Kurze Geschichte der Fake News

Seitdem es so etwas wie Öffentlichkeit gibt, gibt es Manipulation.

Während Demagogie eine Methode ist, ist das Durchsetzen einer bestimmten Begrifflichkeit die manipulative Antwort auf eine umzudeutende Realität.

Herausragend in dieser dunklen Kunst sind die Deutschen. Die «Dolchstosslegende» war ein frühes, finster-cleveres Beispiel. Sie bestand in der Behauptung, dass die deutsche Armee im Ersten Weltkrieg im Felde ungeschlagen geblieben sei. Aber von republikanischen Politikern verraten wurde, eben den Dolch in den Rücken gestochen bekam.

Damit waren die damaligen Kriegsverbrecher Hindenburg und Ludendorff aus der Schusslinie, die wackelige Weimarer Republik stand von Anfang an unter dem Generalverdacht, sie habe zuerst die tapfer kämpfende Armee, dann  im «Schand-Frieden» von Versailles ganz Deutschland verraten.

Perfektionierung in der Hitlerei

Zur Perfektion wurde das während der Hitlerei weiterentwickelt. Der «Röhmputsch» als Lügenbezeichnung für die Liquidierung der Führungsspitze der SA. Die «Kristallnacht» als schönfärberische Beschreibung der ersten Pogrome nach der Machtergreifung der Nazis. Das «Volk ohne Raum», der «Endsieg», der «Volksschädling», dem Erfindungsreichtum waren kaum Grenzen gesetzt.

Es gibt andere Fake News, die sogar die Jahrhunderte überdauern. So die angebliche Verschwörung der «Weisen von Zion» als Beweis dafür, dass die Juden die ganze Welt beherrschen möchten. Die Fälschung einer Urkunde, die die sogenannte Konstantinische Schenkung beweisen sollte.

Auch das angebliche Auftauchen der Hitler-Tagebücher, die Fake News über eine nordvietnamesische Provokation, der Einstieg in den fatalen Vietnamkrieg. Auch in kleineren Zusammenhängen ist eine richtig platzierte Fake News wirkungsvoll. Der Gegenkandidat soll ein uneheliches Kind, ein Alkoholproblem, viele Schulden haben? Das Gerücht ist schnell in die Welt gesetzt, es wieder in die Flasche zurückzukriegen, fast unmöglich.

Fake News müssen gehegt und gepflegt werden, damit sie wachsen

Da eine Fake News ja nicht aus der Wirklichkeit herauswächst und gedeiht, muss sie vor allem am Anfang richtig behandelt, bewässert, gedüngt und beschützt werden. Dafür bietet der aktuell wütende US-Präsident ein gutes Anschauungsmaterial. Er ist eher einfach gestrickt, daher kann man seine Gedankengänge problemlos nachvollziehen.

Er sah sich mit der Realität konfrontiert, dass es immer mehr so aussah, als ob er die Wiederwahl verloren hatte. Da gab es zwei Möglichkeiten, banal: Er akzeptiert die Niederlage oder er akzeptiert sie nicht. Wenn er sie nicht akzeptiert, braucht er eine Begründung dafür. Die darf aber auch nicht zu realitätsfern sein, ganz wichtig bei Fake News.

Also zum Beispiel zu behaupten, Aliens hätten die Wahlen manipuliert, China oder Russland habe sich in die Wahlcomputer gehackt und die Ergebnisse gefälscht, das wäre nicht gut gekommen. Denn Trump weiss auch: Wenn man sich auf eine Fake News geeinigt hat, gibt es nur eins: durchmarschieren damit. Wiederholen, wiederholen, wiederholen. Und dann nochmal wiederholen.

Nach dem Verbreiten müssen Fake News gestützt werden

Also setzte er in die Welt: Ihm wurde der Sieg durch massive Wahlfälschung gestohlen. Nicht nur ihm, sondern allen seinen Wählern. Denn eigentlich war es ein Erdrutschsieg für ihn, den aber seine Gegner nicht wahrhaben wollen.

Auch der zweite Schritt bei Fake News ist sehr wichtig. Wie sie untermauern, «beweisen», Kritik daran niederbügeln? Auch das ist nicht sehr schwer. Von Beweisen faseln, die man demnächst auf den Tisch legen werde. Das Anzetteln von unzähligen Prozessen auf Staaten- und Bundesebene, mit denen die gefälschten Wahlresultate annulliert werden sollen. Am besten die nötigen Stimmen auf Trump überschrieben werden, was beim komplizierten Wahlmännersystem in den USA gewaltige Verschiebungen auslösen könnte.

