Nur die halbe Wahrheit

Bundesamts-Verlautbarungen werden oft eins zu eins übernommen. Infosperber beleuchtet ein Beispiel.

«E-Bikes verursachen mehr Unfälle». «Mehr Tote durch Elektrovelos». «Starker Anstieg der E-Bike-Unfälle». So und ähnlich tönte es vor einigen Wochen in den Medien. Fast unisono wurde das Astra (Bundesamt für Verkehr) zitiert, das diese Meldung verschickte. Aus Zeitmangel oder fehlendem Fachwissen machte sich fast niemand die Mühe, die durchaus kernige Aussage zu hinterfragen. So blieb dem Leser, dass E-Bikefahren gefährlich ist und viele, oft ältere Velofahrer ihr elektrifiziertes Zweirad einfach nicht beherrschen.

Wie stiegen die Verkaufszahlen?

Doch stimmt diese Folgerung wirklich? Mehr Unfälle, das ist statistisch bewiesen. Aber wie steht’s mit dem Zusammenhang zur Anzahl Elektrovelos? Hat sich die Anzahl der verkauften E-Bikes nicht verdoppelt in den letzten Jahren? Das hätte doch einen Einfluss auf das Verhältnis Velos/ Unfälle.

Nun sorgt ein Beitrag auf infosperber.ch für Klarheit. Felix Schindler (ehemals Tages-Anzeiger, 48-jährig) schreibt dort: «E-Bikes: Unfallstatistiken sagen bloss die halbe Wahrheit». Er kommt zum Schluss: In der Statistik fehlen mehrere Informationen, die wichtig wären, um diese Zahlen besser einordnen zu können. Er hat sich die Mühe gemacht, die Verkaufszahlen zu vergleichen. Sein Ergebnis: Nicht nur die Zahl der Unfälle mit Elektrovelos hat zugenommen, sondern auch die Zahl der Elektrovelo-Fahrenden. (…) 2016 gab es in der Schweiz ungefähr 330’000 E-Bikes, heute sind es rund 750’000. Vergleicht man also die Entwicklung des E-Bike-Bestandes und jene der Unfälle mit schwerverletzten E-Bike-Fahrenden, sieht man eine nahezu perfekte Korrelation.

Astra verliert kein Wort darüber

Das Fazit von Felix Schindler: «So tragisch jeder einzelne dieser vielen Unfälle ist: Es ist mindestens wahrscheinlich, dass die Zunahme in allererster Linie damit zu tun hat, dass immer mehr Menschen E-Bikes fahren. Das Astra verliert über diesen Zusammenhang kein einziges Wort.» Er räumt ein, dass «das Astra diese Zusammenhänge nicht kommunizieren muss, und es gäbe auch wenig Gründe, sich lange damit aufzuhalten – wenn das Astra nicht eben doch kommentiert». Die Medienmitteilung leiste Spekulationen Vorschub und mache gleichzeitig Werbung für eine umstrittene Helmpflicht.

Und das Fazit für Journalisten? Kritisches Hinterfragen von Medienmitteilungen macht durchaus Sinn, auch wenn manchmal die knackige Story relativiert wird.

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