«Als Eigentümer verantworte ich persönlich alles»

Für Roger Köppel, Herausgeber und Alleinbesitzer der Weltwoche, haben «eigentlich alle Artikel» seit der Gründung 1933 kommentierenden Charakter. Das widerspricht dem Journalistenkodex.

In den Medien wird, zumindest nach aussen, die Vermischung von Fakten und Kommentaren gescheut, wie das auch bei Redaktionellem und Werbebotschaften geschieht – oder auch nicht. Die Richtlinie 2.3 des Schweizerischen Journalistenkodex macht dazu klare Vorgaben.

Richtlinie 2.3 – Trennung von Fakten und Kommentar:

Journalistinnen und Journalisten achten darauf, dass das Publikum zwischen Fakten und kommentierenden, kritisierenden Einschätzungen unterscheiden kann.

Eine Richtlinie, die die Weltwoche oft und genüsslich negiert, gefühlt verstärkt, seit Roger Köppel am Ruder ist. Vielleicht ist das aber auch so, weil gerne die Antithese vertritt. Etwa, dass Sepp Blatter ein guter FIFA-Präsident war. Die Antithese gilt auch für Trump, Lukaschenko, Blocher, Bolsonaro und so weiter. Nun hat das seit 87 Jahren erscheinende Wochenblatt vor einigen Wochen noch einen drauf gegeben. «Der Charme der Tradition: Weitere Gefässe aus früheren Epochen kommen rundumerneuert». Seither erscheint wöchentlich der «Blick in die Zeit». Diese Seite gab’s schon von den 1930ern bis in die 60er Jahre: «Eine anekdotisch-feuilletonistische Rubrik, die sich aus Weltwoche-Sicht interessanten Phänomenen widmet.» Speziell ist, dass die sehr wertende Rubrik anonym ist. Man weiss also nicht, wer die Zeilen geschrieben hat. Was sagt Roger Köppel dazu?

 

«Klarer gehts nicht»,  findet Roger Köppel. (Foto: ls.)

 

Zackbum.ch hat ihn (schriftlich) befragt. Köppel (55) ist seit 2006 Verleger und Chefredaktor der Weltwoche. 2001 konzipierte er die Zeitung als Chefredaktor neu. Die Weltwoche erscheint seither als Magazin und nicht mehr als Zeitung.

Roger Köppel, ist noch bekannt, wer die «Blick in die Zeit»-Texte von 1933 bis in die 1960er Jahre schrieb?

«Nein. Texte hatten nicht dechiffrierbare Kürzel oder keine Zeichnung.»

Wer schreibt die Texte heute?

«Die Weltwoche.»

Der Inhalt zum Beispiel in der Weltwoche vom 15. Oktober ist durchaus diskutabel: «Die Medien müssten sich an Thiel, Rima und Spence nicht die Schuhe abputzen, sondern sie würdigen als Helden unserer Zeit.» Warum wird bei einer solch streitbaren Rubrik kein Autor ausgewiesen?

«Ich hoffe, alle Beiträge sind Diskussionsstoff. Die Weltwoche hatte immer Rubriken, die nicht gezeichnet waren oder mit Künstlernamen versehen waren. Ein «Economist» zeichnet die meisten Artikel, vor allem die Kommentare, noch heute nicht.»

Als Einschätzung für den Leser und gemäss Richtlinie 2.3 des Journalistenkodex (Trennung von Fakten und Kommentar): Als welche journalistische Form würden Sie «Blick in die Zeit» bezeichnen?

«Die Weltwoche kennt seit alters her die Trennung von Kommentar und Bericht nicht, weil die meisten, eigentlich alle Artikel kommentierenden Charakter haben. Das ist seit der Gründung dieser Zeitung so.»

Warum wird diese journalistische Form nicht klarer gekennzeichnet?

«Als Eigentümer verantworte ich persönlich alles, was in der Weltwoche steht, gezeichnet oder ungezeichnet, kommentiert oder unkommentiert. Klarer gehts nicht.»

Noch eine allgemeine Frage: Laut einer Meldung des Kleinreport arbeitet die Weltwoche (auch) Kurzarbeit. Stimmt das und wenn ja, wie lange schon und wie lange noch?

«Diese Meldung ist falsch. Fake News. Die Weltwoche arbeitet seit vielen Monaten normal. Die Kurzarbeitsversicherung haben wir lediglich im Mai und Juni beantragt.»

6 Kommentare
  1. Pascal Turin
    Pascal Turin sagte:

    Früher war eben nicht immer alles besser. Allerdings ist die Weltwoche sowieso nur ein Nischenprodukt, das kaum je über die eigene Leserschaft hinaus Schlagzeilen macht.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Artikel ohne Namen der Journalisten publizieren ist ein no-go, aber Beispiel wie die Presse in der Schweiz immer mehr verludert. Portale, Zeitungen die Artikel ohne Nennung des Schreibers publizieren sollten von jeder Presseförderung jeder Art ausgeschlossen werden. Anonymer Quatsch muss nicht subventioniert werden!

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    • Alois Fischer
      Alois Fischer sagte:

      Und warum gestatten alle diese hochangesehenen Medienhäusern Kommentare zu Artikeln, die nicht mit wirklichen Namen sondern mit Fantasiebezeichnungen gezeichnet sind?
      Warum werden Leser-Kommentare zensuriert und der Zensor muss dafür nicht mit seinem Namen geradestehen?
      Solch hanebüchene Kodexfloskeln sind nutzlos und heuchlerisch. Sie werden immer dann hervorgeholt, wenn man ein Hühnchen unter Kollegen zu rupfen hat oder schwache Argumente gegen eine andere Meinung.
      Der Wettbewerb der Ideen und Meinungen ist mit und ohne «Kennzeichnung» oder Spaltentitel zu erkennen, zumal dann, wenn wie in den meisten Mainstreamprodukten keine andere Meinung geduldet wird.
      Seien wir froh, dass genau das in der Weltwoche noch immer hochgehalten wird, auch wenn es dem «bösen Nachbarn» nicht gefallen kann. Es heisst freie Presse und wird von freien Journalisten gemacht und von freien Menschen gelesen – und das ist sehr gut so.

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    • Laura Pitini
      Laura Pitini sagte:

      Gehe mit ihnen einig Herr Brunner. Bei der speziellen Institution «Economist» würde ich allerdings eine Ausnahme machen. Auf dieser Redaktion gibt es keine persönlichen Eitelkeiten. Die Verantwortlichkeit des Publizierten ist durch das Impressum gegeben.

      Finde den Journalistenkodex des «Economist» wegweisend. Link untenstehend im Artikel von Herrn Sinniger.

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  3. Ray Sinniger
    Ray Sinniger sagte:

    Schon ziemlich speziell, wenn Roger Köppel den einzigartigen „Economist“ als Vergleich heranzieht. Es ist richtig, dass der „Economist“ seine Artikel seit jeher nicht mit der Autorschaft zeichnet. Sowas ist äusserst exotisch heute, jedoch plausibel. Viele Artikel der hochkarätigen Redaktion werden nämlich dort auch gruppendynamisch erarbeitet. Als Credo verstehen sie sich dort auch als „Marktplatz der Ideen“. Es gibt folgedessen kaum Berührungspunkte mit der „Weltwoche“………
    Ideologische Rausschmisse, wie vor wenigen Monaten wieder bei der „New York Times“ passiert, gäbe es bei der Britischen Wochenzeitung nicht.

    Erstmals hat der „Economist“ mit Susan Jean Elisabeth „Zanny“ Minton Beddoes, einen weiblichen editor-in-chief.

    Wie der Journalistenkodex beim „Economist“ hochgehalten wird, zeigt dieser „Frequently asked questions“-Link:

    https://www.economist.com/news/2020/06/19/frequently-asked-questions

    Denke, dieser Kodex der Ethik müsste zukünftig auch Roger Köppel interessieren in der Weiterentwicklung seiner Zeitschrift.

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