Upscaling und Downgrading

Hochpumpen und Wertigkeit runtersetzen. Interessante Methoden.

Die in letzter Zeit etwas einfallslose Uhrenmarke Swatch hat eine Idee gehabt. Sie stellte eine Plastikversion der Omega-Kult-Uhr «Moonwatch» her. Das Original-Teil kostet von 6500 Franken aufwärts, die Kopie schlappe 250 Franken.

Die Idee ist wirklich originell, denn normalerweise versuchen Prestigemarken wie Omega, die Wertigkeit und Einmaligkeit ihrer Produkte zu stützen. Denn nur so können sie absurde Preise dafür verlangen, dass sie auf ein Billigkaliber, das unter Brüdern für 80 Franken zu haben ist, ein paar Komplikationen draufschrauben, in ein edles Gewand kleiden und für ein paar tausend an die Kundschaft bringen.

Nun hat Swatch den Vorteil, dass nicht nur Omega zum gleichen Konzern gehört, sich also gegen diesen Übergriff schlecht wehren kann. Es ist aber tatsächlich ein grossartiger Marketing-Gag; wie weiland bei Apple-Produkten bildeten sich am Erstverkaufstag lange Schlangen vor den Swatch-Läden, die auch Wochen und Monate nach der Lancierung nicht viel kürzer wurden.

Was ist besser als eine einmalige Aktion? Klar, die Wiederholung der Aktion. Natürlich muss etwas variiert werden, als vergreift sich Swatch diesmal an einer weiteren Nobelmarke des Konzern, an Blancpain.

Die Taucheruhr gibt’s auch ab 6500 Franken, in Sonderedition kann das auch bis zu 25’000 hochschnellen, wenn man sie bei Weissbrot kauft. In der Swatch-Ausgabe soll sie dann 400 Franken kosten. Dafür gibt’s dann aber auch kein Quarzgeknödel, sondern ein mechanisches Uhrwerk und Wasserdichte bis 90 Meter. Und tiefer dürfte ja wohl der normale Swatch-Kunde eher selten tauchen, abgesehen davon, dass die Tauchgänge zur Titanic momentan unterbrochen sind.

Das ist also ein gelungenes Beispiel für Downgrading.

Nun kommen wir zu einem misslungenen Beispiel von Upscaling. Die Rede ist für einmal nicht von Fabian Molina. Auch nicht von Sanija wie heisst sie doch gleich. Auch Kovic kommt erstaunlicherweise nicht vor, auch nicht Regula Stämpfli, ebensowenig wie andere Nullnummern. Denn schon wieder ist die Rede von Cédric Wermuth.

ZACKBUM ist so froh, dass Helmut Hubacher das nicht mehr erleben muss. Denn dem Mann tut die völlige Abwesenheit einer sinnvollen Tätigkeit nicht gut. Überhaupt nicht gut. In der Talkshow von Roger Schawinski tastete Wermuth nämlich mal das Terrain ab. Er will in Konkurrenz mit Molina und Funiciello treten. Jawohl, er schliesse nämlich eine Kandidatur zum Abwart, Pardon, zum Bundesrat, nicht aus.

Während aber Molina und Funiciello und Jositsch ohne Wenn und Aber mit diesem Gedanken spielen oder gar schon angetreten sind, ist Wermuth geschickter. Er macht seine Entscheidung vom Ausgang der Nationalratswahlen abhängig. Geht er als grosser Sieger ins Ziel, der den Stimmenanteil der SP deutlich vergrössert hat, rechnet er sich gewisse Chancen aus. Schliesslich hat er in den letzten Monaten sichtbar an seinem Markenkern gearbeitet. Akkurat geschnittener Bart, dunkles Jacket über weissem Hemd oder Pullover, natürlich locker leger niemals mit Krawatte. Gesichtsausdruck vor dem Spiegel eingeübt. Sympathisch lächelnd oder staatsmännisch besorgt, nicht mehr verkniffen oder übellaunig.

Das nennt man Upscaling. Damit werden kleine Formate auf Breitleinwand gepimpt. Auch Frösche beherrschen diesen Trick, wenn sie ihr Blähsäcke aufpumpen, um an Format zu gewinnen.

Allerdings gibt es bei Wermuth ein Problem. Aufblähen ist gut, aber auch der Frosch schnurrt wieder zur früheren Form zusammen, wenn  die Luft draussen ist. Oder auf die Politik übertragen: natürlich herrscht im Bundesrat das Prinzip Mittelmass. Aber ein gewisses Minimum an Kenntnissen, Fähigkeiten, politischem Wissen, Bildung und Prinzipien sollte man schon mitbringen.

Sonst wirkt das so, als ob eine Swatch ernsthaft eine Omega oder eine Blancpain sein möchte. Und da ist es dann sogar vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein kleiner Schritt. Wobei Wermuth alles andere als erhaben ist.

Darf man doch wohl noch sagen

Der Phantom-Reporter Eigenmann denkt laut.

Einer der ganz wenigen überlebenden Tamedia-Korrespondenten machte sich vor Kurzem mit einer sogenannten Reportage lächerlich. Denn er wollte aus einer «AfD-Hochburg» berichten, nämlich aus Erfurt. Es ist durchaus möglich, dass er auf Redaktionsspesen dort war. Sicher ist das aber nicht, gemerkt hat man davon bei seiner Sammlung von ausgewählten Zitaten ganzer drei Personen nichts.

ZACKBUM urteilte: Wenn es bei Tamedia noch eine funktionierende Qualitätskontrolle gäbe, wäre dieses elende und ellenlange Stück niemals dem zahlenden und fluchenden Leser serviert worden.

