Jonas Projer: ein unheimlich starker Abgang

Viele Jahre Schweizer Fernsehen, ein Jahr Blick-TV. Und nun der Einzug in den Olymp. Das freut die Journalisten – nicht wirklich.

Chefredaktor von NZZamSonntag, das ist wohl der zweitprestigeträchtigste Job, den man in der Schweiz ausüben kann. Wie im Hause NZZ üblich, kann man sich hier normalerweise auf seine Pensionierung freuen.

So wie der erste Chefredaktor, der seit der Gründung dabei war und nun als schreibende Sparmassnahme und Pensionär weiter – und nicht unbedingt zum Vorteil – seine Feder in Bewegung hält.

Aber so, wie Martin Spillmann (2006 bis 2014) als NZZ-Chefredaktor nicht seine gesamte Restlaufzeit dort verbrachte (nein, sein Dreitagebart war nicht der Grund für seinen Abgang), ereilt nun Luzi Bernet das gleiche Schicksal; er trat 2017 die Nachfolge von Felix E. Müller an.

Spitzbube als Spitzenbube: Jonas Projer.

Weil es für einmal tatsächlich bis fast am Schluss gelang, diesen Wechsel unter dem Deckel zu halten, ist natürlich von «Knall», von «Überraschung» die Rede. Wieder ein hübsches Beispiel dafür, dass sich Journalisten für den Nabel der Welt halten. Nur weil sie es nicht mitkriegten, was sie natürlich muff macht, ist es überraschend.

Es geht auch um Jornods Kopf

Also ob dieser Entscheidung nicht umfangreiche Verhandlungen vorausgegangen wären. Interessant ist sicher, dass der VR-Präsident Etienne Jornod – und mit ihm der ganze Verwaltungsrat – mit dieser Entscheidung nicht auf die Nase fallen darf. Denn der Schock, dass es nicht gelang, Markus Somm auf den Chefsessel der NZZ zu heben – und das publik wurde – sitzt noch tief.

Nun also Jonas Projer. Mutiger Mann. Die Redaktion der NZZaS wehrt sich einerseits gegen den Machtanspruch von Eric Gujer, die Alleinherrschaft übernehmen zu wollen. Sie war sich bislang nicht gewohnt, dass ein Chefredaktor abgesetzt und durch einen Aussenseiter ohne Stallgeruch ersetzt wird.

Aber Jonas heisst ja in der hebräischen Bedeutung «Taube», ein Bote der Götter, und der kann bekanntlich fliegen. In der biblischen Verwendung kam dann noch Zerstörer und Unterdrücker dazu. Man darf also gespannt sein.

«Blick», und somit Ringier, ist sicherlich nicht glücklich, dass der Kapitän und das Aushängeschild von «Blick»-TV nach nur einem Jahr von Bord geht. Wenn die hartnäckigen Gerüchte stimmen, dass das ein Millionengrab sei, war’s das dann wohl für dieses Experiment.

TV-Fuzzi gibt Guzzi ohne Printerfahrung?

Das Schweizer Farbfernsehen nimmt jeden Abgang persönlich und ist verstimmt. Also no way back. Natürlich beginnt die liebe Konkurrenz, sich sofort auf Projer einzuschiessen. Bevor der auch nur ein Wort zu seinen Absichten und Plänen gesagt hat.

TV-Fuzzi ohne Printerfahrung ist die aufgelegte Häme. «Arena»-Dompteur, Brüssel-Korrespondent, aber weiss er von Printprodukten mehr, als dass man sie nicht in ein Abspielgerät stecken kann?

Schlimmer noch: ist ein aus den Niederungen des Boulevards aufsteigender Mensch denn ohne Höhenangst, wenn er die dünne Luft der Oberliga schnuppert? Eine Vorahnung, was alles über ihm hereinbrechen wird, gibt bereits die Allzweckwaffe des «Tages-Anzeiger», Andreas Tobler. Der schreibt am liebsten faktenfrei, also war er sofort für einen als «Kulturmeldung» verkleideten Kommentar zu haben.

