stars in die Hölle des Sexualtäters. Horrende Kosten, kaum Einnahmen. Alle Prozesse gewonnen, alles verloren.

All diese pathetischen Weiber und ihre schleimigen Helfershelfer in den Gazetten, die sich das Maul zerreissen, aber nie vergessen, scheinheilig «es gilt die Unschuldsvermutung» dazuzuschmieren, all die kommen wieder mal straflos davon.

Schon wieder einen Unschuldigen erledigt, durch den Schlamm gezogen, erniedrigt, vorverurteilt. Mal eine Einsicht, eine geknirscht Entschuldigung, eine Selbstreflexion, dass es im öffentlichen Diskurs doch nicht so weitergehen darf? Wo jeder Mann gekeult werden kann, wenn es irgend jemandem einfällt, von einer Kussattacke von vor unzähligen Jahren zu schwadronieren, mit der frau aber erst heute an die Öffentlichkeit gehen könne, weil so traumatisiert. Aber leider ist alles verjährt, und oh Schreck, die sorgfältige Untersuchung des Vorfalls erweist: nichts dran, nicht belegbar, alles Unsinn, alles eine miese Masche, um in die Schlagzeilen zu kommen.

Dagegen ist nach wie vor kein Kraut gewachsen. Aber immerhin mehren sich die Stimmen, die ein Ende von diesen Hetzjagden fordern. Und vor allem, dass willige Helfershelfer in den Medien endlich in die Schranken gewiesen, abgemahnt und dann entlassen werden.

Wir könnten hier gerne Namen nennen, aber die Prozesskasse ist leider gerade leer.

«Hauptstadt»? Bern.

Eben. Weitere Folge der Serie «Unsere Leichen leben noch».

Die Idee war naheliegend. Als Tamedia mal wieder eines seiner Versprechen brach und die Redaktionen von «Berner Zeitung» und «Der Bund» weitgehend zusammenlegte (die beiden Organe unterscheiden sich heute durch den Abopreis und dass in der BZ Hebeisen schreibt), sollte eine Alternative entstehen.

Schon ein Jahr später war es so weit. Am 7. März 2022 ging’s mit der «Hauptstadt» los. Der hohe Anspruch: mit zehn Nasen pro Tag einen Artikel rauspusten. Kleiner Dreisatz: wie viele Mitarbeiter bräuchte die «Hauptstadt», um auf den Output von ZACKBUM zu kommen?

Heute sind es auf jeden Fall 13 Mitarbeiter, Pardon, Mitarbeitende, die sich nach wie vor 5 Vollzeitstellen und ein Praktikum teilen. Sie ist nach wie vor werbefrei und «mehrheitlich leser*innenfinanziert». Das Online-Magazin ist im Netzwerk von we.publish. Dort trifft es sich mit «bajour», «Tsüri» und «Kultz». «Kultz» bettelt gerade um 300 neue Zahler, sonst sei dann mal Ende Gelände. «bajour» wird von einer reichen Mäzenin ausgehalten. Passt.

Nach vier Jahren soll keine «Anschubfinanzierung von Stiftungen und Privaten» mehr nötig sein. Falls doch, «bajour» fragen. «Kultz» eher weniger fragen.

Aber wichtiger als all das ist natürlich der Inhalt. Nun ist das gerade ein etwas blöder Moment dafür:

Verständlich, dass nach der übermenschlichen Anstrengung, pro Tag die Welt mit einem Artikel zu überraschen, mal drei Wochen Füssehochlegen angesagt ist. Hoffentlich ohne Flugscham.

Aber zuvor, mit welchen heissen News vermochte die «Hauptstadt» zu punkten? Nebenbei: Das Organ ist ja nicht ganz alleine auf dem Platz, es gibt das «Megafon» und «Journal B». Aber die haben natürlich nicht solche Hammerthemen:

Da hat einer in Wabern einen Verlag gekauft, der das Gratisblatt «Könizer Zeitung» herausgibt. Und will «hinter Bund und BZ zur Nummer drei werden». Diesen Anspruch hat die «Hauptstadt» realistischerweise nicht.

Womit punktet sie denn noch so?

Ba, Ba, Ballenberg. Immer wieder gut, wenn Not herrscht. Jetzt aber mal ernsthaft, wo ist denn der Content?

Nein, hier versteckt er sich auch nicht. Dann vielleicht «SP legt Finanzen offen»? Nun ja, die News haben andere herausgekitzelt, hier wird einfach nachgeschrieben. Oder dann das hier? «Abgewiesene Asylsuchende können im Kanton Bern bei Privaten wohnen. Eine Gesetzesänderung sollte ihre Situation verbessern. Doch Gäste und Gastfamilien erleben das Gegenteil.» Gut, das kann man gelten lassen.

Aber so als monatlicher Ausstoss, für 120 Franken Jahres- oder 240 Franken Gönnerabo? Oder gar das «Gönner-Abo Plus» für 600? Oder doch lieber «Ich kann mir das Abo nicht leisten, möchte aber gerne nach meinen Möglichkeiten für das Abo bezahlen»? Da kann man immerhin mit 1 Franken anfangen, das scheint eine realistische Einschätzung des Gegenwerts zu sein.

Man sei inzwischen bei knapp über 4000 Abos, vermeldete die «Hauptstadt» nach neun Monaten. Nach einem Jahr waren es dann noch 2650 «aktive Abos». Leider betrage die Erneuerungsrate nur 55 Prozent. Frohgemut wurde verkündet, dass man «weiter und nachhaltig wachsen wolle». Das nennt man wohl negatives Wachstum, das ist nie nachhaltig. Es wurde auch eingeräumt, dass man «leicht unter dem Businessplan» liege.

Das ist schönster Business-Bullshit. Eigentlich will man 6000 Abos nach vier Jahren. Nach einem Jahr hat man die Zahl fast halbiert. Läuft also super. Da kann man beruhigt mal in die Ferien gehen. Hat man nach dem Start schliesslich auch schon gemacht. «Nume nid gsprängt», sagt man zu Bern gerne. Auch auf dem Weg zum Friedhof.