Hilfe, mein Papagei onaniert V

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch. Diesmal die Jugendunruhen in St. Gallen.

 

Die Leerstelle

Normalerweise schreiben wir über realisierte Attacken auf die deutsche Sprache, die Logik, die Wirklichkeit oder journalistisches Ungenügen in jeder Form. Diesmal müssen wir uns aber über eine Lücke sorgen.

Blick himmelwärts gerichtet.

Das dürfte der Flughöhe des neuen «Nebelspalter» entsprechen. Das Auge erfreut sich an einem wunderschönen Sonnenaufgang; welche Farben, welches Gemälde. Das ist schön, nur: die Wirklichkeit liegt unter der Nebeldecke.

Der grösste Skandal, der zurzeit die Schweiz umtreibt, liegt unter der Nebeldecke. Für den «Nebelspalter». Ist die Ankündigung eines neuen Virus-Typs aus Brasilien tatsächlich Corona-Hysterie? Ist das Porträt einer 24-jährigen Präsidentin des «Energie Club Schweiz» ein Must? Nur weil sie für Atomkraft ist?

Sind das wirklich die Themen nach Ostern? Fehlt da nicht was? Fehlt da nicht einiges? Natürlich soll der «Nebelspalter» offensichtlich keiner Berichtspflicht genügen müssen. Das ist auch völlig okay.

Zwei Überthemen in der Schweiz aktuell, neben Corona

Was nicht okay ist: Bei der Credit Suisse spielt sich gerade wieder einmal ein Skandal ab, der nicht nur wegen des Doppelschlags der Hiobsbotschaften singulär ist. Der Bank drohen Multimilliardenverluste. Ihr Risk Management ist weiterhin unter jeder Kanone. Dem abtretenden VR-Präsidenten Urs Rohner droht das gleiche Schicksal wie weiland Marcel Ospel.

Es ist keinesfalls klar, ob die CS dieses Desaster in ihrer heutigen Form überleben wird. Ob sie Staatshilfe als systemrelevante Bank anfordern muss. Wer von der aktuellen Geschäftsleitung und vom Verwaltungsrat spätestens nach der GV noch im Amt sein wird, ist völlig unklar. Das ist nun ein absolutes Must-Thema, selbst wenn man nur beitragen könnte, dass einem die Krawatten von Rohner noch nie gefallen haben.

Aber: Pausezeichen. Nicht mal Nebel. Nichts gespalten. Null. Dann gäbe es noch die rechtsstaatlich mehr als fragwürdige Aktion der St. Galler Polizei, über 600 ihnen verdächtig vorkommende Jugendliche ohne grosse Anhörung wegzuweisen. Nicht etwa für 24 Stunden, sondern für die maximale Dauer von 30 Tagen.

Dazu muss ein sich als «klar liberal» bezeichnendes Magazin etwas sagen. Müsste.

Da wir als Bezahlschranken-Leugner nur sehr beschränkten Zugang zum Inhalt haben, liessen wir mal von zwei Fachleuten die Performance der Webseite analysieren. Deren vernichtendes Urteil werden wir demnächst veröffentlichen. Hier nur ein erster Kommentar: «Die Homepage hat den Charme eines Wühltischs.»

Wegweisen, warum nicht?

Selbst der «Blick», der sich wohl nicht als «klar liberal» bezeichnen würde, kümmert sich um die Frage: «Sind die Rayonverbote legal?» Eigentlich nicht, ist das unsichere Ergebnis, aber.

Hier zeigt auch der «Blick» eine bedenkliche Schwäche bei der Verteidigung des Rechtsstaats. Unbestritten, dass die Ordnungskräfte diese Kompetenz haben. Aber: sie sollte nur mit Vorsicht ausgenützt werden, denn hier gilt sozusagen die Beweisumkehr. Nicht die Staatsmacht muss Absicht oder Schuld nachweisen, um sanktionieren zu können. Der Jugendliche, der am Ostersonntag den Fehler machte, vom St. Galler Hauptbahnhof aus zu welchem Behuf auch immer in die Stadt zu spazieren, musste belegen, dass er das nicht in der Absicht tut, dort Randale zu veranstalten.

Wie kann er das? Selbst wenn er die Bestellung für ein Sushi auf seinem Smartphone vorweisen kann: was spricht dagegen, dass er so gestärkt zum Gewalttäter wird? Es kommt hinzu, dass prinzipiell Wegweisungen für 30 Tage ausgesprochen wurden. Dieses Maximum erfordert obligatorisch eine Anhörung des Betroffenen. Das sei angesichts der vielen Jugendlichen nicht möglich gewesen, räumt die Polizei ein.

Wie steht es denn mit Jugendlichen, die in der Stadt arbeiten oder zur Schule gehen? Der Sprecher der Stadtpolizei darf im «Blick» unkommentiert sagen: «Wer Zweifel hat, ob er zur Schule darf, kann uns anrufen und fragen.» Dümmer als die Polizei erlaubt; das gilt offenbar nicht für die Polizei selbst.

Leider offenbart der «Blick» auch kleine Schwächen bei seinen Kernthemen.

Ist die NZZ klar liberal?

Immerhin, sie weicht dem Thema nicht aus und erteilt einem Strafrechtsprofessor das Wort. der ist nun in erster Linie Staatsangestellter, also temperiert er seine Kritik an dieser Massnahme auf lauwarm runter. Er hält Wegweisungen für ein taugliches Mittel, logo, ist aber «überrascht» über die Ausnützung der Maximaldauer von 30 Tagen: «Das scheint mir sehr lange zu sein.»

Messerschärfer könnte man das nicht formulieren. Der Professor ist zudem verwundert, dass das Rayonverbot für die ganze Stadt St. Gallen inklusive Aussenquartiere ausgesprochen wurde. Dass es in diesem Fall eine ordentliche Anhörung des Betroffenen bräuchte, ist ihm aber keine Bemerkung wert.

Dafür macht er auf das absurde Mittel des Rekurses aufmerksam. Bitte schriftlich ans Sicherheits- und Justizdepartement richten. Da die Einsprache keine aufschiebende Wirkung hat und es dem Betroffenen wahnsinnig viel nützt, wenn am Tag 31 entschieden wird, dass in diesem Einzelfall das Rayonverbot zu Unrecht ausgesprochen wurde, ist das Pipifax.

Im Übrigen zeigt hier die Verödung der Schweizer Medienlandschaft wieder ihr hässliches Gesicht. Die Gratisportale berichten so neutral wie möglich. Tamedia und CH Media stellen sich eindeutig hinter die Massnahme. «Blick» und NZZ eiern.

Nur «Die Ostschweiz» bezieht klar Stellung: «Der Rechtsstaat ausser Rand und Band», leitartikelt der Chefredaktor. Immerhin ein klar Liberaler.

 

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert auf «Die Ostschweiz» und hat sich dort schon selbst zu den Ausschreitungen geäussert.

 

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert