Grabenkampf übers Grab hinaus

Eine Todesanzeige lässt das St. Galler «Tagblatt» zur Tiefstform auflaufen.

Der Kampf gegen Corona-Leugner, Kritiker der Massnahmen, vor allem in Altersheimen, muss ohne Rücksichten auf Verluste geführt werden.

Da kann leider auch nicht die Trauer von Verwandten einer soeben verstorbenen Altersheiminsassin respektiert werden. Denn es gibt wichtigere Ziele als Rücksichtnahme auf den Schmerz einer Trauerfamilie.

Die hätte ja auch einfach eine «normale» Todesanzeige publizieren können. Aber stattdessen schreiben sie, ihr Familienmitglied sei im Altersheim nicht an Corona, «sondern an den Folgen der sehr streng ausgelegten Coronamassnahmen» verstorben:

Wohlgemerkt ist da nicht unbedingt dem Altersheim ein Vorwurf zu machen; vielfach werden nur ängstlich die Anweisungen der Gesundheitsämter befolgt, und da gilt wie immer: lieber zu streng als zu lasch und dann Probleme kriegen.

Das «Tagblatt erteilt dem Leiter des Altersheims das Wort

Es ist auch verständlich, dass sich der Leiter des Altersheims im «Tagblatt» auf Anfrage zur Wehr setzt. Denn seit der Publikation am 8. Dezember sorgt diese Traueranzeige in den sozialen Netzwerken für viele Reaktionen. Überwiegend im Sinne der Trauernden.

Es werden eigene, schmerzliche Erfahrungen geschildert, gegen die Herzlosigkeit der Behörden gewettert, die alte Menschen aus Angst vor dem Tod durch Corona lieber alleine sterben lassen.

Ein hochemotionales Thema, ein Problem für viele Familien, die inzwischen bereuen, ihre Eltern oder Grosseltern ins Altersheim verbracht zu haben. In der Annahme, dass so ein möglichst angenehmer Lebensabend garantiert sei. Ohne im Traum daran zu denken, dass harsche Vorschriften den Lebensabend zum Alptraum machen könnten.

So ist also die Gefühlslage, neben Kritik, eigenen Erfahrungen wird auch viel Anteilnahme in den Plattformen gespendet. Das ist allerdings die Sache des «Tagblatts» nicht. Es erwähnt zwar im Artikel die vielen zustimmenden Reaktionen. Aber als Titel wählt es ein Zitat des Heimleiters: «Diese Traueranzeige ist unterste Schublade». Zack.

Und der lässt es ungebremst nicht los

Natürlich sei sie auch inhaltlich falsch, «diese Anschuldigungen entbehren jeder Grundlage», behauptet der Heimleiter. Mehr noch. Das Pflegepersonal leiste «seit Wochen grossartiges und werde im Netz als herzlos und schlecht hingestellt». Das ist übrigens die grossartige Original-Orthografie der Qualitätszeitung.

Schlimmer noch: Der Traueranzeige kann man nicht entnehmen, dass das Personal schlecht gemacht würde. Aber der Heimleiter darf noch weiterholzen: Ein Angehöriger der Verstorbenen «sei im Heim leider bekannt. «Er hat schon öfters grenzwertiges Verhalten gegenüber unserem Personal und Dr. Zeller an den Tag gelegt.»»

Lässt das «Tagblatt» den Heimleiter unwidersprochen sagen. Das wird den trauernden Hinterbliebenen sicher sehr gefallen, dass sie öffentlich so runterputzt werden. Der Autorin dieses Qualitätsartikels kann man keine grossen Vorwürfe machen. «Das Thema wurde sehr kurzfristig an mich herangetragen», verteidigt sich – die Volontärin.

Es sei aber geplant, in einem Nachzug der Trauerfamilie Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. So geht das bei Qualitätszeitungen zu und her.

Bis er auch das letzte Wort im Artikel haben darf

Um noch ein letztes Gegengewicht gegen die Zustimmung zu setzen, die die Hinterbliebenen im Netz erfahren, erteilt die Journalistin dem Heimleiter auch das letzte Wort: laut ihm «sind aber «Gott sei Dank» nicht alle der Meinung, dass sie schlechte Arbeit leisten. «Zahlreiche Menschen aus Romanshorn haben sich persönlich an uns gewendet und gesagt, dass sie die Botschaft in der Traueranzeige als ‹nicht angemessen und unfair› empfinden.»»

Zumindest diese Frage hätte die Schreibkraft doch stellen können: Wo soll in der Traueranzeige auch nur in einem Wort kritisiert worden sein, dass die Angestellten des Heims schlechte Arbeit leisteten?

Einer leistet tatsächlich schlechte Arbeit in diesem Altersheim

Das steht doch nirgends. Aber nach diesem Ausbruch des Heimleiters, der zudem über die Familie herzieht, ist eines klar: Er selbst leistet schlechte Arbeit, ist schnell beleidigt, reagiert sehr dünnhäutig auf Kritik, selbst wenn die von Personen in einem emotionalen Ausnahmezustand kommt. Und da der Fisch bekanntlich immer vom Kopf stinkt …

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