Tanzen, tänzeln, schwänzel, schwänzeln

Unsere Bundesräte haben einen Unterleib? Ach wo.

Die dürftig belegte Vermutung, dass der damalige Bundesrat Kaspar Villiger angeblich im Berner Rotlichtmilieu verkehrt habe, kostete nicht nur diverse Köpfe von Journalisten, sondern auch letztlich einem hoffnungsfrohen News-Magazin das Leben.

Andere Zeiten, andere Sitten. Ein angebliches Rencontre von zwei testosteron-gesteuerten Chefbankern, bei dem der eine die Frau des anderen beleidigt haben soll und dieser daraufhin angeboten habe, das doch draussen unter Männern zu regeln: Das kommt heutzutage mit Namensnennung überall. Obwohl es keine Zeugen gibt, die namentlich hinstehen wollen.

Ab und an saftige Storys auch in der Schweiz

Wie geht’s denn so im Privatleben der ehemaligen Bundesrätin Ruth Metzler zu? Da wuschen alle Beteiligten einer gescheiterten Ehe kräftig schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit. Sie war die betrogene Ehefrau, er hatte ein Verhältnis, ausgerechnet mit seiner Geschäftspartnerin, mit der er eine Unterwäsche-Linie aufgebaut hatte; Slogan: «Männer wollen nur das Eine», weidete sich 2010 die «Schweizer Illustrierte» an der saftigen Story.

Die auch, laut SI und anderen, eine Reise ins Baderessort Sharm-El-Sheikh in Ägypten umfasst haben soll. Da schien es der Gatte etwas übertrieben zu haben, denn er soll mit Frau und Geliebter dorthin gereist sein. Wobei die alt Bundesrätin davon nichts gewusst habe, jedoch vom gesprächigen Hotelpersonal ins Bild gesetzt worden sei.

Nach ein paar Skandälchen kommt mal wieder ein grösserer

Das waren noch Zeiten. Aber in den letzten zehn Jahren scheint es doch so gewesen zu sein, dass die Staatsmänner und -frauen im Bundesrat trotz hoher Arbeitsbelastung und gelegentlichen Versuchungen vorbildlich auch im Privatleben blieben. Nun ja, also Bundesrätin Sommaruga soll ja nicht nur bei ihrem Schriftstellergatten ausgezogen sein. Und alt Bundesrätin Leuthard (Duschen mit Doris) galt nicht als Kind von Traurigkeit. Heisst es.

Aber niemand liess sich wie Dumpfbacke Christophe Darbellay bei einem Seitensprung mit Fruchtfolge erwischen. Gerade entwickelt sich hingegen ein saftiger neuer Skandal. In der üblichen Kadenz. Am Samstag zeigte die «Weltwoche» der Sonntagspresse eine lange Nase. Da in der Printausgabe nichts stand, hoffte man bei den Sonntagsblättern, dass man die Berset-Story exklusiv habe. Der Traum platzte vor Erscheinen.

Christoph Mörgeli zeigte, dass er nicht nur weiterhin gut vernetzt ist, sondern auch so seine Quellen hat. Also legte er die Latte hoch. «Berset: Erpressung und Vertuschung. Bundesrat Alain Berset wurde mit offenbar verfänglichen Fotos und Mails um 100 000 Franken erpresst. Die Bundesanwaltschaft vernichtete alles belastende Material, weil sonst Berset sein Amt nicht mehr richtig ausüben könne.»

Eigentlich stand in der WeWo schon alles

Mehr war dazu im ersten Anlauf nicht zu sagen. Also klapperte die Sonntagspresse deutlich gefrustet hinterher, und förderte keine welterschütternden Zusatzerkenntnisse zu Tage. Aber andererseits: echt, ein Bundesrat? Frau? Verfängliche Dokumente und Fotos? Erpressung gar?

Am Montag ging’s dann aber richtig los. Schon bis am Nachmittag fast 100 Treffer für «Berset – Erpressung» in der SMD. Schon die Sonntagspresse hatte vorgebahnt, dass man wohl leider nicht auf die WeWo einprügeln könnte, deren Primeur war korrekt.