Nun macht sich Eigenmann, in seiner sicheren Schreibstube in Berlin, mal so seine Gedanken. Wenn man schon keine Reportage aus einer AfD-Hochburg hinkriegt, sollte man dann die Partei nicht gleich verbieten? Man darf doch wohl noch fragen.

Zur Einstimmung der Frage holzt Eigenmann gleich los: «Aus dem Hintergrund dirigiert vom Faschisten Björn Höcke und radikaler als je zuvor, steht sie in den Umfragen höher denn je.» Das ist ja furchtbar. Nun könnte sich ein wirklicher Denker mit der Frage befassen, wieso eigentlich bis zu 35 Prozent der Deutschen in einigen Bundesländern die AfD mitsamt dem Faschisten Höcke wählen wollen.

Aber dafür müsste man sich mit deren Parteiprogramm, dem Versagen der Altparteien, dem allgemeinen und speziellen Zustand Deutschlands, der maroden Infrastruktur, der Clan-Kriminalität, der Willkommenskultur für Flüchtlinge und der Verarschungskultur für Empfänger von «Bürgergeld» beschäftigen.

Aber das wäre dann doch etwas zu viel verlangt von einem einsamen Korrespondenten, der weder eine Reportage, noch interessantes Nachdenken hinkriegt. Also behauptet er: «In dieser Stimmung hat eine Debatte begonnen, die um eine einfache Frage kreist: Soll, kann, muss man die Alternative für Deutschland verbieten

Nein, die Debatte hat nicht in dieser Stimmung begonnen, die gibt es schon, seit es die AfD gibt. Und es gibt Stimmen in dieser Stimmung, die das tatsächlich befürworten. Dazu gehören Politiker auf dem absteigenden Ast wie die Vorsitzende der SPD Saskia Esken. Oder Nachrichtenmagazine auf dem absteigenden Ast wie der «Spiegel». Und natürlich Heribert Prantl von der »Süddeutschen Zeitung», der gute Mensch vom Dienst.

Eigenmann weist darauf hin, dass es das deutsche Grundgesetz, das eigentlich schon längst von einer Verfassung hätte abgelöst werden sollen, das Verbot sogenannter verfassungswidriger Parteien erlaube. Das letzte Mal traf dieses Verbot 1956 die Kommunistische Partei, der man nun kaum vorwerfen kann, faschistisch gewesen zu sein. Zwei Versuche, die NPD zu verbieten, scheiterten vor dem Bundesverfassungsgericht.

Mangels gesicherter Grundlage rudert nun Eigenmann an die Entscheidung heran, ob man die AfD verbieten solle, verbieten könne. Als Indiz führt er an, dass «ein Drittel der 30’000 Mitglieder als rechtsextrem» gelte. Schlimmer noch: «Viele arbeiteten zwar zumindest verbal auf einen Umsturz in Deutschland hin – aber nicht alle.» Vielleicht ist Eigenmann da etwas mit den Reichsbürgern oder den Identitären oder so durcheinandergeraten.

Was könnte man noch anführen? «Vor allem die rabiate Feindlichkeit gegen Eingewanderte verstösst nach Ansicht von Verfassungsschutz und -gericht grundlegend gegen das Gebot der Menschenwürde.» Müsste das nicht Einwandernde heissen? Egal. Wie menschenwürdig in Deutschland Prekariatsmitglieder ganz allgemein, Staatsbürger, die in von Clans beherrschten marginalisierten Quartieren leben, ganz speziell behandelt werden, müsste auch einmal hinterfragt werden, und ob das nicht auch gegen das Gebot der Menschenwürde verstosse. Man wird ja noch fragen dürfen.

Aber dann kommt Eigenmann zu einem ernüchternden Schluss: «Die meisten Fachleute warnen aber vor den immensen Risiken eines solchen Schritts.» Eigenmann zeigt sogar Ansätze zu eigenständigem Denken: Politisch wiederum liesse sich der Vorwurf schwer entkräften, hier wollten etablierte Parteien einfach einen unbequemen Konkurrenten loswerden.

Schliesslich seien ja auch ohne AfD noch die AfD-Wähler da, schliesst Eigenmann seinen Exkurs ins Sagbare, aber eigentlich Unsägliche ab. Wenn es also aus verschiedenen und guten Gründen überhaupt keinen Sinn macht, die AfD verbieten zu wollen: wieso stellt Eigenmann dann diese Frage in den Raum?

Die Vermutung sei gewagt: weil er sich weder an Reportagen noch an richtige Denkstücke herantraut, sondern einfach ein wenig vor sich hinplappern will. Nach der Devise: nimm das, Leser, du bist mir hilflos ausgeliefert. Allerdings nur so lange, wie es überhaupt noch Masochisten gibt, die dafür auch noch zahlen.

 

 

 

Der Monstertöter vom Dienst

Die angeblich neoliberale NZZ wird richtig böse.

Zuerst traut man seinen Augen nicht. Unter dem Titel «Wie man Monster zähmt: Die Politik ist gegenüber der UBS nicht machtlos», haut Eric Gujer richtig drauf:

«Banker sind gierig, siehe Bonus-Exzesse. Banker sind inkompetent, siehe das Debakel der Credit Suisse. Banker sind unbelehrbar, siehe Urs Rohner.»

