Blablajour: Das haben nicht mal die Basler verdient

Schon Kurt W. Zimmermann beschimpfte die Basler als mediale Trottel. Recht hat er.

Fehler machen kann jeder. Als der Basler Daig mit offenen Mündern zuschaute, wie ihre grossartige Verlegerdynastie die «Basler Zeitung» an den Rand des Ruins führte, hätte es theoretisch die Möglichkeit gegeben, dem unfähigen Hagemann Junior sowohl finanziell wie strategisch unter die Arme zu greifen.

Lieber nicht, sagte sich der Daig. Als sich dann enthüllte, dass der Gottseibeiuns für viele Basler Linke, Edellinke und Daig-Linke, dass Christoph Blocher die «Basler Zeitung» gekauft hatte, begann sogar der Daig zu blubbern und Pickel zu kriegen.

Und als dann auch noch der kleine Gottseibeiuns die Chefredaktion übernahm, da war es fast allen in Basel klar: So geht das nicht. So geht das überhaupt nicht. Statt eine langsam in den roten Zahlen ersaufende, dafür aber Basler BaZ haben wir nun ein von Zürich aus gekapertes Blatt, das so rechtspopulistisch sein wird, dass nur noch die rechte Randspalte bedruckt wird.

Die Rettung nahte: Geld wie Heu

Was tun, fragte sich da der Daig, wie weiland Lenin. Wie es sich gehört, fanden diskrete, aber erregte Gespräche statt. Viele Redaktoren der BaZ waren natürlich zutiefst entrüstet, dass sie nun sicherlich statt von links nach rechts von rechts nach links schreiben mussten. Niemals, sagten sie, aber blöd auch, aufrecht kündigen wäre einfach, einen neuen Job suchen nicht so sehr.

Aber die Rettung nahte, eine reiche Pharma-Erbin öffnete die Portokasse ihrer Portokasse und schmiss ein paar Millionen auf. Damit kann man etwas anfangen, sagten sich viele Journalisten, auch bei der BaZ, die zwar ums Verrecken keinen Anlass fanden, um dem neuen Chefredaktor Markus Somm in irgendeiner Form Zensur, Eingriffe, politische Vorgaben vorwerfen zu können.

Das alles sollte erst noch kommen, denn nach vielen öffentlich solidarisch, aber insgeheim natürlich intrigant geführten Debatten entstand die «TagesWoche». Nun konnten einige BaZ-Journalisten, nicht gerade die besten, endlich die Konsequenz daraus ziehen, dass sie zwar nicht auf rechtspopulistische Linie getrimmt werden sollten, aber grundsätzlich und aus Prinzip nicht für ein Blocher-Somm-Organ arbeiten konnten.

Statt Begeisterung sehr schnell Ernüchterung

Am 28. Oktober 2011 erblickte die erste Ausgabe das Licht der Welt; mit dem grossartigen Slogan: «Die Welt im 21. Jahrhundert braucht Medien aus dem 21. Jahrhundert.» Das mag so sein, aber während Gottseibeiuns Blocher zusammen mit Eisenfuss Bollmann den Trümmerhaufen BaZ aufräumte und sanierte (nicht zuletzt mit dem Einschuss von Geld in die Pensionskasse), holperte die «TagesWoche» von Anfang an vor sich hin.

Anspruch und Einlösung, mit vollen Händen das Startkapital ausgeben, aber keinerlei Businessplan, wie es nach einer Anschubfinanzierung aus eigenen Kräften weitergehen sollte: die erste Begeisterung, es den Zürcher Invasoren gezeigt zu haben, machte sehr schnell einer grossen Ernüchterung Platz.

Wie es sich gehört, begannen auch ziemlich schnell die offen ausgetragenen Intrigen und Machtkämpfe im Kollektiv. Schon nach anderthalb Jahren wurde der Gründungschefredaktor abgesägt. Ein knappes Jahr später wurde Urs Buess offiziell entsorgt. Dem Trio um Dani Winter wurden zwar exzellente Beziehungen zur Mäzenin nachgesagt, aber Performance, Erfolg, Führung, das waren nicht so ihre starken Seiten.

Schritt für Schritt konsequent zum Ende

Den Anfang vom Ende leitete das Bekanntwerden eines übelriechenden Deals ein. Mehr als die Hälfte der beglaubigten Printauflage verstopfte gratis die Flughäfen Basel und Zürich. Machen auch andere, aber nicht gleich mit dem grösseren Teil der Auflage. Auch die tolle «Community» mit angeblich ziemlich aktiven 10’000 Mitgliedern erwies sich als ein Luftschloss. 70 Prozent von ihnen waren laut den eigenen Statistiken der TaWo noch nie aktiv geworden.

2015 wurden dann auch Dani Winter samt Gefolgschaft per sofort rausgeworfen. Ab Januar 2016 versuchte es noch ein Neuer, aber auch Christian Degen verliess das sinkende Schiff ein Jahr später. Am 5. November 2018 überraschte dann die Herausgeberschaft die wenigen verbliebenen Leser und Mitarbeiter mit der Nachricht, dass das Blatt zugeklappt werde. Sicher reiner Zufall, dass das eine Woche nach dem Abschluss des Verkaufs der BaZ an Tamedia bekannt gegeben wurde.

