Ex-Press XV

Blasen aus dem Mediensumpf.

Wir wollen das Jahr doch nicht beschliessen, ohne die bescheuertsten journalistische Einfälle und Abfälle zu würdigen.

Wenn man bescheuert sagt, fällt einem spontan natürlich «watson» ein. Das sei ihr alles «zu low», mopste Simone Meier, die Kulturleuchte, statt ernstgemeinte Fragen von ZACKBUM.ch zu beantworten. Was sie wohl zu diesem Spitzenprodukt ihrer Kulturzeitschrift «watson» sagt?

Da schmeisst man sich weg vor lachen.

Geht’s vielleicht eine Idee weniger low? Nun ja, Niklaus Vontobel hat zwar auch schon bessere Tage gesehen, aber er schmückt «watson» immerhin mit einem Interview mit Monika Bütler. Who? Also bitte, der in St. Gallen weltberühmten Ökonomin, zudem Mitglied der Taskforce to the Bundesrat.

Da kann ein wenig mediale Beleuchtung nicht schaden, selbst wenn es mit der Funzel «watson» geschieht. Aber bei dieser Beleuchtung kann man von Bütler wirklich nicht erwarten, dass sie bei ihren Antworten hell leuchtet.

«Die Fallzahlen sinken nicht, sie steigen sogar eher.» – «Die Taskforce ist besorgt.» – «Es ist viel kälter als im Frühling, wir sind mehr in Innenräumen.»

Bevor der Leser hier um Gnade winselt: weiter habe ich’s auch nicht geschafft.

 

Ho, ho, ho

Wir gehen eine Stufe nach oben, daher müssen wir «bajour» leider auslassen. Was serviert denn der «Blick» als Vorweihnachtsmenü? Nun, Vorspeise Corona,

dann Hauptspeise Corona,

Dessert – nein, das stammt mehr aus der Kernkompetenz von «Blick»:

Nochmal nein, bevor es Reklamationen gibt: «Blick» zeigt kein einziges Nacktfoto, schluchz.

 

Blaue Nachrichten

Gehen wir nun mal weiter in der Oberliga der Klickzahlen. Die neuen «Blue»-News erreicht man immer noch über bluewin.ch/news, aber man kann von einem Staatsbetrieb ja nicht schnelle Reaktionen erwarten. Blue serviert einen bunten Strauss von Meldungen, wenn auch mit einem leichten Drall Richtung Corona.

Allerdings: Offensichtlich will Blue das digitale Stottern erfinden. Die Hauptmeldung scheint so wichtig zu sein, dass sie gleich nochmal kommt:

Erste Person, gleich zweimal geimpft?

Oder es ist eine Dienstleistung für die Alzheimer-Patienten unter den Lesern. Leider vergessen die aber den Inhalt auch beim zweiten Mal nicht langsamer als beim ersten.

 

Offene Unfälle

Nun steigen wir weiter in die Oberliga der Qualitätsblätter. Genau, ins Newsnet von Tamedia. Auch hier eher ein Einheitsthema, nimmt man die warnende Albright aus:

Wer findet den Lachschlager-Titel?

 

Man bittet um besondere Aufmerksamkeit für den Sieger im Wettbewerb: Über welchen Titel haben wir am lautesten gelacht? The winner is: «Drei Viertel der Unfälle passieren in Skigebieten, die jetzt offen sind». Das scheint aber doch eine sehr konservative Schätzung zu sein. Ohne mich wissenschaftlich abgesichert zu haben, würde ich behaupten – da wohl keine Skiunfälle in geschlossenen Gebieten stattfinden –, dass sogar 100 Prozent aller Unfälle sich dort ereignen.

Aber vielleicht sollten wir auf die Meinung der Taskforce warten, bevor wir voreilige Schlüsse ziehen.

Eine Empfehlung der Redaktion und eine Höchstleistung der fairen und unparteiischen Berichterstattung ist die Beantwortung der brennenden Frage: «Soll man jetzt noch Ski fahren?» Die wird eiskalt in einem Pro und Contra abgehandelt, nach der ewig gültigen Devise: kann man so oder so sehen. In den Duden muss man aber nicht sehen, dann kümmert einen die richtige Schreibung von Skifahren auch nicht.

Im Übrigen beachte man unsere Würdigungen von kampffeministischer Rechtschreibung, flachgeklopfter Philosophie und schwärmenden Backfisch-Kommentaren der Co-Chefredaktorin.

 

 Aktuell auf dem Laufenden bleiben

Das verspricht der Strauss von Qualitätsmedien aus dem Hause CH Media. Das kann man so formulieren, weil «watson» nicht dazugehört. Nun, der Newsticker (das ist das Gefäss, das die frühere, mühselige Arbeit ablöst, News zu gewichten, einzuordnen und zu analysieren) hält ebenfalls einen bunten Strauss bereit:

 

 

Unter «meistgelesen» figurieren passenderweise, hier in der Version der «Aargauer Zeitung»*, vor allem lokale Themen. Ein klarer Beleg dafür, dass der Abbau der Lokalredaktionen, das Rausschmeissen von Lokalredaktoren genau die richtige Strategie ist.

 

 

Schloss mit lustig

Zum krönenden Abschluss schnuppern wir noch (natürlich von unten) an der NZZ. Da soll noch einer sagen, die alte Tante könne nicht auch lustig: «Schloss mit lustig», so betitelt sie einen Artikel über die Zukunft der wiederaufgebauten Hohenzollernresidenz in Berlin.

Dass sie weiterhin zum Weltjournalismus fähig ist, beweist sie ebenfalls: «Alle impfen zuerst die Alten – Indonesien beginnt bei den Jungen. Aus guten Gründen». Der Blick über den Tellerrand ist gleich auch der meistgelesene Artikel.

Ein letzter Lichtblick: Daniele Muscionico darf weiterhin auch Glossen schreiben, diesmal «Plädoyer für die Unruhe».

Das beruhigt ungemein, denn es gibt einige in der Schweiz, die sich für begabte Edelfedern halten, aber nur ganz, ganz wenige, die es auch sind.

 

* Das ist der aktuell gültige, richtige Name. Unseren Lesern sei Dank.

2 Kommentare
  1. Urs B.
    Urs B. sagte:

    Und was ist jetzt genau der Rechtschreibfehler bei «Ski fahren»? Wer derart austeilt, sollte vielleicht ab und zu selbst in den Duden (oder in den Spiegel) schauen. 😉

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  2. Peter Herzog
    Peter Herzog sagte:

    Aargauer Tagblatt? Ist 1996 mit der Fusion des Badener Tagblatts zu Grabe getragen worden. Ich weiss das, ich habe einst beim AT gearbeitet. Dass dieser Zeitungstitel auch Herr Zeyer bekannt ist, zeigt mir, dass er auch nicht mehr der Jüngste ist.

    Antworten

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