Die «Schweizer Journalisten»-Macher

Was zählt, ist das richtige Milieu

Zweimal Weihnachten für die Kulturjournalistin Anne-Sophie Scholl: «Schön: Ich darf wieder Namen vorschlagen für die Wahl der Schweizer JournalistInnen des Jahres. Natürlich sehe ich meine Aufgabe darin, tolle Frauen ins Spiel zu bringen!», tweetete die Dame vergnügt, «Das mache ich sehr gerne, danke @CR_Sieber.»

Scholl zählt (wie letztes Jahr) zur Jury des «Schweizer Journalisten». Sie und ein paar andere schlagen die besten Journalistinnen und Journalisten des Jahres vor. Die Liste geht dann an die Schweizer Redaktionen, und jeder Angestellte darf ein Häkchen für seinen Favoriten machen. Wir sind halt so, wir Journalisten. Es gibt keine Kioskfrau des Jahres, dafür Politikjournalist des Jahres, Reporter des Jahres usw.

Normalerweise kommen die Journalisten in die Kränze, die in grossen Redaktionen arbeiten, viele Freunde und wenig Feinde haben. Manchmal bringt dieser Jahrmarkt der Eitelkeiten auch seltsame Blüten hervor. Zum Beispiel letztes Jahr. Als beste Journalistin wurde die Moderatorin Nicoletta Cimmino gewählt. Zur Einordnung: Das wäre etwa so, wie wenn eine TV-Ansagerin einen Oscar gewinnen würde.

Kein Jaulen vernehmbar

Nicoletta Cimmino war die erste Überraschung von David Sieber. Der Chefredaktor des «Schweizer Journalisten» ist ein armer Hund. Seine wahre Leidenschaft gilt dem Fussball (FCB). Seit Corona darf er nicht mehr so viel schreiben. Er muss den Inhalt mit seinen Chefredaktor-Kollegen aus Deutschland und Österreich teilen. Jammern hört man Sieber nicht. Die wenigen Seiten, die ihm verblieben, füllt er pflichtbewusst mit Petitessen: Journalist X hat vor einem Monat eine neue Stelle angetreten, Mediensprecherin Y hat vor drei Wochen ebenfalls einen neuen Job angetreten.

Was Sieber an Feuerwerk noch bleibt, ist der «Journalist des Jahres». Im Unterschied zu früher hat er die geballte Fachkompetenz der Jury allerdings massiv reduziert. Früher zählten zur Jury fast nur Chefredaktoren, bzw. Personen aus der Führungsetage. Menschen halt, die nicht nur fünf Nasen beim Vornamen kennen. Sieber hat Jurymitglieder auserkoren, die in ihren Vorschlägen zu offensichtlich eine Präferenz durchschimmern lassen; ähnlich wie Frau Scholl, die schon lange nicht mehr den Redaktionsalltag von innen kennt.

Und, die neuen Jury-Mitglieder von Siebers Gnaden zählen sicher nicht zum harten rechten Block:

Kaspar Surber (WoZ), Andrea Fopp (Bajour), Simon Jacoby (tsüri), Bruno Bötschi (Bluewin) – und Nicoletta Cimmino (SRF).

Angetreten ist Sieber mit einer Ansage: «Was mich immer gestört hat (bei der Wahl), ist, dass aufgrund des Wahlverfahrens jene im Vorteil sind, die entweder einer grossen Redaktion angehören oder in Zürich arbeiten oder beides.» Zumindest das hat er geändert. Jetzt sind halt die im Vorteil, die vielleicht nicht so gut schreiben, aber im richtigen Milieu angesiedelt sind. Was Sieber aber vermutlich unterschätzt: Sein Hang zum links-alternativen Milieu führt sein Blatt in die Irrelevanz. 95 Prozent der wichtigen Köpfe im geschriebenen Journalismus arbeiten nun mal bei TX Group, CH Media, Ringier und NZZ.

3 Kommentare
  1. Valentin Vieli
    Valentin Vieli sagte:

    Die Jurys bei der Oscar Verleihung, beim Zürcher Filmfestival, ja sogar beim Sportler des Jahres ist erlesen (Die Endwahl bestimmt hier das Publikum). Journalist des Jahres ist doch immerhin auch eine Auszeichnung, die man sich mit seriöser und erfolgreicher Arbeit verdienen sollte. Natürlich sind Mitarbeitende bei Grossverlagen bevorteilt, ganz einfach darum, weil man von ihnen auch mehr liest. Aber Quantität ist nicht Qualität.

    Und genau darum erwarte ich als Leser eine wirkliche Fachjury. Da gehört die völlig unbekannte Andrea Fopp, die momentan noch vom mit Millionen unterstützen Projekt Bajour profitiert, so wenig dazu wie ein Simon Jacoby vom Crowdfunding-Portal Tsüri, das kaum eine Leserschaft hat.

    Und Nicoletta Cimmino ist ein Schawinski Kind, die jetzt beim Echo der Zeit ihren «Wohnsitz» hat. Wer diese der grossen Öffentlichkeit völlig unbekannte Frau im letzten Jahr zur Journalistin des Jahres gewählt hat, pochte wohl auf die Quotenfrauen. An der Qualität kann es nicht gelegen haben. Sie jetzt auch in dieser Jury zu finden ist ein Gnadenbrot an SRF.

    Bluewin Bötschi stellt regelmässig Schweizer Persönlichkeiten viele Fragen – manchmal tiefsinnig, sehr oft respektlos, selten wirklich lustig .

    Wenn man Linke in der Jury haben will, dann kann man einen WOZ Mitarbeiter ja dulden. Grundsätzlich halte ich es aber wie im Sport bei der Wahl «Trainer des Jahres»: Den bestimmen die aktiven Trainer selber.

    Beni Frenkel sagt es einmal mehr richtig: Auch David Sieber als Chefredaktor des «Schweizer Journalisten» ist eine Fehlbesetzung, wenn es um die Zusammenstellung der Jury geht. Gefragt sind nur Chefredaktoren, bzw. Personen aus der Führungsetage. Menschen halt, die nicht nur fünf Nasen beim Vornamen kennen. Ich denke da an Köppel, Somm, Rutishauser, Gut, Gysling, Gujer, Hässig, Zeyer oder auch die aufstrebende Tamara Wernli.

    Immerhin kam noch keiner auf die Idee, Reda El Arbi für irgend einen Preis vozuschlagen. So benebelte Protégées gab es offensichtlich noch nicht. Und auch die Namen Stöhlker, Voigt, Looser, Dorer oder Murmann hatte glücklicherweise niemand auf derm Radar!

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