Der «39-Jährige verfügt bisher über keine grossen Erfahrungen im Printjournalismus», unklar sei auch die Strategie, die die NZZ damit verfolge; mehr Bewegtbild wie bei «Blick-TV»? Dann setzt Tobler zum Fangschuss am Schluss an:

«Als jetziger Chefredaktor bei einem Boulevardmedium wie Blick TV widerspricht Projer auch dem Qualitätsanspruch der «NZZ am Sonntag» – und der linksliberalen Positionierung des Blattes

Die NZZaS linksliberal? Das wüsste man aber. Und über Qualitätsansprüche sollte sich Tobler keine Gedanken machen: Er selbst ist der beste Beweis, dass man die sorglos ganz niedrig hängen kann. Dabei ist er beim Tagi auch nicht alleine. Sein Konzernjournalismus-Kollege Philipp Loser begrüsste Projer bei dessen Stellenantritt damals mit dem launigen Titel: «Projers unmögliche Aufgabe». Nein, die bestünde darin, solchen Schreibbütteln Manieren beizubringen.

 

7 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Projer macht den Gredig! Er muss eine grosse Familie ernähren, BLICK TV ist noch nicht über die Runden, CNN Money lässt grüssen. Da ist die Suche nach einem «sicheren» Hafen angebracht.

    Ob er mit dem Chefredaktor von der NZZ klarkommt wird sich weisen. Bleiben seine Fussabdrücke genauso klein wie beim biederen BLICK TV hat er nichts zu befürchten. Politisch wird er sich anpassen wie ein Chamäleon, Umgebung bestimmt die Farbe!

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  2. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Ich sehe es ähnlich wie Marcella Kunz. Ausser, dass meiner Meinung nach die alte Dame ihre Würde bereits verloren hat.

    Die rote Grünen-NR Regula Rytz hatte sich 2015, 2016 in einem Sonntalk «hocherfreut über die aktuelle Entwicklung der NZZ» (des Mutterhauses) geäussert. Autsch! Gottseidank wurde «bloss» die NZZaS zu einem linken wischi-waschi-Titel umgebaut. Ob nun linksliberallalla oder links-wasauchimmer: Die NZZaS ist längst auf dem erbärmlichen Niveau des Tagi angelangt.

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  3. Beat Reichen
    Beat Reichen sagte:

    Der rasche Abgang von Projer beim BLICK zeigt mir vor allem, dass man mit Dorer nicht arbeiten kann da er seiner Karriere Alles und Alle unterordnet. Es zeigt auch, dass BLICK TV ein totes Pferd ist.

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    • Beth Sager
      Beth Sager sagte:

      Ein ziemlich totes Pferd, und Projer hat es gemerkt. Situation ähnlich wie bei CNN Money Switzerland, wo Urs Gredig nach über zwei Jahren noch rechtzeitig die Reissleine gezogen hat.

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    • Victor Brunner
      Victor Brunner sagte:

      Ja der mittelmässige Gredig hatte Glück, er konnte noch rasch in die gute Stube von Wappler TV, Spezialität: einseitige News-Sendungen, zurück

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  4. Marcella Kunz
    Marcella Kunz sagte:

    Das ist allerdings schon eine neue Dimension: Bisher bewegten sich SRF-Abtrünnige im munteren Jobhopping innerhalb des Dreiecks «Blick – Privat-TV – Bundeshaus-Mediensprecher» und zurück. Die wenigsten finden sich im raueren Wind ausserhalb der geschützten Werkstatt zurecht.

    In diesem Fall zeigt sich allerdings, dass selbst eine alte Dame ihre Würde verlieren kann. Dieser Blender mit seinem gut geölten Mundwerk ist Boulevard durch und durch. Ergo ist es eigentlich völlig ausgeschlossen, dass so einer auf einem Chefposten im Haus NZZ Platz nimmt. Allerdings hat sich die Sonntags-NZZ in den letzten Jahren wegen der Unterwanderung durch rechtzeitig abgesprungene Ex-Tagianerinnen immer mehr in Richtung Mainstream bewegt. Der Boulevard-Typ wird den Trend zu mehr EU und mehr Grün natürlich beschleunigen. Das ist sicher die Absicht des NZZ-VR, wo ja zunehmend Lifestyle-grüne Wohlstandsfrauen das Sagen haben.

    Ob diese Strategie zum Erfolg führen wird, ist allerdings höchst fraglich. Wer für die NZZ Geld ausgibt, will schliesslich nicht den Tagi lesen.

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  5. Gerold Ott
    Gerold Ott sagte:

    Apropos «faktenfrei». In den traditionellen Printmedien war Jonas Projer (der Mann ohne Berührungsängste) bisher nicht wirklich nicht zu Hause. Abgesehen von einer Stage beim «Zoom» und einer kurzen Zeit beim «Landboten» im Jahre 2001, war er ständig in den audiovisuellen Medien tätig. Selbst beim BLICK hat er Farbfernsehen gemacht.

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