Praktikum: Gesucht ist der Alleskönner

Praktikanten arbeiten für einen Hungerlohn und müssen liefern wie die Profis.

«Du willst die Texte nicht nur lesen, sondern selbst schreiben?» – So einladend beginnt eine leicht versteckte Textbox im Online-Pendlerblatt «20 Minuten». Man findet sie, wenn man sich die Mühe nimmt, den Online-Text «Darum ist Basel ein Hitzeloch» ganz zu lesen und nach unten zu scrollen. Damit scheint man schon ein wichtiges Kriterium für den Job erfüllt zu haben. Beharrlichkeit und Ausdauer. Wer das Bewerbungstool anklickt, findet nun den Titel

Was dich erwartet

«Du lieferst Storyinputs, recherchierst selbstständig und verfasst Artikel für die Print- und die Onlineausgabe von ’20 Minuten›. Zudem realisierst du eigene Videobeiträge und schneidest diese auch selbst. Bei Breaking News berichtest du vor Ort per Livestream und machst Videos und Fotos, die du per Smartphone übermittelst.»

Das tönt spannend. Gleichzeitig aber auch eher anspruchvoll. Denn von Lernen und Ausbildung ist nicht die Rede, sondern von liefern, realisieren, machen, übermitteln.

Das tönt wiederum nach billiger Arbeitskraft. Nach Ausnutzen und Akkordarbeit.

In der Regel um die 1500 Franken

Manche Redaktionen haben es zum Geschäftsmodell erkoren, das günstige Produzieren und ja – Abfüllen – mit vielen Praktikanten. Günstig bedeutet, dass Löhne zwischen null und 3500 Franken bezahlt werden.

Beteiligungen an Ausbildungskosten (MAZ, Ringier-Medienschule, Medienschule St. Gallen) sind eher im Sinken begriffen. Ähnlich wie in der Architektur scheint die Devise: «Du kannst doch froh sein, darfst Du überhaupt bei uns arbeiten. Und überhaupt: nach dem Praktikum bei uns hast Du ganz viele Arbeiten für Dein Portfolio und kommst eher irgendwo in Festanstellung unter.»

Die informative Plattform www.jjs.ch, betrieben von einem Netzwerk von Medienschaffende bis 30 Jahre, hat sich vor einiger Zeit die Mühe genommen, eine detaillierte Umfrage über Praktikumslöhne, Bedingungen und Erfahrungen zu starten. Hier die Resultate.

Das Fazit der Autoren ist klar: «Das Kapital des Qualitätsjournalismus von morgen sind gut ausgebildete Jungjournalisten. Anbieter von Praktika (…) stehen in der Pflicht, ihren Schützlingen einen Journalisten an die Seite zu stellen. (…). Redaktionen, die Praktikanten als billige Arbeitskräfte sehen, schaden der Branche.»

Hast Du spezielle Erfahrungen gemacht in einem Praktikum? Nutze unsere Kommentarspalte oder – anonym – die Anonymus Box oben rechts auf dieser Website.

 

 

5 Kommentare
  1. Heinz Sprunger
    Heinz Sprunger sagte:

    Nicht nur Praktikas sind ein Problem, auch dass gestandene Journalisten durch billigere Kräfte ersetzt werden. Aber so kann ein Chefredakteur sein Budget und seinen Posten halten. Und die Leser laufen dafür davon sozusagen.

    Antworten
  2. Schamane
    Schamane sagte:

    Noch Fragen WARUM die Qualität der Medien in den Keller geht?
    Logo das ist NICHT die Schuld der Praktikanten.
    Für den zu oft Mist, soll man als Konsument auch noch Abokosten
    aufbringen? Scheint die Verleger haben nicht mehr alle Tassen
    im Schrank.🤦‍♂️😜🤣🤣🤣

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  3. Norbi
    Norbi sagte:

    Schön dass diese unsägliche Praxis mal thematisiert wird. Auch bei CH Media werden «spannende Praktikumjobs» en masse vergeben und junge Leute dann für einen Hunderlohn gnadenlos wie Zitronen ausgepresst. So füllt man heute Zeitung.

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    • Das Nähkästchen
      Das Nähkästchen sagte:

      Zackbum hat in ein Wespennest gestochen. Bleiben sie dran, weil ein ganz betrübliches Tabuthema.

      Müsste übrigens auch unsere Gewerkschaften interessieren. Gewisse ausbeuterische Medienunternehmen sollten an den Pranger gestellt werden.

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