Aber hallo, doch die Relativierung kommt sogleich: «Für jedes Klischee findet sich im Handumdrehen ein tatsächliches oder vermeintliches Beispiel. Keine Branche ist so sehr zur Projektionsfläche geworden für alle negativen Emotionen, zu denen Menschen fähig sind, wie die Banker und die Banken

Dann aber die Relativierung der Relativierung: «Sie sind selbst schuld dran

Nach diesem Rundumschlag mit dem Morgenstern kommt nun die UBS dran: «Ist die UBS eine Monster-Bank? Vielleicht. Wird man sie eines Tages wieder retten müssen? Vielleicht. Soll man aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen? Sicher nicht. Oberste Richtschnur für den Umgang mit Monstern aller Art muss der volkswirtschaftliche Gewinn sein, den die Schweiz aus ihnen zieht.»

Das nennt man mal einen ordnungspolitischen Zwischenruf. Monster müssen nicht getötet, aber benutzt werden. Dazu gebe es jede Menge Reformvorschläge, die natürlich von Gujer grösstenteils abgewatscht werden:

«Sie reichen von akademisch richtig, aber unrealistisch (drastische Erhöhung des Eigenkapitals bis zu neunmalklug und auch in ewiger Wiederholung nicht überzeugender (Trennbankensystem). Je kühner die Ideen sind, umso mehr gilt für sie die Chirurgenweisheit: Operation gelungen, Patient tot.»

Nun ist abwatschen einfacher als argumentieren. Was am richtigen und durchaus realisierbaren Vorschlag, die Schweizer Banken endlich mit genügend Eigenkapital auszustatten, was ihnen weltweit eine unvergleichliche USP verschaffen würde, unrealistisch sein soll? Und war nicht die neunmalkluge Aufhebung  des Trennbankensystems der Anfang der Finanzkrise eins?

Nach einem starken Antritt und einem starken ersten Teil geht nun aber Gujer lesbar die Luft aus:

«Niemand sieht gerne den Zusatz «Staats-» an sich kleben. Die Swisscom will kein Staatskonzern sein, die SRG kein Staatsfunk und die UBS keine Staatsbank. Dennoch trifft es auf alle drei Unternehmen zu. Die Politik steht daher vor einem Paradox. Einerseits ist sie der UBS ausgeliefert. Anderseits muss sie in Krisen entschlossener eingreifen als bisher. Denn alles, was Staatsunternehmen anrichten, fällt am Schluss auf die Politik zurück

Hier wird’s dann zu einem ordnungspolitischen Gequengel. Also was tun?

«Das politische System der Schweiz belohnt Zaudern, nicht resolutes Handeln. Entsprechend wird das Führungspersonal rekrutiert. Dennoch müssen Regierung und Regulatoren kein zahnloser Abnickverein sein.
Auch jenseits des Vorschriften-Dschungels zur Bankenregulierung verfügt der Bundesrat über ein unschätzbares Machtinstrument: die Öffentlichkeit

Nun schüttelt es alle Vertreter des FDP-Slogans «Weniger Staat, mehr Freiheit» kräftig durch: «Der Staat ist nicht nur der letzte Geldgeber, sondern auch die ultimative Quelle von Vertrauen und Legitimität. Firmen gehen unter, Staaten in der Regel nicht. Diese Art von Vertrauen kann sich keine Bank kaufen, es wird ihr vom Gemeinwesen geliehen.»

Am Schluss muss es natürlich wieder furios werden, und wir merken uns, was die UBS für Gujer ist: «Die Regierung besitzt erhebliche Macht, und sie sollte bereit sein, sie im richtigen Moment konsequent einzusetzen. Damit bringt man Monster nicht zum Verschwinden, aber man zähmt sie.»

Die UBS ist ein Monster, das man leider nicht killen kann, aber zähmen muss. Das werden Ermotti und Kelleher gar nicht gerne hören, denen Gujer sogar Triumphalismus vorwirft, warnt: «Dennoch pflegen Starallüren in der Schweiz nach hinten loszugehen. Im schlimmsten Fall siegen dann die Emotionen über das Nutzenkalkül.»

Und da behauptet doch die WoZ, die  NZZ vertrete die reine Lehre des Neoliberalismus. Was für ein Schwachsinn.

Erstaunlicher Flachsinn

Wenn die WoZ kindisch ideologisch wird.

50 Jahre Militärputsch in Chile. Als der Vietnamkrieg sich dem Ende zuneigte, gab es für die damalige Linke ein neues Erweckungserlebnis. Der von den USA unterstützte Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Chiles Salvador Allende. Eingefädelt worden war er vom Friedensnobelpreisträger und Kriegsverbrecher Henry Kissinger.

Augenfälliger konnte die Heuchelei und Doppelmoral der USA nicht demaskiert werden. Nun sind aber viele Jahre ins Land gegangen, und zum grossen Schmerz vieler Linker geht es Chile wirtschaftlich – alles ist relativ – immer noch vergleichsweise gut. Nicht zuletzt wegen der Wirtschaftsreformen, die unter Pinochet eingeleitet wurden.

Aber in der Verklärung der Vergangenheit kann das natürlich nicht sein. Eigentlich sollte ja eine Gesellschaftsanalyse – vor allem eine linke – sich bemühen, möglichst wirklichkeitsnah Entwicklungslinien aufzuzeigen, damit es Orientierung in der aktuellen, orientierungslosen Welt gibt.

In einem ganzen Dossier zu Chile gibt die WoZ Stephan Lessenich das Wort für einen Essay. Der Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung und Gründer der Splitterpartei «Mut» lässt es lange nicht mehr los und kommt zu erstaunlich absurden Schlussfolgerungen.

Nachdem er die üblichen Verdächtigen kurz aufgezählt hat (Hayek, Friedman, Mont Pelerine Society, aber auch «Zeitungen wie die «Daily Mail» oder die NZZ»), kommt er mit einem Salto zum eigentlichen Thema:

«So gesehen und verstanden, kann «Chile 1973» in der Tat als Chiffre für die Geburtsstunde des transnationalen Neoliberalismus gelten.»

Nun wäre der Leser natürlich gespannt, wie sich denn dieser Säugling konkret entwickelt hat. Aber konkret ist nicht so das Ding Lessenichs:

«Mit der Machtübernahme von General Augusto Pinochet beziehungsweise des chilenischen Militärs und der mit ihm politisch-sozial verbandelten Eliten wurde das südamerikanische Land vor nunmehr fünfzig Jahren gleichsam über Nacht zum Versuchslabor und Exerzierfeld neoliberaler «Reformen». Damals nahm eine Politik radikaler Marktliberalisierung ihren Anfang, die praktisch sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfasste – Bildungswesen und Alterssicherung, Kupferbergbau und Wasserversorgung – und deren Nach- und Nebenwirkungen bis heute massgeblich die Lebensrealität der chilenischen Bevölkerung bestimmen.»

Das nennt man im wissenschaftlichen Diskurs belegloses Geschwafel. Ergänzt durch persönliches Erleben, nämlich den Film «Missing» von Costa-Gavras in Höchstform mit einem grossartigen Jack Lemmon. Das war ein perfekt gemachter Politthriller zur Erklärung chilenischer Verhältnisse. Was Lessenich allerdings auslässt, weil sonst die Wirklichkeit für ihn zu widersprüchlich würde: produziert und gedreht in Hollywood, mit einem US-Starensemble.

Dann rattert der Sozialwissenschaftler im Schnellgang durch Gedankensplitter über Thatcher, den Bergarbeiterstreik 1984 zur brutalen Schlussfolgerung:

«Ja, Neoliberalismus tötet: Er zerstört die natürlichen Lebensgrundlagen weltweit und die sozialen Lebensbedingungen von Hunderten Millionen, vermutlich eher einigen Milliarden Menschen. Er tötet im Mittelmeer, an den Aussengrenzen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten, bei Foxconn in China und in den Textilfabriken von Bangladesch, in den Erzminen, auf den Agrarplantagen und an den Produktionsstätten internationaler Konzerne rund um die Welt.»

Das ist ja furchtbar. Man könnte denken, dass eine völlig verfehlte Flüchtlingspolitik für die Tragödien im Mittelmeer verantwortlich sei, und der chinesischen Parteidiktatur hat man schon vieles vorgeworfen, aber dass sie neoliberal sei, bislang noch nicht.

Aber was ist schon ein linksverschwurbeltes Essay ohne eine Erwähnung von Foucault? Richtig, nichts ist es:

«Sterben lassen und leben machen: Das hat Michel Foucault, der es als vom Zeitgeist durchaus affizierter Gesellschaftskritiker wissen musste, zum Grundprinzip neoliberaler Biomacht erklärt.»

Versteht man zwar – wie so vieles von Foucault – nicht wirklich, hört sich aber irgendwie gut an. Aber was ist denn ein Essay ohne Schlussfolgerung und Handlungsanleitung? Genau, leeres Geschwurbel. Also kommt sie am Schluss. Eingeleitet von einem aufregenden «mea culpa»:

«Sind wir heute nicht alle ein bisschen neoliberal? Werfen wir unsere Steine nicht selbst, wenn schon nicht von den privilegiertesten Positionen in der Sozialstruktur, so doch aus den Glashäusern unserer durch das gesellschaftliche Reproduktionsmodell des Neoliberalismus vermittelten Existenz?
Zumindest gilt es, diese Eventualität in Rechnung zu stellen, wenn man von Auswegen und Alternativen, vom Anderen des Neoliberalismus nicht nur gewohnheitsmässig sprechen möchte. Statt der in linken Gesellschaftskritiken allzu häufig zum leeren Ritual gewordenen Anrufung der «widerständigen Subjekte» gälte es, die Möglichkeiten und Grenzen von gelebter antineoliberaler Solidarität zu erkunden, wissenschaftlich wie lebensweltlich. Der 11. September 1973 bietet dafür bis heute Anlass genug

Also dass wir alle ein wenig neoliberal seien, das versteht man noch knapp. Unsere Existenz in Glashäusern, nun ja. Die Anrufung des «widerständigen Subjekts»? Hört sich irgendwie auch nach Foucault an, also unverständlich. Aber was sollen wir denn nun tun? Die «Möglichkeiten und Grenzen erkunden» von nicht irgendeiner, sondern «gelebter antineoliberaler Solidarität». Und wie geht das? «Wissenschaftlich wie lebenswirklich».

Ähem. Hilfe. Hier stehen wir und können nicht anders. So gerne möchten wir lebenswirklich antineoliberale Solidarität leben. Einatmen. Spüren. Im Alltag. Im Glashaus. Nur: wie? Wie denn? Foucault, Lessenich, Adorno, Horkheimer: helft. Bitte. Oder gibt es doch kein richtiges Leben im falschen?

 

«Blick», Blick, Blick

Es gibt Organe, wo Buchstaben eigentlich nur stören.

Daher die Gelegenheit für eine neue Folge unserer beliebten Fotoromanza. Als Materiallieferant kann es natürlich nur einen geben. Das Organ mit dem Regenrohr im Logo, logo.

ZACKBUM dachte, es handle sich um eine Reklame für Haarwuchsmittel.

