Es schneit

Das überrascht jedes Jahr aufs Neue.

Zwei öffentliche Einrichtungen reagieren immer wieder fassungslos auf das Naturphänomen Schnee. Zum einen der öffentliche Verkehr und die Flughäfen. So stellte München gleich mal einfach alles ein; sicher ist sicher.

Genauso überrascht sind die Medien. Die kriegen sich jeweils nicht ein; räumen die dicke Staubschicht von den Schlagzeilen des letztjährigen Schneefalls und blöken los. Alleine am Sonntag, obwohl es langsam neige d’antan ist (aber wer kennt schon noch François Villon), finden sich in der Mediendatenbank 150 Treffer für Schnee.

Beliebt dabei sind «Wintereinbruch» (wie ein Dieb schleicht sich der Schneemann heran), lyrische Bruchpiloten schwadronieren gerne von «in Schnee gehüllt» oder gar der «weissen Pracht», «winterliche Stimmung» ist auch im Stehsatz.

Weniger schön sind solche Schlagzeilen: «Zuerst bewarfen sie sein Auto mit Schnee- und Eisblöcken, dann griffen sie ihn an» («20 Minuten»). Aber natürlich sind auch gähnlangweilige Zitate ein sicherer Wert: «So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen» (auch «20 Minuten»). Interessant, ein Neugeborenes kann schon sprechen.

Es ist auch höchste Zeit für Ratgeber, die nach gut getragenen Socken riechen: «Welche Kleidung hält uns im Winter am besten warm?» Für diese Auskunft will «Blick+» tatsächlich noch Geld. ZACKBUM hilft gratis: Von Bikinis, Adiletten, kurzen Hosen oder bauchfreier Oberbekleidung ist abzuraten.

Aber immerhin, umsonst erklärt «Blick» das hier: «So gelingt der perfekte Schneemann». Seine Leser scheinen selbst dafür zu blöd zu sein.

SDA hingegen glänzt mit sachlicher Trockenheit: «Schneefall führt auch am Sonntag zu Verkehrsproblemen». Aber, Breaking News: «Rhätische Bahn fährt wieder nach Fahrplan».

Richtig cool hingegen ist diese Meldung von «pilatustoday.ch»: «Bentley und Tesla fahren beim Bürgenstock aufgrund des vielen Schnees ineinander und sorgen für Verkehrschaos». Wetten, dass sich das Mitgefühl der meisten Leser in Grenzen hält?

nau.ch hingegen hat mal wieder den Polizeifunk abgehört: «St. Gallen: 19 Anzeigen wegen Schneelasten auf dem Dach». Hohen Nutzwert schneit Tamedia auf seine Leser: «Wo Sie jetzt in der Region Langlaufen können».

Die meistkopierte Meldung der SDA am Sonntag: «Bahnverkehr in der Ostschweiz wegen Wintereinbruchs eingeschränkt».

Und noch das Absackerchen, woher denn sonst, aus dem «SonntagsBlick»: «Trotz Rasenheizung wird nicht gekickt».

Der Redigator geht

Die Kommunikationsgenies von der «Republik» …

Gekonnt ist gekonnt:

«Gleichzeitig verabschieden wir auf Ende Dezember Christof Moser. Nachdem er die Chef­redaktion abgegeben hatte, begleitete er uns noch rund zwei Jahre, in denen er die Chef­redaktion unterstützte, grössere Serien betreute und Texte redigierte. An dieser Stelle ist es uns wichtig, zu sagen, dass dieser Abschied in keiner Weise mit den Untersuchungen der vergangenen Wochen in Zusammen­hang steht.»

An dieser Stelle ist es ZACKBUM wichtig zu sagen, dass die Verfasser dieses Newsletters wegen Unfähigkeit fristlos entlassen werden sollten. Indem sie auf die angebliche Zusammenhanglosigkeit hinweisen, insinuieren sie genau das Gegenteil. Und die Kommaregeln könnten sie auch mal wieder repetieren.

An dieser Stelle ist es ZACKBUM wichtig zu wiederholen, was Moser Nettes über die «Republik» sagte, nachdem er als Chefredaktor abgesägt wurde: «Achten Sie darauf, was hinter Ihrem Rücken in den strategischen Gremien passiert. (…) Es geht sehr schnell und Sie stehen plötzlich vor einer Ansammlung von Inkompetenz, Mobbing und Fehlentscheidungen, die Sie sabotieren.»

Nichtsdestotrotz amtierte Moser noch eine hübsche Weile von Berlin aus als «Stabsstelle Chefredaktion» (wobei niemand erklären konnte, was das ist) und als «Redigator». Der Duden kennt diese Kunstwort nicht; es ist zu vermuten, dass die «Republik» eben nicht nur über eine halbe Million für die Produktion und das Redigieren von Artikeln zum Fenster rauswirft, sondern eben noch zusätzlich einen Oberredigierer brauchte. Den sie nun plötzlich nicht mehr braucht.

Der Verschleiss an Chefredaktoren ist hingegen beachtlich. Zurzeit amtiert ein Duo Infernal als 9. und 10. Besetzung dieses Postens. Moser hatte ihn gleich zweimal inne. Am unglücklichsten amtierte Oliver Fuchs. Er hatte eine katastrophale Offensive mitzuverantworten, bei der man auf sinkende Einnahmen mit gewaltig steigenden Ausgaben reagierte. In der vergeblichen Hoffnung, dass das schon wieder einkommen werde. Das kostete Fuchs dann den Job.

Überhaupt herrscht auf der Teppichetage der «Republik», also in all den Gremien, mit denen sich der Konzern umgibt (VR, GL, CR, Räte und beratende Sesselfurzer), ein stetes Kommen und Gehen.

Das gilt allerdings auch für die «Verleger»:

Abgesehen von einem kleinen Zwischenhoch im Februar und März und noch ein wenig im April überwiegt die Anzahl der Abgänge die Neuabos jeden Monat.

Nun kommt die kritische Phase, die Erneuerungswellen im Januar und Februar. Normalweise versucht die «Republik», vor der jährlichen Bettelaktion so etwas wie einen Scoop zu landen. Also eines ihrer inzwischen berüchtigten «Enthüllungs»-Soufflés, die kaum aus dem Ofen zusammenfallen. Aber dieses Jahr scheint sie nicht einmal dazu in der Lage zu sein.

