Ex-Press XXII

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

NZZ, quo vadis?

Man muss sich auch sprachlich dem Niveau der Zeitung von Denkern für Denker anpassen. Denn die Frage «wohin des Weges?» drängt sich langsam auf.

Da fantasiert einer über Sansibar, da werden drei Zeitungsseiten darauf verschwendet, den Fall Vincenz nochmal durchzukauen.  Worum geht’s, wer ist woran beteiligt, was wird genau vorgeworfen, wie leicht wird’s für die Staatsanwaltschaft vor Gericht?

Sicher, die NZZ wollte ein Zeichen setzen, dass sie die Affäre auf einem anderen Niveau als Tamedia abhandelt, bei der man sogar unappetitliche Details über den Zustand der Hyatt-Suite nach einer Auseinandersetzung zwischen Vincenz und einem nicht erwarteten Gast erfährt.

Allerdings, zurück zum Niveau der NZZ: «Die Argumente der Beschuldigten auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft werden in der Anklage faktisch nicht abgebildet.» Das überrascht natürlich ungemein. Genau wie die Tatsache, dass die NZZ zum zweiten Mal darauf hinweist, dass sie im Besitz der vollständigen Anklageschrift sei. Was ja eigentlich sofortige staatliche Massnahmen zur Folge haben sollte; Amtsgeheimnisverletzung, Verwendung illegal behändigter Dokumente, usw.

Zwei Seiten nichts Neues, ausser: Das Bezirksgericht Zürich brüte unter anderem über der Frage, ob es sich der Mühe, diese Monsteranklage samt meterweise Beilagen durchackern zu müssen, nicht elegant entledigen will, indem es St. Gallen als viel geeigneteren Gerichtsort vorschlägt.

 

Tages-Anzeiger tiefergelegt

Wenn sich der ehemals angesehene Medienkonzern nicht gerade hingebungsvoll der Gendersprache, dem Sternchen, der vielfältigen Diskriminierung der Frau (plus aller non-binären Geschlechter) widmet, der Farbe der Unterhosen von Pierin Vincenz, dann findet er andere Möglichkeiten, das Niveau tieferzulegen.

Ein Interview mit Lukas Bärfuss ist dafür eine gute Methode mit Erfolgsgarantie. Er ist immer für Sottisen gut, angelegt zwischen brunzdummer Banalität und hochgestochen raunender Orakelhaftigkeit eines Möchtegern-Dichters. Der Versuch, den Leser vom Weiterlesen abzuhalten, beginnt schon beim Titelzitat:

«Die Toten sind eine Folge des Mangels an Demut».

Was will uns der Dichter damit sagen? Dieser Mangel äussere sich in einer «verbreiteten nationalistischen Arroganz». Und diese wiederum liesse sich an der Aussage «eines Politologen» festmachen, dass sich in der Krise das «Genie der Schweiz» gezeigt habe.

Versteht keiner? Macht nix, ich auch nicht, und ich habe Germanistik studiert. Und einen Doktor. Aber diesen Schwüngen eines Dichters kann ich leider nicht folgen. Wir sind wahrscheinlich zu blöd.

Kann’s der Dichter in Worte fassen?

Aber Dichter sind natürlich auch sensibel; auf sein Holperstück «Das Kapital hat nichts zu befürchten, der Mensch schon», in dem er unter anderem italienisches Chaos in der Schweiz vorhersagte, sei er wie nur selten «mit einer Aggression konfrontiert worden». Aber das kann er ertragen, weil die ja nur beweise, dass er die Wahrheit gesagt habe: «In der Schweiz kommt an erster Stelle das Geld.» Ist zwar Blödsinn und mit nichts belegt, aber wenn der Dichter dichtet, hat er immer recht, logo.