Aber, schluchz: die Ideen sind hinter der Bezahlschranke verborgen; schockierend. Dabei ist es nicht mal eine «Blick»-Eigenleistung. Der Text stammt von der «Handelszeitung». Aber auch dort, heul, kann man die Ideen nur lesen, wenn man ein Abo löst. Wir könnten sie hier verraten. Tun wir aber nicht, ätsch.

 

Gut, auch die Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen im Newsroom haben es nicht leicht. Daher schreiben sie nur ganz klein, dass dieser fiese Trick in Wales stattfindet.

Hier nun eine originelle Lösung für das alte Problem: wie bebildere ich ein mildes Erdbeben? So:

Vielleicht hätte es der «Blick» bei dieser Bebilderung bewenden lassen sollen, denn dieses Trümmerteil von Text, zudem abgeschrieben, erfreut den Leser nicht wirklich:

«Wie die italienische Zeitung «Corriere del Mezzogiorno» berichtet, sei das Beben in ganz Neapel spürbar gewesen. Menschen strömten auf die Strasse, Trümmerteile stürzten von Häusern herab und es kam zu Stromausfällen.»

Wir wussten es doch: in Neapel leben die Italiener in Trümmerhäusern.

Und gleich noch ein Dreierschlag der guten Unterhaltung:

Wenn Ermotti und die UBS den «Blick» nicht hätten, die nächste Bankenkrise wäre vorprogrammiert.

Jetzt wird es einen Moment lang ganz ernst, denn hier packt ein Soldat Militärgeheimnisse aus:

Es ist nicht bekannt, ob er nach diesem Verrat standrechtlich erschossen wurde.

Wollen wir mit diesem Dreierpack an überzeugenden Argumenten aufhören, wieso man unbedingt ein «Blick+»-Abo lösen sollte?

Nein, das wäre zu deprimierend. Also hören wir damit auf. Ist zwar bezahlte Werbung, aber dennoch das Lustigste auf der «Blick»-Homepage:

Und bevor einer fragt: nein, der «Blick» kommt hier nicht vor. Warum eigentlich nicht?

 

Gibt Tamedia die Kultur auf?

Es ist Wüste. Und es gibt kein Leben dort.

ZACKBUM hat vor Kurzem die Kulturlosigkeit der unzähligen Tamedia-Kopfblätter kritisiert. Das hat gewirkt. Inzwischen verzichten die immerhin sieben Kulturschaffenden völlig auf eigene Beiträge. Man muss vermuten, dass sie in einen Streik getreten sind:

Das schämt sich auf der Homepage von Tamedia nicht, unter der Rubrik «Kultur» zu erscheinen. Im «Magazin» wurde ein Autor zu einem Kinoerlebnis befragt. Journalisten interviewen Journalisten, das ist immer das Begräbnis der Berichterstattung.

Weil nun wirklich nichts, einfach nichts produziert wurde, kommt sogar eine Kolumne aus dem «Magazin» zum Handkuss und wird unter «Kultur» aufgereiht. Die Kolumnisten werden sich sicherlich fragen, wie sie denn zu dieser zweifelhaften Ehre kommen. Nun, sie dürfen sich von jetzt an Kulturschaffende nennen, was sicherlich zu Lachsalven im Publikum führen wird.

Dann wird am «News-Ticker Kultur» weitergetickert. Hier überrascht uns die Kulturredaktion mit der Nachricht, dass der US-Schauspieler Danny (who the fuck) Masterson zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden sei. Denn er habe vor 20 Jahren zwei Frauen vergewaltigt. Aber die Berichterstattung ist nicht einmal eine Eigenleistung, sondern einfach von der SDA übernommen.

Und wenn sie sich schon mal bei der SDA eingetickert hatten, übernahmen sie auch gleich noch den epochalen Bericht über die neusten Entwicklungen im «Missbrauchsskandal». Wo, wie, was, haben wir etwas verpasst, wer wird denn in der Schweiz oder in Deutschland ans Kreuz genagelt? Aber nein, es geht um «Geständnisse in Japans Entertainment-Branche». Auch auf die Gefahr hin, als Sexist beschimpft zu werden: sowohl dieser Skandal wie auch seine Geständnisse im fernen Japan gehen uns so was von an einem bestimmten Körperteil vorbei, das lässt sich gar nicht in Worte fassen.

Aber zum grossen Leidwesen der Tamedia-Kulturredaktion bestehen diese Rubriken jeweils aus vier Ankündigungen. Da wurde aber Grosses geleistet. Denn die «Streaming-Tipps» für den Monat August wurden tatsächlich durch die Tipps für den Monat September ersetzt. Nach dieser herkulischen Anstrengung herrscht da aber wenigstens bis Oktober Ruhe.

Aber, manchmal gibt es Gedankenübertragung, beim Schreiben dieses Artikels tat sich plötzlich was in der Tamedia-Kulturwüste:

 

Wer bemerkt den Unterschied? Richtig, der «Kulturticker» ist weg. Dafür gibt es einen neuen Beitrag. Na also, geht doch. Geht nicht, denn das würde nun aber der Zentralredaktion zu viel abfordern. Also greift sie auf den Autor der «Süddeutschen Zeitung» zurück. Immerhin hat Willi Winkler das richtige Alter, um den neusten Streich der Altherrencombo «Rolling Stones» zu würdigen. Hat man zwar überall schon gelesen und gehört, aber halt noch nicht hier. Die haben ein neues Studio-Album aufgenommen. Wow. Nach 18 Jahren. Sagenhaft. Was soll man denn  dazu sagen? Da greift Winkler zum Kunstmittel, die Ankündigung in einem einzigen Bandwurmsatz abzuhandeln. Genial, originell, ungefähr so Neuland wie das erste Stück aus dem neuen Album.

