Werbung: Nur für starke Nerven

Dramatische Einbrüche im Print-Bereich.

Wer auf die Entwicklung der Zahlen im Bereich Werbung schaut, braucht starke Nerven. In den vergangenen Jahren ist der klassische Werbemarkt, also alles, was gedruckt wird, in Zeitungen, Zeitschriften, auf Plakate und im Direct Mailing, deutlich geschrumpft.

Jahr für Jahr um rund 200 Millionen Franken, alleine zwischen 2017 bis 2019 von 2,2 Milliarden auf 1,85 Milliarden. Spiegelverkehrt verzeichnet der Online-Anteil jedes Jahr einen kräftigen Zuwachs. Er hat schon längst den Print-Werbemarkt eingeholt und überholt; 2019 wurden hier rund 2,3 Milliarden umgesetzt.

Wegen Corona geht’s steil nach unten

Das war vor Corona. In den Monaten des Lockdowns verzeichnete der Printmarkt Rückgänge von bis zu 40 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr. Das ist nicht mehr dramatisch, das ist existenzbedrohend. Schon 2019 musste die Presse im Vergleich zu 2018 einen Rückgang von 10 Prozent verkraften. Besonders dramatisch wurde die Publikums-, Finanz- und Wirtschaftspresse getroffen: minus 17 Prozent.

Recht stabil blieb hingegen online. Allerdings nur, wenn man den Anteil berücksichtigt, der nicht von Google und Facebook abgeräumt wurde. Alleine im Bereich Search explodierte der Umsatz von 2,3 auf 2,65 Milliarden Franken. Nur schon diese Steigerung um 366 Millionen ist mehr als alle sonstigen Schweizer Online-Einnahmen; die belaufen sich auf lediglich 234 Millionen im Jahr 2019.

Print-Werbung schenkt beim Medium ein

Print-Werbung hat für den Anbieter einen unschlagbaren Vorteil. Wer auf Papier inserieren will, tut das direkt (oder über einen Mediaplaner) bei dem oder den Organen, wo er’s für sinnvoll erachtet. Wer also im Tages-Anzeiger inseriert, braucht dafür die Print-Ausgabe, zu online kommen wir noch.

Das wiederum bedeutet, dass sich hier der Mittelsmann, also die heutzutage meistens ausgelagerte Akquise, nur einen kleineren Prozentsatz als Kommission abschneiden kann. Ganz anders zum Beispiel bei Google Ads. Wer via Google werben will, also indem Google die Werbung auf Webseiten spült, der nimmt in Kauf, dass der Mittelsmann den Löwenanteil abgreift; für denjenigen, der diese Ads zeigt, bleiben nur Krümel vom Kuchen.

Noch genialer ist das Angebot von Google, wenn man in der Suchmaschine selbst inserieren will. Während im Print der Preis fix ist, gilt hier pay per click oder pay per view. Das heisst, der Inserent kann bestimmen, was ihm ein Klick wert ist. Er setzt also eine Obergrenze und gibt zum Beispiel an, dass er zehn Rappen für jeden Klick zahlt.

Google bietet als einzige Dienstleistung dafür an, dass das Inserat dann gezeigt wird, wenn seine Keywords gesucht werden. Also wer beispielsweise nach einem Schreiner in Zürich sucht, sollte dann oberhalb der Trefferliste die Werbung eines Zürcher Schreiners sehen. Zudem stellt Google gratis ein Analyse-Tool zur Verfügung, mit der man die eigene Webseite durchleuchten kann.

Im Internet ist nichts gratis

Natürlich ist es nicht wirklich gratis, denn die so analysierten Daten füttern die grosse Krake Google mit weiteren Informationen. Die Schweizer Medien sind nun in einen perfekten Sturm geraten. Printinserate seit Jahren im Rückwärtsgang, nun noch durch Corona im Galopp nach unten.

Online floriert zwar, aber da sahnen internationale Platzhirsche ab und lassen für Schweizer Medienhäuser nur noch Brosamen übrig. Was ist den grossen Verlagen in der Schweiz bislang als Gegenwehr eingefallen? Die Kurzfassung: nichts.

Etwas ausführlicher: sparen, bis es quietscht. Zentralredaktionen aufbauen. Kooperationen mit deutschen Medien eingehen. Das Angebot eindampfen. Journalisten entlassen. Die Schlagzahl erhöhen, wie schnell und wie viele Storys der überlebende Journi online stellen muss. Jede Form von Schleichwerbung zulassen, die als Native Ad, sponsored content, «in Zusammenarbeit mit» und allen denkbaren Floskeln versehen.

