Verregneter Sonntag

Die Sonntagszeitungen rufen: bleibt im Bett!

Ein mögliches Ende der Welt sieht so aus, dass alles gleichförmig zu Staub wird. Zuvor müssen sich aber viele Dinge konvergent entwickeln. Die Sonntagszeitungen machen da grosse Schritte in diese Richtung.

Denn die aktuellen Ausgaben von NZZamSonntag und SonntagsZeitung haben so vieles gemeinsam. Sie sind langweilig, uninspiriert und gleiten einem wie Staub durch die Finger.

Oder will jemand ernsthaft behaupten, das hier löse einen Kaufrausch aus?

Man könnte höchstens anführen, dass die Redaktion ihre Antwort auf die Titelfrage geliefert hat: so wenig wie möglich.

Da will die SonntagsZeitung nicht hintanstehen:

Noch zu gut, möchte man der Redaktion der SonntagsZeitung zurufen. Sonst würde sie nicht wagen, dafür auch noch Geld zu verlangen. Denn nach dem Kauf  fühlt sich der Leser ärmer.

Und mit Sauglattismus bedrängt:

Ist so ein Shutterstock-Foto wirklich gefühlt den halben Platz einer Doppelseite wert?

Dafür arbeitet die NZZamSonntag mit Uralt-Fotos, die wir schon längst vergessen haben – und nicht unbedingt riesengross nochmals sehen wollen:

Ach, das sind Äusserlichkeiten? Auf die inneren Werte komme es an? Ja, aber wo sind sie? Ein wenig englisches Königshaus und der Krebs, ein wenig SVP-Bashing, dann spürt man förmlich, wie dankbar die Redaktion für den Anschlag bei Moskau ist, und schon wandert der erste Bund ins Altpapier.

Auf der Debattenseite dann immerhin ein kleiner Aufreger. Die bereits mehrfach verhaltensauffällig gewordene Silke Mertins aus Berlin drischt im Nachgang auf Rolf Mützenich, den Chef der SPD-Fraktion, ein. Der hatte einen klugen Satz gesagt, beziehungsweise eine vernünftige Frage in den Raum gestellt: «Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann

Das nimmt Mertins nun sehr übel: «Die Bemühungen der Partei, kein Verein von Putin-Verstehern zu sein, hat er auf einen Schlag pulverisiert.» Als Kronzeugin zitiert sie ausgerechnet die Waffenindustrie-Lobbyistin und Kriegsgurgel Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die am liebsten höchstpersönlich den Dritten Weltkrieg auslösen möchte. Die findet diese Idee eines Kriegsendes «skandalös». Für sie sei Mützenich «ein Sinnbild aller Verfehlungen deutscher Aussenpolitik». Dieses Flintenweib spielt Opposition gegen die eigene Regierung.

Aber Mützenich hatte laut Mertens schon immer ein völlig verpeiltes Weltbild; er gehöre «zu jenen in der SPD, die mit fast religiöser Inbrunst an die Ostpolitik der sozialdemokratischen Ikone Willy Brandt glauben». Sie meint damit wohl die Aussöhnung mit Polen und der Sowjetunion, die der Friedensnobelpreisträger vorantrieb und die BRD damit auf den Weg zur Wiedervereinigung brachte.

Nicht nur, dass Mützenich laut Mertens ein Ober-Putinversteher sei, er wird auch noch von allen falschen Leuten unterstützt: «Der Applaus, den Mützenich nun von der Rechtsaussenpartei AfD, von der Linken, dem Bündnis Sahra Wagenknecht und dann auch noch von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder bekam, sind dabei auch nicht gerade hilfreich.»

Sagen wir so: dass Mertens gegen ihn keift, hilft dabei, seine Position als richtig zu beurteilen.

Und sonst? Es ist nicht sehr übertrieben, wenn man die Fortsetzung der «Verlagsserie» – also eine bezahlte Inseratekampagne von Rolex, die wie redaktioneller Inhalt daherkommt – als ein herausragend interessantes Stück bezeichnet. Bei dem Umfeld …

Ist man auf Seite 60, «Leserbriefe», angekommen, fällt der frühe Abschied nicht schwer.

Nicht viel anders geht’s einem bei der SonntagsZeitung. Ein kurzes Verweilen beim Artikel «Streit um Baba News eskaliert», wo Rico Bandle verdienstvollerweise bei den Hatern der Migranten-Plattform dranbleibt, die absurderweise Workshops gegen «Hate-Speech» anbieten. Dabei aber den Zugang streng reglementieren und islamische Judenfeindlichkeit in ihrem Feldzug für Palästina konsequent ausblenden.

Die NZZ hingegen halten die beiden Macherinnen für «gefährlich», weil sie von ihr kritisiert wurden, auch der sich um Integration verdient gemachte GLP-Grossrat Alain Pichard gerät in ihr Schussfeld, ihm unterstellt Baba News «offensichtliche Muslimfeindlichkeit». Da nie mit ihm geredet wurde, beschuldigt Pichard die Baba-News-Macherinnen, «eine gezielte Rufschädigung» begangen zu haben.

Ds ist wenigstens etwas Eigenständiges. Aber sonst? Was der NZZaS ihre Rolex ist, das scheint der SoZ der Verein Agentur C zu sein, der ein etwas schräges ganzseitiges Inserat geschaltet hat:

Irgendwie erinnert dieses Inserat an diese redaktionelle Horrorseite:

Da ZACKBUM weder religiöse, noch niedrige Gefühle verletzen möchte, verzichten wir zweimal auf einen Kommentar.

Und sonst? Was sonst? Gibt es denn keinen Trost? Doch:

Auch schleimen will gelernt sein: «Prinzessin, Mutter, Ehefrau – ein Mensch». Reza Rafi, Chefredaktor, Schmachtlockenträger, Ehemann – ein Schreiberling». Aber mit Ratgeber:

Gut, wir sind getröstet. Schlimmer geht immer.