Sehr beunruhigend dabei: dass die alten Säcke zur alten Nummer «wir sind ganz böse Jungs» ein leicht geschürztes Busenwunder sich auf einem roten Mercedes-Cabrio räkeln lassen, das muss sich noch unbedingt einen scharfen Verweis der Gender-Fraktion einfangen. Wo bleiben Tobler und Loser (hops, den Namen wollten wir ja nie mehr nennen), wo bleibt Hiltmann, ja wo bleibt Birrer, wenn man sie mal braucht?

Des Rätsels Lösung dürfte sein: alle sind so beschäftigt, dass sie keine Hand mehr frei haben, um sich über diesen neusten Sexismus-Skandal zu erregen:

 

Wumms: Cédric Wermuth

Der Mann weiss alles über alles. Oder tut zumindest so.

Der SP-Co-Präsident ist völlig unbelastet von wirtschaftlichen oder ökonomischen Erfahrungen. Er hat noch nie in seinem Leben Wertschöpfung betrieben. Das ist die ideale Voraussetzung, um über Finanzthemen zu sprechen.

Konkret über Versuche, eine Wiederholung des Credit-Suisse-Debakels zu verhindern. Da ist sich Wermuth in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sicher: «Hätte man vor dem Credit-Suisse-Skandal auf uns gehört, hätten wir diesen Schlamassel so nicht

Aber eben, wer hört schon auf Wermuth, dabei ist der doch unüberhörbar. Was hätte es denn gebracht, auf ihn, bzw. die SP zu hören? «Hätte die CS mehr Eigenkapital halten müssen, wäre das Risiko für den Steuerzahler kleiner gewesen. Die Bank hätte weniger riskante Geschäfte eingehen können, das Vertrauen wäre grösser gewesen, und sie wäre im Krisenfall resistenter gewesen.»

Kleines Problem bei dieser Ansicht: das Eigenkapital war etwas vom Wenigen, was kein Problem bei der CS darstellte. Und zwischen der Höhe des Eigenkapitals und der Risikohaftigkeit von Geschäften existiert eine Korrelation von null.

Aber wie könnte man denn sonst Risiken bei Banken minimieren? Genau, durch eine Deckelung der Gehälter: «Es dürfen keine überhöhten Risiken mehr eingegangen werden, um millionenschwere Boni abzukassieren.»  Wunderbar, nur: wie sollte man das denn umsetzen? Sollte man es etwa Wermuth überlassen, zu entscheiden, was ein «überhöhtes Risiko» ist und was nicht? Das käme sicher gut.

Denn Wermuth zeigt auch tiefe Kenntnisse davon, was eine international tätige Bank wie die UBS heute tun sollte: «Sie soll sich auf die Kernaufgaben einer Bank in einer Volkswirtschaft fokussieren, nämlich Kredite zu vergeben und Sparkapital zu verwalten. Alles andere, das wissen wir jetzt, birgt mehr Risiken als Chancen.»

Dumm nur, dass die gesammelten US-Banken mit allem anderen kräftig Gewinne schreiben. Denn Kredite vergeben und Sparkapital verwalten, das ist vielleicht für eine Bank wie der «Sparhafen» durchaus ein sinnvolles Geschäftsmodell. Das der UBS zu empfehlen, ist aber schlichtweg so lachhaft wie nach Berlin zu fliegen, um sich mit dem damaligen Wahlsieger Olaf Scholz auf einem unscharfen Selfie zu produzieren.

Dass eine Bank eine Unzahl von Dienstleistungen erbringt, von denen Wermuth wahrscheinlich noch nie gehört hat, ist ihm wohl genau deswegen völlig egal.

Natürlich gäbe es durchaus sinnvolle Vorschläge, wie man auf das neuste Bankendesaster in der Schweiz reagieren könnte. Nur stammt kein einziger davon von Wermuth. Seit sich Susanne Leutenegger Oberholzer aus der aktiven Politik zurückgezogen hat, gibt es in der SP offensichtlich niemanden mehr, bei dem sich Wermuth einen Grundkurs über das Funktionieren der Finanzbranche reinziehen könnte.

Aber es gibt Trost: da weiterhin niemand auf die SP oder Wermuth ernsthaft hören wird, kann er gerne erzählen, was er will. Nur mutet das so an, als ob ein Blinder über Aspekte des Farbfernsehens referierte.

 

Schon wieder ein Scharfrichter

Ein Digitalredaktor sieht rot (oder schwarz oder blau).

Matthias Schüsslers Welt sind normalerweise Neuigkeiten aus den Weiten der IT, er schreibt über Gadgets, Computer und alle wichtigen digitalen Fragen des Lebens.

Nun aber ist er persönlich angefasst, und wenn das einem Redaktor passiert, dann darf er allen Lesern ins Hemd heulen. Hier in Form einer «persönlichen Analyse». Das ist eine interessante Formulierung. Eigentlich ist’s ein Kommentar, und analytisch ist nicht viel.