Dabei darf man sich ja nicht von Rückschlägen oder Niederlagen beeindrucken lassen. Alle, restlos alle Anzeigen abgeschmettert? Selbst republikanische Gouverneure oder Wahlleiter verwahren sich dagegen, dass an ihren Resultaten irgend etwas faul ist? Na und. Der Könner geht auf bad news gar nicht ein, sondern wiederholt gebetsmühlenartig sein Mantra: Wahlen manipuliert, Sieg gestohlen, Nachfolger eine Pfeife.

Nach vielen Wiederholungen kann man nachlegen

So nach der tausendsten Wiederholung, die ist schnell erreicht, kann man noch etwas nachlegen: «Wie ich von Anfang an sagte», «wie immer mehr Bürger sagen», «wie inzwischen alle wissen». Kleine Ausschmückungen sind jetzt auch willkommen: «Ich habe schon vor den Wahlen gesagt, dass ich gewinne. Nur ein grossangelegter Betrug könnte mir den Sieg rauben. Und seht ihr, genau das ist eingetroffen.»

Eines der vielen Probleme solcher Fake News ist: So wie manche einsitzende und abgeurteilte Mörder sich solange einreden, dass sie unschuldig sind, dass sie damit jeden Lügendetektortest bestehen, glaubt der Hersteller von Fake News irgendwann auch selbst an sie. Trump ist entweder ein ausgekochter Zyniker, aber dafür ist er nicht clever genug, oder er hat schon längst begonnen, seine eigene Fake News zu glauben. Mit ihm Hunderttausende, Millionen von US-Staatsbürgern, eine inzwischen abbröckelnde Mehrheit der republikanischen Abgeordneten in Senat und Repräsentantenhaus.

Glaubt da jemand ernsthaft, dass Trump diese Kampagne nicht fortsetzen wird? Glaubt jemand ernsthaft, dass er nach der Amtseinsetzung seines Nachfolgers damit aufhören wird? «Dream on», wie da der Ami sagt.

3 Kommentare
  1. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Wir hätten einen aktuellen Fall hier im Land: Jolanda Spiess-Hegglin.

    Gelungener, weitgehend interessanter Anfang, dann folgt leider das übliche Trump-Bashing. Eigenartig. Denn wie Tim Meier erwähnt, gäbe es mehr und vor allem deutlichere und dazu aufgearbeitete Beispiele der Gegenseite. Unzählige Vergewaltigungsvorwürfe gehören dazu, und als Tiefpunkt die kolportierte Existenz von Aufnahmen einer «NS-Orgie in Moskau». Unsere primitiven Mainstreammedien dienten in ihrer ideologischen Verlogenheit als willfährige Gehilfen. Medienkritik dazu irgendwo, ausser in der Weltwoche? Fehlanzeige.

    Auch dem Herr Zeyer scheint es weiterhin wichtiger zu sein, seine abgrundtiefe Abneigung gegen Trump und seinen ebenso strunzdummen Wählern und Sympathisanten ostentativ zur Schau zu stellen. Traurig, was fünf Jahre Dreck, Lügen, Gift und Hass – Fake News – bewirken können.

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  2. Laura Ulrich
    Laura Ulrich sagte:

    Wir Europäer werden die Amis nie verstehen. Dort wird weitergekämpft, wo wir schon längst die weisse Fahne gehisst hätten. Ist bei jedem Gerichtsprozess zu sehen. Wer ein Steel-Dossier kreieren kann, kann natürlich auch Wahlfälschung betreiben, umso einfacher, wenn man Big Tech hinter sich hat.
    Ob die zweifellos vorgekommenen Fälschungen entscheidend waren? Eher wohl nicht. Aber entscheidend war, dass der Loser keine Beweise auf den Tisch brachte. Deshalb wäre Schweigen angebracht gewesen. Mehr vermasseln kann man gar nicht mehr.

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  3. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    Wie war das noch mit der «Russian Collusion», dem «Sturm aufs Capitol»? Kein Fake News weil vom Mainstream kolportiert?
    Der Anfang vom Ende. Nun bestimmen Tech-Konzerne was unter Fake News fällt und was nicht. Weitergedacht: die KPC bestimmt, was via TikTok veröffentlicht wird und was nicht.

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