Das Interesse der angeblich «28’450 Mitgliedschaften und Abos», hochgelobt als Verleger, hält sich ebenfalls in engen Grenzen. Maximal 2860 Masochisten (zahlen, um zu leiden) beteiligten sich an der 7. Urabstimmung; schlappe 10 Prozent. Bei politischen Urnengängen würde das Ende der Demokratie ausgerufen. Zudem hätten die Resultate auch Kim den Dicken aus Nordkorea durchaus befriedigt: mal 31 Gegenstimmen, mal 60; alleine aus 143 Stimmen gegen die Entlastung des Vorstands könnte man eine gewisse Kritik am Kamikazekurs der überschuldeten «Republik» ablesen, die nur deswegen nicht die Bücher deponieren muss, weil einige Gläubiger ihre ansehnlichen Darlehen faktisch abgeschrieben haben.

Das Bedauern beim Zuschauer hält sich in engen Grenzen. Ausser vielleicht, was Moser betrifft. Das muss einem mal passieren. Die Idee gehabt, jahrelang gebrütet und damit hausiert, dann den Schönschreiber und Schaumschläger Constantin Seibt an Bord geholt, gestartet, dann gestresst zurückgetreten, nochmals angetreten und schliesslich rausgemobbt worden, bzw. einen Machtkampf verloren im Biotop der edlen Gutmenschen mit toller Betriebskultur.

Dann sogar öffentlich sein eigenes Kind verstossen, als Missgeburt und Fehlentwicklung. Aber nutzt alles nix; solange die «Republik» in bester kapitalistischer Manier den nächsten Deppen findet, der noch Geld reinsteckt, werden es sich die aktuell 55 Nasen gutgehen lassen. Und vollmundig Unternehmer spielen, obwohl sie alle miefige Angestellte sind, denen es noch nie in den Sinn kam, auf eine der zahlreichen Finanzkrisen mit der Reduktion des eigenen Gehalts zu reagieren.

Lieber betteln gehen und grosse Töne spucken. Dabei ähnelt der Anblick der «Republik» immer mehr einer Schlammfahrt, wobei gelegentlich übelreichende Blasen aufsteigen und platzen.

Feheherien

Sollte nicht sein, muss aber mal sein.

Der Verleger, Herausgeber, Besitzer, Redaktionsleiter, Mitarbeiter, Bildchef, Produzent, Kommentarmediator, Rechercheur, Textchef, Copywriter, Community-Manager, Buchhalter, Spendenverwalter, New Markets Scout, CEO; Chief Content Officer, Chief of Chiefs macht mal Pause.

 

Aber nicht zu tief aufatmen,
Ihr Flachschreiber,
Verrichtungsboxenbewohner, Sprachvergewaltiger,
Ihr CCOs, CTOs, Storytellers, Digital-Irgendwas-Fuzzis,
Quotengewinner, Karrieristen dank Geschlecht,
Ihr Gesinnungsblasenbewohner, Büttel, Mietmäuler,
Ihr kenntnislosen, aber meinungsstarken
Überlebenden der Sparwellen.

Am 3. Dezember

geht’s weiter.

Erfrischt, verjüngt, einfühlsam, menschenfreundlich, mit der neuen Devise:

Wir wollen doch nur helfen.

Oder wie sagt Arnold Schwarzenegger so richtig: I’ll be back and you’re whack.

Die «Weltwoche» spinnt mal wieder

Immer wieder gerne aufgewärmt, immer falsch: Hitler war kein Sozialist.

«Sozialist Hitler» titelt die «Weltwoche», und der Leser mit etwas historischer Bildung schämt sich mal wieder. Alles klar. Lenin war Kapitalist, Karl Marx war Friseur, der Überfall auf die Sowjetunion war ein Präventivschlag.

Adolf Hitler war eine Ausgeburt der deutschen Grossindustrie, wurde unterstütz und gefördert von Krupp & Co. X-mal minutiös nachgezeichnet. Fast genauso wie die Juden hasste er die Bolschewiken, für ihn der Inbegriff des bösen Kommunismus. Demokratie und Marxismus waren die Feindbilder in Deutschland, neben den Juden. Gegen niemanden ging Hitler so brutal vor wie gegen Linke, Sozialisten und Kommunisten. Entsprechende Tendenzen in seiner eigenen Partei unterdrückte er mörderisch.

Die NSDAP, Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, war aus der DAP, der Deutschen Arbeiterpartei, entstanden. Reiner Etikettenschwindel. Die Partei war durchaus national, aber keineswegs sozialistisch, und der Arbeiter war ihr eigentlich scheissegal, höchstens willkommen als Teil der Volksgemeinschaft. Sie sozialistisch zu nennen, das ist ungefähr so absurd, wie Putin als lupenreinen Demokraten zu bezeichnen.

Kein brutaler, massenmörderischer, verbrecherischer Diktator käme auf die Idee, sich so zu bezeichnen. Wieso Christoph Mörgeli, der doch über eine gewisse historische Bildung verfügt, auf die Idee kommt, dieses uralte Klischee wieder aufzuwärmen? Seine zusammengesuchten Fetzen aus Reden und Deklarationen – völlig unerheblich, wenn man es an der Praxis der NSDAP misst.

Vielleicht sollte Mörgeli Reinhard Kühnl «Der deutsche Faschismus» lesen. Oder sich mal in der umfangreichen Bibliothek des ZACKBUM-Autors zum Thema umsehen. Er sei herzlich eingeladen.

Kein Mensch mit einem Funken Restvernunft wäre zwischen 1920 und 1945 auf die Idee gekommen, Hitler als Sozialisten zu bezeichnen. Am allerwenigsten er selber. Aber die ewige Leier von den braunen und roten Fäusten überlebt die Zeiten. Dabei ist sie ungefähr so real wie die angeblichen Protokolle der Weisen von Zion. Auch so eine Propaganda-Mär, längst und x-mal als plumpe Fälschung entlarvt. Dennoch irrlichtert sie bis heute durch die Köpfe von Verpeilten und Verwirrten.

Die simple Wahrheit ist: Hitler war kein Ideologe; sein «Kampf» ist ein Krampf, eine krude Mischung von Versatzstücken eines irrlichternden Geistes, das zwar millionenfach gedruckt, aber von eigentlich niemandem gelesen wurde. Mit Sozialismus hatte es so viel zu tun wie Strandferien mit Eskimos.

Was hier versucht wird, ist der allgemeinen Verluderung der Begriffe eine weitere Facette hinzuzufügen. Faschist ist inzwischen ein Synonym für Arschloch. Antisemit ist jeder, der eine Kritik an Israel wagt. Werden ein paar Menschen umgebracht, handelt es sich um einen Genozid. Worte wie Holocaust, Shoa oder Endlösung für ein Jahrhundertverbrechen werden wie kleine Münze gehandelt, ein Hohn für die Opfer.

Eine Partei, ein Mann, der die UdSSR als den grössten Feind der Menschheit ansah, zusammen mit dem «internationalen Judentum», eine Armee, die jeden sowjetischen Politkommissar sofort umbrachte, wenn sie seiner habhaft wurde, ein Regime, das von Anfang an mit äusserster Brutalität gegen links, gegen Sozialisten und Kommunisten vorging, eine Bewegung, die vom deutschen Grosskapital aufgepeppelt und gegen alles Linke in Stellung gebracht wurde, das alles soll etwas mit Sozialismus zu tun haben?

Mit Klassenkampf, der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, der Aufhebung des Privateigentums? Mit der Anwendung des Marxismus-Leninismus?

Der «Sozialist» Hitler brach einen Vernichtungsfeldzug gegen die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom Zaun, gegen seine Brüder im Geist, die bolschewistischen «Untermenschen». Wie bescheuert kann man eigentlich sein?

Was hier stattfindet, ist reiner Orwell. Nicht nur eine Entwertung der Begriffe, nein, ihre Umdeutung ins Gegenteil. Faschismus ist Kommunismus, Stalin ist Hitler und umgekehrt, alles ist totalitär, weiss ist schwarz, das Friedensministerium führt Krieg – und Hitler ist Sozialist.

Dabei haben er und seine Partei sich einfach alle Versatzstücke zusammengeleimt, mit denen sie auf Menschenfang gingen. Der Inhalt dieser Begriffe war ihnen völlig egal. War auch Walther Rathenau dann ein nationaler Sozialist? Waren es Spengler, Sombart, Jünger? War es Gregor Strasser? Der war Hitler eindeutig zu sozialistisch, deshalb wurde er während des sogenannten Röhm-Putsches, einer internen Abrechnung, ermordet. Durch den «Sozialisten» Hitler.

Wenn der Papst Atheist ist, dann wäre Hitler Sozialist. Wenn braun rot wäre und wir auf dem Kopf gingen, wäre Hitler Sozialist.

Aber diese krude These ist für Mörgeli nur das Sprungbrett, um den «aufflammenden Judenhass der Linken» zu denunzieren. Denn «Antikapitalismus und Antisemitismus gingen schon immer Hand in Hand». Das stimmt so wenig, wie dass Hitler Kommunist war. Es gab und gibt in der Linken eine starke Anti-Israel-Fraktion, die ebenfalls aus historischer Unkenntnis den Staat Israel als Kolonialmacht betrachtet. Antikapitalismus hat nur eine ganz geringe Schnittmenge mit Antisemitismus. Abgesehen davon, dass auch dieses Wort zur hohlen Hülse verkommen ist, die auf alles angewendet wird und daher nichts bedeutet. Antisemitismus, was sehr bedauerlich ist, ist als Begriff entkernt, begreift nichts mehr. Die meisten, die damit um sich werfen, wären nicht mal in der Lage, ihn zu definieren.

Hier ist die «Weltwoche» leider auf dem Niveau Schmiere angelangt, einer ihr unwürdigen Primitiv-Polemik des ansonsten doch begabten Professors Mörgeli.

Denn wenn alles geht, läuft nichts mehr. Wenn Begriffe keine Griffe mehr sind, um uns an der Wirklichkeit festzuhalten, dann gerät alles ins Rutschen, herrscht die nebulöse Beliebigkeit von Dummschwätzern und Nebelwerfern.

Sackschwach

«Cyprus Confidential»: Neuer Name, alte Leier.

Immerhin: für Hubert Seipel gibt es ein Leben vor und eines nach den Enthüllungen darüber, dass er Hunderttausende aus kremlnahen Kreisen in Russland erhalten hat. Natürlich für seine Buchprojekte, ohne dass ihm inhaltliche Vorgaben gemacht worden seien. Blöd nur, dass er immer entrüstet abstritt, für seine Russland-Erklärungen von dort bezahlt zu werden.

Das ist nun echt peinlich; ungefähr so peinlich wie die Enthüllungen, welche deutschen Journalisten indirekt von den USA bezahlt werden.

Damit hat nun der «Spiegel» einen schönen Hammer gelandet, der allerdings vor allem in Journalistenkreisen interessiert. Für Seipel ist zu hoffen, dass auch eine Leibrente ausgesetzt wurde, denn als Publizist war’s das für ihn.

Tamedia hat allerdings wie meist die Arschkarte gezogen. «Der Mitbesitzer von Putins Propagandasender war UBS-Grosskunde», «Diese 20 sanktionierten Russen hatten Schweizer Konten». Eingeschlafene Füsse, frisch aufgewärmt. Das übliche Team bemüht sich, mal wieder zu erklären, wieso sie monatelang auf der Payroll standen, ohne gross Output zu leisten. Aber jetzt können Christian Brönnimann, Sylvain Besson, Arielle Peterhans, Oliver Zihlmann und Sophia Stahl wieder Artikel am Laufmeter absondern.

Da «Papers» und «Leaks» und «Secrets» nun wirklich abgenudelt sind (und sich auch nicht schön stabreimen würden) diesmal also «Cyprus Confidential». Man macht sich gar nicht mal grosse Mühe, zu erklären, von wem mit welchen Motiven man mit gestohlenen Geschäftsunterlagen zugeschüttet wurde. Dafür macht die Arbeit mit dieser Hehlerware viel zu viel Spass.

Da es die ewig gleiche Leier ist, will ZACKBUM nicht auch ins Leiern geraten. Keinem der geouteten russischen Geschäftsleute kann offenbar eine strafbare Handlung oder eine Verurteilung vorgeworfen werden. Ausser, dass sie früher oder später auf irgendwelchen Sanktionslisten der USA oder der EU landeten. Wie man da drauf kommt, ist längst bekannt. Eine Erwähnung unter den 500 Reichsten des «Forbes» Magazins, russischer Name, reicht. Oligarch, kremlnah, Kriegsverbrecher mindestens Verbrecher.

So tauchen auch russische Reiche auf, die oft jahrelang völlig legal in der Schweiz lebten, eine Niederlassung besitzen, brav ihre Steuern zahlen, ihren Firmensitz sogar in die vermeintlich neutrale und rechtsstaatliche Schweiz verlegten – und sich nie etwas zuschulden kommen liessen. Bis sie im eilfertigen Nachvollzug von der Schweizer Regierung ebenfalls sanktioniert wurden.

Das führte dann einfach dazu, dass die sich enttäuscht von der Schweiz abwandten und an deren Rechtsstaatlichkeit zweifeln. Denn gegen diesen Beschluss des Bundesrats, sanktioniert zu werden, gibt es keine Rekursmöglichkeit, kann kein ordentliches Gericht angerufen werden. Und wer beim Bundesrat selbst protestiert, bekommt nicht mal eine Antwort.