 

Schielen auf den «Blick»

Wir wollen’s immer wieder lassen. Aber der «Blick» ist stärker als wir …

Zunächst ein Scherz für Insider:

Sturm ist Direktor der Konjunkturforschungstelle der ETH Zürich, die von vielen mit DOF abgekürzt wird. Denn seine Prognosen und Analysen haben eine Gemeinsamkeit: sie treffen eigentlich nie ein. Daher ist es für einmal gut, dass dieses Interview bei «Blick+» unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

Sichere Lacher liefert «Blick» immer mit seinen Ratgebern (garantiert werbefrei):

Apropos Experte, neben Sturm gibt es noch eine zweite Koryphäe, die auch schon mal mit dem Dritten Weltkrieg droht. Wenn es allerdings keine so knackigen Zitate gibt, dann hilft das Allerweltswort vom Einordnen:

Hier handelt es sich für einmal nicht um den Inhalt, sondern mehr um die Form, die äussere Hülle. Denn gleich zwei Kleidungsunfälle nebeneinander, das ist nur was für starke Nerven und Augen:

Hier wird’s allerdings wieder inhaltlich dunkel:

Zurück zum Ratgeber; das hier kannten wir noch nicht:

Warum? Ganz einfach. Dieb, Türklinke runter, schepper, Dieb weg. Blöd nur: mit Spannteppich funktioniert das nur bedingt. Bei einem Türknauf (üblich nicht nur in den USA) wird’s schwierig. Ist’s der Zimmerservice oder ein Gast, der sich in der Türe geirrt hat, dann erhebt sich die Frage: wer zahlt die Tasse? Aber der «Blick» hat noch mehr gute Ratschläge auf Lager: «Die Türe stattdessen mit einer Schnur oder einem Gürtel zu sichern, kann schnell zur tödlichen Falle werden. Im Falle eines Brandes muss es schnell gehen. Einen Knoten zu lösen, könnte da wertvolle Zeit kosten.»

Abgesehen vom Brandrisiko: wie um der Karwoche willen sichert man eine Tür mit einem Gürtel oder einer Schnur? Aber immerhin: vielleicht haben die, die das machen, noch alle Tassen im Schrank. Ach, und dass eigentlich jede Hoteltüre eine Verriegelung hat, solche Details lassen wir lieber aus, kills the story …

Hilfe, aufhören, das Zwerchfell schmerzt.

Aber ein Absackerchen haben wir noch. Den völlig werbefreien «Blick» in die Zukunft. Ganz weit in die Zukunft:

Das Datum muss sich jeder Vielflieger rot im Kalender ankreuzen. Ach, schliesslich noch eine Warnung sozusagen in eigener Sache:

Der «Blick»-Kenner hätte das allerdings auch schon daran gemerkt, dass sie fehlerfrei und höflich formuliert ist …

Da capo, japst ZACKBUM. Endlich mal eine Prognose mit 100 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit.

Gemeinsam ins Elend, Teil II

Endlich: Tagi und NZZ Seit´ an Seit´.

Der Qualitätskonzern Tamedia dilettiert im Nahen Osten. Da will die NZZ nicht abseits stehen. Der immer wieder mit klugen Kommentaren aufgefallene Chefredaktor und God Almighty Eric Gujer schielt nun aber in seinem aktuellen «anderen Blick» ganz gewaltig:

Mit diesem «Newsletter» wendet sich Gujer speziell an seine «Leserinnen und Leser in Deutschland». Hier in seiner Eigenschaft als Transatlantiker, Militärstratege und unverzichtbarer Ratgeber von Regierungen. Seine verbalen Marschflugkörper schiesst Gujer insbesondere gegen die deutsche Regierung ab.

Zunächst lässt er Insiderkenntnisse über den Taurus auf den Leser niederregnen: «Der Marschflugkörper weist eine hohe Reichweite und Präzision auf und zerstört gehärtete Ziele wie Bunker zuverlässig. Das hebt ihn von französischen und britischen Cruise-Missiles ab.»

Aber solche einzelnen Waffen seien natürlich nicht kriegsentscheidend, weiss der verhinderte Oberkommandierende: «Viel wichtiger ist es, das gesamte Kriegsgeschehen im Blick zu behalten. Die Ukrainer werden nur Erfolg haben, wenn viele Faktoren zusammenwirken. Notwendig sind etwa frische Einheiten, genügend Artilleriemunition oder eine funktionierende Logistik.»

Ist das immer blöd, dass weder die kriegsführende Ukraine noch ihre Unterstützer solch banale Tatsachen zur Kenntnis nehmen, obwohl sie ihnen von Gujer auf dem Silbertablett (wobei Vorsicht, Feind liest mit) serviert werden.

Deutschland könnte und müsste «endlich» die Munitionsproduktion hochfahren und «in der Zwischenzeit» Artilleriemunition auf dem Weltmarkt aufkaufen. Himmels willen, Scholz, Pretorius, wieso tut ihr das nicht?

Stattdessen muss Gujer nun schneidend streng werden:

«So steht der Kanzler einmal mehr als Hasenfuss da und seine Koalition als ein Käfig voller Narren.»

Da macht Gujer gleich ein bislang unbekanntes, neues Kriegsgebiet aus: «Das Regierungsbündnis ist inzwischen sein eigenes Schlachtfeld. Der Kreml lacht sich ins Fäustchen.»

Warum? Na, deshalb Ihr Dummerchen: «Deutschland macht sich zum nützlichen Idioten Putins.» Das hat vor und nach Hitler Deutschland bislang noch niemand vorgeworfen.

Nun nimmt sich Gujer den deutschen Kanzler zur Brust. Der möchte «sich als Friedenskanzler präsentieren». Immerhin: «Auf den ersten Blick ist der Plan nicht dumm.» Schröder, Irakkrieg, doch, doch. Aber das sei natürlich nicht vergleichbar, schulmeistert dann der NZZ-Chefstratege den eben doch dummen deutschen Kanzler Scholz. denn hier weht wieder einmal der Mantel der Geschichte: «Diesmal jedoch kommt es auf Deutschland an. Es steht im Zentrum einer epochalen geopolitischen Auseinandersetzung.»

Also doch: Germans to the front? Auf jeden Fall bräuchte s wohl mal wieder Schröders Politik der ruhigen Hand. Stattdessen: «Scholz wirkt zunehmend als Getriebener, eingeklemmt zwischen dem blauäugigen Pazifismus der SPD-Fraktion und den Kritikern seiner Politik bei Grünen und FDP. Er laviert und macht es niemandem recht.» In erster Linie Gujer nicht, und das sollte Scholz nun wirklich zu denken geben.

Vor allem, weil es Defätisten noch und nöcher gibt in Deutschland: «Moskau registriert die Unentschlossenheit des Kanzleramtes und den wachsenden Chor derjenigen, die den Krieg um jeden Preis beenden oder «einfrieren» wollen und Kiew damit zur Kapitulation drängen.» Wer vorschlägt, das Gemetzel, das Leiden und die Zerstörungen zu beenden, dränge Kiew zur Kapitulation?

Aber dann gibt es ja noch wie im bewährten Feindbild des Kalten Kriegs die Fünfte Kolonne, sogar die Fünften Kolonnen: «Nicht nur die AfD, auch das Bündnis Sahra Wagenknecht besorgt das Geschäft des Kremls.» das ist nun doppelt unverschämt.

Also, Putin lacht sich in Fäustchen, die deutsche Regierung ist ein Narrenkäfig, angeführt von einem Hasenfuss, Deutschland ist sich mit Frankreich uneins, schlimm und schlimmer. Immerhin, eine dem Geschimpfe beigefügte Tabelle macht mehr klar als der ganze Wortschwall voller Cruise Missiles, Blendgranaten und Flammenwerfer. Deutschland hat der Ukraine seit Kriegsbeginn Militärhilfen in der Höhe von 17,7 Milliarden Euro zugesagt. Dann gehen wir ganz nach unten, hinter Estland, Litauen oder Italien kommt dann Frankreich mit seinem kriegerisch schattenboxenden Präsidenten: 0,6 Milliarden Euro Militärhilfe.

Sonst noch Fragen, könnte man eigentlich sagen. Wir hoffen, dass es bei diesem einmaligen Ausrutscher von Gujer bleibt. Denn wenn sich die NZZ allgemein auf das Niveau von Tamedia hinunterliesse, dann würde es aber aschgrau.

Gemeinsam ins Elend, Teil I

Endlich: Tagi und NZZ Seit´ an Seit´.

Es gibt zwei Gebiete auf der Welt, wo’s drunter und drüber geht. Genau da wäre dringlich geboten, um diesen Ausdruck zu verwenden, dass sogenannte Qualitätsmedien ihrer Aufgabe nachgehen. Beschreiben, erklären, einordnen, dem Leser die Grundlagen für eine eigene Meinung vermitteln.

Was für ein klägliches Scheitern stattdessen. Im Nahen Osten der Tagi und in der Ukraine die NZZ.

Es gibt Dumpfbacken wie Markus Somm, für den sind die Israelis die unbezweifelbar «Guten» und alle ihre Feinde genauso einfältig die «Bösen». Aber mit so einem Tiefflieger muss man sich ja nicht ernsthaft auseinandersetzen.

Nun versucht sich der Tagi an einer Einordnung im Nahen Osten:

Immerhin ohne die Hilfe der «Süddeutschen Zeitung» – dafür aber mittels Zusammenschrieb der Ticker-Agenturen DPA und SDA, wobei noch ein gewisser «cli» mitfummelte. Resultat: Desaster.

Ein rechtsextrem-fanatischer Minister im Kabinett Netanyahu, der selbst in einer völkerrechtswidrigen Siedlung im von Israel besetzten Westjordanland lebt (aber für Somm sicher ein Guter), hat weitere 800 Hektaren zum israelischen «Staatsgebiet» erklärt, vermeldet der Tagi. Mit welcher Begründung findet dieser Landraub statt, warum, ausser, um damit den US-Aussenminister Blinken zu begrüssen? Da schweigt der Tagi kenntnislos.

Dann soll der Aussenminister Netanyahus Kriegskabinett dazu überreden, auf die Militäroffensive gegen die Stadt Rafah im Gazastreifen zu verzichten. Der korrupte Ministerpräsident (für Somm sicher ein Guter) hält aber an seinen Plänen fest. Wie steht es eigentlich in dieser Stadt, wie sieht die Lage dort aus? Ist die Bevölkerung tatsächlich am Verhungern? Was soll man davon halten, dass Israel zunächst der palästinensischen Bevölkerung im Norden des Gazastreifens nahelegte, in den angeblich sicheren Süden zu fliehen – nur um den anschliessend zu bombardieren und zu beschiessen? Da schweigt der Tagi kenntnislos.

Im UNO-Sicherheitsrat hätten 11 von 15 Mitgliedern für einen Resolutionsentwurf gestimmt, der einen «sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand» forderte. Der sei entweder von den USA «unterstützt» worden oder es war ein Entwurf der USA; da ist sich der Tagi nicht ganz sicher. Ebensowenig, ob der nun einen dauerhaften Waffenstillstand oder eine «sofortige Feuerpause» von sechs Wochen fordere. Da eiert der Tagi kenntnislos.

China und Russland hätten ihr Veto eingelegt, vermeldet das Blatt. Warum? Der russische Botschafter habe vor der Abstimmung «Zweifel am Wortlaut der Resolution» geäussert. Welche? Und China sagte nichts? Doch, der geplante Einmasrsch in Rafa werde nicht deutlich genug verurteilt. Und wer war der dritte Staat, der dagegen stimmte (Algerien), wer enthielt sich (Guyana)? Keine Ahnung, sagt der Tagi kenntnislos, ist doch wurst.

Damit liefert das Haus der Qualitätsmedien Tamedia eine neue Definition des Begriffs «freie Medien des Westens». Vor allem frei von Informationsgehalt, frei von Erklärungen, frei von banalsten Zusammenhängen.

Tragisch dabei ist: wenn man nur ein einziges dieser Stücke etwas genauer analysiert, kommt erbärmliches Nichtwissen zum Vorschein. Wenn man das auf die gesamte Auslandberichterstattung, auf die Wirtschaftsberichterstattung extrapoliert, kann man mit Fug und Recht sagen, dass hier keinerlei geldwerte Leistungen erbracht werden. Wenn man Geseire gegen angebliche Gendersprachverbote in Bayern mal beiseite lässt, die haben wenigstens noch einen gewissen Unterhaltungswert.

Aber mal ehrlich, liebe Tamedia-Zentralredaktion: schämt Ihr Euch denn überhaupt nicht mehr für nichts?

Aber die NZZ ist auch nicht viel besser. Das erklären wir in Teil II.

 

Krieg der Worte

Seit den Sprachreinigern im Dritten Reich war es noch nie so schlimm.

Der Deutsche nimmt schnell übel. Neben Rechthaberei und Blockwart-Mentalität ist das eine weitere unangenehme Eigenschaft von ihm.

Besonders gerne nimmt er den Gebrauch von Wörtern übel. Das zieht sich bis weit in die Geschichte zurück, als Sprachreiniger das gute Deutsch von allen ausländischen Vokabeln befreien wollten. Unsterblich in Erinnerung bleibt der Viertopfknalltreibling für den Vierzylinderexplosionsmotor.

Ein anderes, modernes Reizwort, bei dem jedem gendergetreuen Gutmenschen die Stirnader anschwillt, ist der «Mohrenkopf». Kleiner Irrtum dabei: Es ist absurd, wenn man meint, durch Diskriminierung oder gar Verbot missliebiger Begriffe Rassismus bekämpfen zu können. Ob jemand Neger oder Mitmensch mit afrikanischer Herkunft sagt, ändert keinen Deut daran, ob er ein Rassist ist oder nicht.

Viel härter wird diese Auseinandersetzung natürlich auf dem Gebiet der Politik geführt. Die aktuelle Festnahmen und die Jagd auf weitere Ex-Mitglieder der deutschen Terrorgruppe RAF erinnert daran, dass in den finsteren Zeiten des Deutschen Herbsts inquisitorisch unterschieden wurde zwischen Menschen, die «Baader-Meinhoff-Gruppe» für die RAF sagten und solchen, die vorgeschrieben korrekt «-bande» sagten.

Die Verweigerung der angeblich korrekten Sprachregelung konnte damals ohne weiteres ernste Konsequenzen auf Karriere und Anstellung haben.

Ewig gibt es den Versuch, mit knackigen Kampfbegriffen die politische Debatte zu beherrschen. Dabei spielt der semantische Inhalt keine grosse Rolle, sondern nur das Framing eines Begriffs. Anders wäre das Wort vom «Putinversteher» ja kein Schimpfwort, sondern im Wortsinn durchaus lobend gemeint; da bemüht sich jemand, den russischen Präsidenten zu verstehen. Was ja wohl Voraussetzung dafür ist, seine Taten analysieren zu könne, Prognosen für zukünftiges Tun zu wagen, sinnvolle Gegenstrategien auszuarbeiten.

Aber stattdessen steht «Putinversteher» für jemanden, der die Taten Putins nicht nur versteht, sondern sogar billigt, der sie nicht erklärt, sondern entschuldigt, zumindest rechtfertigt.

Auch in der überwundenen Pandemie war etwas vom Schlimmsten, ein Coronaleugner zu sein. Eigentlich ein absurder Begriff, aber aufgeladen mit allem Schlechten, was man einem Menschen vorwerfen kann. Ein Coronaleugner isst sicherlich auch Mohrenköpfe und ist zudem auch ein Klimaleugner, was ein noch absurderer Kampfbegriff ist.

Immer wieder kommen neue Formulierungen auf die grosse Shitlist derjenigen, die versuchen, den öffentlichen Diskurs zu dominieren und statt mit Argumenten mit Totschlagargumenten operieren.

Neu in diesem Theater ist die «weisse Flagge». Der Papst getraute sich, dieses Wort zu benützen, um den Kriegsparteien im Nahen Osten nahezulegen, statt weiterer kriegerischer Handlungen es mal mit einem Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung zu probieren. Da wurde geschäumt, dass er doch wohl nicht Israel empfehlen wolle, die weisse Flagge zu schwenken.

Neuster Zuzügler ist das Wort vom Einfrieren. Erinnern wir daran, was der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im deutschen Bundestag genau gesagt hat:

«Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann

Eine zweifelsfrei bedenkenswerte, sinnvolle Aussage. Erschwerend kommt noch hinzu, dass der SPD-Politiker trotz grossem Gebrüll nicht bereit ist, diese Formulierung zurückzunehmen. Störrisch erklärt er, wie das in der Friedensforschung verwendet wird: «Dort wird das Einfrieren als Begrifflichkeit genutzt, um in einer besonderen Situation zeitlich befristete lokale Waffenruhen und humanitäre Feuerpausen zu ermöglichen, die überführt werden können in eine beständige Abwesenheit militärischer Gewalt.»

Damit macht er aber den typischen Fehler eines Intellektuellen. Das ist viel zu kompliziert für die Aufnahmefähigkeit der breiten Masse. Die hat’s gerne knackig, einfach, übersichtlich und möchte nach einer Sekunde schon wissen, ob man dagegen oder dafür zu sein hat, ob das ein böses oder ein gutes Wort ist. Ob hier ein Putinversteher spricht oder ein tapferer Verteidiger unserer westlichen Werte in der Ukraine.

Solche bösen Menschen, die böse Wörter verwenden, wobei das eine das andere beweist, nannte man früher gerne Wehrkraftzersetzer. Ist leider zu angebräunt. Diversant wäre nicht schlecht; vielleicht sollte man sich auch häufiger an Adolf* Wühler aus dem «Zivilverteidigungsbüchlein» erinnern, ein zu Unrecht vergessenes Meisterwerk der politischen Indoktrinierung.

*Nach Leserhinweis korrigiert.

Wenn die ganze Richtung nicht passt

Der Tagi als Hochburg der vergewaltigten Sprache.

Zum einen hat sich Tamedia nicht entblödet, seitenlange Anleitungen zu geben, wie richtig gegendert (sprich gedschändert) wird; wie also die deutsche Sprache regelwidrig mit Sternchen, Binnen-I, einer perversen Anwendung des Partizips Präsens und ähnlichem Schwachsinn vergewaltigt wird.

Dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (und der Leser) gegen solche störende Turnübung in angeblicher Geschlechtergerechtigkeit ist, stört diese Sprachverhunzer keinesfalls. Im Gegenteil, das stachelt sie höchstens noch an, noch häufiger «Wohnende» oder gar neulich beim Schweizer Farbfernsehen «Passagierende» (kein Witz) zu schreiben.

Aber es formiert sich Gegenwehr, die teilweise auch so militant ist wie die Genderwahnsinnigen. Nun muss also Dominique Eigenmann «aus Berlin» darüber berichten, dass in Bayern das Zwangsgendern verboten wird. Das findet Eigenmann ziemlich scheisse, was unverkennbar ist. Denn das Verbot wird vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gefordert, dem CSU-Chef. Und rechts von der CSU war früher nur die Wand, heute die AfD, die mit diesem Thema sowieso «die anderen Parteien vor sich her» treibe.

Treibjagd auf tapfere Kämpfer für eine inkludierende Sprache, pfui. Ganz schlimm kriegt’s auch Söder ab: «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Markus Söder ist ein anerkannter Meister in der Disziplin, seine Prinzipien der Lage anzuschmiegen.» Der habe ja noch vor Kurzem gesagt, dass in Bayern jeder so reden könne, wie es ihm passe. «Damit ist es jetzt vorbei», behauptet Eigenmann. Obwohl es anscheinend um schriftliche Äusserungen geht, aber das ist halt der Streubereich der Wahrheit eines modernen Journalisten.

Was zudem nicht gegenderter, aber gequirlter Unsinn ist. Denn Söder will nur das «verpflichtende Gendern» verbieten. Dabei gäbe es doch gar keinen «Genderzwang» in Bayern, mault Eigenmann. So sieht’s halt aus, wenn man entsprechende Vorschriften Anweisungen und deutliche Empfehlungen aus dem fernen Berlin betrachtet.

Aber jetzt ist das geschlechtliche Mittelalter in Bayern ausgebrochen: «In staatlichen Behörden, in Schulen und Hochschulen dürfen Sternchen oder andere Sonderzeichen im Wortinnern, die geschlechtliche Diversität anzeigen, nicht mehr verwendet werden

Geschlechtliche Diversität? Es ist doch peinlich für einen Journalisten, wenn er das menschliche Geschlecht und das grammatikalische Genus nicht unterscheiden kann. ZACKBUM hat das bereits ad nauseam erklärt, um gelehrt zu lateinern.

Aber Eigenmann sieht noch letzte Widerstandsnester der vermeintlichen Frauenversteher, auch in Bayern. Das behaupten zumindest die «bayerischen Lehrerinnen-, Lehrer- und Studierendenverbände». Und wohl hoffentlich auch die Verbändinnen und Verbändenden (oder Verbindenden?): «Vor allem junge Menschen erwarteten, dass geschlechtliche Diversität besser abgebildet werde als früher. Daran werde auch ein Gender-Verbot in der Schule nichts ändern.»

Diversität abgebildet? Das ist Schönsprech für: ich will gerne die Sprache quälen und foltern und den Leser auch.

Andererseits sollte man von jungen Menschenden erwarten, dass sie die Grundlagen der deutschen Sprache auch schriftlich beherrschen. Das hingegen ist schon für einen erschreckend hohen Prozentsatz zu viel verlangt.

Welche Rolle dabei das unsinnige Gendern spielt, müsste mal untersucht werden. Aber nicht von Eigenmann.

«Blick» hat einen Leiter weniger

Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?

«Dominik Stroppel verlässt die Blick-Gruppe», vermeldet persoenlich.com. Er war Leiter Video- und Audioformate. Die kamen besonders unter die Räder, als die CEO von Ringier Medien Schweiz verkündete, dass man – natürlich zur Qualitätssicherung – 75 Stellen kübeln werde. Nach Konsultationen wurde das dann auf 55 Stellen geschrumpft.

Sie sei froh und dankbar um die Reduktion des Stellenabbaus, sagte Ladina Heimgartner, und zerdrückte dann eine grosse Krokodilsträne: «Gleichzeitig ist das Bedauern gross, dass 55 Kolleginnen und Kollegen ihre Stelle verlieren und das Unternehmen verlassen werden.»

Immerhin, einer geht freiwillig. Mit einer Begründung, die tief blicken lässt: «Als sich der Stellenabbau im Videobereich der Blick-Gruppe konkretisiert und sich abgezeichnet hat, dass auch Mitglieder meiner Teams davon betroffen sein würden, habe ich mich entschieden, ebenfalls zu kündigen», wird Stroppel von persoenlich.com zitiert.

Der Mann kann was, und neben online ist Audio und Video bekanntlich eine sinnvolle und dringend nötige Ausweitung des Angebots eines Massenblatts wie dem «Blick». Wohl genau aus diesem Grund wurde beschlossen, «Blick TV» runterzufahren, zum Skelett abzumagern. Wie immer mit grossem Tamtam gestartet, Zukunft, rasant, Zusammenarbeit mit CNN, Wahnsinn, hier wird Internet-TV von morgen schon heute gemacht.

Dann verzwergte es zum üblichen Ringier-Flop. Wie fing’s an? «Morgen Montag, 17. Februar 2020, startet die Blick-Gruppe mit dem ersten digitalen Sender der Schweiz.» Das waren noch Zeiten: «Im Viertelstunden-Rhythmus sendet das digitale TV Informationen zu Politik, Wirtschaft, Sport und Unterhaltung.» So erschallten die Fanfaren im Februar 2020. Und Ende September 2023 war’s dann schon (fast) vorbei.

Management by error and error. Von try kann ja nicht wirklich die Rede sein, wenn man nach bloss dreieinhalb Jahren mehr oder minder den Stecker zieht. Das heisst ja auch, dass man es in dieser ganzen Zeit nicht geschafft hat, ein funktionierendes Businessmodell auf die Beine zu stellen. Genügend Zuschauer zu überzeugen. Querverwertungen zu schaffen. Also all das, was eigentlich eine Geschäftsleitung leisten sollte, bevor so ein grösseres Projekt auf die Rampe geschoben wird.

Aber ein mit Zwangsgebühren finanzierte Nischen-TV-Station zu leiten, das ist halt schon etwas anderes als in der freien Wildbahn unterwegs zu sein. Ringier brüstet sich damit, besonders woke, inklusierend, equal voice und so zu sein. Wie’s in der Realität bei Ladina Heimgartner aussieht, berichtet Peter Rothenbühler in der «Weltwoche»:

«Das Haus Ringier dekoriert seine Führungsriege mit hochbezahlten Leuten, die sich für Diversity und viel Gutmenschentum einsetzen. Offenbar ein fauler Witz, nur Fassade. Ihr Vorgehen verletzt nicht nur alle guten Vorsätze des Hauses, sondern auch die einfachsten Regeln des Anstands.
Als Head Global Media kündigten Sie aus Ihrem Chefbüro in Zürich per Videokonferenz der versammelten Mannschaft von L’Illustré in Lausanne an, dass leider Entlassungen nötig würden. Und dann kam der Hammer: Wer nicht innerhalb von fünfzehn Minuten eine Mail von den Human Resources erhalte, der könne bleiben.»

Mit den richtigen Beziehungen oder Voraussetzungen war brutaler Misserfolg bei Ringier noch nie ein Karrierekiller. Dagegen muss man resilient bleiben.

Was interessiert das die Schweiz?

Wenn Hubert Wetzel unablässig die Welt regelt.

Der Mann hat Sendungsbewusstsein. Und spart nicht mit harschen Urteilen: «Macron hat aussenpolitisch seinen Bankrott erklärt». Nein nicht gerade jetzt, das war sein Verdikt im April.

Im November 2020 sah er noch ganz andere Gefahren: «So sterben Demokratien», raunte er. Für jeden, der sich auch nur bemüht, Motive von Putin zu verstehen, diesen «paranoiden Diktator», hat Wetzel nur Verachtung übrig: «putinfreundliche Verschwörungsschwurbler».

Bis 2022 war er USA-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung», womit sich seine Amokläufe auch in die Spalten des Qualitätsorgans «Tages-Anzeiger» ergossen. Seither wütet er in Brüssel, und Tamedia kriegt’s weiterhin ab.

Da muss er immer wieder streng werden und den europäischen Politikern und Regierungen die Kappe waschen. Zunächst aber ruft er eine Tatsache in  Erinnerung, die schon fast alle vergessen haben: «In der Ukraine herrscht Krieg.» Da fällt ihm selbst auf: «Das mag nach zwei Jahren des Tötens und Sterbens wie eine banale Feststellung klingen.» Wetzel und banal? Niemals; «aber es ist keine. Im Gegenteil». Was ist wohl das Gegenteil einer banalen Feststellung? Eine nicht-banale? Eine schwere, komplizierte, schwierige, komplexe?

Nun auf zu einer banalen Zweiteilung Europas: «Niemand rechtfertigt das Blutbad, das Wladimir Putin anrichtet. Aber im Grossen und Ganzen fühlen sich Spanien, Portugal oder Italien in ihrer Existenz durch den Krieg nicht wirklich bedroht

Typisch, diese lateinischen Schlappis. Mehr Zack herrscht «im zweiten Lager, dem der nördliche und der östliche Teil der EU-Staaten angehören».  Die wissen laut Wetzel: «In der Ukraine kämpfen nach dieser Deutung zwar ukrainische Soldaten, aber sie kämpfen stellvertretend für das EU-Europa und seine Prinzipien: Freiheit, Demokratie, Menschenwürde. Der Krieg ist nicht nur «deren Krieg», er betrifft nicht nur die Ukrainer. Der Krieg ist «unser Krieg» – Putin zielt auf uns alle, und er wird auch uns attackieren, wenn wir ihn nicht im Donbass aufhalten.»

Wenn «wir» ihn nicht im Donbass aufhalten? Müssen wir zukünftig auf die Schreibtischkommentare von Wetzel verzichten, weil er sich höchstpersönlich aufgemacht hat, den Iwan aufzuhalten? Da hält er sich dann doch bedeckt, schliesslich muss Europa seine ordnende Hand spüren: «Wie immer in solchen Fällen wäre es die Aufgabe Deutschlands und Frankreichs, die Führung zu übernehmen. Das aber funktioniert nicht.»

