Kurt W. Zimmermann: «Zackbum ist zu destruktiv»

Kurt W. Zimmermann nervt sich an der Hysterie

In den Fluren der Schweizer Verlage läuft der Sensemann. Jetzt geht es nicht mehr um Stellenstreichungen. Die Schweizer Illustrierte wird zersägt, CNN Money Switzerland ist gekillt und sogar der frühere Golden Boy «20 Minuten» soll auf das Schafott gelegt werden. Herr, im Himmel, womit haben wir das verdient? Die Frage geht an Kurt W. Zimmermann.

Zackbum: Herr Zimmermann: froh, nicht mehr 25 zu sein?

Kurt W. Zimmermann: Nein. Ich wäre gerne wieder 25. Es war exakt das Alter, als ich erstmals einen Vertrag als fest besoldeter Redaktor bekommen habe, bei der «Weltwoche» unter Hans. O. Staub. Journalismus hat wie damals auch heute eine hübsche Zukunft.

Was erleben wir momentan in der Medienszene?

Viel Hysterie und viel Apokalypse. Das ist überspannt. Von unseren vier grossen Verlagen TX Group, Ringier, CH Media und NZZ hat im ersten Halbjahr 2020 kein einziger einen operativen Verlust gemacht. Nein, sie haben in dieser Zeit zusammen über 70 Millionen an operativem Gewinn eingefahren. Ende Jahr wird es vermutlich das Doppelte sein. 140 Millionen Jahresgewinn mitten in der Corona-Krise – das hätte ich denen nicht zugetraut. Unsere Branche ist ganz gut in Form.

Ist das jetzt nicht etwas gar rosig dargestellt?

Die Zahlen zählen, und die sind besser als erwartet. Aber ich verstehe, warum derzeit alle lieber am Schwarzmalen sind. Von linken Online-Portalen wie der Republik bis zu bürgerlichen Verlagen wie CH Media sind nun alle scharf auf die lockenden Subventionen des Bundes. Wenn Du an die Staatskohle heranwillst, musst Du heulen und zähneklappern. Sonst wird das nichts mit der staatlichen Errettung aus dem Elend.

Welche Weichen hätten denn die Verlage vor der Jahrtausendwende stellen müssen?

Hinterher ist jeder schlau. Aber unsere Zeitungsverlage hätten schneller erkennen müssen, dass ihre früheren Goldgruben der Kleinanzeigen ins Internet abwandern. Hätten sie damals mehr in diese neuen, digitalen Handelsformen investiert, vielleicht auch international, dann stünden sie heute noch besser da. Leider realisierten sie das erst mit zehn Jahren Verspätung.

Was nervt Sie mehr: das Jammern der Medienleute oder all die neuen Geschäftsideen?

Jammern ist in unserem Gewerbe eine folkloristische Tradition. Als ich ums Jahr 2000 bei Tamedia war, haben auch alle gejammert, obwohl wir damals mit dem Geld, von den Redaktionen bis zu den Spesen, nur so um uns geworfen haben. Und neue Geschäftsideen gibt es in unserer Branche praktisch keine. Wir haben ja nur eine einzige Geschäftsidee. Wir kommen zu Geld, indem wir brauchbare Informationen an ein Publikum liefern. Alles andere sind Variationen davon.

Welche Medientitel wird es auch in 20 Jahren geben?

Vermutlich gibt es dieselben Angebote, die es vor 20 Jahren schon gab. Das sind die traditionellen Tageszeitungen und Gratisblätter, die bewährten Zeitschriften und die etablierten TV- und Radiokanäle. Wahrscheinlich erscheinen manche Titel nicht mehr gedruckt sondern nur noch online. Aber bei den grandiosen Endgeräten, die wir im Jahr 2040 nutzen werden, wird das kein grosser Unterschied mehr sein.

Und welche nicht?