Hat die reiche Mäzenin etwas aus diesem Desaster gelernt?

Ende der Fahnenstange, 30 gefeuerte Mitarbeiter verbrachten fröhliche Weihnachten. Nun könnte man ja einige Schlussfolgerungen daraus ziehen. Zum Beispiel, dass ein Organ «gegen» damit keine Existenzberechtigung  für irgendwas bekommt. Zum Beispiel, dass sich die TagesWoche eigentlich als Lokalblatt positionieren wollte, ihre Redaktoren aber natürlich lieber die grosse, weite Welt als ihr Thema sahen.

Und schliesslich, eine millionenschwere Anschubfinanzierung ist eine tolle Sache, aber irgend etwas oberhalb von «wird schon irgendwie» als mittelfristiger Businessplan, das sollte es schon mal geben. Gab’s nicht, stattdessen Intrigen, Stühle wegziehen, Beschiss.

Unverdrossen, denn es leert sich ja weiterhin nur die Portokasse der Portokasse, wurde neuerlich eine Million pro Jahr als Anschubfinanzierung für irgendwas ausgelobt. Ausgerechnet dem begabten Millionenverröster Hansi Voigt den Zuschlag zu erteilen, der gerade nicht ganz freiwillig die Geldvernichtungsmaschine «watson» verlassen hatte, zeugte nicht gerade von Weitblick und gewonnenen Erkenntnissen.

Schon wieder riecht es streng nach Untergang

Wie schon mehrfach berichtet, brüstet sich bajour.ch inzwischen mit «2427 Member». Da Voigt sich leider weigert, unsere Fragen zu beantworten, weiss niemand, ob die wirklich oder nur digital existieren. Aber selbst wenn, wie bajour mit seiner aufgeblähten Mitarbeiterstruktur mit bloss 100’000 Franken im Jahr durchkommen will, wenn dann mal die drei zugesagten Millionen verbrannt worden sind, das steht in den Sternen. So viel verbraucht bajour bei jämmerlichem Output für Gehälter und Infrastruktur. Pro Monat.

Aber im Gegensatz zur «TagesWoche» überzeugt bajour doch sicher durch eine umfangreiche und aktuelle Berichterstattung aus Basel? Nun ja, dem vielköpfigen Team um Voigt ist es in diesem Jahr gerade mal gelungen, ganze sechs Stücke rauszupusten. Darunter ein Gastkommentar und ein Bericht über nachkolorierte alte Aufnahmen von Basel.

Zuoberst ein Nachruf auf Genosse Pfister, ein Klimaprozess, die Eröffnung eines Second-Hand-Shops. Und dann das.

Schon ins alte Jahr zurück führt das Trendthema Sexualität. Einmal als «Transboys will be Boys and only Boys? Blödsinn!» (muss man nicht verstehen) oder als

«Ich hasste es, eine Frau zu sein.»

Ein erschreckender Bericht über Endometriose; fünf Betroffene berichten (muss man nicht kennen). So der Stand am 5. Januar 2021.

Für diese magere und tropfenweise verabreichte Kost sollen tatsächlich knapp 2500 Basler je 40 Franken springen lassen? Und sich wunschgemäss verzehnfachen, wenn bajour in zwei Jahren aus eigenen Kräften über die Runden kommen soll? Also

so vertrottelt können nicht einmal die Basler sein,

Zimmermann hin oder her.

 

Packungsbeilage: Ich publizierte in der BaZ unter Somm. Über alles, was ich wollte. Wie ich wollte. Niemals zensiert, niemals umredigiert.

1 Antwort
  1. Stephan Dietrich
    Stephan Dietrich sagte:

    Immerhin scheint man bei Bajour langsam zu realisieren, dass etwas mehr journalistische Substanz nicht schaden könnte. Kürzlich machte sich das Blatt nämlich auf die Suche nach ein*e Senior Reporter*in. “Kennst du Basel wie deine Westentasche? Bringst du bereits journalistische Erfahrung mit und zeichnest dich durch deine selbstständige und unabhängige Art aus? Then you might be the one“, heisst es im Stellenbeschrieb. Am Arbeitsplatz wartet schon „das beste Team der Welt, das für kritischen und konstruktiven Journalismus brennt.“
    Basler Westentaschen-Erfahrung scheint bis vor kurzem noch kein zwingendes Anstellungskriterium gewesen zu sein. Anders lässt sich die Anstellung von Ina Bullwinkel im letzten Herbst nicht erklären. In ihrem ersten Artikel mit dem Titel „Hilfe, in Basel gibt es kein Platz für mein Auto!“ jammerte die Norddeutsche mehrere tausend Zeichen lang über ihre Suche nach einem Gratisparkplatz für ihren PKW mit Bremer Nummernschild. Ein solches Parkplatzlamento ist eigentlich sonst ein Markenzeichen der Basler Zeitung und füllt keine publizistische Lücke in der lokalen Medienlandschaft.
    Auch später ist Nordlicht Bullwinkel nicht durch journalistische Glanzleistungen aufgefallen, aber vielleicht liefert diese ja bald der Senior Reporter respektive sein weibliches Pendant.
    Finanziert werde die neue Stelle durch die vielen neuen Member, die letztes Jahr dazugekommen seien. So steht es wenigstens im Stelleninserat.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Stephan Dietrich Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert