Der Porno-Graf ist tot

Larry Flynt, der Gründer des Hustler-Konzerns, ist mit 78 Jahren gestorben. Ein lebenslanger Kämpfer für freien Blick auf Geschlechtsteile. Und für Meinungsfreiheit.

Der Porno-Verleger ist den meisten wohl wegen des mit Preisen überschütteten Milos-Forman-Films «Larry Flynt – die nackte Wahrheit» bekannt. Seine Rolle übernahm ein grossartiger Woody Harrelson, Courtney Love hat eine nicht minder beeindruckende Rolle als die grosse Liebe von Flynt. Selten ist eine Drogenabhängige, mit HIV infizierte, an sich selber zerbrechende Frau mit solcher Intensität gespielt worden. Althea Flynt war ab 1976 an seiner Seite; sie ertrank 1987 in ihrer Badewanne.

Flynt hat seine grossen Gegenspieler Hugh Hefner (Playboy) und Bob Guccione (Penthouse) überlebt. In Kentucky in elenden Verhältnissen geboren und aufgewachsen, war Flynt von Anfang an der Prolet unter den Herausgebern von sogenannten Herrenmagazinen. Beim «Hustler» ging es weniger um gepflegte, literarische Interviews, womit der «Playboy» sich ein Feigenblatt vor die erotischen Fotos von Frauen in anzüglichen Posen hängte.

Bei «Hustler» ging es zur Sache, es waren meistens nicht kunsterotische Aufnahmen, sondern Fotos in jeder Form der expliziten oder impliziten Obszönität, inklusive freier Blick auf (weibliche) Geschlechtsteile, begleitet von brutalster Satire.

Selbst brutale Satire ist von der Meinungsfreiheit geschützt

Als im «Hustler» das erste Mal des frommen TV-Predigers Jerry Falwell als Inzest mit seiner Mutter auf dem Klo dargestellt wurde, gab es 1983 einen Aufschrei in der Öffentlichkeit. Flynt prozessierte den Fall bis zum Obersten Bundesgericht durch, das 1988 zur heute noch wegweisenden Entscheidung kam, das die im ersten Verfassungsgrundsatz garantierte Meinungsfreiheit höher zu gewichten sei als allfällige Beschädigungen von Falwells Ruf.

Denn Flynt war nicht einfach nur ein Porno-Verleger, der damit laut eigenen Aussagen stinkreich geworden war. Sondern ein fanatischer Kämpfer für Meinungsfreiheit, für die Rechte von Homosexuellen, deren sonst wie Aussatz gemiedenen Magazine er verlegte.

Er gab Geld mit beiden Händen aus, um in ständigen Rechtshändeln dieses Recht auf freie Meinungsäusserung zu verteidigen. Nach einem solchen Gerichtstermin wurde 1976 von einem Rassisten ein Attentat auf Flynt verübt. Der irre Fanatiker wollte damit nicht gegen Pornografie protestieren, sondern dagegen, dass im «Hustler» auch anzügliche Fotos mit Mitgliedern verschiedener Rassen publiziert wurden.


Gelähmt, stinkreich und niemals mit Maulkorb.

Seither sass Flynt gelähmt in einem goldenen Rollstuhl. Bis es möglich war, die Nervenverbindungen zu unterbrechen, litt er jahrelang unter schwersten Schmerzen, die er mit starken Mitteln bekämpfen musste. Als der Verursacher dieses Lebensschmerzes wegen eines anderen Mordes hingerichtet wurde, hatte sich Flynt lautstark und öffentlich für dessen Begnadigung zu Lebenslänglich ausgesprochen.

Eine meinungsstarke Saftwurzel

In der Schweiz hätte man ihn wohl als Saftwurzel bezeichnet. Er war stolz auf seine proletarische Herkunft, stellte seinen Reichtum ungeniert zur Schau und nützte vor allem aus, dass ihn sein Geld davor schützte, wegen seinen ständig politisch sehr unkorrekten Magazinen und Meinungen im Gefängnis zu landen.

Er lobte mehrfach Millionenbeträge für die Aufdeckung von Skandalen aus. Das letzte Mal versprach er eine Million jedem, der nachweisen könnte, das Trump in kriminelle Geschäfte oder Machenschaften verwickelt sei.

Er enterbte eine seiner Töchter, als die 1998 zur entschiedenen Gegnerin von Pornografie geworden war und als frühe Vertreterin von #metoo in einem Buch behauptet hatte, sie sei in ihrer Kindheit von Flynt sexuell missbraucht worden. Er wehrte sich vehement und mit all seinen Möglichkeiten gegen diesen Vorwurf und behauptete, seine Tochter sei von religiösen Gruppen missbraucht worden. Womit er wohl Recht gehabt haben dürfte.

Ein ungehemmter Sexist mit Hang zu Sexobjekten

Heutzutage würde Flynt in Grund und Boden beschimpft werden, wollte er nochmal mit einem Magazin auf den Markt, in dem Frauen einwandfrei und eingestandenermassen als Sexobjekt dargeboten werden, als dauererregte, nichts anderes als die Verführung von Männern im Kopf habende Vamps. Auch hier gab Flynt Zeit seines Lebens ungehemmt zu, dass er natürlich ein Sexist sei, damit auch keine Probleme habe, dazu ein nicht von Schuldkomplexen gestörtes Verhältnis zu Sex.

Als ihm in der damals noch verklemmteren und prüden US-Gesellschaft vorgeworfen wurde, er suhle sich in schmutzigem Sex, hemmungslos und triebhaft,  erwiderte er trocken: Genauso sei es, wenn Sex richtig gemacht werde.

Im heutigen Genderwahn und der allgegenwärtigen Angst, wegen sexueller Übergriffe in Teufels Küche zu kommen, welcher Art auch immer die seien, und entscheidend ist dabei einzig das Gefühl der betroffenen Frau, könnte sich Flynt über mangelnde Möglichkeiten, sein Geld für Prozesse auszugeben, nicht beklagen.

Larry Flynt hatte Grips und Humor.

Er ist tatsächlich aus der Zeit gefallen, schon vor seinem Tod. Aber während der Eiertanz um Diskriminierungsfallen, männlich-aggressiv verwendete Sprache, gar das um sich greifende Ausfüllen einer gegenseitigen Einverständniserklärung vor möglichen intimen Handlungen zu einer mit Kernseife geschrubbten Trostlosigkeit, zum Absterben allen Spasses, zur politisch korrekten Begattung als lustlose Verrichtung führt, war Flynt ganz anders.

Flynt war auch ein humanistisch denkender Mensch

Nämlich so, wie die heutigen Kampffeministinnen niemals sein können oder wollen. Nachdem er den Prediger Falwell wirklich übel angerempelt hatte, aber geschützt durch die Meinungsfreiheit davonkam, schrieb er bei dessen Tod im Jahr 2007, dass die beiderseitige Ehrlichkeit in dem, was sie vertraten, sie zu Freunden gemacht hatte. Obwohl sie nicht weiter auseinanderliegen könnten; der Porno-Graf Flynt und der Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen, der Feind von Lesben und Schwulen und überhaupt jeder Unzucht.

«Wenn du jemanden kennenlernst, findest du was, was du magst.» Diese Fähigkeit, die Welt, die Menschen und deren Ansichten als komplex, kompliziert, nicht widerspruchsfrei, menschlich halt zu tolerieren, so wie er Toleranz für sich selbst forderte, das macht Flynt zu weit mehr als einen Verleger von Pornoheftchen. Es macht ihn zu einem guten Menschen, und jetzt gibt es schon wieder einen weniger davon.

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