Aber natürlich sagt man im vornehmen Tamedia-Speak nicht «ich bin angepisst». Obwohl man es so meint. Was hat denn nun den Zorn des Schüssler erregt? Nun, Bad Boy Elon Musk, der ja schon einiges getan hat, um Twitter zu xen, hat einen Tweet, ähm, ein X rausgelassen:

Hier beklagt er sich, dass die Werbeeinnahmen von X um 60 Prozent gesunken seien. In erster Linie wegen seines erratischen Verhaltens. Nein, Scherz, ein Autist sieht das nie so. Das sei durch Druck von ADL geschehen («das sagen uns die Werbetreibenden»). ADL ist die Anti-Defamation League, eine 1913 gegründete US-Organisation, die sich gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden einsetzt.

Auf Nachfrage fügte Musk noch hinzu:

Nun ist die ADL eine mächtige Lobby-Gruppe, die zudem nicht ganz unumstritten ist, um es vorsichtig auszudrücken. Ihr wird vor allem vorgeworfen. jede Kritik an Israel als antisemitisch zu brandmarken.

Das kam nun bei Schüssler gar nicht gut an: «Bei diesem einen Tweet von Twitter-Chef Elon Musk kam mir die Galle hoch.» Und wem die Galle hochkommt, der ergiesst sich in die Zeitung:

Offenbar ist Schüssler die Galle ganz, ganz weit nach oben gestiegen, hat das Hirn erfasst und seine «Gefühlslage» schwer beeinträchtigt. Er unterstellt also Musk, dass der die Behauptung, Werbekunden hätten ihn so informiert, erfunden und erstunken und erlogen habe. Daraus schlussfolgert er gallig, dass sich Musk des Juden als Sündenbock bediene. Womit er schnurstracks wo, natürlich, beim Nationalsozialismus gelandet wäre. Oder kurz: Musk bediene sich nationalsozialistischer Propaganda-Stereotype. Hoppla.

Es wäre nun ein journalistisches Vorgehen gewesen, Musk mit der Frage zu konfrontieren, ob er seine Behauptung belegen könne. Aber doch nicht Schüssler in seiner «persönlichen Analyse». Da würden solche berufsethischen Grundbegriffe wie «Konfrontation des Angeschuldigten mit der Kritik» nur stören.

Also droht Schüssler nun mit Rache. Wenn’s richtig blöd läuft, wird sich Musk dann demnächst darüber beschweren, dass X weiter den Bach runtergeht, weil Schüssler den Stab darüber gebrochen hat. Denn der will nun «Nutzerinnen und Nutzer» abzügeln, Musk direkt widersprechen und möglichst viele Nutzer (aber auch -innen, Non-Binäre, Queere und alle Diversen) sollten ausschliesslich dem Account @AuschwitzMuseum folgen.

Das kann sicher nicht falsch sein. Aber ist sich der persönlich analysierende Schüssler eigentlich bewusst, dass er damit Musk nicht nur in die Nähe des Nationalsozialismus, sondern auch noch des Holocausts rückt?

Unglaublich, was bei Tamedia unter weiblicher Leitung alles möglich ist. Ein Amok will darüber entscheiden, welche Bilder aus der Bührle-Sammlung zu entfernen seien. Ein anderer will Rammstein-Konzerte verbieten. Und jetzt will einer Musk an den Karren fahren, weil der angeblich Nazi-Stereotype verwende und in die Nähe des Holocaust gerückt werden müsse.

Wie sagten Asterix und Obelix, die tapferen Gallier, so richtig: die spinnen, die Römer. Würden sie heute leben, würden sie den Begriff Römer ersetzen.

Rhabarber-«Republik»

Berichterstatterpflicht …

ZACKBUM weiss: die «Republik» nervt. Eigentlich alle, inklusive der eigenen «Verleger». Nun gibt es aber ein heikles Problem, das die «Republik» zuerst so verlegen machte, dass sie zunächst gar nicht darüber sprechen wollte.

Denn bereits im Juni dieses Jahres überbrachte eine «Mittelsperson» ein Dossier, das das Amt für Gleichstellung der Stadt Zürich aufgrund der Beschwerden von sechs Frauen erstellt hatte. Allerdings hatte sie «See only» draufgeschrieben, was das Amt für sehr befremdlich hält und die «Republik» in Schockstarre versetzte.

Der Pensionäre-VR der «Republik» lässt nun verlauten, dass er erst am 23. August darüber informiert worden sei, dass es Vorwürfe von sexueller Belästigung und inakzeptablem Verhalten gäbe. Was die interessante Frage aufwirft, an wen das Dossier eigentlich ausgehändigt wurde. Und wieso diese Amtsträger (GL, Chefredaktion?) bis zum 23. August warteten, bis sie die heissen News an den VR weiterreichten. Um sie vorher abkühlen zu lassen? Lustiges Bild, wie vier Nasen auf das Dossier blasen (bitte keine blöden Assoziationen hier).

Das ist, nach den kleinen Steuerproblemen, ein weiterer Schlag ins Kontor der Wohlfühloase der guten Denkungsart und richtigen Lebensführung. Oder gibt es halt doch nichts Richtiges im Falschen? Wäre eine Kolumne der schreibenden Schmachtlocke wert. Aber die tut, was sie auch schon beim Roshani-Skandal von Tamedia getan hatte: sie schweigt.

Nun wird aber richtig durchgegriffen. Der VR übernimmt, was denn sonst, «die Verantwortung für die anstehende Untersuchung». Wunderbar, was auch immer das heissen mag.

Früher nannte man das in linksradikalen Kreisen Selbstkritik, heute heisst’s so: «Die Republik muss aus ihren Fehlern lernen. Sie muss ein Arbeits­klima garantieren, das den Werten der Republik – Transparenz und Kritik an den Mächtigen – gerecht wird.»

Was ein solches Arbeitsklima allerdings mit der Frage zu tun hat, ob und wie sich weibliche Mitarbeiter sexuell belästigt fühlen?

Immerhin bereits fünf Jahre nach Start soll das Online-Magazin Folgendes tun: «Eine Melde­plattform anbieten. Eine Firma wird beauftragt, einen gesicherten Raum anzubieten und zu betreiben.» Wir Normalos sind bass erstaunt: das gibt’s bislang nicht?

Dann soll von einer externen Bude weiter untersucht werden, wie und wieso die «beschuldigte Person» angestellt wurde, es müssen «Chronologie, Personen, Rollen, Verantwortungen, Behandlung und Verifizierung einer geäusserten Warnung vor deren Anstellung» abgeklärt werden. Hui.

Ist die «Republik» immerhin manche Tage nach dem Platzen des Skandals wenigstens schon einen Schritt weiter? Ach, da orientiert man sich offenbar am «Klimalabor»: «Aktuell läuft noch das Auswahl­verfahren für die Auftrag­nehmerin. Details über die Melde­plattform, wie Zeitraum, Umgang mit allfälligen anonymen Meldungen sowie auch die entsprechenden Kontaktangaben, werden so schnell wie möglich hier kommuniziert.»

Was bei der «Republik» so alles läuft, ausser vielleicht die Nasen. Suche nach einer Chefredaktion. Suche nach einer Aufgabe fürs «Klimalabor». Suche nach einer «Auftragnehmerin». Suche nach zahlenden Lesern. Suche nach einem Knaller. Suche nach einem Abgang?

Wumms: Daniel Jositsch

Der SP-Mann wäre ein guter Bundesrat. Aber …

Er ist intelligent. Er ist Rechtsprofessor. Er ist Ständerat. er hat eine lange Politkarriere hinter sich. Er ist mehrheitsfähig. Er will unbedingt Bundesrat werden. Er ist 58 Jahre alt, das beste Alter für den Einstieg in diesen Job.

All das spricht für ihn. Allerdings hat er einen gravierenden Nachteil, ein Manko, einen Makel. Den könnte er zwar heutzutage mit einem einfachen Gang auf das Zivilstandsamt ändern. Aber auch das würde ihm nicht wirklich helfen. Denn er ist mit diesem Makel geboren, er begleitet ihn durchs ganze Leben bis ins Grab.

Er ist ein Mann.

So pervers sind die Zeiten geworden, dass das in der Partei, die für gleiche Rechte für alle kämpft, ein fast unüberwindbares Hindernis geworden ist. Markus Somm prognostiziert, dass Daniel Jositsch keine Chance habe. Das könnte man als Lichtblick nehmen, denn wann hat Somm schon mal recht.

Aber im Ernst. Als sich Jositsch als Nachfolger für Simonetta Sommaruga präsentierte, wurde er ausgebuht. Denn die SP hatte sich diskriminierend entschlossen, nur ein Frauenticket zuzulassen; eine Bundesrätin brauche nicht den besten Kandidaten als Nachfolger, sondern einen mit dem richtigen Geschlecht.

Dann fiel noch die Favoritin auf die Schnauze, aber das war nur ein Treppenwitz. Viel schlimmer für die kämpferische Frauenbrigade in der SP war, dass sich Jositsch trotz falschem Geschlecht zur Wahl stellte. Noch schlimmer war, dass er sogar zweistellig Stimmen erhielt.

Nun geht es allerdings um die Nachfolge für einen männlichen Bundesrat. Da könnte man der Logik halber meinen, dass nur männliche Kandidaten zugelassen sein müssten. Aber Frauen und Logik …

Neben Jositsch will zum Beispiel Tamara Funiciello sich ernsthaft eine Kandidatur überlegen. Sie ist zwar unwählbar, aber eine Frau. Und überhaupt, für die Nachfolge von Alain Berset (wie er deutlich unter Beweis stellte: ein ganzer Mann) dürfen sich selbstverständlich Männer und Frauen bewerben, stellte die Co-Fraktionschefin Samira Marti klar.

Vielleicht wird gnadenhalber ein Doppelticket aufgestellt, auf dem dann auch ein Quotenmann figuriert. Der selbstverständlich alles dafür tun müsste, nicht gewählt zu werden.

Das bedeutet, dass Jositsch hier wieder schlechte Karten hat, denn er will weder als Alibi-Mann antreten, noch höflich einer unqualifizierten Frau den Vortritt lassen.

Schon haben sich die ersten Heckenschützinnen in Stellung gebracht und rümpfen öffentlich die Nase über diese neuerliche Frechheit von Jositsch. Wie kann er nur. Er wäre zwar der ideale Kandidat. Aber er hat schon mal gegen Frauen kandidiert. Pfui. Und er ist weiterhin ein Mann. Doppelpfui.

Meint jemand, ausserhalb von kampffeministischen Kreisen in der SP, dass das irgendwer versteht?

Ach, und wieso darf Jositsch das nicht tun, was Cédric Wermuth schon tat, eine Frau verdrängen? Gibt es dafür rationale Gründe? Oder liegt es daran, dass Wermuth ein paar Haare mehr hat? Wäre das die Logik, wäre Jositsch doch der ideale Kandidat für die kahle Knutschkugel Berset. Denn wieso soll man nicht Haupthaar als Kriterium nehmen? Ist doch auch nicht blöder als Geschlecht.

Vielleicht sollte sich die SP auf einen Schweizer Kompromiss verständigen. Weder Funiciello noch Jositsch. Dafür Fabian Molina. Damit wäre dann die Lachnummer komplett.