Büttel Hollenstein bricht Sperrfrist

Ein «Leiter Publizistik» als Sprachrohr für eine verfolgende Unschuld.

Der Fall Jolanda Spiess-Hegglin ist im wahrsten Sinne des Wortes altbekannt. Aus einem Techtelmechtel in Zug entwickelte sich eine Story ohne Ende.

Immer wieder nahm der «Leiter Publizistik» von CH Media in Kommentaren Partei für Spiess-Hegglin, die sich vor allem durch die Ringier-Medien und durch die «Weltwoche» in ihrer Privatsphäre verletzt sieht.

Neben anderen Folgewirkungen führte das zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit verschiedenen Medienorganen, unter anderem der «Blick». In erster Instanz wurde in Zug festgehalten, dass die Boulevardzeitung mit der Frage, ob Spiess-Hegglin während einer feuchtfröhlichen Feier geschändet worden sei, in schwerwiegender Weise in deren Intimsphäre eingegriffen habe.

Urteil mit Sperrfrist

Beide Seiten zogen das Urteil ans Obergericht weiter. Das fällte letzte Woche sein Urteil. Die Urteilsverkündung wurde den Parteien mitgeteilt, aber mit einer Sperrfrist bis Montagmorgen, 9.00 Uhr belegt.

Das sollte dazu dienen, dass beide Beteiligten und natürlich auch die Medien sozusagen gleichlange Spiesse bei der Berichterstattung und Interpretation des Urteils haben, das ab diesem Zeitpunkt öffentlich vorliegt.

Aber wenn man schon Büttel in Sachen Spiess-Hegglin ist, und als «publizistischer Leiter» auch keine Reputation mehr zu verlieren hat, kümmert man sich um solche Anordnungen natürlich einen feuchten Kehricht.

Denn nur so konnte Pascal Hollenstein bereits am Sonntag trompeten: «Jolanda Spiess-Hegglin gewinnt gegen den «Blick»».

Wie tief kann man als publizistisches Vorbild sinken?

Abgesehen davon, dass das so nicht stimmt: Wie tief kann ein angebliches publizistisches Aushängeschild eines grossen Schweizer Medienkonzerns eigentlich sinken? Solche Sperrfristen, das weiss im anständigen Journalismus jeder, sind zu respektieren. Natürlich fände es jeder toll, wenn er sie bricht und daher eine News als Erster hätte. Aber das tut man nicht.

Ausser, man heisst Pascal Hollenstein. Dann stellt man einen Jubelartikel zuerst ins Netz, zitiert auch bereits Spiess-Hegglin, die natürlich ihrem Pressesprecher gegenüber sofort ein Statement abgibt, und dann zerrt man den Artikel wieder aus dem Netz heraus. Offenbar gibt es bei CH Media doch noch Instanzen, die wissen, was journalistische Benimmregeln sind.

Angekündigt, dann gelöscht – aber nicht überall

Allerdings: Wenn man so ungeschickt-triumphal wie Hollenstein ist, dann vergisst man natürlich, den Artikel auch aus der Mediendatenbank SMD zu löschen.

Man fragt sich schon, wie lange dieser Herr in dieser Funktion noch tragbar ist. Sein Verleger Peter Wanner füllte gerade am Samstag eine ganze Seite mit einem Kommentar, in dem er die wichtige Funktion seiner Qualitätsmedien als Service public betonte.

Was dieses Verhalten seines publizistischen Leiters mit Qualität oder Service public zu tun hat, ist schleierhaft. Wir werden hier selbstverständlich auf das Urteil des Zuger Obergerichts und die Hintergründe dazu eingehen. Morgen ab 9 Uhr, wie das der Anstand gebietet.

3 Kommentare
  1. Vergissmeinnicht
    Vergissmeinnicht sagte:

    Offener Brief
    https://www.azmedien.ch/peter-wanner

    Sehr geehrter Herr Wanner

    Wie aus den Medien zu entnehmen ist gibt es bei den CH Media zahlreiche Baustellen die zu beheben sind. So beispielsweise steht die Absetzung / Entlassung des offenbar befangenen, publizistischen Leiter an. Sein Fehlverhalten ist in keiner Weise legitim und somit nicht tolerierbar. Die erforderliche Glaubwürdigkeit ist längst verspielt.

    Als Leser*in erwartet man von Journalisten*in, dass sie nicht einseitig und insbesondere wahrheitsgetreu berichten. Es gibt in Luzern sowie auch im Aargau zahlreiche Angestellte von Ihnen, die zum Beispiel über die Befangenheit der Justiz im Kanton Zug berichten möchten. So wurden sage und schreibe über 30 Strafanträge (!) gegen eine Person eingestellt. Auf Geheiss von Herr Hollenstein dürfen sie jedoch die Öffentlichkeit nicht über die Rechtswidrigkeit informieren.

    Gerne würden wir von den CH Media erfahren, in welcher Betragshöhe die Gewinne bezüglich der Berichterstattung zur Causa JSH erzielt wurden?

    Im Bezug der Subventionen sind den vom SR zugestimmten 40 Millionen zu hoch angesetzt. Wir plädieren an den NR die Vorlage abzulehnen, sowie auch den Betrag zu halbieren.

    Wir bitten Sie um Kenntnisnahme.

    Freundliche Grüsse

    Petra Hartmann

    Expertin präventiver Opferschutz

    Präsidentin Verein Vergissmeinnicht

    http://www.vergiss-meinnicht.org

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  2. Steffi R.
    Steffi R. sagte:

    Oh man möchte doch so manchen Leser*innen einen Einblick gönnen in den Alltag auf CH-Media-Redaktionen mit dem selbst verliehenen Qualitätsgütesiegel. Es wäre eine Realsatire.

    Antworten
  3. Alois Fischer
    Alois Fischer sagte:

    Zitat «Sein Verleger Peter Wanner füllte gerade am Samstag eine ganze Seite mit einem Kommentar, in dem er die wichtige Funktion seiner Qualitätsmedien als Service public betonte.»
    Da stelle ich doch immer und immer wieder bei allen CH-Media-Medien fest: Sobald du die Journalisten, Autoren, Redaktoren oder gar Chefredaktoren kritisierst und deren Qualitsjournalismus-Bewusstsein zur Diskussion stellst heisst es: «Dieser Beitrag wurde entfernt».
    Heute würde man besser schreiben» «canceld»!
    Diese Kultur greift um sich und wird zur Landplage, aber warum geht man mit Peter Wanner nicht gleich um, wie mit den dummen Leserinnen und Leser?
    Diskussion oder Infrage stellen wird vielverlangt – doch nie erreicht. Da fehlt es einfach am Selbstbewusstsein oder am offenen Denken und liberal handeln: Es wird zensiert und gelogen und getrickst, aber da passiert nichts. Wo bleibt da der Verleger? Hat der meinen Kommentar einfach nur irgendwo und irgendwie «verlegt»?
    Führen ist eine Kunst und meist keine angenehme – aber eine anerkannte und äusserst nützliche, lieber Herr Wanner.

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