Gequälte Asylsuchende – oder Tagi-Leser?

Hier werden Fundstücke obduziert, um ihre Todesursache zu finden. Diesmal: der «Skandal» im Bundesasylzentrum Zürich.

Wir wollen nicht von solchen Peinlichkeiten reden:

Deutsche Autoren über ein deutsches Phänomen mit Schweizer Zierleiste.
Aber vielleicht besser als ein Stück von Hiltmann oder Zukker.

Aber davon, wie der «Tages-Anzeiger» ein Problem aus dem Nichts holt und hochzwirbelt. Sozusagen die Entcoronisierungsmassnahmen. Denn alle Medien wissen, dass Fussball-EM und Sommer dem Leib- und Magenthema vorläufig den Garaus machen.

Im Herbst dann vielleicht wieder der nächste Lockdown, aber wie will man newstechnisch bis dahin überleben? Da muss ein Skandal her, koste es, was es wolle. Offenbar haben die tapferen Tagi-Journalisten bei ihren Kollegen von der «Republik» abgeschaut, wie man ein Thema zum Skandal aufbläst Für dieses Soufflé braucht es die ewig gleichen Zutaten:

  • Ein emotional aufgeladenes Thema, hier das Bundesasylzentrum Zürich
  • Dumpfer Trommelwirbel und Kriminaltango am Anfang
  • Die «Zeugenaussagen» anonymer Denunzianten
  • Die dagegen geschnittenen Aussagen der Verantwortlichen, womit der Ausgewogenheit vermeintlich Genüge getan wurde
  • Eine Tatortbegehung mit möglichst trübem Blick
  • Jede Menge Demagogie, mit der verständliche Persönlichkeitsschutzmassnahmen («Beim anschliessenden Rundgang durch das Zentrum werden die Journalisten mehrfach auf das Filmverbot hingewiesen») zu fragwürdigen Zensurversuchen umgedeutet werden.

Mario Stäuble selbstkritisch über Tamedia. Aber nein, wer ist denn darauf reingefallen?

Dann noch der staatstragende Kommentar «Dieser Betrieb gehört duchleuchtet», fordert der Co-Klein-Chefredaktor Mario Stäuble. Meint er damit Tamedia, diesen sexistisch verseuchten Machoclub, der Frauen das Leben und Arbeiten unmöglich macht? Aber nein, er meint natürlich das Bundesasylzentrum in Zürich (BAZ). Warum? «Vieles hat sich seither offenkundig verbessert. Entscheidendes nicht.» Was denn? «Das Versprechen, man werde die Menschenwürde achten, wurde nicht richtig eingelöst.»

Was weiss Stäuble eigentlich von Menschenwürde? Beim Leser, zum Beispiel?

Aha, wie löst man ein solches Versprechen falsch ein? Wie äussert sich das? Geht es im BAZ zu und her wie in den Folterknästen der Länder, aus denen die Asylsuchenden stammen? Schüren die Angestellten des BAZ die offenbar immer wieder ausbrechenden Gewalttätigkeiten zwischen Asylsuchenden aus verschiedenen Kulturkreisen? Wird irgend jemand irgend ein Recht beschnitten? Nein.

Mit solchen Frontseiten schikaniert der Tagi seine Leser.

Könnte man mehr tun, gibt es Schwachstellen, Verbesserungsmöglichkeiten? Sicherlich, wo nicht. Da würde man gerne mal wieder was von der internen Untersuchung bei Tamedia in Sachen Protestschreiben hören. Stattdessen liest man aber über 20’000 Anschläge über eine Organisation, bei der «Mittäter» angeblich «Menschen schikanieren». Das soll Erinnerungen an Zustände im US-Folterknast Abu Ghureib, im rechtfreien Knast in der US-Militärbasis Guantánamo auf Kuba erwecken.

Denn schikanieren, das bedeutet jemanden absichtlich quälen, oftmals mit dem Zusatz «bis aufs Blut» verwendet. Ist das so im BAZ? Zumindest in diesem Artikel wird dafür kein Beispiel genannt. Es scheint Überforderung zu geben, Personalfluktuation, aber absichtliches Quälen? Das behauptet nicht einmal ernsthaft oder mit Beispielen belegt eine der anonymen Denunzianten in diesem Bericht.

Ein aus dem Asylzentrum herausgeschmuggeltes Foto?

Das hindert das seinen Ruf als ehemalig seriöses Recherchierorgan immer weiter schädigende Organ nicht, mit von der «Republik» abgekupfertem Tremolo loszulegen: «Recherchen zeigen nun, dass im BAZ nach wie vor problematische Zustände herrschen. Diese Zeitung sprach mit sieben ehemaligen und aktuellen Angestellten der städtischen Asylorganisation Zürich (AOZ). Sie sagen übereinstimmend, dass die Betreuungsverhältnisse ungenügend seien.»

Ungenügende Betreuungsverhältnisse, aha, Was sagt der Zürcher Sozialvorsteher Raphael Golta (SP)? Rückblickend auf die Zeit seit November 2019 sei damals vieles noch nicht rundgelaufen. Doch: «Die Kinderkrankheiten sind wir grösstenteils losgeworden.»

Der Tagi geht näher, bleibt dran – und schnappt wild um sich

Falsch, donnert der Tagi, das lässt sich widerlegen. Wie? Na, so: «Die Sozialpädagoginnen und Betreuer, mit denen wir sprachen, haben eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet. Deshalb haben wir ihre Namen in diesem Artikel geändert und manche internen Informationen weggelassen.»

Ein super geänderter Name sagt das hier: «Matthias Kummermann verbrachte Ende 2020 als Zivildienstler mehrere Monate im BAZ. «Der Betrieb fühlt sich an wie ein überfordertes Start-up», sagt er. Die Zuständigkeiten seien unklar, es herrsche Chaos. Er habe in dieser Zeit zwei Sorten von Betreuerinnen und Betreuer kennen gelernt: «Die Gebrochenen und jene, die noch nicht gebrochen sind.»»

Die volle Härte, echt jetzt. Geht noch einer drüber? Natürlich neben einer Kriminaltango-Zeichnung braucht’s ja auch ein knackiges Titelquote; et voilà:

«Ich fühle mich als Mittäterin einer Organisation, die Menschen unterdrückt und schikaniert.»

Mal dir ein Bild – statt Realität.

Aber wir sind doch noch nicht im Irak, in Afghanistan oder auf Guantánamo, die Journalisten dürfen eine Tatortsbegehung machen. Sie erwähnen zuvor einige Selbstmordversuche und Gewalttätigkeiten zwischen verschiedenen ethnische Gruppen. Blöd nur: «14 Monate nach dem Vorfall – im Juni 2021 – ist es gerade ruhig im BAZ Zürich.»

Das liegt sicher daran, dass alle Insassen bis aufs Blut schikaniert wurden, ja keinen Rabatz zu machen, wenn Journalisten anwesend sind. Vielleicht kamen dabei ja auch Drogen zum Einsatz:

«Ein Mann liegt in einer Schaukel im Innenhof, sein Gesichtsausdruck wirkt apathisch, aus einer Boombox dröhnt Trap-Musik.»

Echt jetzt, Südstaaten-Hiphop im BAZ in Zürich? So weit geht dort die Indoktrination schon?

Gut, wir sind auch überzeugt: da muss durchgegriffen werden. Sofort. Rücksichtslos. Ohne zu zögern. So wie das Tamedia bei eigenen «problematischen Zuständen» auch vorführt.

 

 

1 Antwort
  1. Mathias Wyss
    Mathias Wyss sagte:

    Wenn sich die Asylbewerber gegenseitig ein paar auf die Mütze geben, liegt dies natürlich an der mangelnden Betreuungsqualität. Sonst würde ja das gutmenschliche Weltbild der Mitarbeitenden erschüttert.

    Antworten

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