Die Sparmassnahme auf Papier

Vor einer Woche fehlte die «Schweiz am Wochenende» in der Blattkritik. Jetzt folgt sie.

19,7 Gramm. So viel bringt die «Schweiz am Wochenende» auf die Küchenwaage. Nimmt man den Werbeflyer raus, verringert sich das auf 17,7 Gramm. 56 Seiten umfasst die Wochenend-Ausgabe, die den «Sonntag» abgelöst hat. Online ist das Meiste hinter einer Bezahlschranke.

Mit der «Schweiz am Sonntag» wollte das Wanner-Imperium dem alteingesessenen Trio «SonntagsZeitung», «NZZamSonntag» und «SonntagsBlick» das Fürchten lehren. Was auch längere Zeit gelang; nicht zuletzt deswegen, weil der Wirtschaftsredaktor Arthur Rutishauser ausgezeichnete Quellen in der Swissair und dann der Swiss hatte. Und weil Chefredaktor Patrik Müller einen flotten Kurs fuhr.

Das Gemächt von Baden

Wohl ein Höhepunkt war die Affäre um den Badener Namensvetter vom Chefredaktor, dem es gefiel, Selfies seines Gemächts aus den Amtsräumen des Stadtammanns seiner Freundin zu schicken. Daraus entwickelte sich ein ziemliches Schlamassel, aus dem niemand unbeschädigt herauskam.

Nicht nur die direkt Beteiligten bekamen etwas ab; auch der PR-Mensch Sacha Wigdorovitz machte seinem Namen als Katastrophen-Sacha alle Ehre, allerdings in eigener Sache. 2017 war dann Ende Sonntagszeitung.

Arthur Rutishauser ist schon längst als Oberchefredaktor zu Tamedia abgeschwirrt, und obwohl der Verlag tönt, dass mit der «Schweiz Am Wochenende» der Sonntag halt schon etwas früher anfange, handelt es sich um eine Sparmassnahme. Denn so ersetzt die ehemalige Sonntagszeitung alle Samstag-Kopfblätter im Hause, und das sind seit dem Joint Venture mit der NZZ immerhin zwei Dutzend.

Saubere Aufteilung in drei Bünde

Mit Fr. 3.90 ist die SaW immerhin mit Abstand die günstigste Wochenendzeitung, der Leser kann also auch sparen. Was bekommt er dafür geboten? Wir haben die Ausgabe vom 8. August gewogen – und für leicht befunden.

Die SaW ist relativ sauber in drei Bünde aufgeteilt. Der erste Bund ist der Mantelteil, hier werden Inland, Ausland, Wirtschaft, der Geldonkel und die Kommentare abgefeiert. Je nachdem können im Inland auch lokale Themen von überregionaler Bedeutung reingehebelt werden, was ganz schön Koordinationsaufwand erfordert.

Sozusagen gesetzt war an diesem Wochenende das Thema «Schulstart». Hier kommt die SaW nicht über eine Pflichtübung hinaus. Riesiges Aufmacherfoto auf Seite eins, dann eine Doppelseite mit einem weiteren Bildanteil von mindestens ein Viertel. Lauftext, Interview mit dem Fachmann, der Blick ins Ausland. Dann beteiligt sich die SaW am obligatorischen Ratespiel, welche neuen Akzente wohl der SVP-Präsident aus dem Tessin setzen könnte, sollte er gewählt werden.

Wir überblättern das Ausland – und die Wirtschaft

Wir gönnen uns einen kräftigen Schluck doppelten Ristretto und überblättern das Ausland (Weissrussland, Kommentar zu Beirut und der abgängige Ex-König von Spanien). Dann auf einer Doppelseite ein Beitrag zum Thema «Journalisten interviewen Journalisten». Sprung über den Röstigraben, hat das der Blattmacher sicher genannt; also wird der Deutschschweizer Leser mit den Ansichten eines TV-Nachrichtensprechers aus der Welschschweiz in den Schlaf gewiegt. Anlass ist die welterschütternde News, dass er zu einem französischen Privatsender wechselt.

Auch die Wirtschaft leidet sichtbar unter der Hitze, Corona und Impfstoff, Glaceketten, bei der SBB regnet es in die Züge, na ja. Auf der Kommentarseite zeigt der Chefredaktor des St. Galler «Tagblatt», dass er mühelos in der Lage ist, so inhaltsleer, dabei aber so arrogant vor sich hin zu blubbern wie der publizistische Leiter Pascal Hollenstein.

Wespen und Verschweizerung

Nach mageren drei Seiten Sport beginnt im zweiten Bund der Teil «Regionen». Hier wird schön nach Kantonen verteilt abgefüllt, was da so anfiel. Wie schlimm es um die Nachrichtenlage steht, merkt man deutlich am Titel einer mit grossen Bildanteil auf mehr als eine Seite aufgeblasenen Story: «Wespen beschäftigen die Aargauer Feuerwehren». Auch einem als «Essay» angepriesenen Text «Basel verschweizert» wäre eigentlich nach einer Seite der Schnauf ausgegangen (und das wäre gut so gewesen). Aber mit einem über die Doppelseite gezogenen, riesigen roten Balken, sauber im Falz platziert das Kreuz, wird auch hier eine Doppelseite rausgeschunden.

Ein wunderbares Bildthema ist dann auch «Der Coronaleere auf der Spur». Eine Bilderreise zu, genau, leeren Orten und Plätzen. Wahnsinn, die Doppelseite zum Meditieren, ruhen und oooohm sagen.

Schliesslich noch sozusagen das Spielbein, der letzte Bund. Man merkt, dass es hier darum geht: Muss weg, erreicht sonst das Verfallsdatum. Also überrascht uns die SaW hier mit einem Dreiseiter über den US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. Mann und Werk, ein fabelhafter Ausflug ins SMD, in Google und in ein paar Archive von US-Medien. Leicht geschüttelt und eiskalt serviert.

Wird das Wochenende länger?

Auch wenn die Salzburger Festspiele dieses Jahr nur ein reduziertes Programm anbieten; wenn man schon den Kulturredaktor ins Ausland lässt, Eintritte und Hotelaufenthalt zahlt, dann ist es klar, dass auch daraus mindestens eine Riesenstory werden muss. Und sonst, fällt etwas auf, bleibt etwas hängen? Ehrlich gesagt: nein. Selbst die Reise-Seite mit Tipps für schöne Schweizer Wasserlandschaften, nun ja. Immerhin: Es sieht so aus, als wären hier die eigenen Kräfte bemüht worden, ohne Sponsoring.

Wird also mit der «Schweiz am Wochenende» der Sonntag wirklich länger, beginnt er schon am Samstag, ersetzt sie den Inhalt der Samstagsausgaben, plus Mehrwert für den Sonntag? Sagen wir mal so: Nicht unbedingt. Das Wochenende kommt einem einfach länger vor, wenn man sich langweilt. Auf der anderen Seite hat man auch dieses Blatt relativ schnell durchgeblättert. Ohne dass man durch herausragende Artikel dabei behindert würde.

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