Tagi: Millionenklage wegen Schlamperei

Ist Verdacht das gleiche wie Tatsache?

Das Aufatmen spürt man auf jeder Zeile. Die «Süddeutsche» schrammte an einer Millionenklage vorbei. Grund: Der Tagi schlampte beim Abschreiben.

Darum geht es: 2013 schrieb die SZ einen Artikel über die Firma Solar Millennium, die nicht weniger als das grösste Solarkraftwerk der Erde in der Sahara errichten wollte. Der Text trug den Titel: «Wetten auf den Absturz». Die Zeitung recherchierte akribisch und über eine längere Zeit hinweg und äusserte schliesslich den Verdacht auf Insiderhandel.

Wenig später ging Solar Millennium unter. 30 000 Anleger verloren rund 100 Millionen Euro. Immer wieder wurde gegen den Unternehmer wegen Betrugs ermittelt. In Düsseldorf war er wegen mehrfachen Betrugs mit rund 9000 Geschädigten angeklagt, wurde aber freigesprochen.

Der Unternehmer klagte die SZ und zwei ihrer Redakteure auf 78 Millionen Euro Schadensersatz. Sein Argument: Wegen des Artikels «Wetten auf den Absturz» soll ihm ein ganz anderes, unterschriftsreifes Projekt mit einem Schweizer Geschäftspartner in Indien geplatzt sein. «78 Millionen – das ist eine Summe, die jeden Verlag in die Knie zwingen und kritische Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland unmöglich machen würde.», schrieb die SZ letzte Woche noch mit schlotternden Knien.

Was hat das mit dem «Tages-Anzeiger» zu tun? Nun, der Schweizer Geschäftspartner kündigte das Geschäft nicht wegen des SZ-Artikels, sondern aufgrund einer Abschreibe durch den «Tages-Anzeiger». Darin wurde der SZ-Text «erheblich verändert», so die «Süddeutsche». Der verantwortliche Redaktor änderte den Verdacht eines Insiderhandels in eine Tatsachenbehauptung.

Das Oberlandesgericht Nürnberg, welches die SZ freisprach, fährt deswegen hartes Geschütz gegen den «Tages-Anzeiger» auf:

Der Senat ist der Auffassung, dass der im Schweizer Tages-Anzeiger erschienene Artikel sich von den zulässigen Äusserungen des Artikels der Süddeutschen Zeitung inhaltlich so unterscheide, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem ursprünglichen Artikel und einem Scheitern der Geschäfte des Klägers entfalle. Die Süddeutsche Zeitung habe in dem Artikel «Wetten auf den Absturz» deutlich zu erkennen gegeben, dass es sich um eine – wenn auch starke – Vermutung handle, dass der Kläger Insiderwissen ausgenutzt habe. Zwar bestehe grundsätzlich eine Haftung auch für sogenannte Folgeschäden, das Verhalten der Redaktion des Tages-Anzeigers habe aber presserechtlichen Massstäben in besonderer Weise widersprochen, so dass sich letztlich kein von den Beklagten geschaffenes Risiko verwirklicht habe.

Der «Tages-Anzeiger» habe presserechtliche Richtlinien also dermassen über Bord geworfen, dass dem Ursprungstext nichts anzulasten sei. Das ist starker Tobak. Tamedia bestätigte gegenüber ZACKBUM, dass der «Tagi» über den Rechtsstreit informiert worden sei. Man wolle sich aber nicht weiter dazu äussern.

3 Kommentare
  1. Martin Schwizer
    Martin Schwizer sagte:

    Du bist was Du liest – beim Tagi biased und desinformiert. Soviel ist wohl klar. Meine Stirn legt sich auch jedes Mal in Falten, wenn ich diesen Claim nur sehe. Die meisten Tagi-Leser halten dieses Versprechen wohl noch für ein Gütesiegel der Aufgeklärtheit.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Artikel:
    «der «Tagi» über den Rechtsstreit informiert worden sei. Man wolle sich aber nicht weiter dazu äussern».

    Das ist typisch für den TA, negative Internas werden unter dem Deckel gehalten wie in der russischen oder nordkoreanischen Autokratie. Und die Schreiberlinge von der Werdstrasse die immer bereit sind anderen den Mahnfinger zu zeigen kuschen bis zum geht nicht mehr. Fehlerkultur in der Redaktion des TA? Fehlanzeige. Respekt vor den LeserInnen die ein Anrecht haben auf seriöse Berichterstattung, auf Berichtigungen? Fehlanzeige. «Du bist was du liest», der Leitsatz des TA. Besser «Wenn du glaubst was du liest bist du ein Trottel!».

    Zu Fehler stehen ist Zeichen von Stärke. Beim Duo Stäuble/Amstutz ist dies nicht zu erwarten. Die einzige Hoffnung, sie schreiben in Zukunft besser ab sonst bringen sie die TA Redaktion in München wieder in die Bredouille! Am besten nur noch copy-paste, inklusive Titel.

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