Aber was nun? Nochmal nachklappern, das wäre dann etwas wenig. Allerdings sind cirka 80 der fast 100 Treffer dem Umstand zu verdanken, dass Tamedia und CH Media natürlich in allen Kopfblättern das Gleiche abfüllten. Da gibt es im Elendsjournalismus von heute eigentlich nur zwei Möglichkeiten.

Wenn nichts Neues zu vermelden ist, gibt’s nur zwei Möglichkeiten

Zunächst der Kommentar. Natürlich kann sich kein einziges Kopfblatt von CH Media dagegen wehren, wenn die Autorin des Kommentars Anna Wanner heisst. Obwohl er zwar staatstragend («Alain Berset hat richtig gehandelt»), aber inhaltlich, nun ja, leicht wirr, ziemlich falsch und in den Schlussfolgerungen echt schräg ist.

Die zweite Möglichkeit ist, sich in einen Aspekt zu verbeissen. Der wurde zwar schon am Samstag von der WeWo mit dem bösen Wort «Vertuschung» aufgegriffen, aber was soll man sonst denn machen, um die Spalten zu füllen. Also geht es um die Frage, wieso die Bundesanwaltschaft eingriff, wenn Berset das ausdrücklich nicht als amtliches (zuständig), sondern privates (nicht zuständig) Problem bezeichnet?

Auch die Mitteilung, dass die Angelegenheit durch Strafbefehl und Löschung der möglicherweise peinlichen Dokumente und Fotos erledigt sei, erweckt den Argwohn der Journis. Auch, dass Berset angeblich den übrigen Bundesrat nicht über sein kitzliges privates Problem orientiert habe.

Einen Kommentar seiner Gattin konnte allerdings bislang noch kein Medium aus ihr herauslocken. Wohl, weil Berset es ihr schon vor diesen Veröffentlichungen gestanden hat. Und da sind Politikergattinnen, siehe Hillary Clinton, hart im Nehmen.

Wieso dauert die Enttarnung der Erpresserin so lange?

Nur sehr kurzes Leben hatten diverse Knallfrösche, die gegen die WeWo gezündet wurden. Was soll denn das, Privatangelegenheit, widerlich, politische Rache, macht man nicht.

Aber, liebe Kollegen und Kolleginnen von der leichten Krawallerie, selbst die Mutter des unehelichen Kindes von Darbellay wurde recht schnell enttarnt. Wieso dauert es dann bei der Erpresserin so lange? Nur ein «jetzt rede ich» kann diese Story noch etwas am Leben erhalten.

War bei Geri Müller doch auch so. Dem gelang es, allerdings nicht ohne Kollateralschäden, seine Affäre zu überstehen. Und auch im Hause Müller hörte man nichts von einer Trennung oder Scheidung. Obwohl, Fotos des Gemächts aus den Amtsräumen versenden, ts, ts.

 

5 Kommentare
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Offenbar ist bei sehr vielen Mittmenschen das eigene Privatleben stinklangweilig, anders lässt sich bei diesen das teilweise übersteigerte Interesse am Privatleben der anderen kaum erklären.
    Privatleben ist Privatleben solange nicht die Rechte dritter Schaden nehmen.
    Solange das Privatleben auch von Politikern, zu keinen Amtspflichtverletzungenführt, oder 3. Rechtsrelevant schädigt, sollte das Aussenstehenden wurscht sein.
    Kukuk’s-Kinder und Aussereheliche sicher nicht so schlau, solange die Rechte der Kinder keinen substanziellen Schaden nehmen Privatsache.
    So im allgemeinen, privates öffentlich ausfechten KANN lediglich ein Beleg für einen fragwürdigen
    kaum Vertrauen stiftenden Charakter signalisieren, demonstrieren.
    Echt störend wird Doppelmoral wie ZB. von der Römischen Kirche praktiziert, Moral Predigen und gleichzeitig, massenweise selbst dagegen verstossen und das auch noch in den Rechtsrelevanten Bereich, Minderjährige Schutzbefohlene, ab da hört der Spass auf, ab da wird die Sache hässlich.