Das wäre nun durchaus eine interessante Geschichte, die Tamedia eigenständig recherchieren könnte. Sie hat nur zwei Nachteile. Sie entspricht nicht dem gepflegten Narrativ reich, Russe, Räuber. Und sie wäre mit etwas Aufwand verbunden, der über das Aktenstudium in Datenbergen hinausginge.

Aus Erfahrung weiss man: auch «Cyprus Confidential» wird genauso spurlos verschwinden wie seine Vorgänger. Oder erinnert sich noch jemand an die «Panama Papers» und wie die gestohlenen Datenberge alle hiessen?

Eben. Bloss für Seipel ist die Sache ziemlich blöd gelaufen. Dabei sollte er doch wissen, dass das Bankgeheimnis auch nicht mehr das ist, was es einmal war.

Ein seltener Lichtblick

Ane Hebeisen kann’s doch.

Bei den Themen Rammstein und Rassismus hat sich der Tamedia-Redaktor nicht gerade ausgezeichnet. Dafür wurde er natürlich kritisiert.

Aber man soll niemanden vorschnell abschreiben. Wie ein Phönix aus der Asche hat Hebeisen jetzt ein Stück vorgelegt, das ein Loblied verdient. «Nicht alle haben diese Dreharbeiten überlebt», ist der launige Titel. Es geht um einen Dokumentarfilm über die Schweizer Musikszene. Einen besonderen Dokumentarfilm.

Nachdem zwei hoffnungsfrohe Schweizer Musikstars ihre Ambitionen begraben mussten, fragten sie sich, wie man eigentlich als Musiker in Würde alt wird – und ob das überhaupt möglich ist. Also machten sie sich wie weiland Ray Cooder in Kuba auf die Suche nach lebenden oder überlebenden alten Schweizer Musikern.

Einleitend fasst Hebeisen das Ergebnis zusammen: «Entstanden ist ein bewegendes Filmdokument über die Schweizer Musikszene.»

Das würdigt er mit einem bewegenden Artikel über dieses Filmdokument. Man könnte ihn in Journalistenschulen verlesen, mit dem Zusatz: das werdet ihr nie können. Aber wenn, dann gehört ihr zur Oberliga der Schweizer Schreiber. Der Artikel fängt gut an ««Alt werden ist ein Scheissdreck», schimpft Küre Güdel, als er wieder einmal von einem heftigen Schub Altersmelancholie durchgeschüttelt wird», und lässt dann überhaupt nicht nach.

Hebeisen zeichnet liebevoll die Umsetzung eines Projekts nach, das auf dem Papier «nach einem geschmeidigen Plan aussieht, in der Umsetzung zum nicht ganz unkomplizierten Abenteuer» wurde. Neben den szenischen Beschreibungen wechselt Hebeisen immer wieder geschickt die Ebene und fasst zusammen: «Die Alten sind ein bisschen eigensinnig geworden, hängen teilweise noch sehr den Musikideen von vor 60 Jahren nach, sie kämpfen mit Gebresten und mit Zweifeln, ob es sich lohnt, sich für diesen Film und dieses Konzert noch einmal aufzuraffen. Und doch entwickelt sich die daraus entstandene Doku-Serie zum wohl bewegendsten Filmdokument, das je über die hiesige Musikszene gedreht worden ist

Was den Text warm macht, ohne anbiedernd zu wirken, ist, dass der Autor nicht nur angerührt ist, sondern das auch ohne Kitsch dem Leser vermitteln kann: «Man leidet richtiggehend mit, wenn der rührende Küre Güdel vor dem finalen Konzert vor lauter Lampenfieber einen Herzinfarkt herbeiprognostiziert

Immer wieder gelingen Hebeisen kleine Edelsteine von Kurzporträts: «So treffen wir den umarmungswürdigen Rumpelstilz-Bassisten Sam Jungen allein in seinem Haus in Deisswil beim Bassspielen an – «einfach für mich allein», wie er sagt. Ohne die Musik würde er das Leben nicht aushalten, fügt er an, «aber wer will denn schon einen 70-jährigen Bassisten in seiner Band haben.»»

Wie beim «Buena Vista Social Club» endet der Film natürlich mit dem grossen Konzert, für das sich alle nochmal auf der Bühne vereinigen, was Anlass für einen wahren Tusch von Schluss ist:

«Als es zum finalen Konzert kommt, sind alle anfänglichen Problemchen und Bedenken verflogen. Der wankelmütige Düde Dürst strahlt hinter den Crash-Becken wie ein übermütiges Kleinkind, Barry Window, der in den 60s als Schweizer Tom Jones gefeiert wurde, schmettert seinen kräftigen Schmachtbariton durchs Lokal, und sagt danach: «Es ist nie fertig, erst wenn man gestorben ist.»»

Solche überraschenden Einzelleistungen geben dann doch wieder Hoffnung, dass der Journalismus zwar komatös ist in der Schweiz, aber gelegentlich doch noch ein Auge öffnet. Weiter so.

Fehler? Niemals

Es herrschen Sitten wie weiland im Vatikan.

Wo gehobelt wird, fallen Späne. Irren ist menschlich. Fehler passieren. Es zeichnet das menschliche Streben aus, dass wir nicht unfehlbar sind. Das hat sogar der Papst eingesehen, und das will ja etwas heissen.

Ob der Journalist nun Gottes unerforschlichem Ratschluss auf der Spur ist oder ganz weltlich irgend etwas beschreiben, reportieren, erklären will: dabei passieren Fehler.

Wie man mit denen umgeht, das nennt man Fehlerkultur. Journalismus ist zunehmend kulturlos. Zumindest im deutschen Sprachraum. Im angelsächsischen hat jedes Qualitätsorgan eine eigene Rubrik, in der es pedantisch alle Fehler aufzählt, die passiert sind. Und korrigiert.

Eine in deutschen Medien unbekannte Rubrik. Halt, die «Zeit» führt immerhin den Blog «Glashaus», in dem sie ab und an sogar kritisch über begangene Fehler berichtet. Aber im Glashaus an der Werdstrasse, an der Falkenstrasse, an der Dufourstrasse und auch in Aarau sind solche Einrichtungen unbekannt, ebenso am Leutschenbach.

Nur wenn flächendeckend und offensichtlich Unsinn verzapft wird, rafft man sich knirschend zu einer Richtigstellung auf. Paradebeispiel in Deutschland ist die Schlagzeile «Karlsruhe verbietet NPD». Damit war gemeint, dass das deutsche oberste Gericht die bräunliche Partei NPD verboten habe. «Spiegel online», «Zeit», NZZ, ARD, Phönix, die Schlagzeile. Nur: das Bundesverfassungsgericht hatte lediglich die Verlesung des Verbotsantrags vermeldet.

Das sind dann jeweils Anlässe, «Abläufe und Arbeitsweisen» kritisch zu hinterfragen – und sich sogar mal zu entschuldigen. Aber die Lieblingsnummer der Medien ist immer noch: ups, aber wenn’s keiner öffentlich merkt, einfach drüber hinwegsehen, ist dann mal weg.

Besonders einfach ist die Fehlerkorrektur online. Wenn hier vorher «offline» stand: schwups, weg isses, hat doch niemand gemerkt. Und selbst wenn, wer macht schon einen Screenshot zur Beweissicherung. Der Deutsche Journalistenverband hat mal die Malaise schön zusammengefasst:

«Namen werden falsch geschrieben, Zitate unsauber wiedergegeben, Gerüchte für bare Münze genommen, Zahlen unsinnig interpretiert, Statistiken missverstanden oder Überschriften so zugespitzt formuliert, dass sie sachlich falsch werden.»

Wenn ZACKBUM das als eigen Formulierkunst verkauft und nicht als Zitat ausgewiesen hätte: wer hätte es gemerkt? Wer hätte den Absatz durch Google gejagt? Das unlautere Verwenden von Zitaten ohne Quellenangabe ist nicht ein eigentlicher Fehler, aber auch ein Zeichen der allgemeinen Sittenverluderung. Was in angelsächsischen Medien erschien, was im fernen Indien, in Indonesien, in Brasilien, in Südafrika publiziert wird, wer kennt das schon? Copy/paste plus Übersetzungsprogramm.

Besonders übel wird die mangelnde Fehlerkultur, wenn Betroffene eine Korrektur, eine Richtigstellung verlangen. Ist es nicht ein offensichtlicher Fehler (falscher Name, falscher Ort, falsche Tatsachenbehauptung) wehren sich die Redaktionen bis aufs Messer. Vorreiter dieses üblen Brauchs ist die «Republik», aber auch die grossen Medienkonzerne in der Schweiz betrachten die Forderung nach einer Korrektur als Beschäftigungsprogramm für ihre juristischen Abteilungen.

Viele werden schon damit abgeschmettert, dass eine Gegendarstellung einigen Formvorschriften entsprechen muss, die dem Laien nicht bekannt sind. Tun sie das, gilt dennoch meistens: ist nicht gegendarstellungsfähig, abgeschmettert. Beschreiten Sie doch den Rechtsweg, und viel Spass dabei. Wir hoffen, dass Ihnen unterwegs nicht das Geld ausgeht.

Im besten Fall erscheint dann ein Jahr später eine Gegendarstellung oder «Richtigstellung» oder ein «Korrigendum». Meistens hängt die rachsüchtige Journaille noch den Satz dran: «Die Redaktion hält an ihrer Darstellung fest.» Womit der Effekt gleich null wäre.

Auch sonst tun Redaktionen viel, um die Korrektur eines Fehlers zu vermeiden. beliebt ist beispielsweise, dem fehlerhaft Kritisierten die Möglichkeit zu geben, in einem Interview seine Position darzulegen. Der Leser fragt sich vielleicht, was das soll; es soll eine Gegendarstellung vermeiden. Ein anderes Mittelchen ist der anschliessende Lobhudel-Artikel.

Nur ganz selten wird’s richtig bitter und teuer in der Schweiz. «Ringier entschuldigt sich bei Borers» war so ein Fall. Da musste Michael Ringier höchstpersönlich auf der Frontseite zu Kreuze kriechen:

«Auch Herrn Dr. Thomas Borer und seiner Frau stand eine Entschuldigung zu. Sie haben beide Ungemach erlitten, was ich bedaure. Wir haben uns bei ihnen entschuldigt. … Wir haben uns auch verpflichtet, für den finanziellen Schaden, welcher dem Ehepaar Borer-Fielding entstanden ist, aufzukommen. In langen Gesprächen konnte auf dieser Basis eine einvernehmliche Lösung im Interesse aller Beteiligten gefunden werden.»

Lange Gespräche ist gut. Normalerweise wird so etwas in der Schweiz mit einer Zahlung im vier- oder höchstens fünfstelligen Bereich beigelegt. Hier war der Betrag siebenstellig, weil dank der US-Staatsbürgerschaft von Frau Borer auch ein dortiger Gerichtsstand möglich gewesen wäre. Und US-Gerichte kennen keine Gnade bei der Festlegung von Schadenersatz wegen Persönlichkeitsverletzung.

Aber all das ist keine Fehlerkultur, sondern knirschendes und erzwungenes Nachgeben.

Neu im diesen Theater ist die «Gewinnherausgabe». Damit ist gemeint, dass das Opfer einer Persönlichkeitsverletzung auf dem Zivilweg verlangen kann, dass durch diese Verletzung entstandener Gewinn herausgegeben werden muss. Hört sich einfach an, ist aber in Wirklichkeit sauschwer. Denn wie misst man diesen Gewinn? Zurzeit läuft da ein Pilotprozess, bei dem die Vorstellungen des Opfers und die Wirklichkeit massiv auseinanderklaffen.

Durch die Monopolisierung des Tageszeitungsmarkts sind die Möglichkeiten einer korrigierenden Gegenmeinung sowieso fast inexistent. Tamedia und CH Media behaupteten am Anfang, dass sie sich ihres gesellschaftlichen Auftrags durchaus bewusst seien und sich selbstverständlich als Podiumszeitungen verstünden, in denen auch Gegenmeinungen durchaus ihren Platz hätten. Völliger Unsinn, wie ZACKBUM schon ausgetestet hat.

Probiert man’s, bekommt man selbst von einem zugewandten Redaktor die Rückmeldung: fantastisch geschrieben, aber du meinst doch nicht etwa, dass ich das an der Redaktionskonferenz vorbringen könnte.

Löbliche Ausnahme, das muss erwähnt werden, ist die «Weltwoche». Hier darf man sogar den Chefredaktor, Besitzer und Verleger in den Senkel stellen, wenn man’s kann. Oder man stelle sich eine kritische Kolumne vor, in der in der NZZ Eric Gujer, bei CH Media Patrik Müller, bei Tamedia Raphaela Birrer oder im «Blick» Christian Dorer, oh, Pardon, der ist ja weg, also Gieri Cavelty, hops, auch weg, also irgend ein Chief oder Head kritisiert würde.

Nein, kann man sich nicht vorstellen. Aber eigentlich macht nur die Kontroverse, die Gegenmeinung, die Korrektur eine Lektüre spannend. Doch Papiermangel, Geldmangel, Ideenmangel, das Glaskinn der Mimosen, die sich Journalisten nennen, die miefigen Gesinnungsblasen ohne Frischluftzufuhr, die von oben vorgeschriebenen Leitlinien, denen jeder zu gehorchen hat, obwohl sie natürlich nicht schriftlich festgehalten wurden, all das trägt dazu bei, dass die Lektüre der Tagespresse so oft schlichtweg mieft.

Zu transparent?

Die «Republik» legt ihre Zahlen offen. Vielleicht ein Fehler.

Vielleicht ist der Titel des Beitrags absichtlich abschreckend: «Der Fokus liegt auf Stabilität». Denn was soll bei der «Republik» stabil sein? Desaströser Zustand der Finanzen, nach der Offensive die Defensive, Steuerschummelei, Sexismus-Affäre, knapp an der Pleite entlang, ein Irrwisch als VR-Präsident, zwei unerfahrene Chefredaktoren, reihenweise Abgänge in der Teppichetage, eine demotivierte Crew, die am liebsten mit Arschtreten beschäftigt ist und kaum noch Output hat – stabil im Desaster?

Aber greifen wir doch ein paar transparente Zahlen heraus. 3,9 Millionen Franken werden zwischen Juli 2023 bis Juni 2024 für die «Redaktion» ausgegeben. Von insgesamt 6,58 Millionen. Wenn’s die «Republik» noch solange macht.

2,1 Millionen kassieren die Festangestellten, 312’000 werden für Freie ausgegeben. Der Ausbildungsetat beträgt 0. Produktion und  Korrektorat verschlingen eine halbe Million, mit Dienstleistungen von aussen sogar 585’000. Der Flop «Republik zum Hören» wird weiterhin mit 200’000 Franken honoriert.

Tech und Design, Community, Departement des Inneren: satte 2,17 Millionen, plus «Unternehmensführung» eine halbe Kiste. Macht 2,67 für Overhead, Technik und redaktionsfremde Dienstleistungen.

Die Geschäftsleitung besteht aus zwei Personen, die 256’000 Franken verdienen; 128’000 pro Nase. So viel zum Einheitslohn. Dazu kommen noch 33’000 Franken «Sachkosten»; der VR und der Vorstand und der Genossenschaftsrat kassieren weitere 224’000 Franken. Von ehrenamtlicher Tätigkeit hat hier noch niemand etwas gehört.

Besonders stossend sind die schön versteckte Posten Rechtsberatungen (83’500 Franken) und «Übrige Beratungsdienstleistungen» in der Höhe von satten 286’300 Franken. Darin enthalten sind «Aufwendungen für die Revision in der Höhe von CHF 48’343 (Vorjahr CHF 46’207) sowie Kosten für die Findungskommission (FIKO) von CHF 26’110 (Vorjahr CHF 0) und Kosten für die Organisationsentwicklung von CHF 106’380 (Vorjahr CHF 0)». Organisationsentwicklung? Womit immer noch über 100’000 Franken für «Beratung» allgemeiner Art übrig blieben. Wie die «Republik» dermassen überberaten nicht mal den VR richtig besetzen konnte und in ein Fettnäpfchen nach dem anderen trat – unglaublich.

Das sind die Ausgaben, wie sieht es bei den Einnahmen aus? Die bestehen nur aus Abos; zurzeit zählt die «Republik» 28’450 «Mitgliedschaften und Abos». Das Magazin rechnet mit einer durchschnittlichen Erneuerungsrate von 75 Prozent. Das bedeutet, dass haargenau 7112 Abonnenten neu dazukommen müssen, wenn dieser Stand  gehalten werden soll.

Hier kommt das nun wirklich übliche Gejammer: «Die schlechte Nachricht zuerst: Über die Sommer­monate haben mehr Verlegerinnen die Republik verlassen, als neue dazu- (oder alte zurück-)gekommen sind. Das erhöht den Druck auf die verbleibenden Monate.»

Ergänzt mit dem üblichen haltlosen Optimismus: «Nun die gute Nachricht: Das ist kein Ding der Unmöglichkeit. Im Oktober stiegen die Verkaufs­zahlen sichtbar, zum ersten Mal seit einiger Zeit, was uns sehr freut und vorsichtig optimistisch stimmt. »

Hä? Laut der Abbildung im Cockpit sieht diese «sichtbare Steigerung» im Oktober so aus:

Grün sind die neuen Abos; der Balken im Oktober liegt über 250. Im September lag er darunter. Aber im September lagen die Abgänge bei über 500, im Oktober kratzten sie an dieser Zahl. Seit Beginn des Geschäftsjahrs im Juli 2023 gab es immer mehr Abgänge als Zuwachs. Woher soll da Optimismus kommen, selbst vorsichtiger?

Das ist so gaga, wie wenn man im Regen steht und sagen würde: okay, ein paar Tropfen haben mich erwischt, aber mich stimmt optimistisch, dass die meisten mich nicht getroffen haben.

Fokus auf Stabilität? Wie stabil kann der Aufenthalt in einer Gesinnungsblase sein, die immer höher über der Realität schwebt?

Das einzig Stabile ist: die nächste Bettelaktion kommt bestimmt.

Eine Leichenschau

Das ist der kläglicher Ausstoss einer Woche «Republik».

ZACKBUM ergänzt die Grabrede durch eine Autopsie. Auf dem Schragen liegen 27 Stücke der rund 55 Nasen, die auf der Payroll dahinvegetieren. Stücke deswegen, weil es natürlich nur minderheitlich eigentliche Artikel sind.

Von den 27 Stücken einer Woche sind 14 Selbstanpreisungen. Nachrichtenüberblick, Artikelanrisse, das Klimalabor sendet kleine Lebenszeichen, eine weitere Urabstimmung stehe an, der Bericht über die katastrophale finanzielle Lage trägt den Witztitel «Fokus liegt auf Stabilität».

Bleiben also noch 13 Artikel. Davon sind ganze 7 Eigenleistungen, wenn man die Quatschkolumne von Daniel Binswanger und die Justiz-Kolumnen dazuzählt.

Ein gähnlangweiliger Artikel über die zu Recht vergessene Virologin Isabella Eckerle ist wie diverse andere Stücke eingekauft. Denn sonst würde das ja in eine übermenschliche Leistung der 55 Schnarchnasen der «Republik» ausarten, einen ähnliche Output wie ZACKBUM hinzulegen.

Vielversprechend ist auch der Auftakt zu einer neuen «Serie»: «Klimakrise und Literatur». Das wird sich als Schlafpille durchsetzen, schon bei der ersten Folge, obwohl die für «Republik»-Verhältnisse schlanke 10’000 A kurz ist, schläft einem das Gesicht ein.

Um das Prozedere einer Urabstimmung zu erklären, braucht die «Republik» dann allerdings 17’000 A.Um zu beklagen, dass der «Freisinn kuscht», sind es dann 20’000. Zu Russlands Rolle in Afrika, auch kein brandneues Thema, wurden 21’800 A eingekauft.

