Die kurze Erfolgsgeschichte

«Clubhouse»: Da war doch was? Und ist da immer noch etwas? Hypes werden auch immer kurzatmiger.

Von Stefan Millius*

Es gab eine Zeit, irgendwo Anfang Jahr, da konnte man mit der App «Clubhouse» Geld verdienen. Denn wer eine Registrierung ergatterte, erhielt danach sporadisch die Möglichkeit, andere Leute einzuladen – und das ist die Voraussetzung für ein Plätzchen. Also boten einige schlaue Leute ihre «Invites» gegen Geld an. Reichtümer winkten nicht, aber ein gutes Abendessen mit Begleitung lag durchaus drin.

Interesse wecken durch Verknappung und Exklusivität: Nur darum gings. Denn unterm Strich ist «Clubhouse» einfach ein weiteres soziales Medium, in dem gesprochen statt geschrieben wird. Man trifft sich zu bestimmten Events zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Raum und plaudert. Dabei gibt es verschiedene Rollen: Moderatoren, Sprecher und reine Zuhörer.

Hyper Hyper!

Als die App auftauchte, überschlugen sich die Medien vor Begeisterung. Sie sprachen vom nächsten grossen Ding, endlich mal wieder was Innovatives, völlig anders als alles andere und sowieso einfach das, was man haben muss.

Ein paar Monate später gilt eher: lau statt wow. Wenn nicht bald Elon Musk einen Tesla vorstellt, der fliegen kann, schafft es «Clubhouse» kaum mehr in die Schlagzeilen. Was im Januar klang, als würde es auf einen Schlag Facebook, Twitter und Snapchat von der Landkarte knallen, ist heute eine reine Nische mit leichtem Friedhofscharakter.

Auch meine persönliche Faszination war von kurzer Natur. Und zwar, weil ich stets für alles, was mich allenfalls hätte interessieren können, zu spät war. Das Magazin persoenlich.com beispielsweise organisiert immer wieder Clubhouse-Runden. Am Donnerstag, 20. Mai wurde in einer Runde die Medienlandschaft Ostschweiz besprochen. Was ich leider erst am Freitag, dem 21. Mai mitgeschnitten habe. Nachhören kann man nicht, was da gesagt wurde, ein Club ist schliesslich ein Liveerlebnis, und man geht ja auch nicht am Morgen nach der Party in die leere Disco und hofft, die Atmosphäre schwinge noch nach. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Also werde ich nie erfahren, wie den die Mediensituation in der Ostschweiz aussieht.

Und auch sonst wird vieles an mir vorbeigehen. Dank Netflix bin ich endlich nicht mehr auf ein lineares TV-Programm angewiesen und muss nicht um 20.10 Uhr aufs Klo, um dann um 20.15 Uhr bloss nichts zu verpassen. Aber eine App soll mich nun nötigen, zu einem bestimmten Zeitpunkt einzuschalten? Es wirkt reichlich anachronistisch.

Was offenbar viele finden. Die App ist aus den deutschsprachigen Hitparaden der Downloads verschwunden. Wurden beim Startschuss Räume ohne Ende gegründet, um über wahnsinnig wichtige Dinge zu sprechen, muss man heute lange suchen, um irgendwo reinhören zu können.

Keiner will mehr

Dabei sitze ich immer noch auf «3 Invites», wie mich die App wissen lässt. Ich könnte also Leute einladen, damit auch sie in den illustren Kreis aufgenommen werden. Nur will keiner von denen, die ich anspreche. Dabei fordere ich nicht mal Geld, die Illusion, dass ich heute noch mit dem «nächsten grossen Ding» was verdienen könnte, ist vorbei. Mir wird zwar eine Warteliste eingeblendet, auf der ich sehe, welche Leute aus meinen Kontakten (ja, die App gräbt ordentlich Daten ab) gerne dabei wären. Das Problem ist: Der aktuellste Eintrag ist zwei Monate alt. Und als ich nachfrage, winkt der Kollege ab: Das mit dem Interesse war mal, danke, wusste gar nicht mehr, dass ich mal usw. Abgesehen davon, dass sogar einige Einladungen, die ich in der Startzeit verschickt habe, immer noch uneingelöst rumdümpeln.

In meinem Profil erfahre ich, dass ich 62 Follower habe. Das ist schön und ein Zeichen des Vertrauens, nur werden sie nie etwas geboten bekommen. Genau wie die 34 Leute, denen ich folge, reine Profilleichen zu sein scheinen. Irgendwann mal eingeladen, völlig elektrisiert über die einmalige Chance sofort beigetreten – und wurden nie wieder gesehen.

In Amerika, heisst es, sei Clubhouse noch immer gefragt. Aber das ist ja auch das Land mit dem «Talk Radio» und unablässigem Gelaber. Bei uns ist die Clubstimmung durch.

 

*Stefan Millius ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz». Geht er friedlich nach Hause, bleibt alles friedlich.

 

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