Bei Bärfuss, inzwischen mit Wohnsitz in Paris und der Schweiz, spielt Geld glücklicherweise nur eine untergeordnete Rolle. Aber ein Worteschmied ist doch sicher geeignet, in feine Sentenzen zu fassen, wie’s denn so in Paris steht. Nun ja; es habe im Sommer kaum Pariser gehabt, was natürlich unglaublich ist, weil die doch traditionell sonst immer in Paris bleiben. Aber noch schlimmer: «es gab keine asiatischen Touristen». Statt sich darüber zu freuen, dass nicht überall ein Asiate mit Selfie-Stick rumsteht, meint der Literat: «Es war ein ungemütlicher Anblick.»

Aber sicher weiss der Seher auch, wie man denn nun das Problem der Pandemie lösen könnte. Natürlich, das ist für Bärfuss völlig klar: «Grosse Probleme kann man nur gemeinsam lösen. Als Weltgemeinschaft.» Da die Weltgemeinschaft allerdings bislang noch kein einziges Problem gelöst hat, sind das düstere Aussichten. Aber nehmen wir’s eine Nummer kleiner, wie geht’s denn der geldgierigen Schweiz?

Schlimmer Geiz herrscht, schlimm

«Grosszügigkeit wäre das Gebot der Stunde. Aber es überwiegt der Geiz.» Interessanter Blickwinkel, wo der Schweizer Staat auf einen Schlag so viel Geld raushaut wie noch nie zuvor in der Geschichte. Aber das ist halt auch ein Problem der ausgehungerten Medien. Da kennt sich Bärfuss aus: «Die SRG ist kein Staatsmedium, sondern eine öffentlich rechtliche Medienanstalt», weist er streng die beiden Interviewer zurecht. Nun, die SRG ist ein Verein, aber was kümmert das einen Dichter. Der dann auf ein Riesenproblem aufmerksam macht: «Zwischen 2015 und 2019 hat die SRG 74 Millionen Franken an Werbegeldern verloren.»

Das ist ja grauenhaft, sicher mehr, als Bärfuss bisher verdient hat. Und treibt die SRG mit ihrem Jahresbudget von satten 1,5 Milliarden Franken an den Bettelstab. Denn, so der Ökonom Bärfuss: «Mit Journalismus konnte man noch nie Geld verdienen.» Das wird alle Medientycoons seit Randolph Hearst, Alfred Hugenberg oder Willi Münzenberg schwer wundern. Aber wer nichts von Ökonomie versteht, kennt auch die Geschichte nicht.

Dass der kulturlose Tagi es am Schluss noch wagt, Bärfuss mit Dürrenmatt zu vergleichen, hat Letzterer an seinem 100. Geburtstag wirklich nicht verdient. Aber er steht in einer Reihe mit Georg Büchner, der diese Verzwergung durch Preisverleihung auch nicht verdiente. Immerhin, bei seiner Schlussschwurbelei wird man wenigstens wieder hellwach: «Kunst ist der Versuch, Schmerz in Schönheit zu verwandeln.» Der Spruch ist allerdings schon so ausgeleiert, dass man nicht mal mehr sagen kann, wo Bärfuss ihn abgekupfert hat.

Wenn man seine Kunst liest, muss man ihn aber abwandeln:

Bärfuss ist der Versuch, Schmerz in noch mehr Schmerz zu verwandeln.

 

Die NZZaS ist voll von …

Es ist schmerzlich. Wirklich wahr. Ich wurde meinem finsteren Versprechen untreu. Alte Gewohnheiten sterben langsam. Ich kaufte mir eine NZZamSonntag. Aber ich schwöre heilige Eide: das war das letzte Mal. Bei Marx, Engels und allen Engeln.

Denn so voller, nun ja, mildern wir das Wort, das mir auf der Tastatur liegt und mit dem gleichen Laut anfängt, auf Schwachsinn ab, war sie selten. Ein von falschen Behauptungen nur so strotzender Bericht über Kuba (der strotzt dermassen, dass er hier das Gefäss sprengen würde und separat erscheint), ein Interview mit einem Alt-Bundesrat in Plauderlaune, der nicht mal vor sich selbst geschützt wird, wenn er einräumt, dass die Behauptung, die Schweiz zahle niemals bei Entführungen, eine Lüge sei.