Wie immer wird Kokolores verschwinden. Es sind ja seit Jahrzehnten, ausser bei Fusionen, kaum je gut eingeführten Medienmarken aus dem Markt verschwunden. Ausnahme ist die sozialdemokratische Presse, die von ihrer Partei ruiniert wurde. Verschwunden sind immer nur diese Eintagsfliegen, die auf einen scheinbaren Trend oder Zeitgeist aufspringen wollten. Ein gutes Beispiel ist etwa das nun eingestellte SI Style, das ein paar Jahre auf der Lifestyle-Welle surfen wollte, bis die Welle versandete. Oder nehmen Sie die Totgeburt CNN Money. Die Besitzer waren zwei Brüder aus der Baubranche in Bangladesch, die von der Polizei gesucht werden und die das Finanz-Fernsehen in der Schweiz erfinden wollten. Dass solch kurzsichtige Setups mittelfristig schief gehen, ist auch in Zukunft die Regel in unserem Geschäft.

Und was machen wir von Zackbum falsch?

Ich glaube, Zackbum ist zu destruktiv. Wenn ich Euch lese, dann besteht die überwiegende Mehrheit in den Medienhäusern aus Deppen, Nieten, Gaunern und Versagern. Ein solcher Ansatz ist kaum marktfähig. Ich würde diese Strategie überdenken. Denn schreiben, keine Frage, das könnt Ihr.

 

5 Kommentare
  1. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    «Wenn ich Euch lese, dann besteht die überwiegende Mehrheit in den Medienhäusern aus Deppen, Nieten, Gaunern und Versagern.»

    Wenn ich als Medienkonsument und Branchen-Outsider Zackbum lese, dann finde ich z.B. Antworten und Erklärungen für Eigenheiten und Entwicklungen, welche ich bisher entweder nicht verstanden-, oder mit Besorgnis verfolgt habe. Und einige Recherchestücke, welche Herr Zeyer hier ablieferte, hätte ich eigentlich in einer sog. «Qualitätszeitung» erwartet. Dort fand ich diesbezüglich aber – nichts. Oder dann bloss eine Schwachstromvariante.

    Jede Branche hat ihren Anteil an durchschnittlich Begabten, an engagierten, motivierten Talenten, und eben auch an «Deppen, Nieten, Gaunern und Versagern». Die Gaußsche Verteilungskurve diesbezüglich erscheint im Vergleich mit anderen Branchen hier tatsächlich auffälliger. Aber offenbar lässt die (Führungs)-Kultur in der Medienwelt dies zu.

    Wenn schon, dann ist genau dies ein Ansatz der «kaum marktfähig» ist, Herr Zimmermann!

    Es stimmt zwar: So lange wir noch Geld ausgeben und Zeit investieren für Medien und dessen Konsum, so lange scheint die Balance noch zu stimmen. Aber der Trend, der ist ja überdeutlich. Nichts wäre in einer solchen Situation falscher als Realitätsverdrängung und Schönrederei. Und mit Rücksichtnahme auf persönliche Empfindlichkeiten ist schlussendlich erst recht niemandem gedient. Ich bin überzeugt: Zackbum, so wie es jetzt ist, löst Veränderungen aus.

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  2. Andreas Willy Rothenbühler
    Andreas Willy Rothenbühler sagte:

    Lieber Herr Zimmermann,
    seit 2008 wird in Internetforen über die Bilanz Manipulationen bei Wircard geschrieben.
    Haben Sie jemals auch nur ein Wort darüber in der schweizerischen Medien Landschaft gelesen.
    Sie brauchen die Wörter: Deppen,Nieten und Versagern.
    Ich bevorzuge das Wort: KASTRATEN
    Ich lernte in meinen 71 Jahren,eine ganze Menge von ihnen persönlich kennen.

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  3. Alois Fischer
    Alois Fischer sagte:

    Wo er recht hat, hat er eben recht. Etwas mehr Durchmischung bei der Tonalität, den Protagonisten, mit Lebenslust oder-frust dürfte schon sein.
    Das ist man einem möglichst breiten Publikum schuldig und dabei wird in den überlebenden und den neuen Medien mehr geschnitzert, als man als Produzent selber denken mag.
    Nein, nicht jedem … recht getan …! Aber witziger statt bloss zynisch und ironisch, verständnisvoller statt rechthaberisch und vielleicht auch manchmal etwas mehr Lob für die bösen Kinder.
    Und sicher nicht auf Kritik oder gar Schelte verzichten, wo es nötig ist. Danke und auf Wiederlesen.

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