Der Patient ist komatös

Kompetenz wegwerfen, Praktikanten und Kindersoldaten einstellen, die Kopfblätter mit Agenturmeldungen und Einheitsbrei abfüllen. Das Korrespondentennetz ausdünnen. Eigenleistungen und Recherchen aufs Minimum beschränken. Sich am Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen beteiligen. Skype und Google als verbleibende Recherchetools verwenden.

Mit anderen Worten: einen komatösen Kranken als gesunden Springinsfeld verkaufen wollen. Dabei den zahlenden Konsumenten schamlos für dumm verkaufen; er bekomme von der Schrumpfredaktion in dem Schrumpfumfang qualitativ hochstehenden Journalismus. Das ist etwa so, wie wenn drei Männer um einen VW rumstehen, brum, brum sagen und behaupten, das sei jetzt ein Bugatti.

4 Kommentare
  1. Schamane
    Schamane sagte:

    Mir kommen die Tränen.
    Wir leben doch innzwischen in der globalisierten deregulierten Welt.
    Die Medien die jetzt unter Druck geraten, waren doch die grossen Wegbereiter für
    diese Entwicklung Global und im Europäischen Rahmen und sind es verbissen bis heute.
    Skeptiker wurden pauschal als Hinterwäldler‚ ewig gestrige und weiss noch was
    in Grund und Boden verteufelt und diffamiert.
    Das und weitere Sprüche kennen doch alle, sich dem Europäischen und Globalen Wettbewerb
    stellen, Märkte erobern Chancen nutzen, wer nicht mitmacht geht unter.
    Die grossen Netzkonzerne sind nun einmal die Gewinner der Globalen Kommunikation, Information,
    des Werbemarktes.
    Die breite Masse soll sich der sog. Europäisierung und Globalisierung stellen, mit allem
    auch den Nachteilen die sich daraus ergeben.
    Die Verleger und Redaktionen möchten sich nachvollziehbar, dem entziehen für sich möchten die
    ihr „Gärtli» erhalten. Der Konsument der Leser soll für Abos bezahlen, heimisches Schaffen
    unterstützen, dafür auch noch alles Mögliche und Unmögliche an Anwürfen schlucken.
    Kritische Medien keine Frage ja, dem Leser und Konsumenten auch kritisches unter die Nase
    reiben, sicher auch das soll und muss sein.
    Doch Tag für Tag oder Woche für Woche eine Ladung Mist, mit Hinterwäldler ewig Gestrigen
    und all der weiteren Ergüsse an den Kopf, und dafür auch noch Abo bezahlen?
    Was glauben den die?🤦‍♂️😜🤣🤣🤣

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    • Karli Marxli
      Karli Marxli sagte:

      In einer idealen Welt würde der Konsument nur für das bezahlen, was ihm sein Geld wert ist (Kosten/Nutzen). Bei den Medien – insbesondere bei den grossen – gibt es diesen simplen Mechanismus nicht, sondern Zwangsgebühren oder Subventionen bzw. Steuergelder garantieren die Finanzierung. Was natürlich zu fehlender Distanz zu Staat/Regierung führt.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Bestes Beispiel für einen «komatösen Kranken» ist der TA bei dem gegenwärtig eine antiautoritäres Experiment stattfindet. Jeder darf schreiben und machen was er will, Kompetenz nicht zwingend. Themenwahl frei, die neue Chefredaktion hat sich ein Sabbatical, Koma, verordnet. Anspruchsvolle Artikel entstehen in einem Team zu Zweit, oder wenn sehr anspruchsvoll zu Dritt da die Kompetenzen der einzelnen SchreiberInnen nicht genügt! Wenn nötig werden Artikel unbesehen copy-paste von der SZ übernommen, auch wenn sie tendenziös sind wie der Artikel von Nadia Pantel «Frankreichs Ikone im Kampf gegen Rassismus». Dafür viel unnötiges, Meinungen zu RollkofferbenützerInnen, Hassartikel zu Italien, oder von Michele Binswanger, die schlichtweg über alles schreibt Kommentare zu SUP, BAG, Fitness, usw. Eine richtige «WonderWoman». TA hat eine riesengrosse «gebildete» Redaktion, der Output ist jedoch gering, teilweise belanglo. Warum in der Zeitung inserieren wenn eh viele die Seiten nur noch diagonal lesen!

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    • Tarzan aus Balkonien
      Tarzan aus Balkonien sagte:

      Hocken wohl alle ziemlich einsam im Home-office. Trübsal, statt kreativen Input.

      JEKAMI als Losung. Eine deprimierende Entwicklung in der Tat.

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