Fehlt da was? Nö, nicht wirklich. Naher Osten? Ist da was? Hunderttausende an Demonstrationen? Ach ja. Ständeratswahlen? Schnarch. Ukraine? Also man kann nicht auf alles achten. Antisemitismus-Debatte? Lieber Finger weg.

Man wäre ja schon mit wenig zufrieden. Zum Beispiel mit einem einzigen aktuellen Artikel in dieser Woche. Aber nein, so arbeitet diese Redaktion auf Sparflamme nicht. Dazu ist man viel zu sehr mit Interna beschäftigt. Wie schenken wir die nächste Urabstimmung ein, wie schreiben wir die katastrophale finanzielle Lage schön. Wie schweigen wir beredt zum katastrophalen Interview des VR-Präsidenten. Ach, und wo bleibt Constantin Seibt? Ist er in der Erforschung des US-Faschismus untergetaucht?

Ein Schattengewächs, ein Skelett, das müde mit den Knochen klappert. Dabei hat die «Republik» doch nur ganz wenige Mitarbeiter rausgeschmissen. Wenn man sich so die Payroll anschaut, fragt man sich schon – und vergeblich –: was machen die alle eigentlich den ganzen Tag? Gut, am Wochenende ruhen sie aus. Nur: wovon?

Man kann die Witzfrage mit der Glühbirne ohne Weiteres auf die «Republik» übertragen. Bei täglich einer echten Eigenleistung in Form eines Artikels darf man schon fragen, wie viele Republikaner es braucht, um eine Glühbirne einzuschrauben. Einer schraubt, die anderen machen die Schraube.

Eine Grabrede

Es war einmal eine Idee, die zerschellte.

Die Idee war, wie viele Ideen, ziemlich gut. Christof Moser hatte sich lange mit dem Gedanken getragen, etwas zu machen, was der Traum wohl jedes Journalisten ist. Wie wär’s, wenn es ein Online-Magazin gäbe. Eines, das werbeunabhängig ist, nur von den Einnahmen seiner Abonnenten lebt und endlich wieder das macht, wozu Journalismus eigentlich da ist: Expeditionen in die Wirklichkeit, wie das der Schönschreiber Constantin Seibt schönschrieb.

Also wurde konzipiert und gehirnt und geschaut und schliesslich angekündigt. Man nahm dabei den Mund so voll, dass die «Republik» spöttisch als der selbsternannte Retter der Demokratie bezeichnet wurde.

Es wurde ein Crowdfunding gemacht, das alle Erwartungen übertraf. Dazu wurden mehrere Mäzene gefunden, die tief in ihre tiefen Taschen griffen. Dann wurde eine ausgefinkelte Struktur entwickelt, der eigentlich nur der Hauptsitz auf den Bahamas fehlte. Eine Holdingstruktur mit einer Genossenschaft und einer AG.

Da kamen die ersten Zweifel auf, ob die «Republik»-Macher wirklich wissen, was sie tun:

Nein, das muss man nicht verstehen, das versteht auch innerhalb der «Republik» kaum einer. Auf jeden Fall, der Fluch einer Holding, gab es dann einen Verwaltungsrat, einen Genossenschaftsrat, eine Geschäftsleitung und eine Chefredaktion. Und ein paar Indianer.

Im ersten Überschwang erklärte man die Finanzierung für mindestens zwei Jahre gesichert und legte los. Gleich der Start war eine ernüchternde Enttäuschung. Zwei Jungredaktorinnen plus Fotograf  reisten durch die USA und sollten eigentlich erklären, wieso denn Donald Trump gewählt worden war. Im Ansatz eine originelle Idee. Nur: die Mädels zofften sich in erster Linie und beschäftigten sich mit sich selbst. Journalistisch unterliefen ihnen reihenweise Unsauberkeiten und Fehler. So versuchte ein von ihnen übel in die Pfanne gehauener Geistlicher, wenigstens das Foto seines Sohnes aus dem Artikel zu löschen.

Da zeigte die «Republik» zum ersten Mal ihr hässliches Gesicht. Keine Chance, klag uns doch ein, wir korrigieren oder ändern nichts, beschied sie ihm. Die beiden Autorinnen hatten ihm Einsicht in seine Quotes versprochen, dachten dann aber wohl, dass so ein Wicht im Süden der USA doch niemals mitkriegen werde, wie man ihn in einem kleinen Schweizer Organ als Waffennarr karikiert – und pfiffen auf seine Autorisierung.

Diese Reisereportage legte auch in anderer Beziehung eine Marotte vor, die dann fleissig nachgeahmt wurde: die Überlänge von Beiträgen. 20’000 A waren eine Kurzstrecke, 40’000 A, 60’000, 120’000 und mehr; notfalls halt in mehrere Teile verhackt.

Was im Kleinen sich unangenehm äusserte, wurde auch zur schlechten Angewohnheit im Grossen. Eine aufgewärmte Story über üble Zustände im Bündner Immobilienwesen, mit einem übel beleumdeten Kronzeugen. Kritik daran wurde als Majestätsbeleidigung zurückgewiesen. Immer wieder folgten zu Riesenskandalen aufgeladene Storys, als wären die «Republik»-Macher bei den «Leaks»- und «Papers»-Aufplusterern in die Schule gegangen. ETH, ein Riesen-Mobbingskandal. Die ETH musste gerichtlich erzwingen, dass aus diesem Ballon die Luft rausgelassen wurde.

Die «Republik» verstieg sich bis zur Lächerlichkeit. Selbst als der Leiter einer Sitzung öffentlich bekanntgab, dass nicht wie von der «Republik» behauptet ein Professor daran teilgenommen hatte – und damit doch seinen Ruf in die Waagschale warf –, knirschte die «Republik», dass aufgrund ihr vorliegender Informationen das doch so gewesen sei.

«Globe Garden», ein angeblicher Riesenskandal, unglaubliche Zustände, alle basierend auf anonymen und nicht überprüfbaren Behauptungen ehemaliger Mitarbeiter, die «Republik» traute sich nicht einmal, selbst einen Augenschein zu nehmen, sondern «recherchierte» alles am Schreibtisch. Die seriöse Untersuchung einer spezialisierten und unabhängigen Kanzlei ergab: kein einziger Vorfall, einfach nichts liess sich erhärten oder nachvollziehen.