Dafür dann ein «historisches Bild» aus New York, wo sich zwei leicht bis kaum bekleidete Menschen höchstwahrscheinlich mit Rasierschaum anspritzen, als Beleg, dass der Wille zu Ausschweifung und Amüsement «unsterblich» sei. «Das ist tröstlich. Gerade heute.» So etwas von gaga.

Gutes Geld von gesunden Mutterkühen

Geht’s noch? Aber immer geht’s noch mehr nach unten. Auf der Rückseite des renommierten Bundes «Hintergrund» steht eine ganzseitige Reportage: «Gutes Fleisch von gesunden Tieren». Aufmachung, Schriften, Bild, Bildgende, Lead, springende Spalte, Kasten: alles wie echt. Halt, Oben steht immerhin «Werbung». Eher klein und links. Gross in der Mitte, ebenfalls in redaktioneller Aufmachung:

«Sponsored Content für Mutterkuh Schweiz».

Wer würde da etwas Böses ahnen, auch die Mutterkühe brauchen eine Plattform. Immerhin, unten rechts ein gelb unterlegtes Kästchen: «Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag von Mutterkuh Schweiz erstellt.» Ein QR-Code führt zu den «Richtlinien».

Mal ehrlich, wie hoch schätzt die werte Blattleitung den Prozentsatz der Leser, die das für einen redaktionellen Beitrag halten? Mindestens zweistellig? Da sind wir uns einig, die erste Zahl ist bei mir aber sicher einiges höher.

Aber die Rache folgt auf dem Fuss. Das «Magazin» hat immer weniger mit Content Creation zu tun. Denn worüber schreibt man wie, wenn einem wirklich nichts mehr einfällt? Genau, man macht eine Riesenstrecke, nennt das «Reisespecial» und gibt Hinz und Kunz Gelegenheit, von Sehnsuchtsorten zu schwärmen, die dann unbedingt besucht werden müssen, wenn das wieder geht.

Seither lege ich mir vorsichtshalber ein Kissen auf den Schreibtisch, bevor ich mit der Lektüre beginne. Dann landet der Kopf wenigstens sanft, wenn ich wegschnarche. Ach, stimmt ja, wird nicht mehr passieren. Uff, da fängt eine gute Woche an.

War da noch was?

Und «SonntagsZeitung», SoBli? Echt jetzt? Sind die auch erschienen? Muss mir entgangen sein. Doch, uns wurde zugetragen, dass die SoZ eine Lobeshymne auf Roger Schawinski veröffentlicht hat. Wir könnten da leicht als voreingenommen beschimpft werden, daher nur das: Ja, am 23. Dezember 2020 überreichten wir Roger Schawinski unseren Preis des «Journalist des Jahres». Nachdem das Original schlichtweg seinen Ruf ruiniert hatte. Für Rogers Lebenswerk und für sein Talk Radio. Das wir grossartig fanden und finden.

Schön, dass die SoZ anderthalb Monate später auch nicht an sich halten kann. «Wenn Schawinski etwas macht, dann immer mit einer Intensität, als handle es sich um das Wichtigste der Welt.» Ein spätes, aber schönes Kompliment. Aber wer hat’s erfunden? Sorry, Roger, wir waren zuerst mit dem Lob.

3 Kommentare
  1. Beat Reichen
    Beat Reichen sagte:

    Zum Glück gibt es Zackbum noch, um diesen Schwachsinn einzuordnen. Wenn die alle ihre Seiten leer lassen würden, würde das Niveau in der Presse höher sein!

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Wer sich von den publizistischen Peinlichkeiten am Sonntag erholen wollte konnte auf SRF 1 den Evangelischen Gottesdienst aus Frankfurt am Main / D mit dem Schönewortebastler Bischof Bedford-Strohm sehen und hören. SRF macht den Tages-Anzeiger, Publizistik von ennet der Grenze einkaufen. Wahrscheinlich haben da die Verbindungen von Frau Wappler geholfen!

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