Zwei «Radioexperten» im Interview

Tamedia kommt seiner Berichterstatterpflicht nach. Aber oberlausig.

Man sollte alle Seiten zu Wort kommen lassen. Gutes journalistisches Prinzip. Dafür sollte einer sorgen, der sich mit dem Thema bereits auskennt. Gutes journalistisches Prinzip. Offenbar hat bei Tamedia Sandro Benini das Dossier UKW gefasst.

Er startete auch ziemlich fulmimant in diese Thematik, indem er ein durchaus ausgewogenes Stück vorlegte, um dem Leser die verschiedenen Positionen in der UKW-Debatte näherzubringen. Also eigentlich gibt es da nur zwei. Diejenigen, die für eine Abschaltung der UKW-Ausstrahlung in der Schweiz sind – und diejenigen, die dagegen sind.

Also eigentlich alle dafür – und einer dagegen. Das ist aber nicht irgendwer, sondern Roger Schawinski. Der hat nach nur kurzer Zeit ein Etappenziel erreicht. Überhebliche Häme gegen ihn ist weitgehend verstummt. Die Zeiten von «nostalgischer alter Mann, der am liebsten Faxe liest und im letzten Jahrhundert steckengeblieben ist», die sind vorbei. Auch die Zeiten von «will’s halt noch mal wissen, so mit 75».

Inzwischen hat die von ihm lancierte Petition – ohne dass er gross die Werbetrommel gerührt hätte – schon über 35’000 Unterschriften erreicht. Politiker, immer gerne dabei, wenn man auf einen fahrenden Zug aufspringen kann, schauen nicht mehr zu, sondern lancieren ihrerseits parlamentarische Vorstösse, um die geplante Abschaltung der UKW-Übertragung zu stoppen.

Schawinski diskutiert mit jedem – hier mit Nick Lüthi im «Talk täglich».

Neben einigen Argumenten und seiner Energie hat Schawinski noch einen weiteren Vorteil. Er kämpft mit offenem Visier – und stellt sich jeder Diskussion. Natürlich lud er sofort Benini in seinen «Doppelpunkt» ein, danach den wohl kompetentesten Befürworter von DAB+. So entsteht Meinungsbildung, offene Debatte, Schlagabtausch, fair und direkt.

Natürlich null repräsentativ, aber das war dann das Ergebnis der üblichen Zuschauerumfrage von «Tag täglich»:

Ein wenig kläglich für die Befürworter.

Aber die anderen sehen das anders

Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um bedauernd festzustellen, dass das bei Tamedia nicht genauso gesehen wird. CH Media, nach einem sehr verunglückten Auftritt des Wanner-Sprösslings, der für das zusammengekaufte Privatradio-Imperium – noch – zuständig ist, gibt man dort Ruhe und leckt sich die Wunden.

Aber Benini kam sicherlich von selbst auf die Idee, ein Doppelinterview mit diesem Titel zu machen: «Nichts spricht für UKW», und «so kontern Schawinskis Gegner». Ein Konter hat immer dann gute Erfolgsaussichten, wenn der Gegner sich nicht wehren kann. Weil er nicht gefragt wird. Hilfreich ist auch, wenn der Interviewer mehr Stichwortgeber als zumindest Kontrahent ist. Und schliesslich hilft es auch, wenn Herkunft, Interessensbindungen und Abhängigkeiten der beiden «Radioexperten», die immerhin eine Seite eingeräumt bekommen, nur verschwommen offengelegt werden.

Der eine «Experte» ist Iso Rechsteiner. Dem Leser vorgestellt als «ehemaliger SRG-Kommunikationschef und heute in der Radiobranche als Berater und Koordinator tätig». Nun ja, dem Leser hätte vielleicht geholfen, wenn man seine Position als Partner der PR-Bude «Kommunikationsplan» erwähnt hätte. Zu deren Kunden gehören, neben dem BAG zum Beispiel, auch SRG und SRF. Aber das tut Rechsteiners Objektivität und Kompetenz als «Radioexperte» keinen Abbruch. Sicher weiss er, wie er bei einem Radioapparat den Ein/Aus-Schalter bedienen kann.

ZACKBUM hat die verschiedenen Rollen Rechsteiners bereits beleuchtet: «Das Geschäftsmodell Iso Rechsteiner».  Dazu gehört auch, dass er immer zur Stelle ist, wenn es darum geht, ein Problem kommunikativ zu vergrössern. Wie bei der Affäre um die Mobbingvorwürfe am Bundesstrafgericht in Bellinzona. Da war ein «Kommunikationsberater» zu Gange, dessen Namen zunächst ums Verrecken nicht herausgerückt werden sollte. Denn Iso Rechsteiner, so der Name, war bereits von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft mandatiert. Und beides zusammen geht nicht. Genau, meinte Rechsteiner, gleichzeitig mache er da nix. Aber am Vormittag das eine, am Nachmittag das andere, wieso nicht.

Zwei völlig objektive Radioexperten kommen zu Wort

Also dieser «Radioexperte» ist in erster Linie Meinungsbüttel, Mietmaul, dabei nicht mal sonderlich erfolgreich. Der zweite «Radioexperte» ist Jürg Bachmann. In wahren Leben ist er Präsident von KS, des ältesten Verbandes der Werbebranche der Schweiz. Und auch schon seit 15 Jahren Präsident des Verbandes Schweizer Privatradios. Das macht ihn sicherlich ein wenig zum «Radioexperten». Aber in erster Linie zum parteiischen Vertreter dieses Verbandes, der bekanntlich sich seine Zustimmung zur Abschaltung der UKW-Stationen mit einer stillschweigenden Vergabe und Verlängerung der Radiolizenzen erkaufen liess.

Wie er allerdings ohne rot zu werden im Interview sagen kann:

«Wir haben es hier mit einem frei getroffenen unternehmerischen Entscheid der Radiobranche zu tun»,

das ist mindestens so erstaunlich wie dass es ihm Benini durchgehen lässt. Denn der Entscheid war weder frei, noch unternehmerisch. Er war schlichtweg eine arschkalte Interessensabwägung. Und da weder Rechsteiner noch Bachmann ein besonders emotionale Verhältnis zum Radiomachen haben, waren und sind ihnen alle andere Implikationen völlig egal.

Die guten alten Zeiten …

Deshalb versuchen sie auch, wie alle anderen Gegner von Schawinski, ihn als nostalgischen, emotionalen, aus der Zeit gefallenen Berserker auf Egotrip zu diskreditieren. Aber unabhängig davon, ob er recht hat oder nicht, ob man seine Art mag oder nicht: in den heutigen Zeiten der emotionslosen, verantwortungslosen, nur profitgesteuerten grauen Mäusen in Nadelstreifen ist Schawinski schon alleine deswegen ein Lichtblick, weil er mit Herzblut Radiomacher war und ist.

Daher ist es überhaupt nicht ausgemacht, wie alle Gegner nicht müde werden zu betonen, dass dieser Entscheid so stehenbleibt. Was den grauen Mäusen – das ist ja das wirklich Aschgraue – völlig egal wäre. Wenn nicht so, dann halt anders, solange Subventionen sprudeln und die Einnahmen stimmen, würden die auch wieder auf Mittelwelle senden.

So wurde damals UKW gehört …

1 Antwort
  1. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    «Radioexperten» hin oder her: ich will einfach nicht meine diversen UKW-Empfänger zu Elektroschrott verwandeln. Die Early-Adopters von DAB wurden bereits mit dem nicht kompatiblen DAB+ abgestraft. In meine Youngtimer werden sicher nicht hässliche DAB-Konverter verbaut. Dann bleibt einzig Google Maps, Abschnitt Verkehr. Ist sowieso genauer als die endlosen und wie immer stark verzögerten Verkehrsdurchsagen.

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