Wann genau haben Deutschland und Frankreich gemeinsam die Führung übernommen? Als sich Frankreich für die Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung den Euro ausbat? Oder lässt Frankreich neuerdings Deutschland an seiner Force de frappe teilhaben?

Aber es gibt noch eine viel grössere Gefahr, und die geht mal wieder von der SPD aus, diesen Pazifisten, Weichlingen, Defätisten, Diversanten. Ob sich hier eine neue Dolchstosslegende entwickelt? «Die Frage, ob man sich auf Deutschland – genauer: den Bundeskanzler – im Notfall verlassen kann, ist wieder zu hören, erst recht, seit in dessen SPD laut über das «Einfrieren» des Kriegs geredet wird.»

Die Frage sei zu hören? So, so, was Wetzel so alles hört. Und wie beantwortet er die Frage? Überhaupt nicht, denn neben der Feigheit vor dem Feind zeichnet ihn auch Feigheit vor der eigenen Regierung aus. Denn behaupten, auf den Bundeskanzler könne man sich «im Notfall» nicht verlassen, das wäre dann doch starker Tobak.

Die ganz grosse Frage ist allerdings: was interessiert den Schweizer Leser diese Schreibtherapie eines deutschen Wüterichs, der von einer düsteren Ankündigung zur nächsten stolpert, getrieben von typischer German Angst?

Die kann leicht beantwortet werden: überhaupt nicht, denn die Schweiz gehört weder zu Deutschland noch zur EU. Und auch, wenn Wetzel vielleicht meint, dass an seinem Wesen die Welt genesen sollte: ist hierzulande völlig unerheblich. Überflüssig. Eine ärgerliche Belästigung.

Wie man einen Club schlachtet

Wenn Fundamentalisten und Heuchler übernehmen.

Die jährliche Mitgliederversammlung des Clubs der Zürcher Wirtschaftsjournalisten war ein kleiner, aber feiner Anlass. Zunächst die Vereinsmeierei, dann eine (fast) immer interessante Podiumsdiskussion mit illustren Gästen. Dann Apero und schliesslich gemeinsames Essen. Alles off the record, daher konnte man sich bespassen, Kontakte knüpfen, Vorurteile abbauen und interessante Leute kennenlernen.

Da dafür fast die gesamten Mitgliederbeiträge draufgegangen wären, war es guter Brauch, sich diesen Anlass sponsern zu lassen. Wie das alle grossen Medienhäuser auch tun. Jeder Journalist müsste eigentlich wie in der Formel eins mit x Aufnähern herumlaufen, wer alles sein Gehalt bezahlt. Was selbstverständlich an seiner unabhängigen und unparteiischen Berichterstattung nichts ändert.

Und morgen erzählen wir ein anderes Märchen.

Denn immer wieder kritisieren die Wirtschaftsjournalisten von Tamedia den profitgetriebenen Kurs von Pietro Supino. Bei Ringier herrscht ein angriffiger Ton gegen Marc Walder oder Ladina Heimgartner. Und den Söhnen des Wannerclans mit ihren Fehlentscheidungen weht ein scharfer Wind in den Organen von CH Media entgegen. Auch Eric Gujer muss sich immer wieder Kritik in den eigenen Spalten der NZZ gefallen lassen. In einer Fantasiewelt …

Leider ist auch unter Wirtschaftsjournalisten die woke Pest ausgebrochen. Angeführt von Holger Alich, verlangte eine Mehrheit an der letzten GV, dass das Sponsoring des Anlasses abgeschafft werden müsse, zu gross sei die Gefahr einer Beeinflussung oder eines Reputationsschadens. Worin der genau bei festangestellten Journis bestehen sollte, die bis unter die Haarwurzeln von Inserenten gesponsert sind, vermochte er allerdings nicht zu erklären.

Damit hat die Heuchelei eine neue Höchstmarke erreicht. Denn die tapferen Kämpfer für einen reinen Anlass wollten es sich anschliessend nicht entgehen lassen, sich noch ein letztes Mal gesponsert den Magen vollzuschlagen und sich kräftig eins auf die Nase zu giessen. Ein übelkeitserregender Anblick.

Damit dürfte der Club nach 57 Jahren ziemlich am Ende sein, denn die Alternativvorschläge der Fundamentalisten sind so abwegig wie lächerlich wie unrealistisch. Der Präsident Marc Kowalsky hat bereits die Konsequenzen gezogen:

«An der Generalversammlung vom Mittwoch hat sich die Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Clubs Zürcher Wirtschaftsjournalisten für zukünftige Jahresveranstaltungen ohne Sponsor ausgesprochen. Damit reduzieren sich die Einnahmen des Clubs um mehr als die Hälfte. Das wird spürbare Folgen haben auf das zukünftige Leistungsangebot des CZW und seinen Charakter.
Selbstverständlich respektiere ich den Willen der Mehrheit, teile ihn in diesem Fall aber nicht. Demzufolge bin ich auch die falsche Person, um ihn umzusetzen. Ich habe daher mein Amt als Präsident heute niedergelegt.»

Da es sich um ein nicht gesponsertes Ehrenamt handelt, ist kaum anzunehmen, dass einer der Fundamentalisten einspringen wird.

Auch wenn Alich sonst nicht viele Spuren im Wirtschaftsjournalismus hinterlässt: er kann sich immerhin damit brüsten, diesen Club gekillt zu haben.

Es ist immer das Gleiche: Fundamentalismus und Fanatismus haben so etwas Spartanisches, Unfrohes, Trockenes, Lebensunlustiges, Miefiges, Selbstgerechtes und vor allem auch Humorloses an sich. Ein Umfeld und Umgang, den man tunlichst meiden sollte.

Wumms: Holger Alich

Journalisten sind Heuchler und Opportunisten. Sie haben ihren Meister gefunden.

Wer für Ringier arbeitet, wird von Inserenten und anderweitig zahlenden Firmen ausgehalten. Kaum ein Medienkonzern hat die Kommerzialisierung journalistischer Dienstleistungen durch Schreibnutten soweit vorangetrieben wie der Verlag an der Dufourstrasse in Zürich.

Es ist auch in den anderen Grossverlagen Gang und Gebe, dass Artikel gesponsert, Events bezahlt, Produkte mit Inseraten in den redaktionellen Teil gehebelt werden. Keine Reisereportage, kein Autotext, der nicht finanziell unterstützt wurde. Da machen die Organe (und ihre Journalisten) die Beine sehr breit. Sogenannter Paid Content kommt wie eine redaktionelle Eigenleistung daher, ist aber immerhin noch als Werbung gekennzeichnet. Ach so viele angebliche redaktionelle Eigenleistungen sind hingegen bezahlte Stücke. Das weiss jeder.

Holger Alich arbeitet für Ringier. Das hindert ihn nicht daran, die Generalversammlung des Clubs der Zürcher Wirtschaftsjournalisten zu Grabe zu tragen. Nachdem er schon mal damit scheiterte, wiederholte er unerbittlich seinen Antrag:

«Der Club der Zürcher Wirtschaftsjournalisten verzichtet bei der Organisation seiner Generalversammlung auf das Sponsoring, um seine Unabhängigkeit zu stärken. Der Anlass ist so zu gestalten, dass er die finanziellen Möglichkeiten des Clubs nicht überfordert.»

Dazu muss man wissen, dass dieser Club einmal im Jahr seine Generalversammlung zum Anlass nimmt, anschliessend zum Abendessen zu bitten. Da Journalisten nicht nur gerne essen, sondern auch durchaus dem Alkohol zusprechen, kostet das alles in allem etwas. Die Generalversammlung selbst, eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion und ein anschliessendes Mahl schlagen mit rund 15’000 Franken zu Buche. Peanuts. Normalerweise nehmen so etwa 100 Personen daran teil. Pro Nase all in 150 Franken. Könnte sich damit ernsthaft jemand in seiner Unabhängigkeit bedroht sehen?

Ein fröhliches Zusammensein von Journalisten, PR-Menschen, Firmen-Kommunikationsfuzzis, zugewandten Orten. Wie Lukas Hässig richtig sagte, wer sonst nicht an solchen Anlässen teilnimmt, kommt, weil man auf engstem Raum viele interessante Menschen trifft.

Nun ist es Brauch, dass dieser Anlass von einer Firma gesponsert wird. Es ist absolut absurd anzunehmen, dass dadurch die Berichterstattung der anwesenden Journalisten beeinflusst werden könnte.

Aber Absurdes sind Alichs Spezialität: «Die GV von 2022 wurde von der Firma Coca Cola gesponsert – es waren 15’000 Franken. Das Sponsoring erfolgte just zu einem Zeitpunkt, als in der Politik über die Reduktion des Zuckergehaltes in den Süssgetränken debattiert wurde.» Blöd nur: Alich konnte kein einziges Beispiel anführen, wie dieses Sponsoring die Berichterstattung eines einzigen Wirtschaftsjournalisten beeinflusst hätte. Oder fürchtete er um seine eigene Unabhängigkeit, weil er dennoch teilnahm und sich das von Coca Cola gesponserte Abendessen munden liess?

Es ist hingegen Tatsache, dass die Berichterstattung auch des Organs, für das Alich arbeitet, selbstverständlich von Inserenten und Sponsoren von Anlässen beeinflusst wird. Das ist nichts Unmoralisches, sondern Business as usual im Journalismus.

So wie Heuchelei und Opportunismus Business as usual sind. Die erreicht einen seltenen Höhepunkt, wenn dann an der GV dieses Sponsoring mehrheitlich abgelehnt wird – was die Weiterführung dieses Anlasses schlichtweg verunmöglicht.

Der Höhepunkt bestand dann darin, dass auch die siegreichen Befürworter der Abschaffung des Sponsorings anschliessend am gesponserten Abendessen fröhlich teilnahmen und sich auf Kosten des Sponsors volllaufen liessen. Sie hatten nicht einmal den Anstand, das konsequenterweise zu unterlassen.

Offensichtlich hielten sie sich für so charakterstark, dass sie dennoch ihre «Unabhängigkeit» wahren konnten. Dabei fiel ihnen aber nicht auf, dass sie sich als opportunistische Heuchler enttarnten.

Dieser Anlass war ein wahres Lehrstück, zu welchen Abgründen an Doppelmoral und Pseudosymbolik Journalisten fähig sind. Ihre ganze Existenzgrundlage beruht darauf, dass sie gesponsert werden – und je nachdem über Firmen oder Skandale schreiben – oder aber auch nicht.

Wären sie in der Formel eins tätig, müssten sie jede Menge Aufnäher tragen, von welchen Unternehmen sie gerade bezahlt werden, für wen sie den Büttel spielen. Aber hier konnten sie ein Zeichen setzen, dass es ihnen sehr unwohl sei, wenn ihnen ein Abendessen gesponsert wird. Einladungen zu Hintergrundgesprächen mit Bewirtung, Besuch einer Firmenfiliale im fernen Ausland, Kosten natürlich übernommen, die Ausstattung mit jeder Menge Hintergrundmaterial zur freien Verfügung, Ferienaufenthalte, geschenkte Produkte, es gibt nichts, was eine Schreibnutte nicht akzeptieren würde.

Aber hier musste ein Exempel statuiert werden. Die Nutte tut so, als sei sie Jungfrau und jeglicher Versuchung abhold.

ZACKBUM-Redaktor René Zeyer war bis zu diesem Anlass Mitglied in diesem Club. Schon alleine aus hygienischen Gründen muss er das beenden.