Inhaltlich denaturierte die «Republik» schnell zu einem Gesinnungsblasen-Bedien-Organ. Nachdem die «SonntagsZeitung» die ETH-Recherche der «Republik» in der Luft zerrissen hatte, rächte sich das Organ mit einer mehrteiligen Serie unter dem grossmäuligen Titel «Tamedia Papers». Der gleiche Autor verbrach dann ein Denunziationsstück über ein angebliches Netzwerk von «Infokriegern». Angeteasert als «Eine Reise ans Ende der Demokratie». In Wirklichkeit war das eine Reise ans Ende des seriösen und ernstzunehmenden Journalismus. Denn der Autor hatte lediglich mit einem einzigen der von ihm als Mitglieder eines üblen, rechten Netzwerks von Publizisten verunglimpften Gespensternetzes gesprochen. Das hinderte ihn nicht daran, eine Handvoll dieser Infokrieger namentlich zu nennen und wie ein irrer Verschwörungstheoretiker ein ganzes Organigramm zu pinseln.

Es war nicht als Selbstkritik gemeint, wenn es in dieser Schmiere hiess: «Trump und Pandemie haben einen Nährboden für ein Medien-Ökosystem geschaffen, in dem Fakten keine Rolle mehr spielen.»

Aber das war ja nur der inhaltliche Niedergang. Dazu gesellte sich schnell der finanzielle. Schon nach einem Jahr musste die «Republik» die erste Bettelaktion starten, der sich dann weitere hinzugesellten. Nach dem Gesetz der Steigerung drohte die «Republik» dann sogar damit, sich zu entleiben, aufzuhören und alle 55 Nasen, auf die die Payroll angeschwollen war, auf die Strasse zu stellen, wenn nicht ein Milliönchen oder so zusammenkäme.

Was die erlahmende Spendierlaune der Abonnenten nicht schaffte, mussten dann Sponsoren und Mäzene erledigen, zuvorderst die Brüder Meili, die sich wohl schon mehrfach gefragt haben, ob die Entscheidung, schlechtem Geld gutes hinterherzuwerfen, wirklich vernünftig war.

Als Höhepunkt dieser Nummer wurde ein sogenanntes «Klimalabor» ins Leben gerufen und üppig ausgestattet. Das beschäftigte sich mal ein Jahr mit sich selbst und mit der Frage, was es eigentlich tun solle. Als auch da das Geld knapp wurde, forderte die «Republik» einfach ultimativ weitere 250’000 Franken. Sonst müssten die Labormacher entlassen werden.

Zum inhaltlichen und finanziellen Niedergang gesellte sich dann die übliche Arschtreterei intern. Der Gründer und Chefredaktor Moser wurde rausgemobbt und als «Stabsstelle Chefredaktion» ruhiggestellt. Der angesehene Publizist Roger de Weck wurde zunächst mit grossem Trara als neuer VR-Präsident vorgestellt, trat aber sein Amt gar nicht erst an.

Auch der interimistische Chefredaktor wurde abgesägt, nachdem die «Republik» in einer Kamikaze-Aktion beschlossen hatte, den Abschwung und Geldmangel damit zu bekämpfen, noch viel mehr Geld auszugeben.

Statt mit Primeurs oder guten Storys macht die «Republik» immer häufiger Schlagzeilen mit internen Querelen, einer Steuerschummelei, einem bis heute undurchsichtigen Fall von angeblichen sexuellen Übergriffen eines Starreporters, der dann ohne Anhörung zuerst freigestellt, anschliessend fristlos gefeuert wurde.

Schliesslich outete sich der neue VR-Präsident als Traumtänzer und Irrwisch. Obwohl vorher bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle beschäftigt, bezeichnet er die finanzielle Lage der «Republik» als gut. So gut sie halt sein kann, wenn selbst die Testatfirma eine Überschuldung konstatiert, die so gravierend sei, dass nur der Rücktritt grosser Gläubiger den Gang zum Konkursrichter verhindert habe. Wobei die Fähigkeit zum Weiterexistieren stark gefährdet sei.

Kein Problem, meint der medienfremde neue VRP, wir zielen einfach 100’000 Abos an, dann sind alle Probleme gelöst.

Ein interner Untersuchungsbericht legt schonungslos üble, intrigante Machtkämpfe in der Redaktion offen, die sich lauthals über solche Zustände bei anderen Medien beklagt hatte.

Wie Lukas Hässig schonungslos analysierte, ist die «Republik» eigentlich nur noch ein Zombie, ein künstlich beatmeter Untoter. Schlimmer noch: Renommee und Image sind angeschlagen bis ruiniert, journalistisch kriegt das Organ nichts mehr gebacken; Edelfeder Seibt ist fast verstummt; wenn nicht, verliert er sich in ellenlangen Warnungen vor dem neuen Faschismus in den USA, die keiner zu Ende lesen mag.

Das nach längerem Zögern inaugurierte Chefredaktor-Duo hat noch nie eine Redaktion geleitet. Daniel Binswanger nervte bislang höchstens durch seine wöchentlichen Episteln, in denen er der Welt, der Schweiz, allen Menschen und Anhängern der SVP insbesondere unablässig und ungefragt gute Ratschläge und Besserwissereien mit auf den Weg gibt.

Traurig, sehr traurig. Eigentlich war die Idee ja gut. Der alte Rock’n’Roll. Guter Journalist, gute Recherche, gute Story. Das freut den Leser, dafür zahlt er sogar.

Aber stattdessen eine mit sich selbst beschäftigte, verbitterte, kreischig gewordene Redaktion, umkreist von Sesselfurzern, deren Beitrag zur Erstellung von schlappen drei Lebenszeichen am Tag (wochentags, versteht sich) nicht erkennbar ist.

Ein desaströser Geschäftsbericht, der mit Alarmsirenen und flackernden Rotlichtern gespickt ist. Dazu ein VRP, der das alles keinen Anlass zur Beunruhigung findet. Abgespacet, sagt man wohl dazu. Der kleine Planet «Republik» hat sich von der Erde gelöst, im Rothaus an der Langstrasse hat nicht mal der krachende Konkurs des Kosmos Stirnfalten ausgelöst. Man schwebt halt in seiner Blase, bis sie platzt.

Dann war natürlich das Umfeld, der Rechtsruck, die widrigen Umstände, die üblen Netzwerke, auf jeden Fall alle anderen und alles andere dran schuld. Aber sicherlich nicht einer der Lohnempfänger, die Unternehmer spielen wollen und in dieser ganzen Leidensgeschichte mit unanständiger Bettelei niemals daran dachten, ihr fixes Gehalt ein wenig herabzusetzen. Immerhin der mit Abstand grösste Kostenfaktor.

Trauerspiel war’s lange Zeit, dann wurde es zur Tragödie mit Diadochenkämpfen, heute ists nur noch tragikomisch, eine Farce. Ein Witzblatt, das sich vielleicht als letzte Handlung um den Kauf des «Nebelspalter» bemühen sollte. Denn für Realsatire haben die «Republik»-Macher ein Händchen.