    Antworten
  2. Alois Fischer
    Alois Fischer sagte:

    Was mich immer wieder wundert, ist, mit welcher Verve die Maisntreammedien zwar Klicks suchen, aber genau so brachial jede echte Diskussion (Austausch von Meinungen) unterbinden.

    (Zitat A. Fischer) Da werden die schrägsten Logikfehler als Beweis angeführt: Dass Herr Berset nicht auf die Erpresserin eingegangen ist, sondern nach 3 Wochen Bedenk- und Beratungszeit (Anwalt?) Anzeige erstattet hat (nicht wie jede normale Person bei der lokalen Polizei?), soll ganz klar beweisen, dass er sich nicht erpressbar gemacht habe! Erspressbar sein und sich erpressen lassen sind zweierlei.
    Die Angaben der verschiedenen Parteien (Berset, Anwalt, Bundesanwaltschaft sind keinesfalls kongruent. Da kommen noch ein paar wichtige Detailfragen auf die Verwedler zu. Dass sich Berset für eine unauffällige Erledigung eingelassen hat, zeigt seine gute Zusammenarbeit mit den Strafverfolgern und Schwuppdiwup ist alles sauber!
    Wenn doch alles so sauber wäre, kein Geld «geflossen» sein sollte (wir kennen solche Formulierungen aus der Vergangenheit, wenn sich der Bundesrat oder Verwaltungsstellen in Geiselfragen inoffiziell zur Efüllung von Forderungen bereit erklärten.) und die «Beweise» der Fau derart lächerlich und ohne Erpressungspotential gewesen sein sollten, gibt es doch keinen Grund, derart rigoros einzufahren und die Frau damit unter Druck zu setzen.
    Das erwähnte harmlose «Gesichtsfoto» von Hr. Berset scheint das einzige Foto gewesen zu sein, war im Strafbefehl aber als Fotos erwähnt. Ist dieses Foto vollständig vorhanden und wirklich das einzige?
    Herr Berset selber hat Anzeige erstattet, weil er sich privat UND beruflich geschädigt empfindet, also nicht einfach eine Privatsache!

    Habe den obigen Kommentar gestern auf dem Norwestschweiz-Netz (CH Media) zu einem entsprechenden «Berset-Artikel» platzieren wollen und wurde prompt (nach etlichen Stunden!) «einfernt».
    Gleichzeitig wird in diesen Zeitungen darauf hingewiesen, dass man dabei sei, ein neues Kommentarkonzept einzuführen (weniger Artikel mit Kommentarmöglichkeit!), um den «Diskurs mit den Artikelverfassern» zu fördern! Wohl eine ganz neue Erfindung der grassierenden Verhinderungskultur?

    Antworten
  3. Vergissmeinnicht
    Vergissmeinnicht sagte:

    Wir betrogenen Versicherte sind doch sehr dankbar, dass unsere Akten diese die Rechtswidrigkeiten und Willkür aufzeigen nicht vernichtet werden können.

    Es ist das gleiche Drama wie bei den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen. Alle wissen das systematisch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschieht – doch keiner ist bereit zu handeln.

    In einem anderen Land müsste der zuständige Bundesrat zurücktreten!
    BR Berset verspricht und beschönigt ist aber in keiner Weise gewillt seine Baustelle zu beheben!

    https://vergiss-meinnicht.org/petition/

    Antworten
  4. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Artikel:
    «weil Berset es ihr (Gattin) schon vor diesen Veröffentlichungen gestanden hat». Was hatte er oder musste er gestehen? Da ist Zeyer auf Linie der von ihm kritisierten Mainstreampresse, frustriert fordert er mehr Aufklärung, selber verliert er sich in Andeutungen! Willkommen im Alltag, geschätzter Zeyer!

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Vergissmeinnicht Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert